30.04.1897 - Verleihung des Ottobeurer Heimatrechtes an den Söldner Michael Leuchtle
Titel
Beschreibung
Ein Umzug von der damals selbständigen Gemeinde Betzisried in den Markt Ottobeuren zog 1897 einen Verwaltungsakt nach sich, an dessen Ende die Verleihung einer Urkunde über das Heimatrecht stand.
Es geht zwar aus der Urkunde nicht hervor, wer den Beschluss am 5. April 1897 letztlich fasste, unterzeichnet ist die Urkunde jedenfalls von Bürgermeister Anton Frey. Der Söldner Michael Leuchtle musste dafür eine Gebühr von 2 Mark berappen.
Das gemeindliche Formular Nr. 248 aus dem Münchner Verlag Carl Gerber hat den Wortlaut:
Urkunde über
Verleihung des Heimatrechtes.
Durch Beschluß vom 5. April 1897 wurde dem Herrn Michael Leuchtle, Söldner, bisher beheimatet in Betzisried das Heimatrecht in der Markt-Gemeinde Ottobeuren auf Grund des Art. 6 des Gesetzes vom 16. April 1868 über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt verliehen.
Urkundlich dessen
Ottobeuren, am 30. April 1897
Marktgemeinde-Verwaltung
Frey, Bürgermeister
Von der Tochter Rosalia Leuchtle ist von 1879 ein Abschlusszeugnis der für Betzisried zuständigen Schule in Hofs erhalten. Vom neuen Wohnort in der Klosterwaldstraße 22 (nach heutiger Nummerierung) ist hier ein Gemälde des alten Bauernhauses abrufbar. Michael Leuchtle stammte ursprünglich aus Westerheim und zog mit seiner Frau Marianne (*24.03.1845 in Oberwesterheim, geb. Kirchensteiner, Heirat am 08.08.1864) (vermutlich) nach Unterbetzisried. Zwei kleine Unglücksfälle (es starben ein Pferd und eine Kuh) bedeuteten in den kleinen Landwirtschaften schnell die existenzbedrohende Katastrophe. Der Hof ging in die „Gant“, wurde also zwangsversteigert. Mit dem Geld kaufte sich das Ehepaar Leuchtle den kleinen Hof in der Klosterwaldstraße mit zwei Kühen. Er verdingte sich zusätzlich als Söldner, also als Tagelöhner. Herr Leuchtle (*am 02.01.1836 in Sontheim, hier als „Leichtle“ bezeichnet) starb am 06.07.1900 mit nur 64½ Jahren an einem Lungenleiden. Der Umzug nach Ottobeuren muss wegen der gesetzlichen fünfjährigen Wartefrist schon 1892 erfolgt sein.
Das Gesetz von 1868 ist bei Google Books abrufbar. Der Wortlauf von Artikel 6:
Anspruch auf Verleihung des Heimatrechtes in der Aufenthaltsgemeinde haben jene Angehörigen des bayerisches Staates, welche im Alter der Volljährigkeit*) ununterbrochen während der fünf ihrer Bewerbung unmittelbar vorausgehenden Jahre freiwillig**) und selbständig in der Gemeinde sich aufgehalten, während dieser Zeit direkte Steuern an den Staat bezahlt, ihre Verpflichtungen gegen die Gemeindekasse und Armenkasse erfüllt, Armenunterstützung aber weder beansprucht noch erhalten haben.
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*) Eine Person, welche auf Grund dieses Artikels das Heimatrecht erlangen will, muß schon bei Beginn der fünfjährigen Aufenthaltsfrist das Alter der Volljährigkeit erlangt haben.
**) Der Aufenthalt muß freiwillig und ununterbrochen gewesen sein. Wer im Laufe der fünfjährigen Periode sein Domizil in der Gemeinde verliert, oder eine Freiheitsstrafe, wenn auch selbst in der Gemeinde eingesperrt zu erstehen hatte, dessen freiwilliger Aufenthalt erscheint als unterbrochen. Von einem Soldaten kann auch nicht gesagt werden, daß er sich freiwillig an seinem Garnisons-Orte aufhalte.
Als selbständig sind nicht zu erachten:
1) Personen, welche auf Grund richterlicher Verfügung unter Curatel stehen;
2) Dienstboten, Gewerbsgehilfen und Haussöhne, welche im Brode des Dienstherren oder Familienhauptes stehen und keine eigene Wohnung haben.
Die Artikel 4 oder 5 zu lesen, ist durchaus interessant. Unter Artikel 4 ist festgelegt: Die Ehefrau folgt der Heimat des Mannes, dessen letzte Heimat sie auch als Witwe behält. (...)
Oder Artikel 5:
Mit dem Bürgerrechte wird das Heimatrecht in der Gemeinde erworben. Wer das Bürgerrecht in einer anderen Gemeinde nur in Folge Hausbesitzes oder unter Beibehaltung seines bisherigen Bürgerrechts erwirbt, erlangt das Heimatrecht in jener Gemeinde nur dann, wenn er durch eine an die Verwaltungen beider Gemeinden abgegebene Erklärung aus sein bisheriges Heimatrecht verzichtet und das Heimatrecht in der Gemeinde anspricht, in welcher er zuletzt Bürger wird.
Das ist fast so kompliziert wir heutzutage die Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft! Wenigstens ist das Ummelden eines Wohnsitzes im Bürgerbüro etwas unkomplizierter ...
Die vorliegende Urkunde wurde dankenswerterweise von Heimatdichter Hermann Schmid zur Verfügung gestellt und von Helmut Scharpf digital aufbereitet. Michael Leuchtle war der Urgroßvater von Herrn Schmid.