09.06.1924 - Gründung der 12er-Vereinigung Ottobeuren

Titel

09.06.1924 - Gründung der 12er-Vereinigung Ottobeuren

Beschreibung

Etliche Ottobeurer waren bis Ende des 1. Weltkriegs im 12. Infanterie-Regiment in Neu-Ulm stationiert, so auch der hier abgebildete Andreas Schober. 1924 gründete man zur Pflege der Kameradschaft eine eigene Ortsgruppe.

Die Geschichte des Regiments reicht bis 16. Juli 1814 zurück - gegründet in Würzburg als das „Königlich Bayerische 12. Infanterie-Regiment Prinz Arnulf“. Eine Wikipedia-Seite und weitere Quellen geben detailliert Auskunft. Der gesellschaftliche Stellenwert des Bayerischen Regiments geht aus einer Beschreibung der Feierlichkeiten von 1914 zum 100-jährigen Bestehen hervor:

In der Augsburger Allgemeinen vom 02.08.2014 hieß es zur Hundertjahrfeier in Neu-Ulm: „Fast auf den Tag genau 100 Jahre später, vom 27. bis 29. Juni 1914, feiert man in der damaligen Garnisonsstadt Neu-Ulm dieses besondere Jubiläum, zu dem rund 20000 ehemalige Soldaten erwartet werden. Darunter befinden sich auch zahlreiche Reservisten aus dem Raum Krumbach und dem übrigen Schwaben. Es sind sogar Sonderzüge von Krumbach nach Neu-Ulm unterwegs.
Auf dem Exerzierplatz Ludwigsfeld südlich von Neu-Ulm werden an diesem strahlenden Sonntagmorgen (28. Juni) gerade je ein katholischer und evangelischer Gottesdienst gefeiert, als gegen 10.45 Uhr in der bosnischen Hauptstadt Sarajewo Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich und seine Frau Sophie Herzogin von Hohenberg bei einem Attentat erschossen werden. Erst am Nachmittag erreicht die schreckliche Kunde Neu-Ulm, wird jedoch vorerst verheimlicht, denn die „Zwölfer“ sollen ihr Fest unbeschwert zu Ende führen können.
Die Jahrhundertfeier des Regiments wurde zum größten Fest in der Geschichte der damals noch jungen Stadt Neu-Ulm. (...)
Welche Ausmaße dieses Jubiläum hatte, verdeutlichen einige Zahlen, die im damaligen Krumbacher Boten veröffentlicht wurden. Aufgestellt waren danach auf dem Exerzierplatz Ludwigsfeld zwölf Hallen mit einem 12,40 Meter hohen „Kolossal-Zelt“ in der Mitte, sodass sich 10000 Quadratmeter überdachte Fläche ergaben, in denen 10000 Soldaten einen Sitzplatz fanden. Das Zeltmaterial einschließlich Tische, Bänke und Innenausstattung lieferte die Augsburger Zeltfirma Deuter in 13 Eisenbahnwaggons an. Die Verköstigung erfolgte aus 26 Küchen, in denen sieben Mastochsen und 25 Schweine „brutzelten“, die wiederum von 600 als Bedienung angeheuerten Soldaten an die Tische gebracht wurden. In eigens auf dem Platz gemauerten Öfen brachte man in Kupferkesseln über 5000 Liter Suppe zum Kochen. Bereit standen zudem 21000 Maßkrüge, darunter 2000 Jubiläumskrüge. (...)
Nur einen Monat später wurden schon viele der Zwölfer aus dem schwäbischen Bereich einberufen und fuhren von Neu-Ulm aus an die ersten Frontabschnitte im nördlichen Frankreich. Die anfängliche Euphorie und Freude über den Kriegseinsatz wich schon bald einem an Grausamkeit kaum noch zu überbietenden mörderischen Schlachten an vielen Frontabschnitten. Das 12. Regiment zählte nach den geschichtlichen Recherchen zu Beginn des Weltkrieges 90 Offiziere und 3300 Mannschaftsdienstgrade und dazu 235 Pferde sowie 75 Fahrzeuge. Bereits vom 20. August bis 5. September waren die schwäbischen Soldaten bei der Schlacht in Lothringen an vorderster Front im Einsatz. Das Fazit: 227 Tote, 1108 Verletzte und 156 Vermisste.“

Über die Auflösung des Regiments 1918 ist auf Wikipedia zu lesen:
„Nach dem Waffenstillstand von Compiègne kehrten die Reste des Regiments über Brohl und Wetzlar in die Heimat zurück. Ab 14. Dezember wurde das Regiment in Neu-Ulm demobilisiert und schließlich aufgelöst. Aus demobilisierten Teilen bildeten sich Freiformationen. Am 1. März 1919 wurde das Sicherheitsbataillon Graf mit vier Kompanien und ab Mai zusätzlich mit einer MG-Kompanie aufgestellt. Außerdem bildete der ehemalige Regimentsstab ab April 1919 den Stab des Freikorps Wolf. Beide Formationen gingen im Juni 1919 als Stab und I. Bataillon im Reichswehr-Infanterie-Regiment 43 auf.
Die Tradition übernahm in der Reichswehr ab 24. August 1921 die 11. Kompanie des 19. (Bayerisches) Infanterie-Regiments in Lindau und später in der Wehrmacht das I. Bataillon des Infanterieregiments 40 in Augsburg.“

Es bildeten sich nach der Auflösung dennoch weitere Kameradschaftsvereine, so auch in Ottobeuren. Zur Gründungsversammlung am 9. Juni 1924 kamen 35 Mann in die Ottobeurer Sonne, unter ihnen Andreas Schober, der zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde. Aus den Protokollen der Jahreshauptversammlungen gehen die Aktivitäten des Vereins hervor: Pflege der Kameradschaft, Besuch anderer 12er-Vereinigungen (z.B. Kempten), Ehrung verstorbener Mitglieder (mit Kranz und Abordnung), Teilnahme an Einweihungsfeiern von Kriegerdenkmalen (Ottobeuren und Niederdorf 1924), Barbarafeiern, Ausflüge. Nach dem Rücktritt des Gründungsvorsitzenden, Steuersekretär Johann Heydt, leitete Andreas Schober die Versammlung vom 26.07.1926. Bei den Neuwahlen wurde der Vereinsdiener und Postschaffner (=Postbote) Ignatz Henkel zum neuen 1. Vorsitzenden, der bisherige Schriftführer Georg Schernhammer zum Stellvertreter gewählt (und tauschte damit seine Position des Schriftführers mit Herrn Schober).
In den 1930er Jahren geriet der Verein zunehmends in braunes Fahrwasser. Sämtliche Vereinsvorstandsmitglieder waren bereits „in den Nationalsozialistischen Gliederungen eingereiht“ und baten lt. Protokoll vom 15.04.1934 in einem Gesuch an die NSDAP-Ortsgruppe darum, ihre Posten behalten zu dürfen. Schneidermeister Andreas Schober, den seine Tochter Hermine als „großen Patrioten“ beschreibt, war übrigens nicht darunter. Die Ortsgruppe wurde Teil des nationalsozialistischen Reichskriegerbundes (Kreisverband Memmingen) und des Kyffhäuserbundes (bzw. des Soldatenbundes Reichskyffhäuser, s. dazu das Protokoll vom 26.01.1936; der Kamerad Berchtold wurde dabei „an Stelle des an Krankheit behinderten Schriftführers Andr. Schober ernannt“), der einstimmig beschlossene Beitritt wurde zum 01.04.1936 wirksam.
Die vielleicht größte Veranstaltung des Vereins in Ottobeuren war am 06.06.1937 der Kreisappell der Kyffhäuser-Kameraden mit 1.200 Teilnehmern und 70 Kyffhäuserfahnen. Zum Programm gehörten folgende Punkte: „kompagnieweise Aufstellung auf dem Sportplatz“ (heute Gelände der Firma Martin), „Propagandamarsch durch den Markt Ottobeuren“, Ehrungen am Kriegerdenkmal, Verteilung auf die Lokale, Sonderzug nach Memmingen
Das Protokoll des Generalappells vom 24.10.1937 enthält einen Überblick über Zahl und Mitgliedschaft der Infanterie-Regiments-Kameradschaften in Bayern: „Von den in ganz Bayern befindlichen 143 Inf.-Regt.-Kamschften. steht den Kamschaft. des ehem. 12. Bayr. Inf.-Regt. mit 11 Kamschft. u. 1415 Mitgl. an d. Spitze“. Ottobeuren wird dabei mit 69 Mitgliedern angegeben.
1938 wird von einem Kyffhäuser-Treffen am 15. Mai in München berichtet, darunter von Frontkämpferbesuchen in Polen, Italien, England und Frankreich, „die dazu dienen sollen, den wahren Völkerfrieden zu fördern. Mit demselben Ziel zum Austausch der Friedensgedanken wurde der Besuch der Heldengräber in Frankreich durchgeführt ...“ Ein Zerrbild der Wirklichkeit ergibt die Aussage:
„Durch die noch schrecklichere Kriegsgefahr wie der Weltkrieg 1914/18, welche die Bolschewisten im Sept. 38 in der Tschechei aufschwören wollten, wurde durch die Aussprache der vier großen Staatsmänner in München am Sept. 38 an der Spitze unser Frontkamerad u. Führer A. Hitler, Mussolini Italien, Chamberlain England u. Daladier Frankreich der größte Sieg des Friedens ausgetragen. Mit dem Gefühl der Dankbarkeit sieht unsere 12er-Kameradschaft auf unseren Führer Adolf Hitler.“

Die handschriftlichen Protokolle wurden von Ernst Henkel aus Memmingen zur Verfügung gestellt und von Walli und Franz Bermeitinger transkribiert. Ihre Hinweise dazu: „Schreib- und Rechtschreibfehler der Verfasser wurden aus Authentizitätsgründen weitgehend übernommen, außer in dem mit Maschine geschriebenen Teil. Undeutliche bzw. für uns nicht lesbare Namen, Wörter oder einzelne Buchstaben sind mit Fragezeichen versehen. Fett gedruckt sind Wörter, meist Namen, die im Original mit lateinischen Buchstaben geschrieben sind.“ (Die Orthographie ist ziemlich schlecht, da wird der Kamerad zum Kammeraden oder Hitler zu Hittler etc.)

Was wurde beruflich aus Andreas Schober? Eigentlich sollte sein Bruder Georg Schober (geb. ca. 1886) die Schneiderei seines Vaters (Schneidermeister Michael Schober, *19.1.1857 in Ottobeuren, früh gestorben am 16.01.1905, verheiratet mit der Modistin Sophie Reisacher aus Wolfertschwenden; 28.02.1860-21.10.1920) übernehmen, eine Kriegsverletzung hinderte ihn jedoch daran, was Georg beruflich letztlich ins Finanzamt Ottobeuren führte. Andreas, *15.6.1887, gestorben am 17.4.1942 (wie schon der Großvater - an Gehirnschlag/Schlaganfall) übernahm den Betrieb in der Luitpoldstraße. Ein Bild zeigt ihn vor dem Geschäft am 15.08.1928 (Umbau später 1957, fertig 1958). Eröffnet wurde es 1885 (Luitpoldstr 126 1/3, später Nr. 17; kein Hausname, vor 1885 wohnten dort die zwei Brüder Rupp, ohne Geschäft; wo der Laden später war, war ein kleiner Garten). Die abgebildeten Personen von links: Lore und Sophie Schober, Crescentia Schober (stammte aus Niederrieden) und Andreas Schober. Auf dem Balkon stehen Hermann und Maria Fehle. Die Karte ging an den Schuhmachermeister Franz Fehle in Augsburg.

Eine patriotische Karte schrieb Georg an seinen Bruder Andreas Schober am 30.12.1914 von München nach Neu-Ulm. Der Text lautet:
Inf Regiment No. 12, Erst. Bataillon, 2 Kompagnie
Lieber Bruder Andreas!
Dein Urlaub hat sich doch gut abgelassen. Das Z ist wieder besser. Neujahr ist dienstfrei aber Sonntag drauf nicht mehr. Adolf hat auch schon einen Buben bekommen am 16. Dezember (der Schreiner, der auf der Walz war und ist in Hannover hängen geblieben; hat in H. geheiratet und hat den kleinen Adolf nicht mehr kennengelernt, weil er gefallen ist). Das Glück schreitet schnell! Lori ihr Christkind von der Herrschaft (in München) ist gut ausgefallen. Zum neuen Jahr sende ich dir meine innigsten Glück- und Segenswünsche.
Beste Grüße, Dein Bruder Schorsch.
(Georg war schon richtig eingezogen und hat für die Kameraden geschneidert.)

Die erste Worddatei umfasst die Protokolle von 1924-34, die zweite von 1934-1944. Nach der krankheitsbedingten Ablöse 1934 taucht Andreas Schober erst wieder im Bericht über seine Beerdigung am 20.04.1942 auf („... nach langer schwerer Krankheit allzufrüh von uns geschieden“).

Im Protokoll vom 10.10.1943 ist angedeutet, dass es schon früher eine 12er-Vereinigung in Ottobeuren gab („Die während des 1. Weltkrieges ruhende 12er Kameradschaft Ottobeuren u. Umgebung ...“). Das letzte Protokoll stammt vom 12.11.1944 („Generalappell“), darin wird der Volkssturm erwähnt („Durch den seit letzten Sonntag neu eingesetzten Volkssturmappell, der Männer bis zum 60. Lebensjahr erfaßte u. laufend jeden Sonntag Pflichtappelle abhält, hatten sich zum 12er Jahresappell eine größere Zahl Mitglieder entschuldigt.“), es schließen sich Zeilen mit fast schon resignativem Unterton an: „Mit dem Gruß an den Führer Adolf Hitler u. die gesamte großdeutsche Wehrmacht in ihrem schwersten Völkerrringen mit dem wir alte Soldaten am engsten verbunden sind, gedachten wir in stiller Ehrfurcht vor den Opfern, die von unserm lieben deutschen Vaterland gefordert werden. (...) Manchen lieben Kameraden konnten wir nicht mehr rufen, weil sie schon vor uns von dieser Welt gegangen sind. Wir wissen alle, die wir schon die Stürme des Krieges im härtesten Maße heute wieder mitmachen, welch inneren Wert das Wort Kameradschaft in sich trägt. Danke allen Kameraden für ihr Erscheinen, sowie den Mitarbeitern ein frohes Wiedersehen 1945. Heil Hitler“ Die Einträge enden mit dem Hinweis auf eine Beerdigung am 6.12.1944.
Abgebildet ist hier das Einladungsschreiben zum Generalappell am 11.10.1942 in der Blauen Traube.

Der Verein reiht sich in eine größere Zahl von soldatischen und militärisch organisierten Gruppierungen ein: Flottenverein, Artillerie-Vereinigung, Stahlhelm-Vereinigung, Soldaten- und Kriegerverein oder Leibregiments-Vereinigung Ottobeuren. Später dann auch SA, SS, HJ und BdM.

Auch der erste Ottobeurer Tote im 1. Weltkrieg, Benedikt Herz, der am 21.08.1914 im Lazarett seiner schweren Verwundung erlag, gehörte dem 12. Infanterie-Regiment an (s. Todesanzeige aus dem Ottobeurer Tagblatt vom 05.09.1914).

Das Bild und die Informationen zu Andreas Schober wurden dankenswerterweise von seiner Tochter - Hermine Baron aus Reuthen - zur Verfügung gestellt. Scans, Bearbeitung, Gesamtrecherche: Helmut Scharpf

Hinweis: Die Abbildungen erfolgen als zeitgeschichtliche Dokumente! Sie sind zwar gemeinfrei, eine missbräuchliche Nutzung ist dennoch untersagt! Die zeitgeschichtlichen Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus werden nur zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen, der wissenschaftlichen und kunsthistorischen Forschung, der Aufklärung oder der Berichterstattung über die Vorgänge des Zeitgeschehens gezeigt und sind in keiner Weise als propagandistisch zu sehen. Es gelten die Maßgaben im Sinne des § 86 und 86a StGB.

Urheber

diverse

Quelle

Hermine Baron, Ernst Henkel, Wikipedia

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1924-06-09

Mitarbeiter

Walli und Franz Bermeitinger, Hermine Baron

Rechte

gemeinfrei