11.11.1938 - Aufruf gegen den „Verkehr mit Juden“
Titel
Beschreibung
Zwei Tage nach der Reichspogromnacht, bei der in Deutschland die Synagogen brannten, rief der damalige Ottobeurer Bürgermeister und NSDAP-Ortsgruppenleiter Josef Hasel (16.05.1897 - 06.01.1985) dazu auf, keine Juden im Ort übernachten zu lassen und keinen Handel mehr mit ihnen zu betreiben.
Mit dem „unschuldigen Volksgenossen“, der „im Auslande gemordet“ worden sei, war der Legationssekretär Ernst Eduart von Rath gemeint, Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris, der am 7. November 1938 von dem erst 17-jährigen polnischen Juden Herschel Grynszpan angeschossen worden war und zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Sein tatsächliches Motiv ist zwar unklar, nachdem seine Familie jedoch in der sogenannten „Polenaktion“ am 29.10.1938 nach Polen abgeschoben worden war, könnte es sich um einen Racheakt gehandelt haben, der eigentlich dem Botschafter galt.
Die die NS-Führung nutzte das Attentat als willkommenen Anlass, um der unzufriedenen Parteibasis Gelegenheit zum Handeln gegen jüdisches Eigentum zu geben und die Juden beschleunigt dann auch gesetzlich aus dem deutschen Wirtschaftsleben auszuschalten. In diesem Zusammenhang ist das hasserfüllte Schreiben Hasels vermutlich zu verstehen, das er an alle Wirte und Geschäftsleute verschickte. Solche Anschreiben könnten ev. für alle Bürgermeister verpflichtend, sprich von „Oben“ angeordnet gewesen sein.
Zur Vertiefung des Themas empfehle ich den Artikel zur „Reichspogromnacht“ (vormals auch Reichskristallnacht genannt), der in die Liste der exzellenten Wikipedia-Artikel aufgenommen wurde. Link
Nach den Geschehnissen im Zusammenhang mit der Pogromnacht wurden in Memmingen die Kinder der Familie Laupheimer (aus der Moltkestraße) in die Schweiz geschickt. Den Eltern wurde die Ausreise verboten. Untergebracht wurden die Memminger Juden „zusammengepfercht in sogenannten Judenhäusern. Sie mussten auf Memmingens Straßen Zwangsarbeiten verrichten“, so die Aussagen von Dr. Mirjam Rosenberg-Nordmann über das Schicksal ihrer Urgroßeltern in einem Vortrag im Rahmen einer Gedenkstunde an der Gedenkstätte für die ehemalige Synagoge am Schweizerberg am 09.11.2013 (veranstaltet von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Memmingen, dem DGB und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung). Am 31.03.1942 habe man ihre Urgroßeletern zusammen mit den restlichen 50 noch in Memmingen lebenden Juden „mit dem Mittagszug erst nach München und von dort nach Polen verfrachtet, wo sich dann jede Spur verlor.“ Es kam keiner zurück.
Hinweis zur Abschrift: Es war damals üblich, statt "I" ein "J" zu schreiben. Zur verbesserten Lesbarkeit wurde dies hier geändert. Ein Tippfehler („Grschäftsleute“) wurde ebenfalls verändert.
Wie die Ereignisse von damals heute nachwirken, sieht man an der Einladung des DGB (Region Schwaben, Büro Memmingen) zur Gedenkstunde („gegen das Vergessen“) zur Reichspogromnacht von 1938 an der Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge am Schweizerberg in Memmingen am 09.11.2018 (18.30 Uhr), u.a. mit dem früheren Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. Die Schirmherrschaft hat der Memminger OB Manfred Schilder übernommen. Es findet eine Kranzniederlegung statt; die musikalische Untermalung obliegt dem Ottobeurer Klarinettisten Günter Schwanghart.