03.06.1809 Pockenschutzimpfung in Ottobeuren

Titel

03.06.1809  Pockenschutzimpfung in Ottobeuren

Beschreibung

Der vorliegende „Schuzpocken-Impfungs-Schein“ vom Juni 1809 ist ein relativ frühes Zeugnis über die erst seit August 1807 in Bayern eingeführte Impfpflicht.

Entdeckt wurde die Möglichkeit einer Impfung 1771; 1796 wurde sie vom deutschen Mediziner und Badearzt Gerhard Reumont (1765 - 1828) in England eingeführt, ab 1801 erstmals in Deutschland. Die bayerische Impfpflicht war lt. Wikipedia die weltweit erste ihrer Art.

Schon 1801 (!) wurde bei der Druckerei von Johann Baptist Ganser in Ottobeuren ein Büchlein des ehemaligen Klosterarztes („Reichsstifts-Ottobeurischer Rath und Physikus“) Xaver Benz gedruckt, in dem er sich mit den  Impfversuchen befasste:
Literaturzitat:
Benz, Xaver: Reine Thatsachen und bisherige Resultate über die Kuhpocken-Einimpfung, Ottobeuern [Ottobeuren], 1801, 23 S.
Sie können das Digitalisat hier abrufen bzw. lesen.

Im Buch:
Museumsverein der Stadt Vils (Hrsg.): Franzosen- und Bayernkriege im Außerfern und Allgäu. Eine Chronik von 1789 bis 1816, Reutte, 2009, 129 S., ISBN 978-3-9502839-0-7, 17 €

nennt Autor Reinhold Schrettl im Kapitel Tirol kommt zu Bayern für das Jahr 1807 auf S. 72 folgenden Hinweis: „Nachdem die meisten Eltern die Impfungen der Kinder verweigern, wird in Bayern als erstem Land der Welt am 10. August die gesetzliche Impfpflicht eingeführt.“
Der auf Seite 120 abgebildete Schutzpocken-Impfungs-Schein des königlichen Baierischen Gerichts-Bezirke Füssen der Pfarrey Vils vom 21.05.1813 ist als Vordruck mit dem Ottobeurer Schein identisch.

Geeimpft wurden zunächst Kleinkinder, nach etwa 12 Jahren verbunden mit einer Nachimpfung.

Ein weiterer Beleg aus Ottobeuren („Schutzpocken-Impfungs-Schein“) über die Pockenimpfung des – gerade einmel zwei Monate alten – Apothekersohnes Julius Maximilian Beck stammt vom 05.06.1840. Der Text:

                      A.
Schutzpocken-Impfungs-Schein

Der unterfertigte Gerichtsarzt des Königl.-Bayer. Landgerichts Ottobeuren beurkundet hiemit auf dem Grunde der Impf-Liste des Bezirks Ottobeuren vom Jahre 1840. Ziffer 37. daß Beck Julius Max: geboren zu Ottobeuren den 26ten März 1840. bei der ordentlichen öffentlichen Schutzpocken-Impfung zu Ottobeuren den 29. May 1840. geimpft worden, und daß gemäß der am 5ten Juni 1840 vorgenommenen Controle [Kontrolle], die Impfung von unzweifelhaftem Erfolge gewesen sei.

Gegeben Ottobeuren den 5ten Juni 1840.
Gerichtsarzt Dr. xxx

(Das Formular war handschriftlich vorbereitet, an einigen Stellen musste - ebenfalls handschriftlich - nur noch ergänzt werden. Auf der Rückseite handschriftlich: „Impfschein“.)

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1980 wurde die Welt für pockenfrei erklärt. In Deutschland waren Pocken (auch Blattern genannt) letztmals 1972 aufgetreten, der weltweit letzte Krankheitsfall war 1977 in Somalia. Ein Impfschein vom 18.03.1959 belegt die Impfung eines sechsmonatigen Buben im Impfbezirk Ottobeuren erneut.

Einen Hinweis auf eine Pockenschutzimpfung von Kindern in Ottobeuren am 6. Mai 1808 findet sich in den Heimatblättern (Pdf-Seite 33; Link zur pdf hier):

Heimatblätter, Beilage zum Ottobeurer Volksblatt, Ausgabe Nr. 9 vom 05.05.1933, S. 1:
Aus der Zeit vor 125 Jahren.
1. Mai. Nach der Predigt ist die königliche Verordnung in Betreff der Schutzblatternimpfung im Auszug von der Kanzel verlesen worden.
6. Mai. Herr Pfarrer hat zur Einimpfung der kleinen Kinder durch den L G. Physikus Mayer des ehemaligen Museums fratrum den mittleren Konventgang anweisen lassen, wo sie auch heute vorgenommen wurde.


Der Text des Impfscheins von 1809:
Schuzpocken-Impfungs-Schein
Daß im königlichen Baierischen Gerichts-Bezirke Ottobeuren zu Ottobeuren der Pfarrei Ottobeuren den 6ten des Monats Juni im Jahre 1809, mit Namen Sophia Berklin alt 2 Jahre, mit Schutzpocken geimpfet wurde, welche sich bei der am 8ten Tage nach der Impfung erfolgten genauen Untersuchung der Form und dem Verlauf gemäß als ächt erwiesen, und benanntes Individuum vor der Blattern-Krankheit schüzen, dafür verbürgt sich

Gegeben zu Ottobeuren den 03. Juni im Jahr 1809.
Nrus. 55
Dr. von Ehrhard, k. b.
Stadtphysikus zu Memmingen.

Der Ottobeurer Impfschein von 1809 – offensichtlich einer der ältesten überhaupt – wurde am 21.11.2021 im zweiten Teil („Freiheitsrychler in der Schweiz“) einer dreiteiligen Dokumentation von Stefan Gagstetter („Impfgeschichten aus 3sat-Land“) über die Geschichte des Impfens auf 3SAT gezeigt (Min. 3:18 - 3:26). Der Beitrag (hier verlinkt) ist noch bis 25.11.2022 verfügbar.

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Hier eingestellt ist außerdem ein Rundschreiben des Bürgermeisters Josef Hasel vom 05.11.1962 zur zweiten Schluckimpfung gegen Kinderlähmung Typ II mit Lebendvakzine. Aufgrund der ersten Schluckimpfung im Frühjahr habe es „im Sommer 1962 keine einzige Erkrankung mehr gegeben“.

2019 diskutiert man aufgrund mehr und mehr Erkrankungen in mehreren Bundesländern eine Impfpflicht zum Schutz gegen Masern und im Dezember 2021 eine ebensolche gegen Corona.

Urheber

Dr. Ehrhard, Memmingen

Quelle

Pater Rupert, Digitale Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1809-06-03

Rechte

gemeinfrei