02.01.1918 - Jahresband der Wörishofener Rundschau

Titel

02.01.1918 - Jahresband der Wörishofener Rundschau

Beschreibung

Ottobeuren war auch in anderen Zeitungen der Umgebung immer mal wieder eine Nachricht wert. Die Wörishofener Rundschau von 1918 berichtete z.B. über die Anordnung des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats Ottobeuren einer Ausgangssperre für junge Leute unter 18 Jahre:

Wörishofener Rundschau Nr. 788 vom 30.09.1918, S. 3 (pdf der Gesamtausgabe S. 383, Überschrift der Ausgabe auf S. 1: „Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte“)
Eine gesunde Verordnung erließ der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat Ottobeuren, der bestimmt hat, daß junge Leute beiderlei Geschlechts unter 18 Jahren nach 8.30 Uhr abends sich ohne zwingenden Grund nicht mehr auf der Straße oder in öffentlichen Lokalen aufhalten dürfen. — Eine solche Bestimmung wäre vielleicht nicht bloß für Ottobeuren zweckmäßig.

Der Staat und seine Repräsentanten hatten aufgrund der Kriegsereignisse an Autorität verloren. Hintergrund waren vermutlich Vorfälle wie dieser:
Memminger Volksblatt, Ausgabe 264 vom 14.11.1918, S. 3 (pdf 483):
Ottobeuren
Gemeine Bubenstücke. Am Dienstag nachts wurde in Attenhausen gegen das Auto des prakt. Arztes Herrn Dr. Berchtold ein Stein geworfen, wodurch die Führerscheibe in Trümmer ging. Auf der Heimfahrt wurde in Ottobeuren beim Bahnhof aus dem Wäldchen ein schweres Eisenstück auf das Auto geschleudert, das glücklicherweise sein Ziel verfehlte. Wie wir hören wird Herr Dr. Berchtold bei einem weiteren solchen Rohheitsakt mit eingebrochener Dunkelheit nach auswärts keine Autofahrt mehr unternehmen und damit zahlreiche auf den Dörfern wohnende Kranke, die bei dem jetzigen ungemein hohen Krankenstand ohnehin schon schwer einen Arzt bekommen können, die ärztlicher Hilfe fast ganz entbehren müssen.
[Vergl. Annonce zur Belohnung über 100 Mark von Dr. Berchtold auf pdf S. 484]

Memminger Volksblatt Nr. 240 vom 16.10.1918, S. 3 (pdf 377):
Lichtscheues Gesindel. Aus den Städten kommen halbwüchsige Bürschchen aufs Land, machen diese und jene Gegend unsicher u. verüben bei Tag und bei Nacht Einbruchsdiebstähle. So wurden dahier gestern zwei Bürschchen verhaftet, die am hellichten Tage bei einem Bauern in Halbersberg 4 Pfund Butter stahlen und in Brüchlins einen Laib Brot mitgehen ließen. Die eine Nacht logierten sie in der Bahnhofrestauration, die andere Nacht im Gasthaus zum Stern und verzehrten dort ihre Beute — Sie leugnen zwar den Einbruch im Gasthaus zum „Engel“, es ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Burschen einer verzweigten Diebesbande angehören, die sich bei ihren Raubzügen verteilen. — Die zwei verhafteten Wandervögel stammen aus München.

Es herrschte allgemeine Klage über „die Jugend“:
Memminger Volksblatt Nr. 270 vom 21.11.1918, S. 4 (pdf S. 508); nimmt Bezug auf die Meldung über die Sperrstunde für Jugendliche (in Ottobeuren) in der Wörishofener Rundschau bzw. in der eigenen Ausgabe vom 14.11.1918:
Eingesandt
Die Jugend auf dem Lande von heute. Tagtäglich, namentlich in den letzten zwei Kriegsjahren, konnte man so vielfach Klage hören über nächtliche Ausschreitungen und Rohheiten von halbwüchsigen Bürschchen auf dem Lande. Teilweise oft in Übermut, teils aus purer Bosheit, um dem Nächsten Schaden zuzufügen. Von den zahlreichen Obstdiebstählen, die in den letzten Wochen vorkamen, gar nicht zu reden. — Was ist hier zu tun und welches Radikalmittel kann hier angewandt werden, um für die Folge solchen nichtswürdigen Vorkommnissen, wie sie wieder in Attenhausen und Ottobeuren zu verzeichnen sind, wirksam entgegenzutreten. — Hier gebe es ein einfaches Mittel, wenn die einschlägigen Behörden, namentlich die Eltern, Lehrherren, Dienstherrschaften usw., ein scharfes Auge auf ihre Untergebenen, beiderlei Geschlechts, des Abends und zur Nachtzeit hätten. — Wir appellieren auch an alle polizeilichen Organe, Gendarmerie, Ortspolizeibehörde u. nicht zuletzt an den Arbeiter- und Soldatenrat Memmingen, strengste Verfügungen darüber zu treffen, daß Bürschchen von 15 bis 18 Jahren nach 9 Uhr abends auf der Straße, in öffentlichen Lokalen usw., nicht mehr angetroffen werden dürfen. — Eltern, Lehrherren usw., sollen sich des Abends und auch nachts vergewissern, ob ihre zur Aufsicht Anbefohlenen auch wirklich zu Hause anwesend sind. Wir bitten deshalb nochmals alle Aufsichtsorgane dringend, um ihre gütige Unterstützung.
Einer für Viele.
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Einen richtigen Stein ins Rollen brachte die folgende Meldung der Wörishofener Rundschau Nr. 757 vom 14.08.1918, S. 3 (pdf der Gesamtausgabe S. 259):

Ottobeuren. Zum besseren Verständnis der Ausweisung zweier sächsischer Hamsterer muß man wissen, daß der Kaufmann Krause aus Leipzig die Geschmacklosigkeit gehabt hat, an der Spitze einer „Damen“-Gesellschaft einen Freund vom Bahnhof abzuholen und dabei von einem rotbefrackten Herrn eine Standarte voraustragen zu lassen mit der Inschrift: „Mast- und Freßklub Ottobeuren — Voller Magen!“ Wenn die einheimische Bevölkerung für solche Witze kein Verständnis aufbrachte, darf sich der Herr aus Sachsen nicht wundern.

Zu diesem Thema erschien auch im Memminger Volksblatt ein ausführlicher Artikel. Die ganze Geschichte samt einem Bild der sächsischen Hochstapler erscheint in einem gesonderten Beitrag des virtuellen Museums.
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Der Zeitungsjahrgang 1918 ist natürlich vor allem wegen des Zeitgeschehens spannend. Die Versorgungslage war kriegsbedingt katastrophal. Politisch begann ein Umbruch, ersichtlich am Cover der Ausgabe vom 7.12.1918; Parteien hielten Versammlungen ab, im Volksstaat Bayern wurden für den 12.01.1919 Wahlen angekündigt. In Wörishofen bildete sich – wie in Memmingen, Mindelheim, Babenhausen oder Ottobeuren – ein Bauern-, Soldaten- und Arbeiterrat.

Sie können sich sämtliche Ausgaben im virtuellen Museum herunterladen. Die Rundschau erschien immer mittwochs und samstags in einer vierseitigen Ausgabe.
Download des Jahresbandes (mit 420 Seiten, textdurchsuchbar gescannt) der Wörishofener Rundschau (ca. 32,2 MB):

Der Band wurde uns dankenswerterweise von Ludwig Städele aus Bad Wörishofen zur Verfügung gestellt.

Zu den Ausgaben des Memminger Volksblatts Juli - Dezember 1918 geht es hier.

Urheber

Buchdruckerei J. Wagner, Wörishofen

Quelle

Ludwig Städele

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1918-01-02

Rechte

gemeinfrei