11.02.1905 – Werbekarte von Kupferschmied Martin Fritz

Titel

11.02.1905 – Werbekarte von Kupferschmied Martin Fritz

Beschreibung

Der Kupferschmied Martin Fritz sen. (gestorben am 02.12.1887 mit 67 Jahren) sowie sein Sohn Martin Fritz jun. betrieben vermutlich – neben der Herdfabrik von Plersch – einen der ersten Ottobeurer Betriebe, der in industriellem Maßstab arbeitete.

Ein früher Fund im Ottobeurer Wochenblatt Nr. 12 vom 22.03.1860:
Bei Unterzeichnetem kann ein ordentlicher Junge in die Lehre treten. Ottobeuren, den 20. März 1860.
Martin Fritz, Kupferschmied und Flaschner

Am 9.3.1882 ist im Ottobeurer Wochenblatt eine Annonce abgedruckt, das Angebot bestand aus einem Sammelsurium verschiedener Metallwaren: Mühl- und Waldsägen, eiserne und bleierne Wasserleitungs-Röhren, Rinnen und Standrohre, Blechbedachungen, Türschlösser, Bänder, Nägel und Drahtstifte.
Martin Fritz unterzeichnet mit den Berufsbezeichnungen Kupferschmid und Flaschner.
Am 05.04.1883 ist das Sortiment erweitert, angeboten werden Blitzableiter („nach jedem gewünschten System, bei solider Ausführung und billigen Preisen“); ferner empfiehlt er eiserne Wasserleitungs-Röhren von verschiedenen Dimensionen, Drahtstifte und geschmiedete Nägel in allen Sorten, Wandeisen, eiserne Wassertröge, Blechbedachungen, Dachrinnen und Standrohre sowie kupferne Käskessel.
Der letztere Punkt sollte letztlich zum Kerngeschäft werden: Kupferkessel für Molkereien bzw. Käsereien.
Wie es dazu kam, ist nicht klar, es wurden in der Umgebung aber immer wieder entsprechende Gegenstände zwangsversteigert, die Herr Fritz kaufte, z.B.
Ottobeurer Wochenblatt, 17.11.1881, S. 2
Bekanntmachung.
Zwangsweise versteigere ich am Montag den 21. November laufenden Js. Vormittags 10 Uhr
in der Behausung des Johann, Karl und Michael Schmid in Wolfertschwenden circa 12 Ztr. Backsteinkäse, mehrere Käsereieinrichtungs-Gegenstände, 1 kupfernen Käskessel, 2 Dezimalwaagen, 2 Männerüberzieher, 1 Hose, 1 Jaquet, 4 Kühe, 1 Kalbin, 2 Kälber, circa 150 Ztr. Heu, ca. 50 Ztr. Grummet, ca. 40 Ztr. Stroh, ungedroschene Gerste, 2 Wägen, 2 Pflüge, 2 Eggen, 1 Windmühle, 1 Gsottstuhl, 1 Güllenfaß und mehrere andere Baumannsfahrnisse, dann 1 Düngerhaufen mit Gülle an den Meistbietenden gegen Baarzahlung in kassamäßiger Münze.
Die Versteigerung findet unbedingt statt.
Ottobeuren, den 13. November 1881.
Rehm, kgl. Gerichtsvollzieher.

In dem Jahr findet sich im Ottobeurer Wochenblatt ansonsten kein Hinweis auf unseren Kupferschmied. Am Standort in Ottobeuren finden sich zwei Hinweise auf Untermieter: der Gold- und Silberarbeiter Andreas Ohneberg (bis Dezember 1884) oder der praktische Arzt Dr. med. Alois Seelos, der seine ärztliche Praxis in Ottobeuren am 1. Juni 1884 eröffnet, die Wohnung aber bei Kupferschmied Fritz bezieht.

Ein einschneidendes Ereignis war sicherlich der Tod des Senior-Chefs, im Wochenblatt dokumentiert in einer Sterbeanzeige sowie einer Todesanzeige (s. Foto).
Ottobeurer Wochenblatt, 05.01.1888, S. 4
Geburts- und Sterbe-Anzeige in der Pfarrei Ottobeuren im Monat Dezember 1887
Gestorbene: Am 2. Martin Fritz, Kupferschmiedmeister v. h., 67 J.

Martin Fritz jun. erweitert das Sortiment um Gußeiserne Regulier-, Säulen- & Kochöfen. Fritz ist auch gesellschaftlich engagiert, als – wie schon der Vater – Leiter der Ottobeurer Blechmusik oder bei der Einstudierung von Stücken der hiesigen Theatergesellschaft (1889). Bei diesen Anlässen ist oft auch Bürgermeister Kimmerle zugegen. Ob Kreszentia Kimmerle tatsächlich die Tochter von Bgm. Kimmerle ist, die Fritz am 28.07.1890 heiratet, müsste noch genauer hinterfragt werden, es ist jedoch wahrscheinlich.

Martin Fritz inseriert am 09.05.1889 erstmals mit dem Schwerpunkt „Ausstattung für die Milch- und Käseproduktion“, ab 1890 regelmäßig (s. Screenshot):
Martin Fritz, Ottobeuren empfiehlt Herrn Käsereibesitzern kupferne Käsekessel von 60 bis 800 Liter mit oder ohne geschlossenem Feuer oder Feuerwagen, Schwartz'sche Aufrahm- u. Kühlgefäß, Milchkühltische neuer Construktion besonders für Buttern zu empfehlen.

Wann die Firma an wen übergeben wurde, ist noch ungeklärt, der genaue Standort Marktplatz 7 (bis Ende 1950 – wie auf der Karte zu sehen – Hausnummer 2) war auf der Südseite des Marktplatzes (heute: im rechten Gebäudeteil das Restaurant Al Canevon, im linken seit Februar 2024 die Eisdiele „by Rino“ von Angelo Simonetti und seiner Frau Jennifer Perez Portela; bis dahin die Eisdiele „Pedro"), der Baum rechts markiert (bis 1959) das alte Kriegerdenkmal; die Werkstätten waren dort, wo heute das Kunerth-Museum steht. Im Alphabetischen Straßenverzeichnis der Marktgemeinde Ottobeuren vom Januar 1951 heißt es zum Besitz: „Högg, Cäcilies Erben“. Der entscheidende Hinweis ergab sich aus dem Eintrag im Bayerischen Landes-Adreßbuch für Industrie, Handel und Gewerbe (Bayernbuch) 1928/29; dort ist vermerkt:
Högg Engelbert, vormals Fritz Eisenwaren, Marktplatz
Betrachtet man die Anordnung der Fenster bzw. Schaufenster, kann man es auf dieser Karte des Marktplatzes gut nachvollziehen; auch auf diesem Foto von 1939.

Hier abschließend zwei Fundstellen aus dem Ottobeurer Tagblatt:
Ottobeurer Tagblatt, 02.01.1915
Ein Veteran der Arbeit wurde gestern bestattet: Kupferschmied Anton Keidler, über 25 Jahre tätig bei der Firma Martin Fritz; Mitbegründer des Katholischen Arbeitervereins; dessen Vorstand Herr Reichardt legte einen Kranz nieder; der amtierende Geistliche H.H. Pater Wolfgang, Präses des Kath. Arbeitervereins, würdigte den Verstorbenen.

Ottobeurer Tagblatt, 19.11.1918
Bekanntmachung: Karbid für November; Karbidmarken können eingelöst werden bei Martin Fritz, dem Kupferschmiedmeister.

Der handschriftliche Text der Werbepostkarte wurde – mutmaßlich – von Kreszentia Fritz geschrieben:
Wohlgeboren Fräulein Anna Lettinger
Pfarrhof Jachenau bei Kochel
Geehrtes Fräulein! Herzl. Dank für übersandte Ansichtskarte. Hat uns sehr gefreut. Die Gegend muss im Sommer wunderschön sein. Im Winter glaube ich schon, daß es weniger einladend ist. Bitte auch [den] Hochwürdigsten Herrn Pfarrer unsere besten Grüße zu übermitteln. 1000 herzliche Grüße Ihnen von der ganzen Familie Fritz.

Im Oktober 2019 war bei Ebay eine von Martin Fritz geschriebene Karte eingestellt, gelaufen am 27. Mai 1905 nach Bechtersweiler (Post Oberreitnau; heute ein Ortsteil von Lindau), an den Gastwirt Mesmer (im dortigen „Gasthaus zur Traube“ findet sich in Internet-Einträgen auch heute noch ein „Mesmer“). Die Handschrift ist nicht entzifferbar!
_________________________________

Schaut man sich die Karte genauer an, dann findet sich ein Hinweis auf den Zeichner der Bilder: Standl (ev. auch „Standt“) 1902. Von ihm stammt – ebenfalls von 1902 – das Gemälde der Molkerei von Max Rupp (heute: Genobank).

Oberhalb des Bezeichnung „Kesselhaus“ findet sich ein Hinweis auf das Ehepaar Fritz:
Martin und Creszenz Fritz

Die einmalige Karte konnte im Februar 2024 angekauft werden (Sammlung Helmut Scharpf)

Urheber

Martin Fritz

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1905-02-11

Rechte

gemeinfrei