17.04.2023 – Der erste „Numbat“ im Unterallgäu geht auf dem Fenebergparkplatz Ottobeuren in Betrieb.

Titel

17.04.2023 – Der erste „Numbat“ im Unterallgäu geht auf dem Fenebergparkplatz Ottobeuren in Betrieb.

Thema

Elektromobilität, Ladesäule

Beschreibung

Die Schnellladesäule - ein sogenannter High-Power Charger - auf dem Fenebergparkplatz in Ottobeuren ist mit einer Höhe von 2,40 m nicht zu übersehen. Aufgestellt wurde er von einem Startup aus Kempten, die Numbat GmbH. (Das Akronym steht für „Nachhaltiger umweltfreundlicher Multi-Lifecycle Batteriespeicher“.)

Die im Februar 2021 gegründete Firma betreibt eine Kombination aus Ultraschnellladesäule (HPC) und Batteriespeicher, ein Auto kann mit bis zu 300 kW geladen werden, zwei gleichzeitig laden mit je 150 kW. Zwar sind bislang die wenigsten Fahrzeuge für solch hohe Ladeleistungen ausgelegt, aber die Technik schreitet bekanntlich schnell voran. Während eines Einkaufs lässt sich der Autoakku auf diese Weise bis 80% aufladen. Wichtig ist dies vor allem für diejenigen, die keine eigene Lademöglichkeit haben: Die größte Hürde für die Elektromobilität stellt zum einen die Verfügbarkeit von Neuwagen dar – zumal bei günstigen Klein- und Mittelklassewagen –, zum anderen gibt es gerade im Geschosswohnungsbau Probleme mit der Lademöglichkeit in Tiefgaragen, ebenso schwierig ist es für „Laternenparker“. Im ländlichen Raum fehlen Gleichstrom-Hyper-Charger, die um ein Vielfaches schneller laden als Wechselstromsäulen mit Typ2-Anschluss.
Mit Wechselstrom lässt sich schon lange an vielen Orten laden, die Schnellladeinfrastruktur wächst jedoch nur langsam, vgl. den EnBW-Schnellladepark an der Autobahnausfahrt Erkheim (s. Foto), der am 31.12.2021 in Betrieb ging. High-Power Charger entstehen vor allem an den großen Verkehrsachsen, wo etliche Ladeeinheiten gleichzeitig entstehen. Numbats vermeiden hohe Anschlusskosten, aufgestellt werden können auch Einzelsäulen (mit zwei Ladepunkten).

Das Besondere: Numbats sind – wie erwähnt – Schnellladesäulen und Batteriespeicher in einem. Der Strom für die Säule kommt über das vorhandene Niederspannungsnetz (das hauseigene 230 V/400 V-Netz), gleichzeitig wird an den Standorten ein Energiemanagement zur Vermeidung von Leistungsspitzen umgesetzt. Die sonst üblichen hohen Kosten für Installation, Leitungsertüchtigungen, Trafostation und Baumaßnahme fallen hier nicht an, nachgeladen wird über das Hausnetz oder auch über eine PV-Anlage; als Puffer dient ein interner Stromspeicher. Mit einer patentieren Klimaschutztechnologie wird das Leben einer Batterie verdreifacht („Multi-Lifecycle Strategie“).
Ein Anschluss ans leistungsfähigere Mittelspannungsnetz ist nicht erforderlich. Der integrierte Akku hat freilich seinen Preis: Je nach Ausstattung kostet ein Numbat einen substantiellen sechsstelligen Betrag.

Das Zeitalter des öffentlichen Ladens begann in Ottobeuren am 29.04.2014, mit einer LEW-Ladesäule (mit zwei Ladepunkten für Typ2) direkt am Rathaus. Am 05.11.2017 wurde von Erdgas Schwaben auf dem Museumsparkplatz eine weitere Ladesäule für Elektroautos in Betrieb genommen.
Das Best Western Parkhotel Maximilian bot Gästen schon früh eine einfache Ladebox an, auch am Golfplatz in Boschach sowie am Adventuregolfplatz kann mit Typ2 geladen werden.
Der erste CCS-Anschluss in Ottobeuren wurde vom VW-Autohaus Huber Ende September 2021 in Betrieb genommen. Hier wurden genau die besagten hohen Anschlusskosten für eine ca. 400 m lange Leitung zum Trafo zum Problem, man behalf sich mit einem Anschluss am Hausnetz der der Nachbarfirma, was freilich zulasten der möglichen Ladeleistung geht. Es zeigt sich der klare Vorteil einer „Numbat-Lösung“. Pedelcs und E-Bikes kann man in Ottobeuren seit 26.09.2013 öffentlich laden – gleich neben dem Rathaus.

Die Numbat GmbH durchlief und durchläuft eine rasante Entwicklung, das Startup geht mit „typischem Allgäuer Pioniergeist“ voran. Die wichtigsten Komponenten wurden selbst entwickelt, einzelne Baugruppen sind externe Zuarbeit. Erst Mitte 2019 war mit der Entwicklung begonnen worden. Martin Schall und Dr.-Ing. Maximilian Wegener sind Geschäftsführer. Bei der Firmengründung des „Cleantech-Startups“ 2021 (mit 2,5 Millionen Euro Eigenkapital) war man mit sechs Mitarbeitern noch unter dem Dach des Gründerzentrums „Allgäu Digital“ in Kempten. (Erst Anfang 2023 zog man aus den Räumen der ehemaligen Kemptener Weberei aus. Neben Kempten wurde im Werksviertel in München ein zweiter Numbat-Standort geschaffen.)
Schall kommt aus dem Raum Göppingen, studierte Betriebswirtschaft sowie Marketing und Sales. Wegener stammt aus dem Rheinland, studierte Maschinenbau und promovierte am Fraunhofer-Institut. Beide hatten bereits verantwortliche Positionen in der Wirtschaft.
Für die anvisierten ersten 100 Schnellladesäulen mussten zusätzlich ca. 15 Millionen Euro Kapital eingesammelt werden. Firmen (z.B. das Allgäuer Überlandwerk) und Institutionen im Allgäu unterstützen die Genossenschaft als Sponsoren. Kommunen, Firmen, Stadtwerke und Privatpersonen wollen ebenfalls Genossenschaftsmitglieder werden. Für die Numbat GmbH konnte auch Christoph Ostermann, Gründer des Solarspeicher-Herstellers „Sonnen“ aus Wildpoldsried, als Investor gewonnen werden. Im September 2022 wurde die Meldung verbreitet, dass die Lebensmittel-Kette „Tegut“ in 2023 mit bis zu 1000 Schnelllade-Punkten für Elektroautos ausgestattet werden soll. Das Projekt erstreckt sich auf Mittel- und Süddeutschland und stellt laut Geschäftsführer Martin Schall ein Vorhaben im „dreistelligen Millionenbereich“, dar. Das Unternehmen betreibt die Säulen selbst und stellt sie Tegut zur Verfügung.

Im Dezember 2022 – die Numbat GmbH hatte nun schon 60 Mitarbeiter – wurde auf dem Parkplatz der Mediengruppe Allgäuer Zeitung das erste Serienmuster der Numbat GmbH aufgestellt. Für die fürs Allgäu vorgesehenen 50 Schnellladesäulen waren die Vorarbeiten bereits abgeschlossen, Marketingleiter Uli Benker gab bekannt, dass sich der Zeitplan für den damaligen Rollout Start (August 2022) aufgrund von Lieferengpässen bei einzelnen Bauteilen verzögert hat. Bis Februar 2023 sollten nach aktualisierter Prognose 20 bis 30 Ladesäulen betriebsbereit sein, die meisten davon auf Parkplätzen der aktuell 82 Feneberg-Lebensmittelmärkte. Christof Feneberg nannte die Standorte in Sonthofen, Oy, Wertach und am Aybühlweg in Kempten. Die ursprünglich vorgesehenen 100 Säulen für das Allgäu wurden als mittelfristiges Ziel ausgegeben.
In 2023 ist mit dem Elektronikhändler „EURONICS Deutschland eG“ deutschlandweit an 100 Standorten des Händlers ein Rollout von bis zu 150 Ultra-Schnellladesäulen vorgesehen. Auch das familiengeführte Tankstellenunternehmen „PM Pfennings Mobility“ (mit Sitz in Baesweiler) geht mit der Einbringung moderner Numbat-Ladesysteme an über 70 Tankstellen-Standorten einen wichtigen Schritt in RichtungE-Mobilität. Viele der geplanten Installationen sollen bereits im Jahr 2023 realisiert werden. 2023 ebenfalls dabei: die Autohäuser der Seitz-Gruppe (mit Hauptsitz in Kempten sowie an 15 weiteren Standorten, bei knapp 1.200 Beschäftigten).

Zur Entwicklung in Ottobeuren:
Im Juli 2021 wurde seitens der Gemeinde Ottobeuren ein Förderantrag zur Errichtung einer Schnellladesäule gestellt, die Firma selbst ist nicht förderberechtigt. Die Förderung für Stromladesäulen beträgt 80 Prozent der Investitionskosten, die restlichen 20 Prozent übernimmt Numbat. Zumindest war diese Vorgehensweise laut Zeitungsmeldung vom 15.7.2021 ursprünglich so geplant.  Eine Förderung hat das Startup aus dem 1,7 Millionen Euro schweren Bayerischen Förderprogramm „Technologieorientierte Unternehmensgründungen” (BayTOU) erfahren. Damit unterstützt die Bayerische Staatsregierung Unternehmensgründer und junge Technologieunternehmen. Investiert wird der Zuschuss von 769.000 Euro in die weitere Entwicklung des Multi-Lifecycle Batteriespeichers und damit in den Unternehmensaufbau und die Qualifizierung weiterer Mitarbeiter.

Vom Aufbau einer Ladeinfrastruktur auf dem Ottobeurer Basilika-Parkplatz ist bislang nichts bekannt. Die starke Frequentierung durch Touristen macht die Bereitstellung von Lademöglichkeiten hier – insbesondere vor dem Hintergrund der Erfordernisse einer schnellen Erhöhung des Anteils von E-Autos – umso dringlicher. (Ähnliches gilt wohl auch für den Touristen-Hotspot Neuschwanstein.)

Ottobeuren verpflichtet sich, die „Tankstelle“ sechs Jahre lang vorzuhalten, die Akkus sollten 30.000 Ladevorgänge überstehen. Geladen wird mit Ökostrom aus dem Hausstromnetz von Feneberg oder über den von Feneberg selbst erzeugten und im Batteriespeicher des Numbats gepufferten Solarstrom.
Durch die Parkraumbewirtschaftung mit automatischer Kennzeichenerekennung bzw. die Begrenzung auf eine Parkzeit von 90 Minuten muss man zum einen generell aufpassen, um die Parkdauer nicht zu überschreiten, zum anderen ist auf der Säule angeschrieben, was man im Falle des Ladens außerhalb der Öffnungszeit des Feneberg tun muss: wenn man zwar ein E-Auto fährt, das aber nicht über ein E-Kennzeichen verfügt. Im Laufe der nächsten Wochen dürften die beiden Parkplätze an der Ottobeurer Säule als Ladeparkplätze gekennzeichnet werden, damit hier keine Fahrzeuge mit Verbrenner parken.

Zur Finanzierung der Ladeinfrastruktur trägt sicherlich die THG-Prämie bei – eine Prämie, die auch E-Auto-Fahrer*innen beantragen können. Neben dem eigentlichen Stromverkauf wird zusätzlich Geld durch Energiemanagement sowie Bildschirmwerbung erlöst. Die Bildschirm-Diagonalen der Säulen betragen stattliche 75 Zoll (1,90 m), auf zwei Seiten der Säule können Infos, Nachrichten oder Werbung dargestellt werden. Der Allgäuer Zeitungsverlag kann – als lokaler Partner – z.B. Nachrichten und andere Medieninhalte verbreiten. (In Ottobeuren steht der Nutzung der Bildschirme noch die Innenortssatzung entgegen.)
Als Kooperationspartner für die Vermarktung der Werbeflächen kooperiert die Numbat GmbH auf nationaler Ebene mit der Goldbach Germany GmbH, deren vielfältiges Bewegtbild-Produktportfolio von der das von Digital-out-of-Home (DOOH) über Online Video und Advanced TV bis zu einem vielseitigen linearen TV-Angebot reicht. Solche Werbung kennt man beispielsweise von der U-Bahn in München, im Allgäu wird hier Neuland betreten.
Nochmals zur Erläuterung (eine Meldung vom 20.1.2023): Der Begriff „DOOH“ steht für „Digital-Out-of-Home“ und beschreibt jede Art von digitaler Außenwerbung, die man auf Bildschirmen im öffentlichen Raum sieht. DOOH ist der am schnellsten wachsende Bereich in der Außenwerbung, mittlerweile gibt es über 135.000 verschiedene Screens in Deutschland. (Siehe auch: Wikipedia zum Thema Außenwerbung.)

Fotos, Recherche und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 05/2023

Urheber

Numbat, Helmut Scharpf, Memminger Zeitung

Quelle

Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

2023-04-17