19.06.1889 - Fronleichnamsprozession mit Abt Eugenius Gebele
Titel
Beschreibung
Erstmals seit 12 Jahren kam wieder ein Abt aus St. Stephan nach Ottobeuren. Dr. Eugen(ius) Gebele kam nicht nur für ein Pontifikalamt in die Klosterkirche, er führte auch die hier abgebildete Fronleichnamsprozession an.
Für die Prozession waren eigens mehrere Altäre neu gefertigt worden. Abgebildet ist die Station mit dem neuen Altar vor dem Rathaus. Der ganze Markt war feierlich beflaggt und bekränzt. Die Aufnahme machte Vitus Reisacher (1851 - 1913), Brudes des bekannten Wolfertschwendener Malers Sylvester Reisacher. Allerdings fotografierte auch Sylvester selbst. Die Schwester der beiden hatte einen Schober aus Ottobeuren geheiratet. Die Herkunft der Reisachers war sehr bescheiden, es waren Söldnersbuben und Leinenweber. Ein Bruder blieb dort Dorfanstreicher.
Vitus betrieb in Wemding ein Fotoatelier. Das Bild wurde fürs Geschichtsprojekt rekonstruiert (Buchmiller/Scharpf) - auf dem vergilbten Original ist leider nicht mehr viel erkennbar, die Rekonstruktion gibt jedoch faszinierende Einblicke frei.
Das Ottobeurer Wochenblatt berichtete am 21. Juni 1889 auf Seite 3 (bzw 119). Der Wortlaut ist hier (in der originalen Orthographie) wiedergegeben:
Die Frohnleichnamsfeier in Ottobeuren.
Oft schon riefen die tiefernsten Hosanna-Klänge die Gläubigen in den Alexander-Münster, aber so bedeutungsvoll dürfte der Hosanna-Ruf seit vielen Jahren nicht mehr gewesen sein wir am letzten Mittwoch, (19. Juni) denn dieser Tag war bestimmt zum feierlichen Einzug des hochwürdigsten Abtes von St. Stephan Dr. Eugen Gebele, welcher nach kanonischem Rechte zugleich Pfarrer von Ottobeuren ist. - Der ganze Markt war feierlich beflaggt und bekränzt. Vielen Chaisen fuhren bis nach Sontheim um dem hohen Insulirten das Ehrengeleite nach Ottobeuren zu geben. Sechs schmucke flotte Reiter in blau-weißen Schärpen und schwarzer Wichs verschönerten diesen Zug. Der Hr. Bürgermeister Kimmerle, Kirchenpfleger Schropp und einige Räthe waren ebenfalls zur Begrüßung nach Sontheim gefahren. - Nach 12 ½ Uhr Mittags kam der feierliche Zug zum Portale, wo ein sehr schöner Triumphbogen errichtet war mit passender Inschrift dahin führte eine via regia mit Fähnchen geziert. - Vor dem Portale war die Schuljugend Ottobeurens mit den Zöglingen von Klosterwald aufgestellt. Zuerst wurde ein vom Hrn. P. Koneberg verfaßtes und vom Hrn. Lehrer Vicari componirtes Lied gesungen und dann folgte die Declamation der von P. Koneberg verfaßten Gedichte. - Nun bestieg der hochw. Pfarr-Vikar P. Hermann die Tribüne und hielt an den Hochwürdigsten Abt Eugen I. eine tiefempfundene und passende Rede, die Alle ergriff und dem hohen Herrn aller Herzen gewann. Der hochwürdigste Herr Prälat zog nun die Pontificalien an und schritt in majestätischer Würde und Haltung unter Vorantritt des Clerus an den Kreuz-Altar, während der Chor das Magnificat anstimmte. Nach Beendigung des erhebenden Gesanges bestiegen S. Gnaden das Känzelchen und hielten mit Mitra und Stab eine herrliche Anrede an die Versammelten,, Worte, die vom Herzen kamen und zum Herzen drangen; kurz man konnte auf den Gesichtern von Jung und Alt lesen: „Abt Eugenius ist unser Vater, das ist der rechte Mann!“ Am Schluß der Rede folgte vom Hochaltare der sakramentale Segen. Nun wurde der Magistrat und die Kirchenverwaltung empfangen. - Dann folgte das Mittagessen. Am Nachmittage machte Abt Eugenius den H. H. Beamten und Bürgermeister Kimmerle Besuch, die alle zur Tafel auf morgen geladen wurden. Am Abende überraschte eine Serenade die Tischgesellschaft. Dieselbe wurde von der hiesigen Blechmusik unter Leitung von Hr. Martin Fritz im obern Garten vor dem Refektorium dargebracht, vor dem drei schöne Fahlen wehten - weiß-roth (kirchlich), weiß-gelb (päpstlich), weiß-grün (Markt Ottobeuren). - Nach dem zweiten Stück: Chor aus dem Nachtlager von Granada hielt Hr. Bürgermeister Kimmerle eine vortreffliche Rede, weithin vernehmbar. auf die der gefeierte Gast in herzlichster Weise antwortete. Sehr viele Anwesende freuten sich ob der gehörten Reden.
Doch die Hauptfeier blieb das Frohnleichnamsfest. Seit 12 Jahren war in Ottobeuren kein Poniticalamt vom Abt von St. Stephan, daher darf es uns nicht wundern, daß Alles sich freute auf diesen Tag, und die Brüder Theodor, Anton und Alexander und Meister Breher haben wirklich einen herrlichen Thronsessel angefertigt zu diesem Zwecke. - Der hochw. P. Sigisbert, Sekretär des Abtes hat als Ceremoniar die hl. Handlung geleitet. - Die Prozession hatte den gewöhnlichen Verlauf nach dem im Vorjahre gedruckten Programme unter Leitung der freiwilligen Feuerwehr, nur daß die Anwesenheit des Abtes Eugen, welcher das Allerheiligste trug die Feier sehr erhöhte. Allgemeinen Anklang fand die erfreuliche Thatsache, daß der erste und dritte Altar neu angeschafft wurde. Es war das längst ein schreiendes Bedürfniß. Hr. Alfons Raith, der Architekt verdient alle Anerkennung, ebenso Hr. Bräuhausbesitzer Geiger, der den dritten Altar unseres Wissens auf eigene Kosten herrichten ließ, während den ersten die Marktgemeinde besorgte. Möchte übers Jahr auch der zweite Altar neu geschaffen sein.
Die neugeweihte Fahne des kath. Gesellenvereins mit ihren vielen Schleifen wurde zum erstenmale mitgetragen, sie gefiel allenthalben. Das Wetter war ganz erwünscht, die Feier erhebend.
Die Devotionale zum Einzug des Abtes in der Kirche ist hier abgebildet.