10.03.2023 – Hebauf für die Sanierung der ehemaligen Klosterökonomie

Titel

10.03.2023 – Hebauf für die Sanierung der ehemaligen Klosterökonomie

Beschreibung

Die Umwandlung der ehemaligen Klosterökonomie in der Luitpoldstraße 46 ist in mehrfacher Hinsicht ein herausragendes Vorhaben: Der 1719 erbaute Zehentstadel des Klosters verwandelt sich bis Weihnachten 2023 in einen Wohnkomplex mit 24 Mietwohnungen, städtebaulich entsteht ein neues Viertel, die Baukosten werden sich auf voraussichtlich knapp acht Millionen Euro summieren, der Ottobeurer Architekt Franz Arnold (mit seinem Büro „Architektur + Städtebau Arnold“, Memmingen) meistert ein sehr komplexes Bauvorhaben.

Bauherr ist die Abtei Ottobeuren, zum Hebauf (Richtfest) war der Konvent deshalb – bis auf Altabt Paulus Weigele – vollständig erschienen.

In Begleitung von seinem Vorarbeiter Matthias Holderried gab Thomas Merk (Firma Hölzle, Erkheim) den Richtspruch zum Besten.

Begrüßung durch Abt Johannes Schaber OSB:
Jeder weiß um die Wohnungsnot, in Ottobeuren gibt es kaum bezahlbaren Mietwohnungsraum. Es war dem Konvent deshalb ein Anliegen, im sozialen Wohnungsbau aktiv zu werden. Wir haben gemeinsam beschlossen, dieses Großprojekt anzugehen. Bundesbauministerin Klara Geywitz möchte jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen – davon 100.000 Sozialwohnungen. Wir tragen in Ottobeuren mit 24 Wohnungen zu diesem Ziel bei, 18 davon sind Sozialwohnungen. Das alte Gebäude wird erhalten und wird einer zukunftsträchtigen Nutzung zugeführt. Es ist Teil der Klosteranlage, wird aber nicht mehr als Reitstall, als Wertstoffhof oder zuletzt von kleinen Firmen genutzt. Größe und Stellenwert kommen durch die architektonischen Bemühungen neu zur Geltung. Die Marktgemeinde Ottobeuren, die Spitalstiftung, Wolfgang Meier und wir sind auf diesem Areal Eigentümer. Wir erreichen durch den sehr guten Wohnraum einen wesentlichen Mehrwert, ganz Ottobeuren erfährt eine Belebung. Das neue Viertel hat noch keinen Namen. Als Bauherr möchte ich zwei Personen stellvertretend herausgreifen:
Franz Arnold, der dieses Werk in Angriff genommen hat und sich als Architekt und Bauleiter um alles kümmert.
Markus Rock als Vertreter des Bauherrn, der jeden Mittwoch auf der Baustelle ist, die Schaltstelle zum Kloster darstellt und die Finanzierung abwickelt.
„Wir sind die Einladenden, die Feiernden, die Dankbaren. Ihnen alles Gute und Gottes Segen.“

Franz Arnold:
Das Gebäude ist ziemlich genau 300 Jahre alt, es wurde 1719/20 als Klosterökonomie errichtet. In der Baugeschichte des Klosters Ottobeuren von Gabriele Dischinger wird berichtet, dass es Abt Rupert Ness akzeptieren musste, die landwirtschaftlichen Gebäude noch vor der Basilika zu errichten. Man brauchte etwas zu Essen und man brauchte Geld, die Landwirtschaft brachte Einnahmen, mit denen der spätere Kirchenbau mitfinanziert werden konnte. Das Gebäude war ein Zehentstadel. Man musste früher den Zehent – den zehnten Teil seines Ertrags – abgeben. Die Bauern konnten zur Abgabe durch die Tenne ins Gebäude einfahren.
In den Stallungen wurden nach meiner letzten Erinnerung Milchvieh gehalten. Es wurde später in einen neu gebauten Stall verlegt. Der Reit- und Fahrverein nutzte den Raum als Reithalle. Als dieser in Eldern seine eigene Anlage gebaut hatte, kam der Wertstoffhof, der schließlich in den Osten Ottobeurens („Zum Kälberboscha“) verlegt wurde. Fünf Betriebe waren seitdem hier untergebracht.

Vor fünf Jahren bat mich Abt Johannes um „Nachbarschaftshilfe“, das Landratsamt verlangte einen verbesserten Brandschutz mit Fluchtwegekonzept. Im Zuge der Überlegungen fragte ich den Abt, ob wir nicht etwas G’scheid’s machen könnten. Und nach dem Beschluss des Konvents ist genau das entstanden: 24 Wohnungen, davon 18 mit Sozialbindung. Den Zehenten von damals geben wir 300 Jahre später sozusagen wieder zurück. 2019 begannen die Planungen, der Bauantrag wurde mit Bescheid vom 25.08.2021 genehmigt, vor 14 Monaten konnten die Umbauarbeiten begonnen werden.
Uns war wichtig, den denkmalgeschützten Dachstuhl zu erhalten, im Dachgeschoss entstehen auf beiden Seiten je drei frei vermietbare Wohnungen. Die ursprüngliche Zonierung mit dem mittleren Tennentor und den beiden seitlichen Tennen – sprich: die barocke Symmetrie – sollte wiederhergestellt und herausgearbeitet werden. Dankbar bin ich für die Kompromissbereitschaft des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege – für das Unterallgäu zuständig ist der stellvertretende Referatsleiter Michael Habres –, ohne die die neue Nutzung nicht integrierbar gewesen wäre. Abstellräume durften oben eingebaut werden, wir hatten deshalb unten Platz für eine Tiefgarage mit 23 Plätzen.
Zur Konstruktion: Die Holzbeton-Verbunddecke wurde so gelöst, dass die 300 Jahre alten Holzbalken durch den dünnen Beton eine neuzeitliche Hilfe bekommen. Damit haben wir zusätzlich einen guten Schallschutz und verbessern die Statik. Über den Stützen wurden Stahlträger eingezogen, was über uns eine weitere Holzbeton-Verbunddecke ermöglicht, die wiederum den Schallschutz zwischen den Wohnungen und den Abstellräumen herstellt.
Für die Statik der Fundamentierung wurde mit dem Statiker eine gute Lösung gefunden. Vor 300 Jahren wurde durch „Erdgraber“ monatelang Erde abgegraben und im Innenhof und im Gebäude aufgeschüttet, um den Untergrund zu ebnen. Das war freilich ein schlechter Baugrund. Wir mussten drei Meter runtergraben und haben mit Gräben eine gute und kostengünstige Lösung gefunden. Die eigentliche Zierde des Gebäudes ist der herrliche Dachstuhl. Die Zimmerleute der Barockzeit waren laut Dischinger nicht in der Lage, diesen innerhalb eines Jahres aufzurichten. Eine Hälfte wurde in einem Jahr, die andere im nächsten Jahr aufgestellt.
Wir wollten ein ruhiges Dach, keine Balkone, keine Erker, nicht viele verschiedene störende Gauben, nur 11 ruhige Schleppgauben im Süden und Dachfenster im Norden. Das Gebäude soll sich ganz bewusst als Teil der barocken Klosteranlage präsentieren, mit dem gleichen Grün und dem gleichen gebrochenen Gelb.
Einige Zahlen: 1.600 m² Wohnfläche, 12.000 m² umbauter Raum – was ungefähr 12 Einfamilienhäusern entspricht. Die projektierten Baukosten von 7,4 Millionen Euro werden um lediglich 5 - 6 % überschritten. Der Vertreter des Bauherren muss das Geld verwalten als wäre es sein eigenes.

Einige Dankesworte: Es gab in meinem Berufsleben noch nie jemanden, der mir so viel Vertrauen geschenkt hat wie Abt Johannes. Ich bin dankbar, dass ich so einen Bauherren in meinem Leben noch erleben durfte. Jemand, der einfach sagt, der Architekt macht’s richtig, motiviert unglaublich. Den Projektanten – zuvorderst dem Statiker, Herrn Seger – bin ich für die Hilfe dankbar, das Projekt im Kostenrahmen zu halten, dem Ingenieurbüro Stefan und Thomas Lutzenberger mit Bauleiter H. Müller, Frau Basilovski für das energetische Konzept – wichtig für den Zuschuss und als Beitrag für den Klimaschutz, der Firma Anwander (Sulzberg) für das gut gelöste Brandschutzkonzept, den Nachbarn – Herrn Holdenried und Herrn Maier, dem BRK, die alle Lärm und Verkehr aushalten mussten, besonders der Firma Kutter (Memmingen) mit den Bauleitern H. Reck und Capo Thomas Haag, dem Abteilungsleiter Hochbau, Herrn Konrad, der Firma Hölzle (besonders dem Vorarbeiter, Herrn Holderried), mit der ich schon seit vielen Jahren zusammenarbeite. Sie beherrscht die alte Handwerkskunst, so einen Dachstuhl gut instandzusetzen. Herrn Merk für das faire Angebot. Der Abbruchfirma Lässer (Waltenhofen-Oberdorf), denn abbrechen kann eben nicht jeder. Da braucht es einen guten Baggerfahrer und einen verständigen, unkomplizierten Chef wie den Herrn Lässer. Diese Firma will ich bei meinem nächsten Vorhaben wieder haben, weil das einfach gut funktioniert! Auch mit der Firma Paul (Gerüstbau Westerheim) hat es gut geklappt, die Firma Klaus (PS.: war nicht anwesend) – sie machte mit einer Mauerwerk-schonenden Seilsäge die senkrechten Schnitte, die Firma Jörg die waagrechten. Die Spezialfirma BitsUG (Memmingen) für das Trockeneisstrahlen der Holzbalken mit gefrorenem CO2. Die Balken waren alle weiß gekalkt, dreckig, schwarz; jetzt sind sie wieder wunderschön. Von den Installateuren sind heute vertreten die Firma Graf (Heizung / Sanitär) mit Herrn Schillgallis als Mann vor Ort, der alles gut in Händen hat. Die Firma Elektrotechnik Bolz (Ottobeuren, Vorarbeiter Herr Lindl), die Firma Fechtig (Obergünzburg) für Lüftungstechnik, die Firma Abbruzzesi macht die Flachdachabdichtung, die Fa. Güthler die Fenster. Die Wohnungen hier oben haben alle eine Art Loggia mit Wintergarten.

Weitere Danksagungen:
Die Kirche tut den Menschen mit diesem Vorhaben etwas Gutes. Nachdem dem Kloster Einnahmen aus der Land- und Waldwirtschaft sowie über die Lehrergehälter an der Schule wegbrechen, hat die Abtei zwar Mieteinnahmen, sie engagiert sich allerdings vor allem im sozialen Wohnungsbau. Ich finde, das ist einen Applaus wert!
Auf der Baustelle arbeiten über 100 Leute zusammen. Dass es dabei auch mal Stress und zeitlichen Druck gibt, ist unvermeidlich. Jeder Monat Verzögerung kostet den Bauherren 15.000 Euro. Der Kosten- und Termindruck ist einfach da, das ist ein Zeichen unserer Zeit. Da gilt es, Kompromisse zu finden und zusammenzuarbeiten – auch über Konfessionsgrenzen hinweg. Ohne Muslime könnten wir den Bau übrigens einpacken! Genannt seien hier die Firmen Syla (Trockenbau, Bad Wörishofen) und Morina (Verputzarbeiten), die ganz hervorragende Arbeit machen. Eine gute Zusammenarbeit auf der Baustelle ist auch eine Art Völkerverständigung.

Noch eine persönliche Emotion: 50 Jahre, nachdem ich hier in der Klosterschule war, kann ich dem Kloster etwas zurückgeben. Es ist das allerschönste, dass ich hier etwas zurückgeben darf. Heute ist nur noch Pater Theodor Lutz da, einer der Patres, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin. Mein Wunsch: Vielleicht geht die Sanierung weiter, so dass die gesamte Klosteranlage – mit Rustico-Hof und Ökonomiehof – wieder zu der wunderschönen Anlage wird, die sich Abt Rupert Ness [1670 - 1740, am 8. Mai 1710 zum Abt gewählt] 1711 ausgedacht hat!
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Der Einbau einer Erdwärmepumpe hat sich wegen Bedenken des Wasserwirtschaftsamtes (bei einem Bohrversuch) leider nicht realisieren lassen, beheizt wird das Gebäude zukünftig mit Holzpellets. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt eine Versorgung mit Nahwärme ergeben, so sind vorsorglich entsprechende Leerrohre verlegt worden. Eine weitere Zukunftsinvestition: Die Parkplätze in der Tiefgarage sowie die ebenerdigen Stellplätze sind alle auf Elektromobilität vorbereitet.
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Am 30.11.2023 nahm Abt Johannes Schaber die Segnung vor, die Wohnungen waren zum 1.12. bezugfertig. Bis auf drei Einheiten waren bereits alle vermietet.

Auf einer Lithografie von Anton Hälmle von 1813 ist die Klosterökonomie in ihrer ursprünglichen Form abgebildet. Auch auf diesem Foto (ca. 1902) ist die Ökonomie vor dem Umbau nach dem 1. Weltkrieg gut zu sehen.

Fotos, Transkription und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 03/2023

Urheber

Helmut Scharpf

Quelle

Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

2023-03-10

Rechte

gemeinfrei