02.-04.06.1937 - Schriftverkehr zwischen Bürgermeister Hasel und Pater Maurus Zech wegen der Kirchturmuhren
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Was haben die Kirchturmuhren mit Politik zu tun? Man kennt zwar den Begriff der „Kirchturmpolitik“ – wenn man nur seine eigenen Interessen im Blick hat. 1937 jedoch kann man aus dem Schriftverkehr zwischen dem damaligen Bürgermeister Hasel und dem Pfarrer, Pater Maurus Zech, herauslesen, wie das Aufziehen der Kirchenuhren oder die Übernahme der Wartungskosten für eine Reparatur zum Spielball des gesamtpolitischen Lage wurde. Die von Hasel erwähnte neue Gemeindeordnung von 1933 und die Überlegungen zur Aufstellung einer weltlichen Uhr auf dem Marktplatz zeugen vom Versuch, die Kirche ein Stück weit aus dem öffentlichen Leben zu drängen. Letztlich findet sich ein Kompromiss. Lesen Sie selbst:
Transkripte des Schriftverkehrs Bgm. Josef Hasel an Pfarrer Pater Maurus Zech 1937
Der Bürgermeister des Marktes Ottobeuren (Schw.), Fernsprecher 8
No. 1698, Ottobeuren, den 2. Juni 1937
An das katholische Pfarramt Ottobeuren.
Das katholische Pfarramt wird hiemit ersucht zu berichten, wie es sich mit den Besitzverhältnissen bezw. Unterhaltungspflicht der hiesigen Turmuhren verhält. Die Gemeinde wäre, soferne nicht der Staat die Lasten hat, bereit, einen entsprechenden Betrag [handschriftlich: für die derzeit notwendige außerordentliche Reparatur] freiwillig zu leisten.
[Unterschrift:] Hasel
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Katholisches Pfarramt Ottobeuren. 2.6.1937.
An den Herrn Bürgermeister des Marktes Ottobeuren.
Betreff: Turmuhren (Zum Schreiben vom 2.6.37. No. 1698)
Der Staat ist zur Instandsetzung der Turmuhr nicht verpflichtet. Eine diesbezügliche Unterredung mit dem Vorstand des Landbauamtes Memmingen, Herrn Oberbaurat v. Godin vor einiger Zeit hier am Ort, ergab die Richtigkeit obiger Annahme.
Die Turmuhr ist im Eigentum der Kirchenstiftung. Nach der Gemeindeordnung muss aber jede Gemeinde eine öffentliche Uhr haben. Als solche wurde immer die Kirchenuhr betrachtet und behandelt. Darum hat von jeher die Gemeinde die Kosten für alle anfallenden Reparaturen bestritten, wie die alten Gemeinderechnungen ausweisen werden. Auch wurde in Anerkennung dieser Sachlage dem Kloster für das Aufziehen der Uhr eine jährliche Entschädigung von 36.-- M (dreissig sechs Mark) gewährt, bis vom Jahre 1933 ab die Zahlung unterblieb. Die Gemeinderechnungen werden auch diese Tatsache ausweisen. Bei ausserordentlichen Reparaturen, wie der vorliegenden, haben auch die anderen zur Pfarrei Ottobeuren gehörenden Gemeinden: Haitzen, Betzisried und Guggenberg nach einem bestimmten Schlüssel mitgezahlt.
Nach Angaben von Herrn Uhrmachermeister Max Mahler werden sich die Kosten auf 400 – 500 Mark belaufen. Der Unterfertigte hat seinerzeit Herrn Mahler gegenüber die Bereitwilligkeit zur Zahlung der Hälfte der anfallenden Kosten kundgetan. Dieses Angebot ist ein ganz freiwilliges von Seiten der Kirchenstiftung und verpflichtet für die Zukunft zu weiter nichts; es wird aber auch heute noch aufrecht erhalten. Sollte sich die Gemeinde durch dieses noble Anerbieten von Seiten der Kirchenstiftung veranlasst sehen, die Kirchenuhr der notwendigen Reparaturen zu übergeben, so wird hieramts eine diesbezügliche Meldung erbeten. Nach Fertigstellung wird der Unterfertigte die Hälfte der Kosten an die Gemeindekasse durch seinen Pfleger überweisen lassen.
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Der Bürgermeister des Marktes Ottobeuren (Schw.), Fernsprecher 8
No. 1720, Ottobeuren, den 3. Juni 1937
An das katholische Pfarramt Ottobeuren.
Betreff: Turmuhren
Zu Ihrem Schreiben vom 2.6.1937.
Auf Ihr vorstehendes Schreiben teile ich Ihnen folgendes mit:
Es wurde hieramts angenommen, dass der Staat, nachdem er Eigentümer des hiesigen Kirchengebäudes ist, auch das Eigentumsrecht über die Kirchturmuhr hat. Ihr vorgenanntes Schreiben beweist nunmehr, dass die Uhr im Eigentum der Kirchenverwaltung steht.
Wegen des Unterhalts der Turmuhr liegen die Verhältnisse so, dass die alte Gemeindeordnung den Gemeinden den laufenden Unterhalt einer öffentlichen Uhr zur Aufgabe gemacht hatte. Die neue Deutsche Gemeindeordnung enthält keine derartige Bestimmung mehr.
Trotzdem sehe ich ein, dass die Gemeinde an dem Vorhandensein einer öffentlichen Uhr interessiert sein muss und erkläre mich deshalb auch bereit, zur Wiederherstellung der Kirchturmuhr in vollkommen freiwilliger Weise und ohne eine Verpflichtung hiezu anzuerkennen, einen einmaligen Zuschuss von 250.-- Reichsmark zu leisten.
Dieser Betrag wird nach Vornahme der Reparatur an die Kirchenverwaltung überwiesen werden. Die Instandsetzungsarbeiten sind nicht durch die Gemeinde, sondern durch die Eigentümerin der Uhr, die Kirchenverwaltung, zu veranlassen. Wenn Sie in Ihrem Schreiben die Bereitwilligkeit zur Übernahme der halben Reparaturkosten betonen, so ist dies nicht etwa ein „nobles Anerbieten“, sondern eine Selbstverständlichkeit; die Gemeinde kommt vielmehr durch ihr vorstehendes freiwilliges Angebot Ihnen entgegen, ohne dass eine gesetzliche Verpflichung hiefür bestünde. –
Was Ihre weitere Angabe, dass seit 1933 die Entschädigung für das Aufziehen der Uhr nicht mehr geleistet wird, anlangt, so stelle ich hiezu fest, dass der Betrag alljährlich im Haushaltsplan der Gemeinde vorgesehen war (als freiwillige Leistung), dass er jedoch nicht liquidiert worden ist. Durch die Nichtinanspruchnahme unterblieb erstmals im Jahre 1937 die Einsetzung dieses Betrages im gemeindlichen Haushalt.
Ich erkläre mich jedoch auch hier entgegenkommenderweise bereit, ab 1.4.1938 auch diesen Betrag wieder freiwilligerweise zur Verfügung zu stellen und zwar solange, als nicht die Gemeinde selbst im Besitz einer öffentlichen Uhr (vielleicht einer Rathaustumruhr) ist und damit die Notwendigkeit zum Unterhaltsbeitrag für eine Kirchturmuhr entfällt.
Falls Sie von meinem Angebot Gebrauch machen wollen, bitte ich um alsbaldige Veranlassung der Reparaturarbeiten.
Heil Hitler. Hasel.
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Katholisches Pfarramt Ottobeuren. 4.6.1937.
An den Herrn Bürgermeister des Marktes Ottobeuren.
Betreff: Turmuhren (Zum Schreiben vom 3.6.37. No. 1720).
Die neue deutsche Gemeindeordnung ist Unterzeichnetem dem Inhalt nach nicht bekannt; es muss also angenommen werden, dass Ihre Darstellung vom 3.6.1937 den Tatsachen entspricht.
Da es sich bei der Turmuhr um ein öffentliches Interesse handelt, das sowohl für die Einwohnerschaft als auch für den Fremdenverkehr von gleich grosser Bedeutung ist, wäre es wohl nicht zu verstehen, wenn Behörden sich länger über Nebensächlichkeiten streiten würden und die Behebung des Übelstandes länger als notwendig hinausschieben würden. Ich nehme darum im Namen der Kirchenverwaltung das Anerbieten der Gemeinde, zur gegenwärtigen Reparatur 250.-- RM (Zweihundert fünfzig Reichsmark) als Zuschuss zu leisten, an und danke der Gemeindebehörde dafür. Die Reparatur wird sofort Herrn Max Mahler, Uhrmachermeister von hier, in Auftrag gegeben werden. Der Zuschuss kann an das Konto der Kirchenverwaltung bei der Darlehenskasse Ottobeuren überwiesen werden.
Ebenso wird die Erklärung über die Entschädigung für das Aufziehen der Uhr zur Kenntnis genommen und der Dank des Klosters ausgesprochen für die weitere Bereitwilligkeit hiezu.
Katholisches Pfarramt:
[handschriftlich:] P. Maurus Zech OSB
Pfv. [Pfarrverwaltung]
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Das Bild, auf dem die beiden Uhren auf dem östlichen Turm der Basilika zu sehen sind, wurde am 24.08.2003 gemacht. Auf dem westlichen Turm gibt es zwei weitere Uhren. Weiter oben waren ursprünglich noch zusätzliche Uhren vorgesehen, die mechanische Verbindung erwies sich aber als zu aufwändig.
Was 1937 genau kaputt war, geht aus den Schreiben übrigens nicht hervor. Max Mahler ergänzte noch ein interessantes Detail: Bis zur Erneuerung der Ziffernblätter 1948/49 waren die Stundenzeiger größer als die Minutenzeiger. 1766 zur Einweihung der barocken Abteikirche waren die Uhren noch nicht fertig, erst ca. 1771. Auf dem Bild zur Einweihung glaubt man allerdings die Uhren schon erkennen zu können - vermutlich war es nur die Bemalung der Zifferblätter oder es handelte sich noch um eine sog. Ein-Zeiger-Uhr.
Birgit Eisinger-Schanderl sei für die Vermittlung, Altabt Paulus Weigele fürs Raussuchen des Schriftwechsels aus dem Pfarrarchiv sowie Abt Johannes Schaber für die Genehmigung zur Verwendung im virtuellen Museum herzlich gedankt.
Der Verdrängungsversuch der NSDAP-Machthaber wird ab 1935 auch aus den Vorgängen um die Volksbücherei der Pfarrei Ottobeuren deutlich.
Nachbearbeitung und Abschriften: Helmut Scharpf, 02/2018