30.10.1926 – Eröffnung der neuen Schießstätte der „Feuerstutzen-Schützen-Gesellschaft Ottobeuren“

Titel

30.10.1926 – Eröffnung der neuen Schießstätte der „Feuerstutzen-Schützen-Gesellschaft Ottobeuren“

Thema

Schützengesellschaft, neue Schießstätte

Beschreibung

Eine spektakuläre Schützenscheibe von 1928, die im neu eröffneten Haus zur Schützenkultur im Bauernhofmuseum Illerbeuren hängt, zeigt die am 30. Oktober 1926 eröffnete Schießstätte der Ottobeurer Schützen. Der Standort nördlich des Sportplatzes an der Westlichen Günz sollte gut 50 Jahre Bestand haben. Der Platz der ursprünglichen Schießstätte an der Guggenberger Straße – dort gibt es noch immer den „Schießstattweg“ – war von der Gemeinde 1921 als Baugrund benötigt worden, ein unmittelbarer Wiederaufbau scheiterte am fehlenden Grundstück, an den Auswirkungen des 1. Weltkriegs und an der Inflation, die das Vereinsvermögen der Schützen aufgefressen hatte.

Das Memminger Volksblatt – identisch mit dem Ottobeurer Tagblatt – berichtete ab April 1926 recht ausführlich über den Werdegang des Projekts. Beim Architekten, der die Pläne unentgeltlich erstellt hat, handelte es sich um Valentin Ott, der zum einen verwandschaftlich mit Ottobeuren verbunden war, der uns zum anderen auch wunderbare Aquarelle hinterlassen hat.

In den Texten beachte man den „patriotischen Geist“, der an vielen Stellen sichtbar wird. Aussagen wie „Das Wiederaufleben der edlen Schützensache ist sehr zu begrüßen und dies nicht zuletzt auch vom Standpunkte der Landesverteidigung aus“ machen einen wunden Punkt der Nachkriegszeit deutlich. Mit der Aussbildung an den Waffen sollten u.a. „vaterländische Interessen verfolgt“ werden. Eine der interessantesten Aussagen aus der Zeitung: Die Ottobeurer Schützen haben für ihre Beteiligung an den Spartakus-Kämpfen 1919 10.000 Mark erhalten. Die Niederschlagung der Revolution wurde vom Großkapital finanziert. Das bestätigte auch Pitrof in seinem Buch von 1937, in dem er die Finanzierung des von ihm angeführten „Freikorps Schwaben“ durch Banken erwähnte.
Mehr zum „Haus zur Schützenkultur“, das am 1. Mai 2023 eröffnet wurde, kommt auf einer gesonderten Seite.

Memminger Volksblatt, 7.4.1926, S. 5f.
Ottobeuren, 7. April. Feuerstutzen-Schützen-Gesellschaft. In einer vergangene Woche stattgefundenen Generalversammlung wurde die Neuerstellung einer Schieß-Stätte beschlossen. Zu diesem Zwecke werden z. Zt. mit verschiedenen Grundstücksbesitzern Unterhandlungen gepflogen, die in nächster Zeit zu einem Resultat führen dürften. Die alte Schießstätte wurde bekanntlich im Jahre 1921 abgebrochen und die seinerzeit geplante Anlage beim Bannwalde kam nicht zur Ausführung, weil die Behörden die Genehmigung versagten. Die Finanzierung des Unternehmens ist bereits gesichert, da von privater Seite ein ansehnlicher Betrag zur Verfügung gestellt wurde. Der Rest soll durch Zeichnung von Anteilscheinen aufgebracht werden. Für den mit Tod abgegangenen 1. Schützenmeister, Herrn Sanitätsrat Dr. Berchtold wurde Herr Alois Hafner gewählt, nachdem das verdienstvolle Wirken des Dahingeschiedenen anerkennende Würdigung erfahren hatte. Als 2. Schützenmeister fungiert Herr Sägewerksbesitzer Schaber, als 3. und Schriftführer Herr Kaufmann Specht und als Schützenkommissär Herr Forstmeister Koch. — Seit der letzten Generalversammlung im Jahr 1922 ruhte die Vereinstätigkeit und soll der alte Verein nun wieder zu neuer Blüte erstehen. Ganz besonders soll auch durch die Werbung von Jung-Schützen der edle Schieß-Sport gefördert werden; das Schießen mit kleinkalibrigen Gewehren wird ebenfalls eingeführt. —
Die Geschichte der hiesigen Feuerstutzen-Schützengesellschaft läßt sich nach den vorhandene Vereinsakten bis zum Jahre 1831 zurückverfolgen, es darf jedoch angenommen werden, daß die Gründung der Gesellschaft schon anfange des 18. Jahrhunderts erfolgte. Der Verein erhielt für die seinerzeitige Beteiligung an der Bekämpfung der Spartakisten-Unruhen im Mai 1919 für die Stellung einer Kompagnie 10 000 Mk. Leider wurde aber diese Summe neben dem übrigen Vermögen des Vereins auch durch die Inflation vernichtet, und muss daher durch Arbeitsdienstleistungen beim Bau der Schießstätte durch die Mitglieder der Kostenaufwand verringert werden. Das Wiederaufleben der edlen Schützensache ist sehr zu begrüßen und dies nicht zuletzt auch vom Standpunkte der Landesverteidigung aus. Trage daher Jeder, wenn der Ruf an ihn ergeht, sein Möglichstes zur Förderung des Vereins bei!

Memminger Volksblatt, 31.8.1926, S. 4
Ottobeuren, 31. August. Der Bau der neuen Schießstätte schreitet rüstig vorwärts und ist nun die Schützenhalle bereits unter Dach gebracht. 16 Schützenstände sind vorhanden, ein geräumiger Platz vor denselben gewährleistet ein reibungsloses Abwickeln des Verkehrs vor den Ständen, ein weiterer Raum ist als Restaurationslokal bestimmt, die anderen Räume wie Schützenmeisterzimmer, Büchsenmacherraum, Küche, Keller und die anderen Nebenräume sind alle aufs praktischste eingeteilt. Die Seitenblenden sind teilweise auch schon fertiggestellt, desgleichen in der Hauptsache der Zielerstand.
Die Pläne für die gesamte Anlage wurden nach den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete des Schießsports angefertigt und ganz besondere Anerkennung verdient, daß sich die Schießstätte so trefflich in das Gelände einfügt. Nicht übersehen darf werden, daß hier ein Werk für eine lange Reihe von Jahren im Entstehen begriffen ist und gebührt dem rührigen Vorstand der Schützengesellschaft und dem Gesamtausschuß, wie allen Handwerkern, die den Bau durch niedrigste Preishaltung ermöglichten, der Dank der Allgemeinheit. Dieses nicht zuletzt aus dem einen Grunde, weil der Bau dieser neuen Schießstätte nicht nur sportlichen Hintergrund hat, sondern weil durch den Schießsport in zwangloser Unterordnung und Kameradschaftlichkeit vaterländische Interessen verfolgt werden, welches Bestreben in heutiger Zeit doppelt anerkannt werden muß.
Wollen wir hoffen, daß die noch zu bewältigenden Arbeiten in der gleichen Weise wie bisher einer zufriedenstellenden Lösung entgegengeführt werden, sodaß beim Eröffnungsschießen im Oktober recht lustig die Büchsen knallen können getreu der schönen Devise: „Ueb' Aug und Hand für's Vaterland!

Memminger Volksblatt, 12.10.1926, S. 4
Ottobeuren, 12. Oktober. Die neue Schießstätte. Im Juli dieses Jahres wurde in unserem Markt mit einem Bauwerk begonnen, das schon Monate hindurch dem Ausschuß der Schützengesellschaft viel Arbeit und Sorgen machte. In der Hauptsache war es immer die Platzfrage, die einen durchgreifenden Entschluß verhinderte, bis die Vorstandschaft in voller Tatkraft und Verantwortungsfreudigkeit mit ihrem weitsichtigen Vorsitzenden die Angelegenheit zur Tatsache stempelte. Heute steht die prächtige, überaus feinempfundene Baulichkeit der Schützenhalle an ihrer Stelle und die gesamt Anlage und ihre Harmonie mit dem Landschafsbildnisse muß das Auge jeden Beschauers erfreuen. Der Versuch des Architekten, neben zweckentsprechender praktischer Einteilung auch das ethische Moment zu würdigen, ist restlos gelungen, der Beschauer hat von der Gesamtanlage ein ruhiges Bild, er fühlt in der ganzen Anlage einen feinen Rhythmus. Treten wir durch den Haupteingang auf der Südseite in die Baulichkeit ein, so befinden wir uns zuerst in dem Restaurationslokal. Von demselben aus gelangt man dann in die eigentliche Schießhalle, welche zweckentsprechend räumlich und eine ziemliche Ausdehnung aufweist. Links und rechts sind in der Ecke ein Raum für den Schützenmeister bezw. Für den Büchsenmacher eingebaut. 16 Schießstände, die durch die modernsten Einrichtungen bezüglich Schutzmeldung etc. mit den Scheibenständen verbunden sind, sind an der Nordfront untergebracht. Die Sicherheit des Geländes gewährleisten 7 Betonseitenblenden und 2 Holzhochblenden, die freilich nicht zum Schmuck erstellt wurden, sondern bei der Schießstätte unvermeidlich notwendige Zwecke erfüllen. Die linke Flucht des Schießfeldes begrenzt ein natürlicher Wall, desgleichen die Rückwand der Scheibenstände. — Die Schützengesellschaft kann man zu ihrem neuen Heim beglückwünschen, für unsern Markt ist die eine Tatsache erfreulich, daß außer der Planfertigung (Architekt Ott - Pasing) nur heimatliches Handwerk und Gewerbe an der Schaffung der Schießstätte beschäftigt waren. Wohl war es für die beteiligten Meister keine Arbeit, die besonderen Gewinn eintrug doch mag ihnen die eine Tatsache, daß sie eine Stätte geschaffen, die Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte einen schönen Zwecke geweiht ist, innere Genugtuung verschaffen. —
In den nächsten Tagen gehen nun die Innenarbeiten ihrer Vollendung entgegen, sodaß am kommenden Sonntag die Schießstätte ihrer Bestimmung übergeben werden kann.

Memminger Volksblatt, 20.10.1926, S. 5
Ottobeuren, 20. Oktober. Feuerstutzen-Schützen-Gesellschaft. Am kommenden Sonntag, den 24. d. M., wird die nunmehr bis auf einige kleine Detailarbeiten fertiggestellte neue Schießstätte ihrer Bestimmung übergeben [tatsächlich: 30.10.1926]. Mit dem Eröffnungsschießen ist ein kleines Probeschießen verbunden. Dieses 1. Schießen bedeutet für die edle Schützensache in unserem Markte einen historischen Moment. Mit Genugtuung erfüllt es jeden Vaterlandsfreund, wenn er sich auch nicht aktiv dem Schießsport widmet, daß die jetzige Schützengeneratiion dem alten Brauche des edlen Sports treu geblieben ist, treu geblieben nach dem unglücklichen Weltkriege, in den Jahren tiefster Erniedrigung unseres Vaterlandes, in dem sich verheerende Umwälzungen überstürzten. Die neue Stätte wird denn auch das Schützenleben wieder neu aufblühen lassen, Schulter an Schulter werden in ihr die Schützen wieder kämpfen für Schützenehre und Schützenruhm. Für die Geschichte des Schützenvereins ist es von besonderer Bedeutung, daß gerade in den Zeiten der Bedrängnis die Vernunft und der ehrliche Wille zur Ordnung bei den Schützen wieder Fuß faßte. Wie wir stolz sein können auf die Taten unserer Vorfahren, so werden auch einst unsere Nachkommen der jetzigen Schützengeneration, die nach alter Art und Sitte der Heimat in schwerster Zeit diente, mit Achtung und Dank gedenken. Mit nicht leichten Opfern wurde wieder eine Schießstätte geschaffen und der Verein hat damit gezeigt, daß er das Erbe der Väter hochhält in der Erkenntnis, welch wichtige Aufgabe er in der Förderung und Übung der Schußwaffe für unser liebes Vaterland erfüllt und getreu dem Rufe aus alter Zeit: „Möge ein günstiger Stern darüber walten, daß die Jungen wieder werden wie die Alten!“ – Zu der Eröffnung der Schießstätte folgt in einer der nächsten Nummern eine interessante historische Betrachtung über das Schützenwesen in unserem Markte, verfaßt von Herrn Oberlehrer Bronnenmaier.

Memminger Volksblatt, 21.10.1926, S. 4f. (pdf 762, 763)

Zur Eröffnung der neuen Schießstätte der Feuerstutzen-Schützen-Gesellschaft.
Kurze historische Betrachtung von H. Bronnenmaier.
Motto: Ueb’ Aug’ und Hand fürs Vaterland!

Der Neubau der Ottobeurer Schießstätte auf dem idyllisch gelegenen Anger an der Halde des ehemaligen Galgenberges gibt Anlaß, einen kleinen Rückblick zu halten über den Werdegang des Schützenwesens im allgemeinen und über die Geschichte der Feuerstutzenschützengesellschaft Ottobeuren im besonderen. Schauen wir zurück in die gute, alte Zeit. Was soll jeder Schütze davon wissen?
(…) Text zur Geschichte des Schützenwesens siehe Bilddateien der beiden Zeitungsseiten.

Folgeseite (s. 5):
Wie ist es um das Ottobeurer Schützenwesen heute bestellt?
Das trostverheißende Dichterwort: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen“, läßt sich erfreulicherweise auch auf den Feuerschützenverein Ottobeuren zur Zeit anwenden. Weitblickende vaterländisch gesinnte Männer machten sich vor etlichen Jahren schon an den Wiederaufbau der alten Schützengilde. Es seien vor allen genannt die Vereinsschützenmeister Herr Dr. Berchtold selig, Herr A. Hafner und Herr H. Schaber, der Schützenschriftführer Herr K. Specht, der Schützenrequisitenmeister Herr M. Bibel, ferner Herr Bürgermeister A. Fergg.
Nach langwierigen Verhandlungen über den Bau einer neuen Schützenhalle, wobei die Platzfrage eine große Rolle spielte, kam die gewünschte glückliche Lösung. Herr Brauereibesitzer Max Graf stellte dem Verein in großmütiger Weise seinen geräumigen Anger am alten Galgenberg gegen bestimmte Konzessionen auf Jahre hinaus zur freien Verfügung. Opferwillige Mitglieder und Gönner des Vereins spendeten Geldmittel und Baumaterialien zur Erstellung der Neuanlage.
Der Entwurf zur Schützenhalle stammt von Herrn Architekt Ott, München. Die Bauführung der gesamten Anlage lag in den Händen hiesiger Firmen:
Maurerarbeiten: Baugeschäft Johann Maier. Zimmermannsarbeiten: Josef Mang und Bernhard Filgis. Schreinerarbeiten: Anton Angstwurm, Franz Xaver König und Jakob Leinauer. Schlosserarbeiten: Georg Plersch, Casimir Raith und Anton Weinmann. Glaserarbeiten: Alexander Wegmann. Spengler- und Installationsarbeiten: Alfons Raith. Elektrische Beleuchtung und Zuleitung: Michael Schropp, Elektr. Werk, Rohrhof. Malerarbeit: Georg Mayer. Elektrische Signalanlage: Carl Schwingenschlögel. Zubereitung des Holzmaterials: Hans Schaber, Michael Hatzelmann und Johann Fickler.
Die Ausmaße der Schützenhalle sind 14 x 16 Meter. Die Halle enthält 16 Schützenstände mit geräumigem Vorplatz, eine große, gemütliche Schützenstube für Restaurationsbetrieb, Schützenzimmer, ferner Küche, Keller und Abortanlage. Die Blenden haben eine Höhe von 6 Metern. Dies ist das neue Werk, das sich günstig in das Landschaftsbild einfügt.

Nun ergeht an der bestbekannten Opfersinn der Ottobeurer Einwohnerschaft der Appell, durch Zeichnung von Anteilscheinen, deren Beträge später wieder zurückbezahlt werden sollen, zur Vollendung des begonnenen Werkes beizutragen. Der Stern des Ottobeurer Feuerschützenvereins ist im Steigen. Es ist überaus erfreulich, daß die Vereinsleitung daran geht, eine Jungschützengilde zur Ausbildung mit Kleinkalibergewehren zu gründen; denn die Jugend ist die Trägerin der Zukunft. In Erkenntnis der Notwendigkeit solcher Maßnahmen haben Staaten wie England, Schweden, Schweiz, Österreich und Italien die Erlernung des Schießens der Jugend zur Pflicht gemacht. England hat sogar Schießunterricht als eigenes Unterrichtsfach in Hoch-, Mittel- und Volksschulen eingeführt. Die Ottobeurer Gilde geht also in zeitgemäßer, vorbildlicher Weise den richtigen Weg. Wenn man heute hinunterblickt zur neuen Schießstätte, so muß man gestehen, die Ottobeurer Schützen haben ein vorbildliches Werk in landschaftlich schöner Gegend geschaffen. Eine spätere Generation wird mit Stolz zurückblicken auf jene Männer, die eintraten für das Wiedererstehen der alten Schützengilde.
Schützen! Verwahrt euer neues Heim als Heiligtum – es sei euer Kleinod! Haltet hoch die Devise des deutschen Schützenbundes! Seid Brüder und pflegt die edle Kunst mit der Feuerwaffe in kameradschaftlich vaterländischem Geiste!
Möge dem Feuerschützenverein Ottobeuren in seinem neuen Heim eine glückliche Zukunft beschieden sein!

Noch nicht abgeschrieben, aber als Bilddatei abrufbar:
Memminger Volksblatt, 2.11.1926, S. 5, Eröffnungsbericht (pdf S. 833)

Hier noch ein Foto, das die Kuratorin der Ausstellung im „Haus zur Schützenkultur“, Mathilde Wohlgemuth, mit „unserer Schützenscheibe“ zeigt.

Abschriften, Scans, Fotos: Helmut Scharpf, 05/2023

Urheber

unbekannter Maler

Quelle

Helmut Scharpf, Bauernhofmuseum Illerbeuren

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1926-10-30