29.07.1789– Günzhochwasser verursacht schwere Schäden in Ottobeuren– Trauergesang
Titel
Beschreibung
In Paris war es zwei Wochen vorher zum Sturm auf die Bastille gekommen, an der Günz zogen andere Unwetter auf - und verursachten große Schäden.
Zur Französischen Revoution schreibt Pater Maurus Feyerabend in seinem 4. Band der Jahrbücher (Juli 1816) ab S. 202 über die Vorgänge im Juli 1789:
In Frankreich fieng sich gleichsam ein periodisches Übel von stets abwechselnden Unruhen, und Volksempörungen an, die noch heute nach 26 Jahren nicht ganz beigelegt sind, und stets neue Ausbrüche besorgen lassen. Vom 6ten bis den 16ten des Monats July machte Paris den Schauplatz von den fürchterlichsten Unruhen, bey welchen mehrere Hunderte der Menschen das Leben verloren. Die Hauptabsicht der vereinten Volkswuth gieng vorzüglich auf die Zerstörung, und Vernichtung der schon lange sehr verhaßten Bastille, oder des allgemeinen Gefängnißortes. Die Zerstörung begann mit den 14ten Tage des Heumonats, und in einer sehr kurzen Zeit lagen alle die ungeheuren Gebäude derselben ungeachtet des Widerstandes von Seite der starken Besatzung, über dem Haufen.
Zerstörungen gab es im Heumonat [= Juli] auch in Ottobeuren, wenn auch aus ganz anderem Grund. Feyerabend schreibt auf den Seiten 205f:
Für den hiesigen Marktort waren die letzten Tage des Heumonats sehr unglückliche Tage. Nach einem vierzig Stunden lang anhaltenden Regen sammelte sich in dem engen Günzthale eine grosse Menge des Wassers, und verstärkte sich so sehr, daß der hoch angewachsene Günzfluß schon in der Nacht auf den 29ten Juli, nachdem die schlafenden Eigenthümer von einer fremden beherbergten Person aufgeweckt, und gewarnet, kaum noch Zeit gefunden hatten, ihr Leben zu retten, zuerst den Ölstampf, und nachmals das geräumige Haus selbst, wie dieselben standen, von des Ölmillers Boden ablösete, und gegen den Marktort herabführte. In dem Marktorte selbst beschädigte das tobende Gewässer zwei unterspühlte Ecke[n] der zwei steinernen Gasthäuser zum Löwen, und Engel, und bei der untern Mühle riß die Gewalt des Stromes drei bürgerliche Wohnhäuser während des Tages von ihrer Stelle hinweg.
Am Leben verunglückte zwar Niemand ; aber das Geheul, den Jammer, und das Elend vergrösserte ungemein die allseitige Unbehilflichkeit, welche bloß die Menge der Zuschauer, und nicht jene der Retter vermehrte.
Schaulustige zogen also nicht nur die Verwüstungen in Ober- und Niederbayern im Juli 2016 an, sondern waren auch vor über 200 Jahren schon ein Problem. Während heute vor allem der Klimawandel als Ursache für die immer häufiger auftretenden Unwetterlagen gesehen wird, war es damals das sündige Leben der Menschen, das Gott bestrafte.
Ein achtseitiges Heftchen aus dem Klosterarchiv dokumentierte dies. (Gott verhenget allgemeine Drangsalen über Land und Leute wegen so vielen Uibertrettungen seines heiligsten Gesetzes. / Feuer, Hagel, Schnee, Sturmwinde vollziehen meine Worte, Zitat Psalm 148, Vers 8. / Dass auch fromme Christen betroffen sein konnten, führt dieser Vers aus: O! manche Unschuld muß auch mit dem Bösewicht leiden, Die Wuth des Wassers macht gar selten ein Entscheiden. Ein jeder Ort erwög dergleichen Straf und Noth, Wein, wie ein Ninive, und förcht den gerechten Gott.)
Verfasser und Verlagsort sind zwar unbekannt, es spricht aber einiges dafür, dass die Urherberschaft auf die Abtei Ottobeuren zurückgeht - auch wenn es im Juli 1789 vor allem am Neckar ebenfalls zu Überschwemmungen kam.
Abrufbar sind alle acht Seiten als jpg, der letzte Reiter verweist auf die Gesamt-pdf (knapp 2 MB); oder einfach hier klicken!
Literaturzitat:
Anonymus: Trauergesang über die Verhörte Landschaften durch die wüthende Wasserfluth im Jahre 1789 den 29 - bis auf den 30 Julius, [Ottobeuren?], 1789, 8 S., Format 17,5 x 11 cm.
(Verhört steht hier sicherlich für verheert / verwüstet.)
Hier nachfolgend die Textabschrift (mit Grafiken siehe Word- bzw. Pdf-Datei). Nicht alle Ausdrücke sind auf Anhieb verständlich!
Trauergesang
über
die Verhörte Landschaften durch
die wüthende Wasserfluth
im
Jahre 1789 den 29 - bis auf den
30 Julius.
Anmerkung.
Gott ist Herr über den Regen und das Gewässer : Er gab dem Regen ein Gesetz.
Job. 28. 26.
Er geboth dem Meere : Bis hieher sollst du kommen, und nicht weiter, und hier sollst du deine aufgeblasene Wellen zerschlagen.
Eben dies. 38. II.
Gott verhenget allgemeine Drangsalen über Land und Leute wegen so vielen Uibertrettungen seines heiligsten Gesetzes. Wird wohl ein Uibel in der Stadt seyn, das der Herr nicht gemacht hat. Fragt der Prophet Amos. 3. 6.
Feuer, Hagel, Schnee, Sturmwinde vollziehen meine Worte.
Psalm. 148, V. 8.
1.
Der alte Gott lebt noch, da schöpft man keinen Zweifel,
Und – welcher das nicht glaubt, den kettlen schon die Teufel.
Der alte Gott lebt noch, ich hab es schon gesagt ;
Der alte Gott, so – heilt, und frische Wunden schlagt.
2.
Lach, lacht, Verstockte, lacht, ihr hört nicht auf von lachen,
So lange, bis mit euch, Gott wird den Garaus machen ;
Lacht, spottet, wie ihr wollt, nehmt die Natur und Kunst,
Zu eu'rn Stichblatt hin, so habt ihr Sieg und Gunst.
3.
O Sieg, o Gunst ! – Woher ? Von wem soll solches fließen ;
Die Thränen aus dem Aug des Tigers sollten schießen,
Zu Noe Zeiten stieg nur eine Sünd empor,
Itzt alle Gattungen der Laster sind im Flor.
4.
List, Falschheit, und Betrug entseelen das Gewissen,
So auf dem Nagel hangt, wie Bettlerrock zerrissen.
Der Judas ware nicht, wie itzt die Welt bestellt,
Die alles auf das Fleisch, und nicht aufs Wahre hält.
5.
Des Nächsten Liebe giebt zur Hilfe wenig Zeichen,
So muß auch mit Gewalt die Gottesmilde weichen.
Des Prassers Uiberfluß an Kleider, Speis und Trank
Läßt seufzen Lazarus voll Hunger, blos und krank.
6.
Die Hoffahrt erste Quell auch Ursprung aller Sünden
Ist im Gemüth und Pracht, bey jedem Stand zu finden.
Der Glaubenseifer lau, ist kale und wird zu Eis,
Verstockung endlich wächst beym Jungen, wie beym Greis.
7.
Cras, ober Morgen schreyt der Schnabel alter Raben,
Die Jungen eben das auf ihrer Zunge haben.
Die Ältern sind verderbt – verderben auch ihr Kind,
Sie, wie der Feigenbaum, von Gott verfluchet sind.
8.
Den Adamsapfelbiß – Wollust (will weiter schweigen)
Sich mancher merk, – merk wohl, die aus dem Ehebett steigen,
Und sich vergehen so, – wie David hat gethan ;
O ! – wenn sie auch den Weg der Buße tratten an.
9.
Neid und Verleumdungsgeist beherrschet Zung und Herze,
Die Sinnen sind verwirrt von geiler Lieb und Scherze,
Das Spielen, Rausch, und Fraß, der Zorne voller Schaum
Verlacht die Oberkeit, ihr Wort, Befehl, und Zaum.
10.
Der Geiz ; so niemal satt die Schätze aufzuhäufen,
Sich keines Weges scheut nach fremden Gut zu greifen.
Die arme Wittwe klagt, der Unschuldswais verschmacht,
Ihr Elendswürbel wird zum Kleinmuthsgrab gemacht.
11.
Man sündigt immer frey, ohn aller Furcht der Strafe,
Man thut, als wäre Gott im allertiefsten Schlafe.
Ja wohl im Schlaf o Welt ! – du irrest dich sehr weit,
Zerstörte Orte frag um Gottes Machtbarkeit.
12.
Gott 100 Jahre lang durch seine Finger schaute,
Als Noe an der Arch zur Sündenfluthe baute.
Noe dem Volke stets gepredigt von der Fluth ;
Allein es war umsonst ; was doch die Wollust thut.
13.
Auch ist, – bey dieser Zeit, – wer sollt sich nicht entristen ?
Sich äußert gleicher Trieb bey viel verstockten Christen,
Man lachet nur zur Strafe, man denkt an keine Buß,
Man bleibet immer schwarz, wie Kessel voller Ruß.
14.
Der Gottes Zorn hat die Wolken ausgehillet
Von Wasser, und die Brunft der geilen Welt gestillet,
Die Sündenfluth hielt an durch 40 Tag und Nacht,
*) Durch 40 Stunden jüngst, so Denkmal Gott gemacht.
15.
Ein manche Brugg und Steg, ein mancher Weg und Strassen,
Sind weg, und ausgeschwemmt, sich gar nicht brauchen lassen.
Feld, Gärten, und Lusthäuser, Hütten, Hof und Haus,
Sind wüst ; und eingestürzt, – o Jammer, und o Graus.
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*) Die durch gräßliche Wasserfluth zerstörte Orte N. R. Die mit Grund und Boden wegespielte Häuser sind lebhafte Merkmale hievon. 40 Stunde daurte der schreckliche Regen, …
16.
Die Berg und Hügel sind zerspalten, und gesunken,
Die Mühln sind wie tod, der Herd ohn alle Funken,
Die Menschheit, und das Vieh rinnt, schwimmet, hin und her,
Die Bäche, Flüsse, See verstellten sich wies Meer.
17.
Der Fremden Zutritt war gehemmt zu allen Seiten,
Unmöglich war die Hilf auf das Geschrey der Leuten.
Der Vater nahm das Kind, die Mutter nahm das Bett,
Und wagten sich ans Land auf Bäumen oder Brett.
18.
Der Wassers Raserey riß Stein und Felsen nieder,
Nahm Grund und Boden mit, und bringet sie nicht wieder.
Die Erde sperrte auf voll Wasser ihren Schlunde,
Es schien das Weltgebäu geh ganz und gar zu Grunde.
19.
Durch Jonas liesse Gott dem Ninive verkünden,
Daß es soll stehen ab vom Greuel seiner Sünden ;
Das Ninive stund ab von dem besagten Greul,
Mithin wird ihm von Gott Verzeihung auch zu theil.
20.
Gomor und Sodoma verlachten ihre Lehrer,
Und stürzten sich in Wust der Laster mehr und mehrer,
So hat sie auch gestürzt der grimmenvolle Gott,
Durch Schwefelfeuerswuth auf ewig in den Tod.
21.
Dermal ist keine Zeit, und wird nicht mehr gerathen,
Das Wachtlen regnen wird von Sonnenglanz gebrathen.
Ein süßes Manna doch des Himmelsgüte thauet,
Auf jenen, welcher vest auf Gottesgrunde bauet.
22.
Itzt fallen Hagelstein und Donnerkeil auf Erden,
Verwüsten Stadt und Land, verschlagen Frücht und Heerden !
Wo quillet dieses her ? – pur einig von der Sünde,
Und dennoch bleibet man verboßt, verstockt, und blinde.
23.
O ! manche Unschuld muß auch mit dem Böswicht leiden,
Die Wuth des Wassers macht gar selten ein Entscheiden.
Ein jeder Ort erwög dergleichen Straf und Noth,
Wein, wie ein Ninive, und förcht den gerechten Gott.
[Ende der Abschrift; Helmut Scharpf, 03.07.2016]