22.11.1902 – Amüsante Illustration zur Kneippkur aus der Zeitschrift „The Graphic“
Titel
Beschreibung
Das Verhalten der „Kneippianer“ wurde früher als skurril beargwöhnt: die Herren ohne Hüte, das Tragen von Sandalen, Frauen, die ihre Fußknöchel zeigten, das Barfußlaufen bzw. Tautreten in nassem Gras, die Güsse.
In der britischen Zeitschrift „The Graphic“ vom 22.11.1902 war auf S. 691 eine Szene abgebildet, die vermutlich weniger zur Nachahmung ermunterte, sondern eher „very shocking“, zumindest aber „amused“ daherkam, nach dem Motto: „Die spinnen, die Deutschen.“ Hüte tragen hier zwar alle, aber: Da laufen Frauen und Männer aus den besseren Kreisen („Rechtsanwälte“ und „Offiziere in Zivil“) barfuß durchs Gras, welches sie mit Wasser aus mitgeführten Gießkannen wässern. Für die illustrierten Zeitschrift war die Abbildung sicherlich ein Quotenbringer. Nicht von ungefähr nutzten auch Ansichtskartenverlage solche Steilvorlagen und gaben Scherzkarten zur Kneippkur heraus.
Ein Artikel war damit offenbar nicht verbunden (S. 690 liegt allerdings nicht als Digitalisat vor), es gibt zumindest eine Bildunterschrift (Text s.u.).
Gezeichnet hat die Szene der Franzose Frédéric de Haenen (1853 - 1929), die Vorlage dazu hatte der Illustrator und Genremaler Ernst Hosang (1857 - 1919) geliefert.
The Kneipp Cure: Patients taking their morning exercise at Grünau, near Berlin
Drawn by F. de Haenen from a sketch by. E. Hosang
In all German watering-places and health resorts the Kneipp cure – that is, walking barefoot in wet grass – is strongly recommended. In places where dew-wet grass is not obtainable, the damp is supplied artificially, the patients taking with them in their morning promenade watering-pots, with which they soak the grass. Other patients who are not thorough in undergoing the cure, find vast amusement in watching elderly ladies with their daughters, officers in mufti, lawyers and others engaged in this watering occupation.
Hier die Übersetzung von / Here the translation by Emma Scharpf:
Die Kneippkur: Patienten bei der morgendlichen Anwendung in Grünau bei Berlin
Gezeichnet von Frédéric de Haenen, nach einem Entwurf von Ernst Hosang
Die Kneippkur, sprich das Barfußlaufen im nassen Gras, wird in allen deutschen Wasser-Heilanstalten und Kurorten hoch angepriesen. An Orten ohne Taubildung wird die Feuchtigkeit künstlich zugeführt, indem die Kurgäste bei ihrer morgendlichen Anwendung Gießkannen mitnehmen, mit denen sie das Gras durchfeuchten. Anderen Patienten, die es mit der Kuranwendung nicht ganz so ernst nehmen, bereitet es höchstes Vergnügen, älteren Damen mit ihren Töchtern, Offizieren in Zivil, Rechtsanwälten und anderen bei dieser Bewässerungsaktion zuzusehen.
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Schon im Oktober 1892 hatte „The Graphic“ über die Kneippkur in Wörishofen berichtet (Link hier).
Die schöne Zeichnung konnte im März 2022 im englischen Ashford (Grafschaft Kent) angekauft werden. Die Origninalgröße: ca. 39 x 28 cm, mit Rand, 30 x 22,5 cm ohne. Sammlung Helmut Scharpf, 03/2022