1950, 53 und 1954: Gedichte über den oberen und unteren Marktflecken von Karl Schnieringer
Titel
Beschreibung
Zwei köstliche Gedichte von Karl Schnieringer (12.11.1904 - 25.11.1973) fanden sich jüngst im Fundus von Erika Krainhöfner, ein weiteres ist im Heimatbuch abgedruckt.
Ein kleiner Ausschnitt zum Thema Verkehr:
Bulldogg, Auto, Radler, Roller,
D'r Verkehr wird allweil toller.
Baumfuhrwerk und schwera Laschtra,
Drucket zema jedes Pflascht'r.
Es huppet, schnöllt und rasslet,
Ma werklet, schreit und masslet.
Mercedes, Taunus, Gummiwäga,
Krettaweis' Orascha vor da Läda.
Was der „Hauptlehrer Schnieringer“ wohl zum Verkehrsaufkommen unserer Tage sagen würde? Deutlich wird der hohe Grad an Autarkie in Ottobeuren: Anfang der 1950er Jahre wurde noch so gut wie alles selbst hergestellt.
Das abgebildete Foto zeigt Karl Schnieringer mit seiner Frau Luise Schnieringer (geb. Auerbacher, 07.04.1905 - 11.08.1986) am 20.09.1930.
Die Gedichte in schwäbischer Mundart wurden neu abgeschrieben und in Form gebracht. So mancher Bezug zu einem Gewerbe ist noch unklar; es soll demnächst eine Audio-Version sowie eine Fassung auf Hochdeutsch geben.
Hier nun beide Gedichte am Stück. Sie können sie sich hier aber auch als Word oder Pdf herunterladen!
D'r Ober Fleacka (1954)
Beim Fröhlich Xander gaut d'r Fleacka a,
Rum um d' Bruck, gega 's Bräuhaus na.
Nauf zum Kischtamacher Krumm,
Bis zur Obra Mühle num.
Am Bächla na zur Bruck,
Zum Ottobeurer Moisterstuck.
Auf da Greana Winkl sind sa b'sonders stolz,
D' Häuser sind no ganz aus Holz.
Viel hundert Jaur hand's g'hobe,
No grad a bizle sind's verschobe.
Schad! Es fehlt beim oine und beim andre
Auf'm Dächla d' Stoi und d' Landere.
Und wo a Brettle it recht hebt,
Isch halt a Blechle dett.
Schiebefenschtr, kloine Stuba,
Stere an d'r Tür geg's Trude.
Dur a Oberlichtle klei,
Luagat d' Sonn in d' Kuche nei.
So standet d' Häuser in d'r Roihe,
Auf d'r andre Seite au no Zwoie.
Katzagraue schwere Balka,
Müsset d' Hütte zemet halta.
Und wo's a übrig's Plätzle geit,
Ischt a große Spreiglbeig;
A ganza Ture grober Stöck,
Am Seil dau pfludret d' Weiberröck.
Au Windle, kloina Hösle,
Im Gate dinne rote Rösle.
Hintern Haus a Gois, a Lämmle,
Unter'm Fenscht'r blaue Kännle.
A Katzaschüssl auf d'r Boi,
Unterm Trauf a Henna-Oi.
Holderboscha hinda dene,
Hebet 's Häusla mit em Hezla zeme.
Hundle aller Rassa,
Bellet auf d'r Gassa.
Auf'm Dächla hockt a Katz,
Unterm Stadl schliaft a Ratz.
Buschle, Bese, Daas,
Weiter dunda schmeckt's nach Kas.
Ebe drum sei 's nobler,
Moit d'r Konohofer.
Es gait au Schumpa, Hägl, Küh (Kia),
Wieviel se hand, dös woiß ma nie (nia).
Koin'r laut se lumpa,
Witt du ebbes pumpa?
Modern isch ma im obra Flecka,
Ma tuat it ummananderdreckla.
Sie stellet um auf d' Induschtrie,
Drehet Eise wie no nie.
Knöpfle macht d'r Deglma,
Kind'swäsch bieat d'r Holzwart a.
Daß es gait au Mehl (Meal),
Woiß a jeder sell.
Reisigbeasa, Butterkischta,
Teppichklopf'r, Wuzelbieaschta,
Au nuie Schuh sind dau,
Dob beim Schuascht'r Rauh.
Witt du alte sohla lau,
Hoisset es: Was hauscht dau meh dau?
Spar dei Geld, kauf nuie,
'S wied di scho it ruie.
Zwar isch manches doch no fäs,
Ab'r Joghurt geit's und g'schmolzne Käs.
Witt a Wüschtla für da Maga,
Kriaga tust's im Bäckerlada.
G'schnitt'na Nudla, Maionäse,
B'sonders guate Buschl-Käsle.
Am'rikaner, Seeleweckle,
All dös geit's beim Epple-Bäcke.
B'schüttepumpa, Heiumwender,
Deichlrohr und Korebänder;
Jed'r kriagt's wer spart,
Nagelnui vom Eduard.
Brauchst an Molla, brauchst a Kuh,
Gang zum Flore, der haut gnue.
Brauchst a Fässla für dein Moscht,
Fraug da Huber, was es koscht.
Witt an Schlitte oder Wage,
Kaschst's am Wanger Baschtl sage.
Bräutescht du a Wiege klei,
Im Zeche Haus muss oine ibrig sei.
Und wie isch 's Reklameweasa,
Für all dia Sacha und für d' Reisigbeasa?
Die G'schicht ischt gar it hinterfür,
Ma pappt an Zeattl na an d' Tür.
D' Molkerei isch d' Redaktio,
G'schwind'r wia vom Blättle woiß ma scho;
Wer verlora haut und g'funda,
Was es Nuis geit im Fleacka dunda.
Ja, der Oberfleacka laut se lobe,
Scho weard au gmatet dobe;
Sell [Selbscht?] von d'r G'moind d'r Sekretär,
Sait, daß dob it ohne wär.
Aber ebbes druckt no aiser G'wissa:
Mir möchtet halt no wissa,
Wieso die it ins Ratshaus wend?
Dös bringscht it raus aus ihre Grend!
Ma könnt es moine, 's könnt leicht sei,
Der lange Veres kauft no ei.
Ma woiß es it ganz g'wieß,
De ganze Fleacka mit sei'm Kies.
In d'r Sach hebt ihm sicher d' Stang,
Sei Adjudant, der Mang.
Also, Leut, dunt laufa,
S' Bürgerreacht vom Oberfleacka kaufa.
Wo ais druckt d'r Schuah,
Der Oberflecka tut's derzua.
Drum – moin i – wärs it schä,
Täts koin ob'ra Fleaka gä!
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Eisa Fleacka! (1950)
Wenn mir dur da Fleacka gand,
Sieht und hört ma all'rhand.
Dia Schinderei gaut a,
Bald ma kutt an d' Straußa na.
Luagast bloß a bißla weg,
Flaggast au scho dinn im Dreck.
Bulldogg, Auto, Radler, Roller,
D'r Verkehr wird allweil toller.
Baumfuhrwerk und schwera Laschtra,
Drucket zema jedes Pflascht'r.
Es huppet, schnöllt und rasslet,
Ma werklet, schreit und masslet.
Mercedes, Taunus, Gummiwäga,
Krettaweis' Orascha vor da Läda.
Springt a Kälbla an di na,
Hoppla, hoißt's, stand dümmer na!
Schumpa, Molla, Wurstfabrik,
Wägaweis' wird’s Floisch verschickt.
Rietzlers Omnibus am Mohra,
'S Bähnla haut viel Gäscht verlora.
In aller Früh muaß's Zügla johla,
Bringt Eisa, Hei und schwarza Kohla.
Geld kriegscht du in jeder Kassa,
S' Zaisa därfscht halt it verpassa.
D'r G'schäftsma sait es laut,
Weil heit alz in d' Stadt nei gaut.
A guata Werbung müss'mer hau,
D'r Kulturausschuss sott dös v'rstau.
Vom Spital bis Spitzaspui,
Sind Reklamatafla, alt und nui.
Op'l Blitz und Kundadienscht,
Wia ma leicht auf Schacha findt.
Engl, Hiasch, Kaffee, Garascha,
Mäntl, Perlonstrümpf, Bandascha.
Schöna Püppla, falsch und eacht,
Findest du im Kaufhaus Specht.
Ammiweiber in da Hosa,
Händ'scha-Macher in der Rosa.
Alta Rentner, Weibla, Ma,
An jedem Bänkla hockets da.
An da Dökter däts it fehla,
G'sünder isch's, du muascht koin wähla.
A Krankahaus, a schön's Spitaul,
Hie und da a Leichamaul.
Feinf Dentischta für die Zäh,
Machat aisra Nerva he.
Zwoi Apotheker sind im Fleacka,
Beim Zahla krieagsch an riesa Schreaka.
B'sonders rar sind dia Notar,
D' Hebamm sait, dass friana bess'r war.
Advokata und au Kläg'r.
Kinokäschta, Zeitungsträg'r.
Fabrika, Eisagieaß'r, Martinspumpa,
Feinf Schandarma suachat d' Lumpa.
D' Günz bald ohne Wasser,
Unterm Rathausboga Gaffer.
Gmoindsraut ohna Raut,
Weil es fehlt am Drauht.
Sammler laufet mit da Lista,
D'r ober Krumm macht Butterkischta.
Schachtla stampfet [stanzt?] d'r Christl Nett,
D'r Ruaf bloßt in dei Fed'rbett.
Parlamacher [Perlamacha?] in der Schrauba,
Dean Alexander bei d'r Trauba.
Im tiafa Lada geits a Wuscht,
Wer sa isst, kriagt gera Duscht.
Wit an guata Kalmus trinka,
Muascht da Schritt zum Kloschta lenka.
Dia Schaber dussa an d'r Bah,
Sind eisara gröschta Ma.
D'r Gatt'r gaut dau auf und a,
Seagat's Geld vom Baumstamm ra.
Baug'schäft, Maurer und Polier,
Jed'r gaut in sei Revier.
Hinterm Raith d'r Pinselmoier,
In d'r Bloicha kauft ma d' Oier.
Im Saunabad, du woischt dös au,
Kama sich massiera lau.
Wer aufs Eassa legt an Wert (leagat wert),
Kauft beim Plersch an nuia Herd.
Schlosser, Wanger und Kaffee,
Schuascht'r ohna Schuha, no me.
Trockamilch und resa Käs,
Kolbaschleif'r sind no fäs.
Sanitäter, Kimakehra,
Kloschtafraua und no Lehrer.
Possaschneider, Wäscher, Biegler,
All Johr amol no an Kegler.
B'sonders guat hand's fremda Buaba,
Kennat in d'r Herberg gruaba.
Dös Haus bringt eiserm Kuhn,
A Juppa Batza und an Ruhm.
Fremda b'suachat eis gar viel,
Dr. Greß muaß fleißig d' Orgel spieln.
Sie kehrat gar it ei,
Gand liabar glei ins Kloscht'r nei.
Kaum sind's komma, scho sind's weg,
Eisara G'schäftsleit hand an Dreck,
Es wär no viel zum saga,
Vo Bäder, Wiescht und Schwattamaga.
Ja, so gauts im Fleacka um,
Beim oina grad, beim and'ra krumm.
Mill und Hong geits kois in eis'rer Günz,
Schaffa muascht, wenn brauchst a Minz.
Wenn's g'ändrat haus [haut?] die Zeit,
isch nema Schuld als wia d' (dia) Leit.
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Sankt Pet'r, Schutzpatro vom Fleacka
Nauchdeam die Welt erschaffa war,
Haut eiser Herrgott gruabat.
Und mit groaßa Fraid
Auf sei Handwerk gluagat.
Heml, Welt, Steara und Mau
Send a wahra Pracht.
„I muaß da Petrus komma lau“,
Haut aiser Herrgott g'sagt.
„Siehscht du Pet'r, d' Schelmahoid?
Da Konohof, an Kalta Brunna?
Neb'm Fröhles Buschl
Wau d'r Hoid hot Götzaliad'r g'songa?
Gang, nimm doch dein Steacka,
Dua zur Günz na fliaga.
Mach mei Zoicha an den Fleacka,
Dött na kommt a Kloschterkiacha.“
„Mit Verlaub, mei Herr,
Was witt Dir traua?
Sieh i nix als Holz und Dreack,
Dau ka ma doch it baua!
Kotz, Schlotz, Bära, wilda Katza,
Böse Hägl, Maus und Ratza,
Wildsäu und au Flead'rmeis
Geits dau dunda haufaweis!
Soweit I luag mit meine Auga,
Nix als Boscha, Wasserlacha.
Herr, dös ka nix tauga,
Dött isch nix zum macha.
I wüsst im beschta Willa it,
Wau I sott markiera.
D'rum wär halt scho mei Bitt,
Ma sott wo 's trucka isch, probiera.“
„Herrgulent“, sait d'rauf der Herr,
„Mach mi it narrat; steck itzt dont mei Zoicha.
D'r Dreack wird ja auf d' Seita karrat.
Für da Fleacka wird's scho roicha!“
Sankt Pet'r muaß itzt folga,
S' Bächla gaut 'r na und nauf.
Krätzt a Riesakreiz in Boda,
Fäht nau meh in Heml nauf.
Es macht ihm groaße Sorga,
Arg isch au sei Qual.
Fraugat am and'ra Morga,
Wer nau nei därf in dös Tal.
„Herr, an Preißa kascht it braucha,
Deam lauft ja d' Günz glei nei ins Maul.
A Bayer dät v'rsaufa
Und Sachsa send so faul!
Pet'r tua m'r glauba,
Was i mach, ischt reacht.
Ins Günztal kommat d' Schwauba
Dia Kerla send it schleacht.“
„Dau wüsst i ganz an Guata!“,
Said Sankt Pet'r schnell.
„Holl Du her da Uota,
Der passat an dia Stell.
Der ka roda, holza, graba,
Schiaßa Bäre, Dachs und Füchs.
An d'r Günz und auf'm Gade,
Vo mir aus in d'r kuza Wichs.
D'r Sylach muaß a Kloatscht'r stifta,
Dass au beatat wead im Tal.
Deam Kaiser Karl kascht no berichta,
Dass 'r gait a freia Wahl.“
„Wenns so ischt“, sait St. Pet'r,
„Nau hätt i no a Bitt:
Lass bald dean Fleacka graute,
Oba, unta, in d'r Mitt.“
„Wie du witt“, moint d'rauf Gott Vatt'r,
„Mach du da Schutzparo.
I hau an andra Orta
Sowieso no gnua zum do.“
„Vergellt's Gott“, spricht der heilig Ma,
„Dös Pöschtla nimm i gera a.
Woischt, Herr, I will doch sea,
Was ma aus deam Sümpfle macha ka!“
Karl Schnieringer, Ottobeuren (1953)
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Zusammenstellung, Abschriften: Helmut Scharpf, 12/2018