Ca. 1892 – Sebastian Kneipp: Ein Wort über Cholera
Titel
Ca. 1892 – Sebastian Kneipp: Ein Wort über Cholera
Beschreibung
In seiner Zeit als Kaplan und Pfarrvikar in Boos (bei Memmingen) behandelte Sebastian Kneipp erstmals in größerem Umfang Kranke. Am 20. Januar 1853 war er von Biberbach nach Boos versetzt worden, dort grassierte die Cholera. Statt die Sterbesakramente zu erteilen, versuchte Kneipp, die Kranken zu retten. 44 Menschen soll er nach eigenen Angaben behandelt haben (s.u.), bald eilte ihm der Ruf als „Cholera-Kaplan“ voraus. Das brachte ihm vor dem Landgericht in Babenhausen eine Anzeige wegen „Kurpfuscherei mit Wasser“ ein. Bei der Verhandlung vor Richter Carl Bacherle erläutert Kaplan Kneipp seine Beweggründe:
„Was die medizinischen Pfuschereien betrifft, so erkläre ich, dass die Kranken nur solche gewesen sind, die, nach längerer oder jahrelanger Anwendung ärztlicher Mittel wenig oder keine Hilfe gefunden haben, auch geradezu von Ärzten abgewiesen wurden.“ Er habe sie aus Mitleid mit Wasser behandelt.
Xaver Kneipp, Sebastians Vater, starb am 04.09.1854 in Stephansried an der Cholera. Helfen konnte ihm sein Sohn zwar nicht mehr, er hat ihn aber noch lebend angetroffen. In der vorliegenden Schrift („Ein Wort über Cholera“) nimmt Sebastian Kneipp darauf Bezug:
„Die Cholera war im Jahre 1854 auch in Europa, hat in großen Städten viele Opfer gefordert, auf dem Lande jedoch war sie wohl einzeln, aber nicht besonders stark verbreitet. Ich habe damals diese Krankheit auch kennen gelernt, da selbst mein seliger Vater [Xaver Kneipp] ein Opfer derselben geworden. Auf einer Filiale [Stephansried] wohnend, ahnte man anfangs nicht, daß es Cholera sei, und wie man zur Überzeugung gekommen, ist es wirklich Cholera, hatte sie ihr Unwesen bereits ausgeführt. Ich traf meinen Vater noch, wie die Krisis schon längst vorüber war, und in wenigen Stunden der Tod dem Leben ein Ende machte. Ich habe die Cholera noch besser kennen gelernt, weil sie in dem Orte [Boos], wo ich Kaplan war, auch herrschte. Vier Personen bekamen die Cholera, vierzig die Cholerine, die ich alle behandelte.“
Verunreinigtes Trinkwasser war Kneipp als Auslöser der Cholera nicht bekannt, er spach allgemeine Regeln der Reinlichkeit an und zielte vor allem auf Methoden der Gesundung ab. Dass die Krankheit in Stephansried ausbrach, wundert ihn selbst:
„Ich habe oben angeführt, daß besonders die großen Städte stark von der Cholera heimgesucht werden, weil hier alles zusammenhilft, um der Krankheit das Thor zu öffnen; muss aber auch bemerken, daß gerade meine Heimat auf einem ungewöhnlich hohen Hügel liegt, ganz trocken, die herrlichste Aussicht nach allen vier Weltgegenden, die gesündeste Luft und das beste Wasser hat; im Vaterhaus, das erst zwölf Jahre alt war, wurde die größte Reinlichkeit gepflegt, und kein Mensch ahnte, daß die Cholera dorthin kommen könnte, waren doch die Leute ohne allen Verkehr und so recht, wie man sagt, Hinterwäldler. Wir dürfen eben nie vergessen, daß ein Gott ist, der alles erschaffen hat und regiert. Unseren Vorfahren galten Krieg, Theuerung und Krankheiten als Gottesgeißeln, und sie waren es auch; und wer wird der Geißel Gottes entkommen? Da wird alle Vorsicht umsonst sein.“
Sein Vater führte sicherlich ein rechtschaffendes Leben, geprägt von einer tiefen Verwurzelung im katholischen Glauben. Wo alle Erklärung versagte, muss „Gottes Prüfung“ als Erklärung herhalten. Zitat aus Kneipps Schrift:
„Schreiben wir alles der Regierung Gottes zu und unterwerfen wir uns ganz dem lieben Gott, und sind wir von seiner Hand geführt, dann gehen wir sicher; ob uns dann eine Strafe trifft, die wir verdient haben oder ob wir erprobt werden durch eine solche Heimsuchung in der Treue zu Gott, so muss uns dies alles recht sein, wir müssen mit aller Ruhe und Besonnenheit solche Heimsuchungen Gottes annehmen und nach menschlichem Urtheil das Beste thun.“
Ein Blick in die Kneipp-Blätter (und weitere) zeigt, dass er mehrfach über Cholera sprach und schrieb. Zwischen 1891 und 94 findet sich jedoch keinen Hinweis auf seine Veröffentlichung; sie muss aber im Zusammenhang mit seinem Sekretär – Pfarrer Johann Gruber – entstanden sein. (Gruber erklärte im Februar 1893 überraschend seinen Rückzug aus der Bearbeitung der Kneipp-Korrespondenz, im November 1894 findet sich ein längerer Nachruf. Sein Lungenleiden brachte ihm ein tragisches Ende in jungen Jahren.)
Die 16seitige Schrift ist extrem selten, weder die Bayerische Staatsbibliothek noch das Kneippmuseum Bad Wörishofen haben sie im Bestand. Die Stadtbibliothek hält das Werk in der Präsenzbibliothek vor. Erhalten hat es sich vermutlich nur, weil sie hier nachträglich in einen festen Einband eingebunden wurde. Es ist denkbar, dass es sich bei dem Text um die Mitschrift aus einem seiner Vorträge handelt.
Der Erlös aus der Veröffentlichung diente einem guten Zweck: „Der Reinertrag fließt zu gleichen Theilen dem Mariä-Empfängnis-Dombau in Linz und dem Waisenasyle in Wörishofen zu.“
Literaturzitat:
Kneipp, Sebastian: Ein Wort über Cholera, Druck und Verlag der akademischen Preßvereinsdruckerei Linz, [ca. 1892], 16 S.
Zusammenstellung und Abschrift: Helmut Scharpf, 11/2024
„Was die medizinischen Pfuschereien betrifft, so erkläre ich, dass die Kranken nur solche gewesen sind, die, nach längerer oder jahrelanger Anwendung ärztlicher Mittel wenig oder keine Hilfe gefunden haben, auch geradezu von Ärzten abgewiesen wurden.“ Er habe sie aus Mitleid mit Wasser behandelt.
Xaver Kneipp, Sebastians Vater, starb am 04.09.1854 in Stephansried an der Cholera. Helfen konnte ihm sein Sohn zwar nicht mehr, er hat ihn aber noch lebend angetroffen. In der vorliegenden Schrift („Ein Wort über Cholera“) nimmt Sebastian Kneipp darauf Bezug:
„Die Cholera war im Jahre 1854 auch in Europa, hat in großen Städten viele Opfer gefordert, auf dem Lande jedoch war sie wohl einzeln, aber nicht besonders stark verbreitet. Ich habe damals diese Krankheit auch kennen gelernt, da selbst mein seliger Vater [Xaver Kneipp] ein Opfer derselben geworden. Auf einer Filiale [Stephansried] wohnend, ahnte man anfangs nicht, daß es Cholera sei, und wie man zur Überzeugung gekommen, ist es wirklich Cholera, hatte sie ihr Unwesen bereits ausgeführt. Ich traf meinen Vater noch, wie die Krisis schon längst vorüber war, und in wenigen Stunden der Tod dem Leben ein Ende machte. Ich habe die Cholera noch besser kennen gelernt, weil sie in dem Orte [Boos], wo ich Kaplan war, auch herrschte. Vier Personen bekamen die Cholera, vierzig die Cholerine, die ich alle behandelte.“
Verunreinigtes Trinkwasser war Kneipp als Auslöser der Cholera nicht bekannt, er spach allgemeine Regeln der Reinlichkeit an und zielte vor allem auf Methoden der Gesundung ab. Dass die Krankheit in Stephansried ausbrach, wundert ihn selbst:
„Ich habe oben angeführt, daß besonders die großen Städte stark von der Cholera heimgesucht werden, weil hier alles zusammenhilft, um der Krankheit das Thor zu öffnen; muss aber auch bemerken, daß gerade meine Heimat auf einem ungewöhnlich hohen Hügel liegt, ganz trocken, die herrlichste Aussicht nach allen vier Weltgegenden, die gesündeste Luft und das beste Wasser hat; im Vaterhaus, das erst zwölf Jahre alt war, wurde die größte Reinlichkeit gepflegt, und kein Mensch ahnte, daß die Cholera dorthin kommen könnte, waren doch die Leute ohne allen Verkehr und so recht, wie man sagt, Hinterwäldler. Wir dürfen eben nie vergessen, daß ein Gott ist, der alles erschaffen hat und regiert. Unseren Vorfahren galten Krieg, Theuerung und Krankheiten als Gottesgeißeln, und sie waren es auch; und wer wird der Geißel Gottes entkommen? Da wird alle Vorsicht umsonst sein.“
Sein Vater führte sicherlich ein rechtschaffendes Leben, geprägt von einer tiefen Verwurzelung im katholischen Glauben. Wo alle Erklärung versagte, muss „Gottes Prüfung“ als Erklärung herhalten. Zitat aus Kneipps Schrift:
„Schreiben wir alles der Regierung Gottes zu und unterwerfen wir uns ganz dem lieben Gott, und sind wir von seiner Hand geführt, dann gehen wir sicher; ob uns dann eine Strafe trifft, die wir verdient haben oder ob wir erprobt werden durch eine solche Heimsuchung in der Treue zu Gott, so muss uns dies alles recht sein, wir müssen mit aller Ruhe und Besonnenheit solche Heimsuchungen Gottes annehmen und nach menschlichem Urtheil das Beste thun.“
Ein Blick in die Kneipp-Blätter (und weitere) zeigt, dass er mehrfach über Cholera sprach und schrieb. Zwischen 1891 und 94 findet sich jedoch keinen Hinweis auf seine Veröffentlichung; sie muss aber im Zusammenhang mit seinem Sekretär – Pfarrer Johann Gruber – entstanden sein. (Gruber erklärte im Februar 1893 überraschend seinen Rückzug aus der Bearbeitung der Kneipp-Korrespondenz, im November 1894 findet sich ein längerer Nachruf. Sein Lungenleiden brachte ihm ein tragisches Ende in jungen Jahren.)
Die 16seitige Schrift ist extrem selten, weder die Bayerische Staatsbibliothek noch das Kneippmuseum Bad Wörishofen haben sie im Bestand. Die Stadtbibliothek hält das Werk in der Präsenzbibliothek vor. Erhalten hat es sich vermutlich nur, weil sie hier nachträglich in einen festen Einband eingebunden wurde. Es ist denkbar, dass es sich bei dem Text um die Mitschrift aus einem seiner Vorträge handelt.
Der Erlös aus der Veröffentlichung diente einem guten Zweck: „Der Reinertrag fließt zu gleichen Theilen dem Mariä-Empfängnis-Dombau in Linz und dem Waisenasyle in Wörishofen zu.“
Literaturzitat:
Kneipp, Sebastian: Ein Wort über Cholera, Druck und Verlag der akademischen Preßvereinsdruckerei Linz, [ca. 1892], 16 S.
Zusammenstellung und Abschrift: Helmut Scharpf, 11/2024
Urheber
Sebastian Kneipp
Quelle
Stadtbibliothek Kempten
Verleger
Helmut Scharpf
Datum
1892-09-01
Rechte
gemeinfrei