1819 - Urkatasterkarte S.W. X. 41 von Ottobeuren

Titel

1819 - Urkatasterkarte S.W. X. 41 von Ottobeuren

Beschreibung

Die ersten topografischen Karten von Ottobeuren und den heutigen Ortsteilen - insgesamt 20 Karten von etwa 40 x 40 cm - geben spannende Details frei. Zunächst ist hier die Urkatasterkarte S.W. X.41 von Ottobeuren abgebildet (Maßstab 1:25000).

Wir sehen die Bahnhofstraße als Froschgasse, den Alexanderbrunnen auf dem Marktplatz, die Herrn-Gasse (heute Teil der westlichen Luitpoldstraße), die Leder-Gasse (heute Alexanderstraße), im Ämtergebäude waren das Königliches Landgericht, Rentamt und Forstamt untergebracht. Viele der eingetragenen Flurnamen sind heute längst in Vergessenheit geraten. Im Vergleich zu heute war Ottobeuren ein winziger Ort!

Die Karte ist rechts unten unterschrieben: „Für richtige Bestimmung und Aufnahme haftet Nicolaus Taucher Geo(graph)“. Die in schwarz eingezeichneten Hausnummern galten noch bis 1950. Die Bedeutung der roten Nummern ist noch nicht geklärt. Wie die schwarz geschriebenen Hausnummern zustande kamen - sie beziehen sich nicht auf Straßennamen - wird anhand des äußerst wertvollen Artikels von Hermann Köbele über die Hausnamen deutlich, denn er erklärt uns die Abfolge. Wohlgemerkt, aus der Sicht von 1938 (falls Sie die damaligen Betriebe und Personen nicht mehr alle nachvollziehen können)! Hier die entscheidende Passage:

„Interessant ist, daß die heutige [1938 gültige] Zählweise schon 1780 feststeht. Die beginnt beim Mohren, d.h. beim „unteren Markt“ (d. i. nördlich der Brücke beim Rathaus), zählt zur Kirchentreppe, von Fergg zur „Rose“, links den „Berg“ hinaus, rechts herunter. Dann den Schmied und die Hirschgarage, die untere Mühle, die Klosterwaldstraße links, dann rechts, von Plersch zur „Sonne“ und zur Brücke, Hirsch, Raith, Rathaus, König. Wiedenbauer, dann über den Steg zum Hasenbäck, vor bis Rinderle, zurück bis zur Brücke bei Krumm, dann die Alexanderstraße (früher „Färbergasse“) links hinaus zum Krautgarten, dann rechts herunter bis Leinauer. Nun folgt die Adolf-Hitler-Straße (damals „Froschgasse“) [seit Mai 1945 wieder Bahnhofstraße], beginnend mit Albrecht, sodann links hinauf bis Metzger Mayer (beim „Wesbacher“) und rechts herunter bis Schaber. Die alte „Rettenbacher Straße“ wird nun eingeschaltet bis zur „Schießstatt“ (rechts stand kein Haus) und zum „Regendächler“, dem einzigen alten Haus der Schützenstraße. Von da gehts auf Nr. 95 (Bahnhofstraße neben Werner) und diese Straße links hinauf bis Fintan Mayer. Ein Seitensprung in die Ludwigstraße – erst links, dann rechts wieder herunter – und Fortsetzung von „Radfahrer-Mayer“ an bis Specht (beim „Gassengerber“ oder beim „Deitl“ nach dem Rotgerber Deutel 1771).    Mit der Saarlandstraße [nach Mai 1945 wieder Luitpoldstraße] beginnt der obere Markt. Links hinauf bis „Post“, dann Petrich bis Aug. Ripfel, dann hinüber auf Nr. 126 (Jos. Ripfel) und „Stocker Mayer“. Fortsetzung bei Kugelmann und links hinauf bis Schreiner Kuhn, rechts herunter bis zur oberen Schmiede; nun Häuserblock „Wägeleschuster“, „Schwägelehafner“, Krämer Epple. Die Saarlandstraße wird nun übersprungen. An dem großen Haus der ehem. Gerberei Karl Ripfel sehen wir Nr. 3. Der alte „Hofsattler“ Ripfel stand nämlich früher am Marktplatz neben dem Lammwirt und hat später Haus und Nummer hierherverlegt. Mit dem alten Keidlerhaus – Nr. 141 – geht die Numerierung flott weiter. Es folgen Kas. Raith, Wegmann, Keidler, Sailer,

Seite 12, 5. Jahrgang, Nr. 3 „Lueg ins Land“      
Beilage zum „Allgäuer Beobachter“

Baur, dann Schuster Merk und Autokohler. Mit der Heimat des Orgelbauers Holzheu Nr. 149 (heute Immerz) und des Schreiners Fröhlich Nr. 150 (heute noch Fröhlich), einem stattlichen Doppelhaus, betreten wie die „Lindenstraße“. Hier wieder links hinauf und rechts herunter bis zur „Linde“ (Nr. 158). Jetzt gehts über die Brücke zum „Bachmaurer“ (schon 1771 ein Maurer namens Bayer), von da ein Stück der „Mühlbachstraße“ links hinauf, dann linke Seitengasse und Parallelgasse zur Günz (linke Seite) bis zu den romantischen Holzhäuschen am Steg. Von da wird die Günz konsequent aufwärts verfolgt bis zur „oberen Mühle“ (Nr. 171), dann der Mühlbach abwärts bis zur Mühlbachbrücke (Nr. 172, 173, 174, 175). Es folgt die „obere Straße“, beginnend mit Neher (Nr. 176) links aufwärts, rechts abwärts bis Küfer Kajetan Huber, dann die im Halbkreis um Huber liegende Häusergruppen (mit dem romantischen alten Holzhaus Nr. 195 „beim Schweikhart“) worauf die Mühlbachbrücke wieder überschritten wird. Die Restgruppe bilden Mayrock, Hollweck, Weitenauer, Epple, Ed. Mayer, König. (Nr. 203.) Nun wird wieder hinausgezählt zur Bleiche (204 und 205), zum Totengräberhaus am Friedhof (206) und nach Eldern. Nach der Säkularisation mußten auch die dem Kloster gehörenden Gebäude numeriert werden, jedoch bestand selbst 1830 darüber noch keine Klarheit. Zunächst gab man der Apotheke 211 und schob die ehem. Amtswohnung des Notars Biesenberger (heute Kinderschule) als Nr. 15 in die Reihe ein. 212 aber gab man dem Neubau des Hafners Vögele in der Rettenbacher Straße – ein Beweis, daß die Umstellung Schwierigkeiten machte. Schließlich bekam 212 die „obere Apotheke“, 213 Josefinenfeld, 214 der „Scharfrichter“ (Vollmar), 215 das „Armenhaus“, 216 ist Schulhaus, 217 St. Sebastian usw. Beim Kloster kam man erst nach 1855 auf Nr. 226. (Im Kataster steht noch 6 ½!) Alle höheren Nummern sind Neubauten, selbstverständlich auch die meisten geteilten Nummern, deren Kompliziertheit hat auch schon die Frage nach einer Neunumerierung nach städtischem Muster (straßenweise) aufkommen lassen. Der heimatgeschichtliche Gedanke spricht dagegen. Erstens ist die Numerierung bis 210 nunmehr schon 157 Jahre alt, zweitens heben die ganzen Nummern die alte Ortsanlage plastisch heraus und zeigen dem Liebhaber der alten Heimat aufs deutlichste jene Hausgründungen, auf denen sein Verwachsensein mit Blut und Boden beruht. Die Gleichgültigkeit mancher Leute gegen ihre Hausnummern beruht bloß auf Unkenntnis der Hausgeschichte. In Kempten hat durch die rührige Tätigkeit des Heimatvereins fast jedes Haus schon seine Tafel. Auch in Steinbach und in Unterthingau sah ich solche Haustafeln. Bei uns ist nicht einmal das Geburtshaus Karl Riepps gekennzeichnet – eines Mannes von europäischem Ruhm! (Es ist das „Mesnerhaus“ in Eldern.) Die einzigen – und dabei historischen – Tafeln befinden sich an den beiden Mühlen. (Bemerkenswert auch das neue Fresko am „Gefängnis“.) Die Schaffung solcher Tafeln ist für uns wichtiger als eine neue, alles gleichmachende Numerierung!"

Den Gesamtartikel (in drei Teilen) zu den Ottobeurer Hausnamen finden Sie hier.

1800 war mit der Gründung des Bureau topographique militaire de l'Armée (ab 1801 nach dem Abzug der Franzosen das Topographische Bureau) die amtliche Kartografie in Bayern begonnen worden, die erste bayerische Landesaufnahme erfolgte zwischen 1817 und 1872. Bayern war das erste Land Europas, das exakt vermessen wurde.
Aufgrund der Dateigröße wurde hier zunächst eine Webversion eingestellt, eine Version in Druckqualität (mit 300 dpi, 27,5 MB) finden Sie auf dem Reiter rechts unten.

Die Karten wurden von Peter Schwägele vom Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in Memmingen (vormals: Vermessungsamt) zur Verfügung gestellt.
Unter Beibehaltung der vielen Bleistift-Nachträge, teilrestauriert von Helmut Scharpf, 02/2015. Eine Militärlandkarte von 1824 finden Sie hier. Bei Wikipedia finden sich interessante Ausführungen zur Geschichte der Topografie.

Bis zum Jahr 1876 hat sich von der Ortsausdehnung wenig verändert. Der Ortsplan von 1876 ist hier abrufbar.

Urheber

Nicolaus Taucher

Quelle

Peter Schwägele, Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in Memmingen

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1819

Rechte

gemeinfrei