Juli 1930 – Foto von Marktplatz, Rathaus und Basilika Ottobeuren
Titel
Beschreibung
Eine qualitativ hochwertige Aufnahme des Kemptener Fotografen Oskar Glink (*19.10.1901, Kempten, †11.04.1939) zeigt den Marktplatz mit Rathaus und Basilika. Gelaufen ist sie am 2.8.1937 von Bad Wörishofen in die Schweiz; der handschriftliche Text geht auf die Kneipp-Kur ein („Von meiner wohltätigen Kneipp-Kur, die mir anscheinend gut bekommt, sende ich Ihnen in liebem Gedenken meine herzlichsten Grüße! Ich empfinde es außerordentlich wohltätig, nicht nur Wasser, sondern auch ganz andere Luft zu genießen!! Es ist sehr angenehm hier – in jeder Beziehung.“).
Das Datum des Poststempels sagt nur wenig über das tatsächliche Aufnahmedatum, hier kommt nun die Qualität der Aufnahme ins Spiel sowie die Arbeit von Historikern, die ihre Erkenntnisse fleißig veröffentlichen. Auf der Nordseite des Rathauses ist ein Ortsplan erkennbar, links davon ist auf einer Tafel ein Werbeplakat mit dem „Bayerntor“ in Landsberg und einer Ortssilhouette angebracht. Lesbar ist „Ruethenfest Landsberg / Lech“, darunter ein nicht erkennbares Datum. Nun begann – um die Zeit des Kartenversands – die Suche nach diesem Fest. In den „Landsberger Geschichtsblättern 2011/12“ des Historischen Vereins Landsberg findet sich im Beitrag von Dr. Karl Filser („Braune Festkultur in Landsberg. Politische Gleichschaltung mit anderen Mitteln“, S. 185 - 206) auf Seite 200 der Hinweis, dass das Ruthenfest in der Zeit des Nationalsozialismus nur zweimal stattfand:
„Das in Landsberg gefeierte historische Kinderfest fand während der zwölfjährigen Herrschaft der Nationalsozialisten nur in den Jahren 1935 und 1938 statt.“ Auch das Plakat für das Fest 1935 ist abgedruckt, das dem Ottobeurer Plakat sehr ähnelt, oben fehlen allerdings die bayerischen Rauten. Etwas weiter: „1935 wurde das Plakat von 1930, das das Bayertor mit einer weißblauen Rautenfahne zeigte, wieder verwendet, ohne Bayernfahne zwar, aber auch ohne jeglichen Hinweis auf die Hitlerstadt.“
Damit allein wäre nun geklärt, dass die Aufnahme von 1930 stammen musste. Ein weiteres Indiz, dass Glinks Foto vor der Machtergreifung entstanden sein musste, ergibt sich aus der Beschriftung („Ottobeuren - Marktplatz“), denn der Platz wurde 1933 in „Hindenburg-Platz“ umbenannt. Bei Ebay in den USA fanden sich zwei Werbevignetten für das Ruethenfest mit dem Hinweis „Juli 1930“ (siehe Abbildung).
Sprich: Das Plakat auf der Werbetafel ermöglicht eine Datierung, die wenige Tage an das tatsächliche Aufnahmedatum hinführt!
Eine weitere Eingrenzung hätte sich ggf. aus dem Wegweiser zur Shell-Tankstelle (in der Luitpoldstraße; später BP, heute AVIA) ergeben. Bei dem vor dem Mohren abgestellten Auto handelt es sich um ein „Opel 4/16 PS“ mit dem ab Ende 1927 eingeführten Packardkühler. Baujahr und Typ des in Höhe des Ratskellers parkenden Fahrzeugs werden noch ermittelt!
Die Lebensdaten des Fotografen sind im Internet nicht verfügbar. Dipl.-Archivar Thomas Steck vom Stadtarchiv Kempten half hier mit Informationen aus: Zu Albert Oskar Glink (geb. 19.10.1901 in Kempten) liegt in Kempten eine Einwohnermeldekarte in Form eines Microfiches vor. Darauf ist vermerkt, dass Herr Glink am 1.4.1939 eine Elisabeth Ringholz geheiratet hat. Er starb bereits 10 Tage später, also am 11.4.1939. Als Berufsbezeichnung ist nicht Fotograf, sondern „Papiergroßhandel mit Agenturen“ angegeben.
Der „Allgäuer Beobachter“ vom 15.04.1939 (S. 11) erwähnte Glinks Tod in der Rubrik „Gestorbene in Schwaben“:
Kempten: Oskar Glink, Kaufmann, 38 J.
Eine weitere postalisch gelaufende Ak ist für den 21.08.1932 mit Stempel Bad Wörishofen verbürgt.
Zum Ruethenfest finden sich auf der studentischen Publikationsplattform „aventinus bavarica“ vertiefte Ausführungen von Waltraut Künstler aus dem Jahr 2008. Das Plakat am Ottobeurer Rathaus macht deutlich, in welch großem Radius das Landsberger Kinderfest beworben bzw. vermarktet wurde. Der Verfasser der Ansichtskarte war auf Kneippkur in Bad Wörishofen und hatte einen Ausflug nach Ottobeuren unternommen.
Weitere Ansichten rund um den Markplatz Ottobeuren finden Sie hier.
Sammlung Helmut Scharpf, 01/2024