05.03.2022 – Friedenskundgebung in Ottobeuren gegen den Krieg in der Ukraine

Titel

05.03.2022 – Friedenskundgebung in Ottobeuren gegen den Krieg in der Ukraine

Beschreibung

Russische Truppen überschritten am 24. Februar 2022 die Grenzen der Ukraine, aus den grenznahen Manövern mit bis zu 175.00 Soldaten wurde unvermittelt eine großangelegte Invasion, ein Krieg.
Unmittelbar im Anschluss daran erließ die EU weitreichende Sanktionen, aus der Ukraine setzte ein großer Flüchtlingsstrom ein, der Krieg trieb die Spritpreise in Deutschland um den 6. März auf über zwei Euro je Liter, Machthaber Putin drohte mit der Einstellung der Gaslieferungen. Die Getreidepreise zogen aufgrund eines dramatischen Angebotseinbruchs stark an, was laut einer ZDF-Meldung vor allem Schwellenländer hart treffen wird.

Am 8. März 2022 meldete die UN bereits zwei Millionen Geflüchtete, bereits Anfang März 2022 setzte überall eine große Welle der Solidarität ein, auch in Ottobeuren wurde gesammelt, um entsprechende Hilfslieferungen auf den Weg zu bringen, z.B. durch die Handballabteilung des TSVO. Krisenstäbe im Landratsamt Unterallgäu sowie der Stadt Memmingen riefen zur Bereitstellung von Privatquartieren auf. Am 08.02.2022 gab das Landratsamt Unterallgäu eine Pressemitteilung heraus, derzufolge bereits 200 Quartiersangebote vorliegen würden.
 
An verschiedenen Orten des Landkreises kam es zu Friedensdemonstrationen, so auch in Ottobeuren, wo der CSU-Kreisverband Unterallgäu am 5. März 2022 eine hochkarätig besetzte „Kundgebung mit ökumenischem Friedensgebet“ veranstaltete.

Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder erzählte von Berichten aus der ukrainischen Partnerstadt Tschernihiv über tote Zivilisten und gezielte Angriffe auf Wohngebiete. „Wir müssen dem russischen Präsidenten zeigen, dass wir nicht eine Sekunde lang dazu bereit sind, seine Gewalt einfach hinzunehmen.“ Schilder mahnte zur Differenzierung: Nicht das russiche Volk per se sei für den Krieg verantwortlich, sondern der „machtbesessene Despot im Kreml“.
Für Memmingen erläuterte der OB die Spendensituation: Bereits 40.000 Euro seien auf dem Spendenkonto der Stadt eingegangen, die Turnhalle der Gemeinschaftsschule diene nun als Notlager. Nach einem Aufruf des Aktionsbündnisses „Memmingen hält zusaMMen“ war in der kreisfreien Stadt bereits am Vortag (04.03.2022) für Frieden demonstriert worden.

Yuriy Yarmilko, Generalkonsul des ukrainischen Konsulats in München, schilderte die Lage sowie die Verzweiflung der Menschen. Er zeigte sich dankbar für die Unterstützung und warb um weitere Waffenlieferung. Die Ukraine sei ein „lebendes Schild
zwischen Russland und Europa, zwischen Mittelalter und ziviler Welt“. Und: „Eine Panzerfaust kommt nur dann zum Einsatz, wenn ein Panzer rollt.“ Yarmilko rief den Ottobeurern zu: „Wir zahlen einen enormen Preis für unsere Freiheit, sorgen Sie dafür, dass auch Russland einen hohen Preis zahlt.“

Der bayer. Gesundheitsminister Klaus Holetschek bezeichnete Putin in einer mitreißenden Rede als „Kriegsverbrecher und machtgierigen, wirren Despoten“, dem das Handwerk gelegt werden müsse. Der russische Diktator sei ein „Aggressor, der versucht, Europa anzuzünden“.
Holetschek schilderte außerdem, dass sich deutsche Krankenhäuser auf die Ankunft von Verletzten vorbereiten würden und er mit Psychotherapeuten die Behandlung plane. Er warb auch für die zivilgesellschaftliche Aufnahme von Kriegsflüchtlingen („Signale der Menschlichkeit, die man „Putin entgegenschleudern“ könne). Die aus der Verknappung resultierende Energiekrise (Öl, Gas, Kohle) oder Nordstream2 wurden vom Staatsminister nicht angesprochen.

Bürgermeister German Fries verwies auf die Rolle Ottobeurens als Mittler in Europa. Geprägt vom benediktinischen Geist stehe man mit den Europäischen Kulturtagen für den Frieden im Nachkriegseuropa. Als Rathauschef lobte er vor allem die große Spendenbereitschaft, auch seien bereits Geflüchtete aufgenommen worden.

Eva-Maria Scheule vom Friedensgebetskreis, der evangelische Pfarrer Werner Vogl und Abt Johannes sprachen Fürbitten und ein Vater unser. Man bete für ein schnelles Ende der Kampfhandlungen. Es gelte, „dem Wahnsinn eines Angriffskrieges mit entschlossenem Glauben entgegenzutreten“.

Der stellv. KV-Vorsitzende der CSU Peter Wachler sprach kurz und ohne Skript. Er verwies an die Kinder, deren Zukunft gerade zerstört werde und leitete dann über zu den Nationalhymnen der Ukraine und Deutschlands.

Auf Wikipedia gibt es eine eigene Seite, die die geschichtlichen Ereignisse von der Annektierung der Krim bis zu den aktuellen Kriegsereignissen darstellt.

Die Memminger Zeitung berichtete am 07.03.2022 auf S. 31 („Putin muss vor ein Kriegsgericht“), Boris Weltermann erstellte für Allgäu TV einen Filmbericht. Abt Johannes Schaber berichtet im Interview davon, dass es unter die Haut gehe, wenn man durch eigene persönlichen Kontakte aus erster Hand vom Leid der Menschen erfahre; die Bilder seien „kaum auszuhalten“.

Auch die Ottobeurer Mitfahrplattform ottobeuren-macht-mobil reagierte: mit einem Banner in den ukrainischen Nationalfarben und dem Appell: Mitfahren = Sprit sparen – und Putin den Geldhahn zudrehen. Der Ottobeurer Chor96 begann am 6.3.2022 damit, für den Auftritt in der Sontheimer Dampsäg (am 29.04.2022) ein populäres ukrainisches Chorstück („Schtschedrik“) einzustudieren (hier Link zur Interpretation des litauischen Profichores Bel Canto; ab Sek. 15 geht's los). Zahnärzte kündigten an, Ukrainer kostenlos zu behandeln, am 13.3.22 inserierte ein Memminger Urologe mit einem ähnlichen Angebot (mit kyrillisch geschriebenem Text und der deutschen Übersetzung).

Die Hoffnungen auf ein schnelles Ende des Krieges sind derweil gering. Der ehemalige deutsche Botschafter in Russland, Rüdiger von Fritsch, wie dieses ZDF-Interview („Putin darf Krieg nicht verlieren“, vom 10.03.2022) zeigt. Am 15.03.2022 meldete die UN bereits 2,8 Millionen Flüchtlinge, davon 1,8 Millionen in Polen. Trotz der Notwendigkeit zur Einsparung von Sprit zeigten Erhebungen von Verkehrsdatenanbeitern, dass die Autofahrer in Deutschland ihr Tempo bislang nicht drosseln. Nachdem die Ukraine 51% des auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehenden Sonnenblumenöls liefern, meldete der Verband des Lebensmittelhandels, dass es noch keine Meldungen über eine flächendeckende Unterversorgung gäbe, der Ausfall des für Deutschland wichtigen Rohstoffliefernaten können aber nicht lange ohne Auswirkungen bleiben. Der Verband rief die Bevölkerung auf, sich solidarisch zu verhalten und nur handelsübliche Mengen einzukaufen. Neben Sonnenblumenöl würde auch Mehl Ziel von Hamsterkäufen, so eine ZDF-Meldung.

Engelbert Keidler organisierte seitens der Blasmusikgesellschaft Ottobeuren ein Benefizkonzert, das am 22. Mai 2022 in der Basilika stattfand und etwa 4.000 Euro einbrachte. Neben der Blasmusik (unter Peter Oswald) nahmen der Kirchenmusiker Dr. Josef Miltschitzky (Orgel) teil sowie die Ottobeurer Alphornbläser und das Vokalensemble Memmingen (unter Heidi Zapf).

Ein halbes Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges gab der bayer. Innenminister Joachim Hermann am 24.08.2022 bekannt, dass sich bereits 180.000 ukrainische Flüchtlinge in Bayern aufhalten.
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Die Fotos wurden dankenswerterweise von Robert Blasius zur Verfügung gestellt!
Zusammenstellung, Helmut Scharpf (03/2022)

Urheber

Helmut Scharpf, Robert Blasius

Quelle

Robert Blasius (Fotos)

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

2022-03-05

Rechte

gemeinfrei