1932-34 - Monatszeitschrift „Ottobeurer Turmbläser“ für den Kirchenchor
Titel
Beschreibung
Der „Ottobeurer Turmbläser“ war eine Schrift, die Organist und Kirchenchorleiter Hermann Köbele ab Februar 1932 monatlich als handschriftliche Umlaufmappe für die Mitglieder des Kirchenchores herausgab.
Darin fanden sich musikwissenschaftliche Artikel zum besseren Verständnis der Werke, Harmonielehre, persönliche Nachrichten über Chormitglieder, zwischendurch aber auch Erlebnisse aus dem 1. Weltkrieg.
Die politische Lage scheint 1933 ein einziges Mal durch, da Köbele sich erleichtert zeigte, dass im Kirchenchor nicht politisiert bzw. polarisiert wurde und es zu keiner Spaltung oder einem Auseinanderfallen des Chores kam. Warum er den Turmbläser überhaupt herausgab, beschreibt Köbele (gefallen in Ungarn am 11.03.1945) am 20.04.1932 wie folgt:
Diese Zeitschrift ist entstanden aus dem Bestreben, zwischen dem Chorleiter und dem Chorpersonal geistige Übereinstimmung herzustellen. Verschiedene Versuche hatten gezeigt, daß in den Proben keine Zeit bleibt, musikalische Fragen ausführlicher zu erörtern, und so ergab sich der Gedanke einer Zeitschrift eigentlich von selbst. 1931 war auf Veranlassung von H.H. Pater Maurus Zech die Zeitschrift „Liturgie und Kirchenmusik“ (Laumann, Dülmen) in Umlauf gesetzt worden. Dies bot den Anknüpfungspunkt. Ich legte der Mappe rein lokale Nachrichten bei, und aus diesen Blättern entwickelte sich dann der „Turmbläser“. Es hat seine Gründe, warum ausdrücklich auf ein „Programm“ verzichtet wurde. Der Reiz, die Stoffauswahl immer wieder neu bestimmen zu müssen, soll erhalten bleiben und zu stets erneutem Nachdenken und immer lebendigerer Gestaltung führen. Wir haben so z B. den „Fragebogen“ eingeführt, und es sollen in diesen Blättern auch Mitglieder des Chores einmal zu Worte kommen.
Der Zwang, sich jedesmal in die Denkweise der Leser hineinzuversetzen, wenn eine neue Nummer ausgefertigt werden soll, bringt den Schreiber von vorne herein in geistige Verbindung mit seiner Lesergemeinde. Daß unter diesem Zwang dennoch schriftstellerische Freiheit möglich ist, diese Erkenntnis stellte sich erst nach und nach ein. Irgendetwas zu schreiben, das bietet mir keinen Anreiz mehr. Es soll Widerhall finden und verstanden werden.
Die gebundenen „Geleitbriefe“ bringen jeweils eine Einführung in die Mappe und stellen anderseits die „Plauderecke“ des Redakteurs dar. Um ihnen den persönlichen Ton zu bewahren - da einmal zu den Damen und dann wieder zu den Herren gesprochen werden muß - konnten sie nicht in feste Verbindung mit der Zeitschrift gebracht werden.
Die „Redaktionsstube“ besteht nur aus einer dick angeschwollenen Mappe mit Zeitungsausschnitten, Bildern, Ausgabelisten usw., einem Haufen alter und neuer Zeitschriften und einem Stoß unbeschriebenen Papiers. Dennoch fühle ich mich darin wohl .-
Die drei Gesamtausgaben sind seit 24.11.2014 im handschriftlichen Original abrufbar. Es sind pro Ausgabe mindestens zwei Exemplare erstellt worden. Den Ausgaben waren außerdem Begleitbriefe zugeordnet.
Eine textdurchsuchbaren Abschrift - erstellt von seinem in München lebenden Sohn Wolf Köbele - steht in einer Gesamtdatei (ca. 115 MB, pdf) zur Verfügung. Sie können so das Original mit der Maschinenschrift vergleichen. Tipp: Speichern Sie wegen der Dateigrößen die jeweiligen pdf vorher über den Download-Button (rechte Maus, „Ziel speichern unter“) auf Ihrem Rechner ab; im Vorschaufenster kommt nach einem Klick auf den jeweiligen Reiter eine Fehlermeldung - das ist normal!). Sie können die Dateien auch mit einem Linksklick (auf den Download-Button oder die Links unten im folgenden Text) aufrufen - dann dauert es ein Weilchen, je nachdem, wie schnell Ihr Internetzugang ist.
Sie können die Dateien also entweder über die Reiter unter dem beschreibenden Text aufrufen oder - übersichtlicher - hier:
Originalseite der ersten Ausgabe vom 05.02.1932
Transkript der ersten Seite vom 05.02.1932
Original der 12 Ausgaben von 1932 (164 Seiten, 52 MB)
Original der 11 Ausgaben von 1933 (168 Seiten, 50 MB)
Original der 7 Ausgaben von 1934 (108 Seiten, 29 MB)
Transkription aller drei Jahresbände (148 Seiten, 112 MB)
Die Anschreiben („zum Geleit“) finden Sie jeweils am Ende der Jahresbände; die Zuordnung zu den Monatsausgaben ist über die Bleistiftvermerke von Wolfgang Köbele erleichtert. Es scheinen aber eine Reihe von Ausgaben zu fehlen, nachdem mehr Geleitbriefe als Monatsausgaben vorliegen.
Warum Hermann Köbele den Turmbläser nicht weiter herausgab, mag sich aus Äußerungen im letzten Brief (Nr. 12 vom 23.11.1934) erschließen. Es heißt dort:
Im letzten Turmbläser fanden sich wieder Randnotizen von fremder Hand, die je nachdem gedeutet werden können. Ich weiß auch aus mündlichen Äußerungen, daß man den Sinn des Turmbläsers nicht verstehen will. Die Mehrzahl allerdings geht willig mit. Unreife Jungens gehören nicht auf den Kirchenchor, darüber sind wir uns einig; Leute, die Schriftstücke beschmieren und heruntersetzen (in verstellter Schrift!), besitzen nicht den gehörigen Ernst, den man als Kirchensänger haben muß. Sollte ich einmal zum Einschreiten gezwungen sein, so wird mich die Mehrzahl jedenfalls verstehen!
Chorleiter sind immer bemüht, den Chor in seiner Leistung zu steigern. Vermutlich war Chorregent Köbele - er leitete in Ottobeuren auch die Singschule (= Vorläufer der Musikschule) - einfach nur frustriert, dass sein enormer Fleiß nicht von allen gewürdigt wurde ...
2022 entdeckte Frank Günther aus Geisenheim/ Rhein drei von Hermann Köbele komponierte Werke und ließ die handschriftlichen Notenblätter scannen:
- Präludium und Fuge für Klavier (17. und 21.02.1930)
- Scherzo für Violine und Klavier (13.10.1929) sowie
- Sonatine für Violine und Klavier, drei Sätze, „Herrn Schulrat Meinrad Schwägele zugeeignet“ (datiert 15.10.1929)
Es wäre doch eine schöne Sache, diese Noten wieder zum Klingen zu bringen!
Wolfgang Köbele sei für die Zurverfügungstellung der Turmbläser und Frank Günther für die Noten herzlich gedankt!