14.08.1994 100 Jahre Radfahr-Verein, 1894 - 1994, Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum

Titel

14.08.1994  100 Jahre Radfahr-Verein, 1894 - 1994, Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum

Beschreibung

Festschriften von Vereinen sind wegen ihrer Chroniken und Zusammenfassungen immer auch eine hervorragende Quelle, um die Geschichte eines Vereins nachzuvollziehen. So gibt auch die 40-seitige Schrift des Radfahrvereins Auskunft über dessen Werdegang, der von 1939-1979 längere Zeit unterbrochen war. Im Dritten Reich wurden die Räder eingezogen und teils eingeschmolzen.

Über die Vereinsgründung im Jahre 1894 ist im Verein nichts bekannt, im August 1904 erschien im Ottobeurer Wochenblatt jedoch eine „Einladung zum 10-jährigen Stiftungsfest des Radfahrer-Vereins Ottobeuren“. Erst seit 1921 sind mehr Dokumente vorhanden (Fahrt nach Paris). Die eigene Recherche von OMG ergab: Im Ottobeurer Wochenblatt Nr. 28, S. 1, vom 12.07.1894 wurde vom „Ausschuß“ für den 17.07.1894 zur Generalversammlung mit „Verteilung der Statuten und Aufnahmsfakten für Aktive und Ehrenmitglieder“ in die Linde aufgerufen. Das vorbereitende Treffen führte am am 23.09.1994 zur Gründungsversammlung, die in Ausgabe 38 vom 20.09. auf S. 1 wie folgt angekündigt war:

Radfahrerverein Ottobeuren (Bild eines Hochrades)
hält Sonntag den 23. ds. Mts. sein Gründungsfest verbunden mit einem Vereinsrennen. Anfang desselben präcis 1 Uhr Nachmittags. 1/2 4 Uhr Corsofahrt durch die Straßen des Marktes, dann Preisverteilung und gesellige Unterhaltung mit Musik im Bräuhaus-Garten.
(Die Vereinsmitglieder haben bis 12 Uhr Mittags im Club-Local zu erscheinen.)
Der Ausschuß.

Ein Bericht über den Gründungstag – der immerhin 75 Mitglieder erbrachte – erschien dann in Ausgabe 39 auf S. 3 (muss noch abgeschrieben werden).
Am 6.12.1894 erschien noch ein Zweizeiler mit Ankündigung einer „Versammlung im Clublokal“, am 27.12. dann die Einladung zur „Christbaumfeier“ am 30.12.1894 in den Mohren.

Zeitweise nannte sich der Verein auch „Radsport-Verein Ottobeuren“, doch verstand man sich über die Jahre dennoch im Wesentlichen als geselliger Verein. Im – 2016 aufgelösten – Vereinsarchiv findet sich zumindest eine „Aufnahmskarte“ für Georg Mayer (Mitglieds-Nr. 2 vom 23.09.1894), der in Ottobeuren eine Fahrradhandlung betrieb. Eine von der Marktgemeinde Ottobeuren am 29.08.1899 ausgestellte „Radfahrkarte“ für den Schlossermeisterssohn Georg Plersch zeigt, dass das Rad fahren auch in Ottobeuren reglementiert war. Und mit einem Gebührenbescheid vom 03.03.1898 für Georg Mayer über 1 Mark ist belegt, dass die Gemeinde bei uns an der neuen Art der Fortbewegung mitverdiente. Ob es auch in Ottobeuren eine „Velociped-Prüfung“ (in der Schweiz sagt man noch heute „Velo“ zum Fahrrad) oder – wie in Kaufbeuren – sogar Nummernschilder für Radfahrer gab, ist nicht bekannt. In den Zeitungen wurde in den Gründungsjahren noch für „Hundebomben“ geworben.

Einige Jahre vor der Gründung erschien in der Lokalzeitung ein Artikel über die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens

Ottobeurer Wochenblatt Nr. 46 vom 14.11.1889, S. 4:
Ist das Radfahren gesund? Der geheime Sanitätsrath Professor von Nußbaum in München veröffentlicht über dieses Thema in der [Zeitschrift] „Gartenlaube“ eine höchst interessante Betrachtung, welche wir namentlich Eltern, die ja vielfach befürchten, die Bewegung beim Radfahren sei heranwachsenden Söhnen schädlich, zur Lektüre empfehlen möchten. Professor Nußbaum tritt für den Radsport warm ein und nicht nur der Jugend emphielt er ihn, wenn er mit Maß betrieben wird, sondern allen Leuten, Herren und Damen, welche an Verdauungs-Beschwerden, Hämorrhoiden, Kreuzschmerz oder schlechtem Athem leiden, eine schmale Brust oder nur wenig verschiedene Ein- und Ausathmungsmaße haben, auch solchen, die in Folge von Fettbildung einen beengten Blutlauf und eine beeinträchtigte Herzbewegung zeigen; endlich bezeichnete er das Radfahren für das große Heer der nervösen Qualen als äußerst lobenswerthes Heilmittel.

Die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens griff auch Sebastian Kneipp auf: Das Ottobeurer Wochenblatt (Nr. 17 vom 25.04.1894, S. 3) kündigte zum Stiftungsfest des Radfahrvereins Wörishofen und zum ersten schwäbischen Unionsfest der A.R.-U. („Allgemeine Radfahrer-Union“) für den 14.05.1894 einen Vortrag des „Herrn Prälaten Kneipps über den gesundheitlichen Werth des Radfahrens“ an.

Zum Inhalt der Festschrift:
Einhundert Jahre Ottobeurer Radfahrverein   S. 1
Grußwort des 1. Vorsitzenden Friedrich Nuska   S. 3
Grußwort von Bürgermeister Peter Heil   S. 5
Grußwort von Landrat Dr. Hermann Haisch   S. 7
Grußwort von Abt Vitalis Altthaler   S. 9
Der Radsportverein Ottobeuren von 1894   S. 11-17
Radfahrvereine der Region in den zwanziger Jahren   S. 18
Die Wiedergründung des Ottobeurer Radsport-Vereins 1979   S. 19-21
Gründungsmitglieder und Vorstände des wiedergegründeten Vereins   S. 23-27
Die Entwicklung des Fahrrades   S. 29-33
Kuriositäten rund ums Fahrrad   S. 35-39
In eigener Sache / Impressum   S. 40

Auch die geschaltete Werbung ist interessant:
Fahrrad Epple (Memmingen) / Hypobank Ottobeuren, Luitpoldstr. 5 / Raiffeisen-Volksbank Bad Wörishofen-Ottobeuren eG / Sparkasse Memmingen-Mindelheim / Kurverwaltung Ottobeuren / Blumen Stock / Textil & Mode Renate, Bahnhofstraße 20 / Allianz Hailer, Marktplatz 4 / Gastof Mohren, Marktplatz 1 (= Vereinslokal) / Edelstahl-Technik Robert Plersch, Hawangen / Café Walcher, Woringen / Autohaus Köpf und Högg, Rudolf-Diesel-Straße 3 / Buschelstuben, Am Galgenberg 4 / Elderner Kaminstuben, Ch. Natalucci / Fa. Berger, Egerländer Straße 7 / Autohaus Kohler, Luipoldstraße 38 / Gasthaus Adler und Fach-Getränkemarkt Munding, Frechenrieden / Landmarkt Ottobeuren / Autohaus Huber / Café Günztal-Stuben, Piechlerstraße 47 / Brandner Reisen / Bahnhof-Restauration Woringen / Schreiwaren Fergg, M. Friedrich, Marktplatz 16 / Fleischer-Fachgeschäft Fischbach / Autohaus Hans Ströbele, Inh. W. Baum, Eldern 5 / Bäckerei Johannes Frisch, Bahnhofstraße 43 und Mühlbachstraße 3 / Druckerei Honold, Memmingen / Autohaus Maier (Fiat) / Heizung, Sanitär, Spenglerei Raith, Ulrichstraße 1

Literaturzitat:
Radfahrverein Ottobeuren [Hrsg.]: 100 Jahre Radfahr-Verein, 1894 - 1994, Festschrift zum 100jährigen Jubiläum, Memmingen (Honold), 1994, 40 S.

Ein Radfahrerbild (Übergang Ulrichstraße / Alexanderstraße) von ca. 1905 können Sie hier abrufen.

Dass die Festschrift als letztes Dokument für 2016 (am 31.12.) ins virtuelle Museum eingepflegt wurde, hat einen aktuellen Anlass:
Die Geschichte des Vereins ging mit dem Jahr 2016 – nach immerhin 122 Jahren – nunmehr zu Ende; die beim Registergericht Memmingen beantragte Vereinsauflösung wurde vollzogen. Letzte Vereinsaktivität war die Weihnachtsfeier am 9.12.2016. Die Auflösung war im Dezember 2015 vorbesprochen und bei der letzten Jahreshauptversammlung im März 2016 beschlossen worden. Von den zuletzt noch 47 Mitgliedern - davon etwa 20 über 80 Jahre - waren noch acht aktive Radfahrer, alle mit E-Bike. Ältestes Mitglied war Martin Fauter (*1920), das jüngste Mitglied war Jahrgang 1947. Seit 2003 befand sich das Vereinslokal in der Kaserne, davor 15 Jahre lang im Mohren, davor wiederum im Bräustüble (unter Wirt Mösle). Alle vier Wochen traf man sich zum sogenannten Monatstreff. 2016 radelte der Verein zum 30. Mal zur traditionellen Sternfahrt am 15.8. nach Maria Baumgärtle. Ansonsten gehörten der Antikhof in Günz und das Hofcafé in Lauben zu den beliebtesten Zielen.
Der Mitgliedsbeitrag betrug zuletzt 15 € (Familien 25). Das Restvermögen ging an die Marktgemeinde Ottobeuren zur Nutzung für karitative Zwecke.

Dem letzten Vorsitzenden des Vereins, Georg Sigl, sei für die Zurverfügungstellung der Festschrift herzlich gedankt.
Abrufbar ist hier auch das Programm der Jubiläumsfeier 110 Jahre Radfahrverein Ottobeuren vom 14.08.2004.

Urheber

Radfahrverein Ottobeuren

Quelle

Georg Sigl

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1994-08-14

Rechte

gemeinfrei