16.11.1919 - Ansichtskarte vom Hof in Niebers 31

Titel

16.11.1919 - Ansichtskarte vom Hof in Niebers 31

Beschreibung

Drei von sieben Geschwistern stehen vor dem elterlichen Hof: der damals 14-jährige Josef Vollmar und seine Schwestern Anna (links) und Viktoria (rechts). Anna heiratete einen Schlegelsberger, Viktoria einen Lachener Bauern.
Schon die Zeit des 1. Weltkrieges war schwer: Vater Georg musste einrücken, seine Frau Viktoria (geb. Rottach oder Rothach) stand wegen des Zukaufs des benachbarten Briechle-Hofs vor einem Berg Schulden und hatte zusätzlich sechs Kindern durchzubringen – keine leichte Aufgabe. Bis der Vater zurückkehrte, schaffte es die Familie immerhin, einen Großteil der Schulden abzubauen – und das mit nur fünf Kühen. Der Name Vollmar kam durch Einheirat Georgs nach Niebers.

Josef sollte schon ein Jahr nach der Aufnahme – 1920 – nach Brasilien auswandern. Für die Überfahrt verdingte er sich auf einem Schiff als Heizer, in Brasilien arbeitete er unter äußerst schwierigen Bedingungen als Schweißer. Nachdem er an Malaria erkrankt war, zog er weiter in die USA, wo er sich in Trenton (83 km südwestlich von New York) niederließ, um wiederum als Schweißer zu arbeiten.
Schon in Niebers, das bis zur Gebietsreform 1978 zu Lachen gehörte, hatte Josef – in Lachen – eine Freundin. Sie zog zu ihm, sie heirateten und bekamen drei Kindern von denen 2018 noch eine Tochter dort lebt. Josef besuchte die alte Heimat immer wieder, zuletzt 1966.

Die Familie Vollmar – der Großvater des heutigen Hofbetreibers stammt aus dem Vollmar-Hof südlich der Tankstelle Maier – musste eine Reihe von Schicksalsschlägen hinnehmen. Drei Brüder von Josef, Theodor († 1941), Georg jun. († 1943) und Max, fielen im zweiten Weltkrieg, einer liegt in Finnland, einer in Frankreich, Max blieb vermisst in Russland. Kurz vorher – 1938 – hatte sich die Mutter wegen einer Krebserkrankung vor einen Zug der Lokalbahn Ottobeuren-Ungerhausen geworfen. Der Vater des heutigen Betreibers (Josef), Anton, musste den Russlandfeldzug mitmachen, kam in russische Kriegsgefangenschaft, erkrankte schwer und kam anschließend – bis 1948 – noch in französische Kriegsgefangenschaft. Georg blieb allein zurück, unterstützt von seiner Tochter Viktoria. Zur weiteren Unterstützung in der Landwirtschaft waren zwei 12-jährige Polen zugeteilt worden, die noch lange nach dem Krieg den Kontakt hielten.

Georg Vollmar schreibt an seine Schwester – Elise Madlener – in Weilheim. Sie war dort mit dem Baumeister Ludwig Madlener verheiratet. Die Familie Madlener war damals auch in Ottobeuren präsent; ob mit Weilheim verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, ist noch unklar. Hier geht es zu einer Karte vom Juli 1909, die ebenfalls nach Weilheim ging.

Die Angelus-Glocke – sie wird noch heute dreimal täglich (6 Uhr, mittags und um 19 Uhr) geläutet – war früher auf einem Nachbarhof des Bauern Josef (?) Briechle, Niebers 29 (mit 120 Tagwerk). Dieser war jedoch so überschuldet, dass er vor dem 1. Weltkrieg alles verlor. Die Vollmars kauften seinen Grund und brachen den Hof 1914 ab. Die Glocke wurde auf das eigene Haus Nr. 31 übernommen. (Niebers 29 stand westlich von Haus Nr. 31.)
Der Vater der drei abgebildeten Kinder – Georg Vollmar († 1960) – hielt es in den 1950er Jahren mit dem Angelus-Läuten so, dass er um 12 Uhr die Heugabel in den Boden steckte, seinen Hut darauf platzierte, auf die Knie fiel und betete. Damals läutete Antns Frau von Hand, heute läuft alles automatisch ab.

Das Foto zeigt den Hof noch ohne den heutigen Wiederkehr: Zunächst war von Georg 1931 ein Stall angebaut worden, 1963 wurde von Anton der Wiederkehr weiter nach Süden verlängert.

Hier ein Link zum aktuellen Google-Luftbild.

Die Aufnahme wurde am 16.11.1919 als Bildpostkarte verschickt (Poststempel Ottobeuren, 17.11.1919), der Bildteil wurde herausvergrößert.

Zum Text:

Niebers, den 16.11.19.
Liebe Schwester!
Zum kommenden Namenstag wünschen wir dir alles Gute an Leib und Seele. – Für die Erfüllung meines Wunsches dem Ludwig herzlichen Dank. Geld folgt nächstens.
Herzlichen Gruß an Alles von uns Allen.
Dein tr. Br. [treuer Bruder] Georg.
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Zur Geschichte von Niebers hier eine Fundstelle aus dem zweiten Band von Pater Maurus Feyerabend über die Zeit kurz nach dem Jahr 1500:

S. 782 (Jahr 1508)
Mit dem Abte Mathäus Ackermann konnte,

S. 783
und wollte man sich nicht mehr länger gedulden; besonders nachdem er seinem feierlichen Versprechen zuwider, anstatt zur guten Ordnung zu helfen, sich manche Unordnung erlaubt, in die Verwaltung sich eingedrungen, und das benachbarte Weiler Niebers, jetzt Liebes genannt, zum Nachtheile des Stiftes an den Erbmarschall von Pappenheim käuflich für immer veräussert hatte; man suchte ihn also auch zur Niederlegung der abteilichen Würde zu bewegen, welches er sich gegen die Versicherung einer äbtlichen Verpflegung, wie er dieselbe bis dahin genoß, im Monate Hornung des folgenden Jahres [Februar 1509] gefallen ließ, und die abteiliche Würde in die Hände des Generalvikars, und damaligen Kanonikers zu St. Gertrud in Augspurg, Georg Alandtse niederlegte.* Abt Mathäus lebte nach der Resignation in seinem Kloster noch vier Jahre, und starb im J. 1512 am 23ten Tage des Wintermonats. Dessen Leichnam wurde in dem so genannten Kreuzgange begraben, und dessen Andenken erhielt das alte Todtenbuch, und eine kurze Grabschrift. ** Während seiner (…)
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Heute (2024) ist Niebers mit seinen fünf Wohnhäusern ein Ortsteil von Ottobeuren, aber anders als Wolferts oder Brüchlins gehörte man vor der Gebietsreform zur Gemeinde Lachen, nicht zu Haitzen.

Sammlung Helmut Scharpf, 11/2018, Interview mit Josef Vollmar am 12.11.2018.

Urheber

unbekannt

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1919-11-16

Rechte

gemeinfrei