12.07.1914 – Burschenfest des Augsburger Diözesanverbands in Ottobeuren
Titel
Beschreibung
Der Verband Katholischer Burschenvereine für das Königreich Bayern war ein 1903 gegründeter Dachverband der Burschenvereine. Am 12./13. Juli 1914 – also kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges – veranstaltete der Augsburger Diözesanverband ein Burschenfest in Ottobeuren.
Das Ottobeurer Volksblatt war zwar nicht eingeladen, berichtete aber dennoch ausführlich. Weiter unten können Sie von den Ankündigungen bis zum Nachbericht die – mit Hyperlinks versehene – Abschrift der Artikel nachlesen (auch als docx oder pdf über die Reiter).
Im Kartentext, geschickt an einen Schutzmann in München, hieß es etwas holprig: „Es ist heute ein großes Fest: 56 Fahnen mit Verein ohne mit Fahnen 70 an der Zahl.
Es grüßt Euch Pantaler.“
Das dekorative alpine Motiv der Vorderseite hat leider keinen Bezug zu Ottobeuren. Die Inschrift lautet:
Gott segne den Kath. Burschenverein für das Königreich Bayern.
Allgäu und Donaustrand,
Bayern und Schwabenland,
Hand in Hand im
Augsburger Diözesanverband!
Die sogenannten freien oder wilden Burschenschaften beteiligten sich intensiv am Dorfleben, z.B. beim Organisieren von Tanzveranstaltungen oder durch das Aufstellen des Maibaums. Die katholischen Kirche nutzte die Gelegenheit, die männliche Jugend nach ihrer Schulentlassung, entsprechend den Idealen der Kirche, positiv zu beeinflussen und unterstützte den Zusammenschluss von katholischen Burschenvereinen. In der Mustersatzung wurde der allgemeine Vereinszweck festgelegt: Erhaltung und Förderung von: Glaube und Sitte, Berufstüchtigkeit und Heimatliebe, Frohsinn und Scherz.
Das vom Verband herausgegbene Burschenblatt erschien ab Juli 1904 monatlich, letztmals im September 1939. Der Verlauf des Ersten Weltkrieges erschwerte den Burschenvereinen die Existenz und führte dazu, dass viele Ortsvereine das Vereinsleben einstellten. Nach einem kurzen Boom in den Nachkriegsjahren wurde durch Verbote der katholischen Burschenvereine - erlassen durch die Nationalsozialisten - ab 1933 jegliche Tätigkeit von Verbänden und Vereinen in ganz Deutschland unmöglich gemacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele katholische Burschenvereine in Bayern wiedergegründet. Auch in jüngerer Zeit besinnen sich viele Jugendliche auf dem Land wieder den Werten der Burschenvereine.
Quelle: Wikipedia
Die Karte wurde digital restauriert (Sammlung Helmut Scharpf, 05/2014). Zur Veranstaltung ist im Ottobeurer Volksblatt bestimmt ein Artikel erschienen - dieser ist momentan aber (noch) nicht greifbar. Als Grafiker ist nur „M. Altheimer“ angegeben. Auf einer Karte mit dem Burschenfest-Motiv, die am 13.10.1915 als Feldpost mit Stempel Friedberg an einen Otto Haas verschickt wurde, schreibt Th. Altheimer: „Diese Karte hier hat meine Cusine Marie gemalt.“ Damit wird die Urheberin der Karte verraten: Marie Altheimer.
In Ottobeuren wurde erst am 20.10.1929 ein katholischer Burschenverein gegründet.
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Ottobeurer Volksblatt, Mittwoch, 08.07.1914, S. 3 (Inserat mit Bekanntmachung), S. 5 (Gemeinderat)
Inserat: Bekanntmachung.
Betreff: Beflaggung der Häuser.
Anläßlich des Diözesanburschenfestes am 11, 12. und 13. [?] Juli wird die verehrl. Einwohnerschaft Ottobeurens ersucht, ihre Häuser zu beflaggen.
Ottobeuren, den 8. Juli 1914.
Die Marktgemeindeverwaltung.
[Anton] Frey, Bürgermeister.
Sitzungsbeschlüsse der Marktgemeinde Ottobeuren vom 6. Juli 1914.
(…)
6. Anläßlich des Diözesanburschenfestes, welches am 11., 12. und 13. Juli hier stattfindet, soll die Einwohnerschaft mittels Inserat in den Lokalblättern ersucht werden, ihre Häuser zu beflaggen; desgleichen an der Primizfeier des Herrn Alexander Wassermann in Dennenberg. — Bei Spendung der hl. Firmung ist, wie bisher geschehen, das Kirchenportal zu bekränzen und der Weg bis zur Klosterpforte zu dekorieren.
Ottobeurer Volksblatt, Donnerstag, 09.07.1914, S. 2
Ottobeuren.
Die Anmeldungen zum Burschenfeste am nächsten Sonntage verzögern sich leider infolge der ungünstigen Witterung. Immerhin sind schon 70 Vereine mit über 1000 Mitgliedern angemeldet. Seine Bischöfl. Gnaden, die auch zur Firmung hier bleiben wird, wird dem Festzug vom Balkon des Herrn Dr. Berchtold zuschauen. Möge der Himmel zum Feste ein gutes Gesicht machen.
Ottobeurer Volksblatt, Freitag, 10.07.1914, S. 2
Ottobeuren.
Zum Burschenfest am kommenden Sonntag teilt uns der Diözesanpräses mit, daß der in Memmingen um 7.30, in Ungerhausen um 7.44 abgehende Extrazug auf den Zwischenstationen keinen Aufenthalt nimmt. Der für Nachmittag 4.10 geplante Extrazug fällt aus, dagegen wird der fahrplanmäßige Zug ab 4.45 doppelt gefahren.
Sonderzüge zum Burschenvereinsfest in Ottobeuren.
Am Sonntag, den 12. Juli, halten die katholischen Burschenvereine das zweite Diözesanfest in Ottobeuren ab, wobei die K. Eisenbahndirektion Augsburg im Benehmen mit Hochw. H. Pfarrer Reiner die Abfertigung von Sonderzügen in folgender Fahrordnung genehmigt hat:
M e m m i n g e n – O t t o b e u r e n.
Memmingen ab vormittags 7.30
Ungerhausen ab 7.46
Ottobeuren an 8.18
O t t o b e u r e n – M e m m i n g e n.
Ottobeuren ab nachmittags 4.40
Hawangen ab 4.47
Westerheim ab 4.56
Ungerhausen ab 5.04
Memmingen an 5.17
Die Teilnehmer werden gebeten, an ihrem Abgangsort möglichst Rückfahrkarten zu lösen.
Ottobeurer Volksblatt, Dienstag, 14.07.1914, S. 3
2. Diözesanfest der kath. Burschenvereine in Ottobeuren
Ottobeuren, [Bericht vom] 13. Juli 1914.
„Tagesarbeit – abends Gäste, saure Wochen – frohe Feste“. Dieses Dichterwort paßt so recht auf das schöne Burschenfest, welches am Samstag abend [12.07.1914] mit der Begrüßungsfeier im Gasthof „zur Post“ seinen Anfang nahm. In der letzten Zeit gab es für die Burschen in der Heuernte viele Tagesarbeit und einige saure Wochen, nun sollte auf die sauren Wochen ein herrliches schönes Fest folgen:
Der 2. Diözesantag der katholischen Burschenvereine des Bistums Augsburg.
Schon wochenlang waren die Vorbereitungen getroffen, um die festliche Veranstaltung würdig und glänzend zu gestalten und auf einige tausend Festgäste hatte man in Ottobeuren gehofft. Die ungünstige Witterung hatte in der letzten Zeit die Anmeldung etwas verzögert, die ganze letzte Woche hatte es wieder geregnet und schon wurde bei manchem die Festesstimmung und die frohe Erwartung etwas niedergedrückt: allein in den letzten Tagen stieg das Barometer Tag für Tag und damit stieg auch die Festesstimmung und Festeserwartung der Burschen, aber auch der Bevölkerung von Ottobeuren. Mit welcher Freude und welch lebhafter Teilnahme die Bewohner Ottobeurens dem Feste und den Festgästen entgegensahen, kann man daraus erschließen, daß beim Wohnungskomitee täglich Wohnungen und Quartiere angemeldet wurden, jede Familie, jedes Haus wollte einen oder mehrere Gäste beherbergen. Leider hatten sich nicht halb soviel Burschen zum Übernachten gemeldet als Quartiere angemeldet waren, um so größer war dann die Überraschung, als Samstag mittags und abends zu Fuß, zu Rad, mit der Eisenbahn von Nah und Fern Hunderte von Burschen eintrafen, die nicht vorher angemeldet und für die also nicht Wohnung besorgt war. Allein die Wohnungsvermittlung funktionierte tadellos und die tüchtigen Festordner von Westerheim, Frechenrieden und Markt-Rettenbach fanden immer wieder ein gastliches Haus und alle Burschen fanden gute gastliche Aufnahme, wofür der gastfreundlichen Einwohnerschaft schon gleich an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Doch nach dieser langen Einleitung müssen wir zur Hauptsache kommen, zum Festbericht. Wenn man ein schönes Fest feiern will, dann braucht man vor allem schönes Wetter. Und das hat uns der gütige Himmel in überreichem Maße verliehen. Der vergangene Freitag brachte den hellsten Sonnenschein, ebenso der Samstag und nun konnte man wohl hoffen, daß auch der Festtag sich gut gestalten werde. Und – es ist Alles über Erwarten gut geworden. Schon der 4 Uhr-Zug mit dem auch der höchste Festgast. Se. Bischöfliche Gnaden Maximilian von Lingg, eintraf, brachte viele Gäste, darunter den H. H. Zentralpräses der katholischen Burschenvereine Bayerns, Faeßler von München, und den Diözesanpräses der Burschenvereine vom Bistum Augsburg, der H. Herr Pfarrer Reiner von Rettenbach. Ebenso kamen noch zahlreiche Burschenscharen mit der Eisenbahn abends 7 Uhr.
Die Begrüßungsfeier im Postsaale.
Als um 8 Uhr abend die Begrüßungsfeier ihren Anfang nahm, war der große Postsaal schon bis zum letzten Platz besetzt, sodaß für Bürger und Gäste von Ottobeuren nicht viel mehr Platz mehr übrig blieb. Der Diözesanpräses begrüßte alle Erschienenen in herzlicher Weise, gab seiner Freude Ausdruck, daß soviele Burschen seinem Rufe Folge geleistet und herbeigeeilt in das altehrwürdtge und durch Klosterkunstwerke berühmte Ottobeuren. Der hochw. Herr Redner richtete dann noch herzliche Worte der Begrüßung an das Klosterkonvent und dankte den Herren Patres für ihre liebenswürdige Gastfreundschaft; außerdem begrüßte er die erschienenen Herren Beamten und Vertreter der Marktgemeinde Ottobeuren und sprach seinen Dank aus für das große Entgegenkommen der Marktgemeinde bei der Veranstaltung des Burschentages.
Frdl. lieben Willkomm entbot der H. H. Redner noch dem Zentralpräses, dem übrigen Präsides und rief allen ein herzliches „Grüß Gott“ zu.
Des weiteren führte der Diözesanpräses aus: „Warum sind wir nach Ottobeuren gekommen? Um uns zu sehen und kennen zu lernen, um das Band der Liebe und Freundschaft enger zu schlingen, um uns zu freuen, aber auch, um uns gegenseitig durch Sakramentenempfang und Teilnahme an dem Gottesdienst zu erbauen und zu heiligen. Mit neuer Begeisterung und neuer Liebe für den Verein kehren wir in die Heimat zurück und nehmen von Ottobeuren mit die schönsten besten Erinnerungen und lassen zurück die innigste Dankbarkeit. Die herrliche begeisterte und begeisternde Begrüßungsrede lohnte ein stürmischer Beifall der festlich gestimmten Burschen.
Im Namen der Pfarrgemeinde Ottobeuren begrüßte die Versammlung der Pfarrer H. H. Pater Augustin, entbot allen herzlichen Willkommgruß und wünschte den Bestrebungen des Vereins Gottes Segen. Die Aufgaben und Bestrebungen des Burschenvereins kennzeichnete er dahin, daß er sagte, katholische Vereine kommen nicht bloß zusammen, um zu festen und zu jubeln, nein, wir erwarten von unseren Zusammenkünften Liebe und Begeisterung für unsere hl. Kirche und diese Liebe zur Kirche und zu unserem Glauben wollen wir durch Wort und Tat auch nach Außen bekennen, gleich dem hl. Jüngling Alexander, dessen Patroziniumsfest mit dem Burschenfest zusammenfällt. Der H. H. schloß mit einem warmen Appell an die Burschen, treu zu stehen zu Christus und seiner Kirche in den Stürmen unserer Zeit, gab den Burschen mit auf den Heimweg die Aufmunterung, „Burschenblut hab' frischen Mut. Auf Gott vertrau und um Dich hau!“ Auch diese mit großer feuriger Begeisterung vorgetragene Begrüßungsrede löste stürmischen Beifall aus.
Als letzter Redner sprach H. H. Zentralpräses [der katholischen Burschenvereine] Faeßler [Eugen Faessler] aus München. Er erinnerte eingangs seiner Rede an die Tage des ersten Diözesanfestes der Burschenvereine auf dem hl. Berg Andechs, wo die Burschen ebenfalls in den gastlichen Räumen eines Benediktinerklosters zur festlichen Tagung sich versammelt hatten.
Seit jenem ersten Diözesanfeste hat sich der Verband bedeutend vergrößert und eine stattliche Anzahl von Burschen konnte sich in Ottobeuren einfinden. Er brachte seine große Freude zum Ausdruck, daß dieses Burschenfest durch die Teilnahme des Hst. Herrn Diözesanbischofs noch verherrlicht werde. Große Freude erweckte bei den Burschen auch die Mitteilung, daß Se. Eminenz, Kardinal Bettinger, dem Burschenverein seine Grüße übermitteln ließ. Und dann entwarf der H. H. Redner in kurzen kräftigen Worten ein Lebensbild von dem Burschenvater und Gründer der bayerischen Burschenvereine des verst. Prälaten Spannbrucker, dessen wohlgelungenes Bildnis den Saal schmückte. Es würde zu weit führen, die einzelnen Züge aus dem arbeitsreichen Leben dieses edlen Priesters näher zu schildern. Es mag genügen, darauf hinzuweisen, daß Spannbrucker ein großes Werk geschaffen durch die Organisation der Burschen, ein segensreiches Werk für Kirche und Vaterland. Denn das ist ja die Aufgabe der Burschenvereine: Pflege des alten ererbten religiösen Sinnes, Pflege der Heimat und Vaterlandsliebe. Der übrige Teil des schön verlaufenen Festabends füllten in bunter Reihenfolge aus heitere Deklamationen, lustige erhebende Burschenlieder und einige gut vorgetragene Musikstücke der Ottobeurer Kapelle. Den Schluß des Tages bildete eine gut gelungene Beleuchtung der Klosterkirche, deren herrliche großartige Architektur gerade bei dem magischen Lichtglanz sehr wirksam zur Geltung kam. So bildete schon der Vorabend einen guten Anfang zum Burschentag, dem sich der ganze Verlauf würdig anschloß.
(Leider sind wir gezwungen, bei dieser Gelegenheit auf einen Umstand hinzuweisen, der von uns sehr unangenehm empfunden wurde. Eine Einladung an die Presse zum Begrüßungsabend – wie zum Feste überhaupt – war nicht ergangen. Es ergingen wohl Einladungen durch Zusendung von in Günzburg hergestellten Programmen an die Gemeindeverwaltung, an Beamte, Private usw., nicht aber an die Presse, trotzdem diese sich von Anfang an in den Dienst der Sache gestellt hat. Auch bei den vielen Dankesbezeugungen am Begrüßungsabend wurde nicht mit einem Worte der Presse gedacht. Wenn wir auch weiter kein Gewicht darauflegen, daß uns Dank und Anerkennung gezollt wird, so müssen wir uns doch gegen eine offensichtliche Nichtbeachtung verwahren. Anm. der Red.)
Der Festtag.
Ein herrlicher Sommertag! Vom beinahe wolkenlosen Himmel strahlt die Sonne hernieder u. erfüllt den festlich geschmückten Markt mit goldigem Glanz. Das richtige Festwetter. Von allen Häusern, sogar in den entlegenen Straßen, wehen die Flaggen, einzelne Häuser weisen noch besonders schönen Schmuck auf. Der 9 Uhr-Zug brachte in langer Wagenrethe noch die letzten Gäste, während die Glocken zum feierlichen Gottesdienst riefen. Nachdem das Patrozinium (Kirchenfest) ebenfalls auf den heutigen Tag fällt, war der Fremdenbesuch ein besonders großer. Unsere schöne große Kirche war beim vormittägigen Gottesdienst überfüllt, was bei den gewaltigen Dimensionen des herrlichen Gotteshauses etwas heißen will. Eine erhebende Feier vollzog sich dort, wie sie weit und breit wohl nicht so leicht gehalten wird. Man denke sich den herrlichen Blumenaufbau im Chor um den Silbersarg mit den Reliquien des Ktrchenpatrons, die imposante Prozession durch die Kirche, dazu die herrliche Festpredigt des H. H. P. Paulus von St. Otttlien und das erhebende Pontifikalamt, gehalten vom H. H. Bischof, die schöne Kirchenmusik und die Geistlichkeit in ihren prachtvollen, goldgestickten Ornaten: ein Bild, das jedem, insbesondere unseren jungen Burschen, wohl für ihr ganzes Leben unvergeßlich bleiben wird. Solch erhebende kirchliche Feier kann nicht einmal jede Bischofsstadt aufweisen. Mit dem Pontifikalamt war auch eine Generalkommunion der Burschen verbunden: hocherfreulich war es anzusehen, welch stattliche Schar andächtig zum Tische des Herrn schritt.
Nach dem Gottesdienste war Gelegenheit zur Besichtigung des Klosters und des Museums gegeben, dann vereinigte man sich zum Mtttagstisch in den verschiedenen Gasthäusern.
Doch nicht allzu lange durften sich die Burschen den leiblichen Genüssen hingeben, denn schon um 1 Uhr begann beim Bahnhof die Aufstellung zum Festzug. Ob wohl jemals unser Markt einen Festzug von solch imponierender Größe gesehen hat? Wir glauben kaum. Die Sonne meinte es allerdings fast zu gut, denn unbarmherzig brannte sie auf die Teilnehmer nieder. Den Zug eröffneten drei Herolde hoch zu Roß, dann folgte die Musikkapelle und in schier endloser Reihe zogen Fahne an Fahne, Verein an Verein, mit mehreren im Zug verteilten Musikkapellen an den zahlreichen Zuschauern vorüber. Wir zählten 56 Fahnen mit zirka 75 Vereinen. Am Marktplatz war eine Huldigung vor Sr. Bischöfl. Gnaden beabsichtigt und hiezu der Balkon am Gasthaus zum Mohren festlich geschmückt. Von dort aus sollte der Hochw. Herr den Festzug vorbeidefilieren sehen. Leider aber zwang ihn ein kleines Unwohlsein, das ihn schon während des Pontifikalamtes getroffen, sich fernzuhalten, sehr zum Leidwesen der begeisterten Burschen. Dafür wurden dem Diözesanpräses und anderen geistlichen Würdenträgern auf dem Balkon beim Vorbeiziehen stürmische Ovationen dargebracht.
Wieder ging's zur Kirche, zur feierlichen Vesper: darauf folgte der Festakt im Garten neben dem Klosterefektorium. Als dort die Vereine mit ihren Fahnen Aufstellung genommen hatten und der Festmarsch der Ottobeurer Musikkapelle, die „Standartenweihe“, verklungen war, hielt Hochw. Herr Diözesanpräses Rainer - Rettenbach (bei Günzburg) die Eröffnungsrede. In begeisterten Worten wies er auf das zehnjährige Bestehen der katholischen Burschenvereine, ihre Entwicklung in dieser Zeit und ihre Ziele hin. Von mehr als 2000 Burschen aus allen Gauen der Diözese sei Seiner Bischöfl. Gnaden heute der Gruß dargebracht und stets würden die katholischen Burschen für ihren Bischof eintreten. Weiter dankte er der Marktgemeinde und dem Kloster für die treffliche Aufnahme der Burschen: in Ottobeuren hätte sich wieder der echte Benediktinergeist gezeigt. Zum Schlusse gab er die verschiedenen eingegangenen Grüße, u. a. auch vom H. H. Weihbischof Dr. Peter Göbl, bekannt, was den stürmischen Beifall der Versammelten auslöste. Erfreulicherweise hatte sich das Befinden Sr. Bischöfl. Gnaden wieder gebessert und mit großem Interesse folgte er von einem Fenster aus dem Festakt im Garten.
Ein hübscher Prolog zum Burschenfest, gedichtet von Herrn Hans Früchtl, vorgetragen von Herrn Eberhardt, Mitglied des katholischen Burschenvereins Westerheim, wurde ebenfalls mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Dann folgte die Festrede, gehalten von K. Landgerichtsrat Vogel - Memmingen. Leider hatten sich inzwischen dunkle Gewitterwolken am Himmel zusammengezogen, die dem ohnehin etwas in die Länge gezogenen Festakt mit einem vorzeitigen Ende drohten. Der Herr Festredner ging auf den Zweck und die Notwendigkeit der katholischen Burschenvereine ein, die nicht nur ihren katholischen Glauben nach Außen hin zeigen, sondern auch im Innern mehr befestigen sollen. Die katholischen Burschen sollen festhalten an den Grundsätzen der katholischen Kirche und begeistert werden für ihre höchsten Ideale. Lebhafter Beifall folgte den Ausführungen des trefflichen Redners, dem der H. H. Diözesanpräses in herzlichen Worten den Dank erstattete.
Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „Hoch soll die Fahne wehen“, nahm dann H. H. Dekan und Präses, Reichstagsabgeordneter Hebel - Wiedergeltingen das Wort zu einem Toast auf die Autoritäten. Wir lassen die prächtige, formvollendete Rede, die uns in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt wurde, nachstehend tm Wortaut folgen:
Es war am 30. September 1908, da im Damasushofe im Vatikan zu Rom 3000 Turner aus aller Herren Länder, sogar 105 aus Canada (Nordamerika) versammelt waren. In zweitägigen Aufführungen zeigten sie ihre Kunst! Und vor wem? Vor dem greisen Gefangenen im Vatikan, dem armen u. doch so reichen hl. Vater Pius X. – Nach dem Festzug nahmen sie Aufstellung in der Aula beatificationis (der Seligsprechungen) und der Heilige Vater sprach zu ihnen: „Ich beglückwünsche Euch zu Euren Aufführungen und bewundere und lobe Eure Tüchtigkeit! Ich segne Eure Spiele und Übungen; denn Kriegerübung ist Erholung für den Geist! Und während Ihr Euch den Spielen hingebet, fliehet die Trägheit, die Mutter der Laster, und übet Euch in der Tugend der Mäßigung und Bruderliebe! Bedenket aber, daß Ihr ohne Frömmigkeit nicht allein keine guten Christen seid, sondern daß ihr dadurch auch die natürliche Tugend verscherzet. Im Lichte des Glaubens geboren, erhaltet durch Frömmigkeit diese Tugend; bleibet die Zierde der Jugend und werdet die Zierde des Vaterlandes.“
Stürmische Hochrufe dankten dem Hl. Vater für diese Worte und der Jubel wollte kein Ende nehmen, als der Hl. Vater die Standarte eines Jugendveretns ergriff und einen Kuß darauf drückte. – Am folgenden Tage nahm er aus der Hand des damaligen Augsburger Diözesanpräses, des jetzigen Hochw. Herrn Zentralpräses Faeßler ein Ciborium entgegen, das Geschenk des katholischen Burschenvereins zum 50 jährigen Priesterjubiläum des Hl. Vaters, und wiederum sendet er den kath. Burschenvereinen der Diözese Augsburg seinen hohenpriesterlichen Segen, wie schon am 14. Sept. 1905 durch Kardinal [Andreas] Steinhuber: „Ich segne die katholischen Burschenvereine, sagen Sie den Präsides, daß ich viel von ihnen erwarte.“
Meine lieben Burschen! Der Hl. Vater soll sich in uns und besonders in Euch nicht täuschen. Wir wissen seine Huld und Gnade zu schätzen. Wir verehren in ihm ja nicht bloß den Freund einer frohen, an Körper und Geist gesunden, einer tüchtigen und frommen Jugend. Wir verehren in ihm den höchsten Würdenträger auf Erden, den Stellvertreter Jesu Christi, den Inhaber der höchsten geistigen Gewalt, des höchsten Lehr-, Priester- und Hirtenamtes. Und wenn er uns mahnt, die Zierde der Jugend und die Zierde des Vaterlandes zu sein, so geloben wir das ihm heute in dieser feierlichen Stunde von ganzem Herzen. Wir wollen sein die Zierde der Jugend. Wir wollen üben und wahren christliche Tugend, besonders die Standestugend, wir wollen wahren und üben eine kindliche, heilige Treue dem hl. Glauben, der hl. kathol. Kirche und ihrem Oberhaupte, unseren Hl. Vater!
Ein anderes Bild! Es war gerade vor einem Jahre, am 13. Juli 1913! Da waren zur Jahrhunderfeier in Kelheim auch viele kath. Burschenvereine mit ihren Fahnen versammelt. Sie haben damals ihre treu-deutsche, ihre kernig-bayerische Gesinnung bekundet. Und in der Antwort auf die Huldigungsadresse heißt es aus Allerhöchstem Munde: „Gern hoffe ich, daß unsere ländliche Jugend allezeit festhalten wird an der vaterländischen Gesinnung und freudigen Berufstreue.“
O, was haben wir doch für ein großes schönes herrliches Vaterland, unser Deutschland, unser liebes teures Bayernland! Ihr katholischen Burschen, ihr seid katholisch durch und durch! Aber trotzdem, ja gerade deswegen seid ihr auch treu eurem König und hänget ihr mit jeder Faser eures Herzens an des Bayern Vaterland und an des Bayern Königshaus! Seit mehr als tausend Jahren ist es mit Land und Volk verwachsen, hat es Leid und Freud treu mit ihm geteilt! Die ruhmreiche Geschichte des Bayernlandes ist auch die ruhmreiche Geschichte des erlauchten Hauses Wittelsbach! Und unser jetziger König Ludwig III.! Ein würdiger Sprosse seiner großen Ahnen, ein König, geziert mit allen Regententugenden! O, er soll sich in seinen bayerischen Burschen, er soll sich in den katholischen Burschenvereinen ebenfalls nicht täuschen! Unsere Fahnen sagen es ihm! Weißblau! O, wie strahlt es herrlich an unseren Fahnen! Und jedes katholischen Burschen Herz, es glüht vor Liebe, und wenn es sein muß, auch von Opferliebe und Todesmut für sein Vaterland und für sein Königshaus; wie für Gott, so auch für seinen König! Ein heiliges Gut ist uns die Liebe zum Vaterland, eine heilige Pflicht die Treue gegen den König, eine heilige ernste Aufgabe die treue Pflichterfüllung in unserem bürgerlichen Berufe! Dem König und Vaterland sei heute der Treu Schwur erneuert!
Rom! — Kelheim! — Ottobeuren! Wie freuen wir uns der Huld des Hl. Vaters. Wie stolz sind wir auf das Vertrauen unseres Königs. Und doch, meine lieben Burschen, heute ist – wenn es überhaupt auf Erden eine vollkommene Freude gibt – heute ist unsere Freude vollkommen!
Heute weilt unser geliebter, Hochwürdigster Bischof unter uns! Er hat uns die Gnade erwiesen, heute vormittag im herrlichen Gotteshaus von Ottobeuren uns ein Pontifikalamt zu zelebrieren! Eben haben wir ihm huldigen dürfen, und ihr habt es getan mit der ganzen Begeisterung eurer jungen, liebeglühenden Herzen. Und jetzt weilt er unter uns, zum Zeichen seiner väterlich liebevollen Gesinnung! Heute vormittag sahen wir ihn mit dem Hirtenstab des hl. Ulrich! Ihr seht das Kreuz auf seiner Brust, das Zeichen, daß er uns als Bischof die ganze Kraft und Fülle des Kreuzes, des Glaubens an Christus den Gekreuzigten, der Hoffnung, der Liebe zum Gekreuzigten, predigt! Ihr seht den Ring an seinem Finger, zum Zeichen, daß hier die volle Segens- und Weihegewalt ist! Ja, auch dieser Bischof ist nach den Worten des Apostels gefolgt, die Kirche Gottes zu regieren, die Exlesia Augustema [Ecclesia / Ekklesia Augustema], die Kirche der Diözese Augsburg zu lehren, zu leiten, zu regieren!
Meine lieben jungen Freunde! In diesem feierlichen Augenblick wollen wir unseren Hochwürdtgsten Herrn Bischof nicht bloß unserer Liebe und Dankbarkeit versichern, nein, wir wollen ihm mehr bieten! Wir wollen ihm versprechen, daß wir treue, gehorsame, gläubige Söhne unseres Hochwürdtgsten Oberhirten sein wollen!
Ni Dieu – ni maître! So der Ruf draußen in der Welt! – Und Millionen folgen ihm! Keinen Gott und keinen Herrn über uns! Freiheit, zügellose Freiheit! Freiheit, zügellose Freiheit nicht nur im Denken, auch im Handeln! Das ist die rote Fahne des Umsturzes! Ihr stellen wir im katholischen Burschenverein unsere Fahne entgegen. Darauf steht geschrieben: Glühende Liebe zum Hl. Vater, heilige Treue dem König, kindlicher Gehorsam gegen unseren Bischof! Und wir kleiden dieses dreifache hl. Gelöbnis in den Ruf: Seine Heiligkeit, unser glorreich regierender Hl. Vater Pius X., Se. Majestät, unser in Ehrfurcht geliebter König Ludwig III., Se. Gnaden, unser verehrter Hochw. Herr Bischof Maximilian, sie leben hoch!
Es folgten darauf noch einige Vorträge musikalischen und gesanglichen Inhalts; doch drängte das sich inzwischen langsam entladende Gewitter immer mehr zum Aufbruch. Zum Schlusse nahm noch der H. H. Bischof selbst das Wort; er versicherte den Burschenvereinen sein vollstes Vertrauen, mahnte sie zur Einigkeit und erteilte ihnen den bischöflichen Segen. Seine herrlichen Worte machten einen tiefen Eindruck auf alle Anwesenden.
Damit fand die erhebende Feier ihren Abschluß. Die Zeit war auch inzwischen bedeutend vorgerückt und für viele auswärtige Teilnehmer die Stunde des Abschiednehmens gekommen. Die meisten gingen dem Bahnhof zu, um dem gleich darauf einsetzenden strömenden Regen zu entkommen. Doch dürften wohl alle das Bewußtsein mit nach Hause genommen haben, einen selten wiederkehrenden Tag verlebt zu haben, der ihnen stets in angenehmer Erinnerung bleiben wird.
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Ottobeurer Volksblatt, Samstag, 18.07.1914, S. 1
Wochenschau
Am vergangenen Sonntag feierten die Burschenvereine der Diözese Augsburg in Ottobeuren ihr zweites Burschenfest. Diese Veranstaltung gab allen Beweis, daß unsere Burschenvereinsbewegung eine sichere und zuverlässige Stütze des Katholizismus ist. Besonders von unseren Gegnern wird stets gegen die Burschenvereine gearbeitet. Es will fast scheinen, als ob die religiöse Ertüchtigung den anderen ein Dorn im Auge wäre. Mißt man die Tätigkeit und die Erfolge der Burschenvereine an dem von dem Gegner beliebten Urteil, so gilt unter Anwendung des Satzes „Viel Feind, viel Ehr“, daß sie treu auf ihrem Posten stehen, daß sie ohne Furcht für die katholische Sache eintreten.
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Abschrift und Zusammenstellung: Helmut Scharpf
Die alte Orthografie wurde beibehalten, Fehler bei den Namen (z.B. Spanbrucker statt Spannbrucker etc.) wurden berichtigt.