01. und 02.09.1895 – Erinnerungsfeier an den Krieg gegen Frankreich 1870/71
Titel
Beschreibung
Nach dem gewonnenen „Siebzger-Krieg“ gegen Frankreich samt Gründung des Deutschen Reichs blühte der Patriotismus – auch in Ottobeuren. 1871 gründete sich der Veteranenverein, man errichtete Denkmäler, man feierte den „Sedan-Tag“. Am 2. September 1895 hielt man eine „Erinnerungsfeier“ ab, dessen Programm hier textdurchsuchbar eingepflegt ist. Sechs Seiten davon sind Liedtexte, wie wir sie auch aus dem „Dritten Reich“ kennen: „Die Wacht am Rhein“, „Deutsches Weihelied“, „Walhallalied“; aber auch das „Deutschlandlied“ sowie die Königshymne.
Es gab einen Fackelzug und „lebende Bilder“ samt Feuerwerk.
Das Ottobeurer Wochenblatt Nr. 34 vom 22.08.1895 und – identisch – Nr. 35 vom 29.08.1895 titelte auf der ersten Seite „Einladung zur Sedanfeier“ und erklärte:
Es naht der 2. September und mit ihm die Erinnerung an die Eroberung der Festung Sedan, welche den bedeutungsvollsten Abschnitt im deutsch-französischen Kriege bildete.
Alle jene, welche die glorreichen Waffenthaten, den ideellen und materiellen Werth all' der Siege unserer tapferen deutschen Armeen für uns, unsere Kinder und Kindeskinder richtig zu würdigen wissen, werden mit Freuden den Beschluß unserer verehrlichen Gemeindeverwaltung begrüßen, in Folge dessen auch hier der 2. Septbr. als Fest- und Erinnerungstag für die tapferen Veteranen unserer Heimathgemeinde und der angrenzenden Nachbargemeinden möglichst würdig der großen Sache gefeiert werden soll.
Möge hier die Bitte und freundliche Einladung gestattet sein, alle Bewohner Ottobeurens wollen zur Erhöhung der Festfeier dadurch beitragen, daß sie ihre Häuser beflaggen und bei allen Fest-Veranstaltungen sich möglichst zahlreich betheiligen.
Die Feierlichkeiten wurden im Ottobeurer Wochenblatt Nr. 36 vom 05.09.1895 auf den Seiten 3 und 4 ausführlich dargestellt:
Ottobeuren, 2. September. Der Sedanstag gestaltete sich zu einem eigentlichen Volksfeste dahier. Es war der alljährliche Veteranenjahrtag verbunden worden mit der Sedansfeier. Wie im ganzen deutschen Reiche das Jubiläum der Siege über Frankreich gefeiert wird, so auch hier und im Hinblick auf den schönen Verlauf, dürfen wir beisetzen, es ist nicht am geringsten begangen worden. Sonntag abends war großer Fackelzug und die Straßen, durch welche derselbe zog, waren mit Kränzen, Fahnen geschmückt, brillante Illumination verschönte den Schmuck. Beim Kriegerdenkmal wurden patriotische Lieder gesungen.
Montag morgens ward vor dem Monumente Morgengebet geblasen, Tagreveille zog wieder durch die Straßen. ½ 9 Uhr ward der Festzug aufgestellt, Schulkinder, weißgekleidete Mädchen, Gesellenverein, Veteranen, Ehrenmitglieder, Fahnenjungfrauen mit dem Fahnenband, lorbeerbekränzt, zogen unter den Klängen der Musik zum Gotteshause. Die Veteranenvereine Attenhausen, Böhen, Hawangen, Lachen hatten mit ihren Fahnen sich eingefunden. Die Predigt an die Veteranen sprach von den Leiden und Opfern des Krieges, von den Tröstungen und Hilfeleistungen durch die christliche Barmherzigkeit und schloß mit der Aufforderung zur Erfüllung der Unterthanenpflicht gegen Fürst und Vaterland, welche ihre Grundlage hat im Gehorsam gegen die höchste Majestät Gottes. Hierauf war Requiem für die verstorbenen Kriegskameraden. Zum Libera zog man vor das Monument, nach dessen Beendigung die Fahnenjungfrauen (Frl. Beck und Geiger) unter Deklamierung eines recht hübschen Gedichtes das Band an die Fahne des Veteranen-Vereins hefteten. Das Portal des Schulhauses war prächtig mit Pflanzen geschmückt und Herr Apotheker Beck hielt mit sehr deutlicher Stimme die Festrede, worin er betonte, daß das Fest den Veteranen gelte als Dank dafür, daß sie gelitten und geblutet haben für das Vaterland, schilderte die Siege und schloß mit einem Hoch auf die anwesenden Veteranenvereine.
Herr Bürgermeister [Anton] Frey brachte das Hoch aus auf Se. Kgl. Hoheit Prinzregenten Luitpold, im Jahre 1870 der Kgl. bayer. Armee-Feldmarschall, und auf Se. M. Kaiser von Deutschland, den Enkel des siegreichen Kaisers Wilhelm I. und Sohn des Kaisers Friedrich, Generals und Commandeurs der III. Armee. Patriotische Lieder folgten und Frühschoppen.
Die einzelnen Veteranenvereine hielten Mittagsmahl und das Töchterlein des Herrn Posthalters [Wittwer] überreichte während desselben unter Vortrag eines herzlichen Gedichtes das Album mit den Photographien der gefallenen und verstorbenen Veteranen, sowie der noch lebenden. Nachmittag war Festzug durch die Straßen, wobei die Kapelle Ottobeuren und Böhen die Musik stellten, zum Volksfest. Ein buntes Leben entwickelte sich, voll Heiterkeit und in schönster Ordnung. Man glaubte sich in das Jahr 1870 versetzt, denn sehr sinnreich waren Schulknaben in den Uniformen der Kriegszeit montirt; die „Feldpost“ brachte Telegramme, Depeschen flogen hin und her.
Herr Lehrer Abröll trug ein von Hr. Apotheker Beck verfaßtes Gedicht vor, das in schöner Pietät das Andenken des H. H. Pater Koneberg feierte; ein sehr fein gelungenes Gedicht im Ottobeurer-Dialekt, „der deutsche Michl,“ ebenfalls von Herrn Apotheker Beck, ward von dem Hrn. Hafnermeister Fink in gewohnter Meisterschaft vorgetragen; Herr Steinmetzmeister Fergg trug ein selbstverfaßtes Gedicht auf dem Festplatze vor auf allgemeinen Wunsch, das er schon im engem Kreise beim Mittagstisch vorgetragen hatte, und mit Recht wiederholt, in erhabener Sprache erzählte es die Siege und mit Feuer, Begeisterung vorgetragen, hatte es eine überwältigende Wirkung. Schön war der Appell, das Errungene zu bewahren, was die Väter erkämpften; dieser Gedanke in den Gedichten und Reden, sowie die Freude am Frieden war mit großem Erfolg betont.
Die Rede des Landtagsabgeordneten und Bürgermeisters von Hawangen, Herrn Seeberger, feierte die Ehrung der Veteranen durch das schöne Fest in Ottobeuren; sie war durchweht vom wärmsten Patriotismus. Nun folgten lebende Bilder aus dem Kriege, sehr schön arrangirt.
Wem gebührt die größere Ehre? Den Herrn, welche dieselbe so künstlerisch geschmackvoll eingeübt haben oder den Darstellern, welche den Gedanken so verständnißvoll erfaßten und wiedergaben? „Des Kriegers Abschied“ unter der Melodie „Es ist bestimmt in Gottes Rath“; die „Vereinigung von Nord und Süd“ mit dem Lied „Was ist des Deutschen Vaterland?“ Das „Schlachtenbild“ unter den Klängen „Ich hatt' einen Kameraden“; die sterbenden Krieger mit dem ihnen die Friedenskrone reichenden Genius; Weihnachten im Feld und Kriegers Heimkehr mit dem ewig schönen Liede: „Helden, laßt die Waffen ruhen,“ waren so schön gegeben, daß es unvergessen bleiben wird. Die lebenden Bilder schlossen mit dem großartigen Tableau „Germania,“ einer sehr gelungenen Imitation des Niederwald-Denkmals. Die bengalische Beleuchtung hatte den Gedanken an Feuerwerke geweckt und nun folgten diese auch, bis ein herrliches „Eisernes Kreuz“ im Glorienschein prachtvollen Effekt erzielte. Zum Schlusse bewegte sich der Festzug zum Kriegermonumente, eine letzte Huldigung an die lebenden und verstorbenen Veteranen.
Es war ein schönes Fest. Das Ttl. Komité hat sich den vollsten Dank für seine großen Bemühungen verdient, sowie die anerkennendste Gratulation zum guten Gelingen. In schönster Harmonie hatten Alle zusammengearbeitet, Geistlichkeit, Beamte, Volk feierten in frohem Verein das patriotische Fest, ein Bild des geeinten deutschen Vaterlandes. Möge Alldeutschland des Friedens und seiner Segnungen sich erfreuen für und für.
„Heil'ge Ordnung, segensreiche Himmelstochter ..... Holder Friede, süße Eintracht, weilet, weilet freundlich über dieser Stadt! Möge nie der Tag erscheinen, wo des rauhen Krieges Horden dieses stille Thal durchtoben.“ (Schiller.)
Von dieser Aufführung haben sich auch Fotos erhalten.
Vergleiche: Zum Kriegsende gab es am 02.03.1871 eine Ottobeurer Friedensfeier. 1911 wurden durch Adolf Fergg (damals Vorsitzender des Veteranenvereins; ab 1919 Bürgermeister) auch die gefallenen Franzosen gewürdigt.
Hier der Text des Programmhefts als Abschrift:
Ganser’sche Buchdruckerei in Ottobeuren.
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Programm
Zu der in Ottobeuren am 2. September stattfindenden 25 jährigen Erinnerungsfeier des glorreichen Feldzuges 1870/71.
Sonntag den 1. September abends Zapfenstreich mit Fackelzug durch die Straßen des Marktes und Absingen patriotischer Lieder beim Kriegermonument und Böllersalven.
Montag den 2. September morgens 5 Uhr Tagreveille mit Böllersalven,
um ½ 8 Uhr Empfang der Festgäste durch das Festcomité.
um ½ 9 Uhr Aufstellung des Festzuges auf dem Marktplatze zur Kirchenparade mit dem darauffolgenden Gottesdienste für die gefallenen und verstorbenen Kameraden, welche dem Veteranen-Verein Ottobeuren und Umgebung angehörten. Nach demselben Libera beim Kriegermonument.
Hierauf Uebergabe eines Fahnenbandes durch Festjungfrauen, dann Festrede und Absingen patriotischer Lieder.
Um 12 Uhr Mittagstisch in den verschiedenen Gasthäusern.
Um 2 Uhr Festzug durch die Straßen des Marktes, hierauf gesellige Unterhaltung auf dem Festplatze, am Abend Aufführung lebender Bilder mit Feuerwerk.
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1. Königshymne.
1. Heil unserm König Heil!
Lang Leben sei sein Teil!
Erhalt ihn Gott!
Gerecht und fromm und mild,
: Ist er dein Ebenbild,:
Gott, gib ihm Glück!
2. Fest in des Königs Thron,
Die Wahrheit seine Kron'
Und Recht sein Schwert.
Von Vaterlieb' erfüllt,
: Regiert er groß und mild.:
Heil sei ihm, Heil!
3. O heil'ge Flamme glüh!
Glüh' und erlösche nie
Für's Vaterland!
Wir alle stehen dann
: Voll Kraft für Einen Mann,:
Für's Vaterland.
4. Sei, bester König!
Hier recht lang des Volkes Zier,
Der Menschheit Stolz.
Der hohe Ruhm ist Dein,
: Der Deinen Lust zu sein.:
Heil, Herrscher, Dir!
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— 4 —
2. Die Wacht am Rhein.
1. Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Wer will des Stromes Hüter sein?
: Lieb' Vaterland magst ruhig sein;:
: Fest steht und treu die Wacht am Rhein!:
2. Durch hunderttausend zuckt es schnell,
Und aller Augen blitzen hell;
Der Deutsche, bieder, fromm und stark,
Beschützt die Heil'ge Landesmark.
Lieb' Vaterland etc.
3. Er blickt hinauf in Himmelsau'n,
Da Heldenväter niederschau'n
Und schwört mit stolzer Kampfeslust:
Du Rhein bleibst deutsch, wie meine Brust.
Lieb' Vaterland etc.
4. So lang ein Tropfen Blut noch glüht,
Noch eine Faust den Degen zieht,
Und noch ein Arm die Büchse spannt,
Betritt kein Feind hier deinen Strand!
Lieb Vaterland etc.
5. Der Schwur erschallt, die Woge rinnt,
Die Fahnen flattern hoch im Wind!
Am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein
Wir alle wollen Hüter sein.
Lieb' Vaterland etc.
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- 6 -
3. Deutschland über alles.
1. Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es steht zum Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält —
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Bett.
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt.
2. Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten guten Klang —
Und zu edler That begeistern,
Unser ganzes Leben lang.
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang.
3. Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland:
Danach laßt uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand.
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand;
Blüh' im Glanze dieses Glückes,
Blühe deutsches Vaterland!
4. Deutsches Weihelied.
1. Stimmt an mit hellem hohen Klang,
Stimmt an das Lied der Lieder,
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– 6 —
Des Vaterlandes Hochgesang;
Das Waldthal hall' es wieder!
2. Der alten Barden Vaterland,
Dem Vaterland der Treue,
Dir, freies, unbezwungnes Land,
Dir weih'n wir uns auf’s neue!
3. Zur Ahnentugend wir uns weih'n,
Zum Schutze deiner Hütten;
Wir lieben deutsches Fröhlichsein
Und alte deutsche Sitten.
4. Die Barden sollen Lieb' und Wein,
Doch öfter Tugend preisen,
Und sollen bied're Männer sein
In Thaten und in Weisen.
5. Ihr Kraftgesang soll himmelan
Mit Ungestüm sich reißen;
Und jeder echte deutsche Mann
Soll Freund und Bruder heißen!
5. Wir hatten gebauet.
1. Wir hatten gebauet
Ein stattliches Haus,
: Und d'rin auf Gott vertrauet
Trotz Wetter, Sturm und Graus.:
2. Wir lebten so traulich,
So einig, so frei,
: Den Schlechten ward es graulich,
Wir hielten gar zu treu.:
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— 7 —
3. Sie lugten, sie suchten
Nach Trug und Verrath,
: Verläumdeten, verfluchten
Die junge, grüne Saat:
4. Was Gott in uns legte,
Die Welt hat's veracht't,
: Die Einigkeit erregte
Bei Guten selbst Verdacht.:
5. Man schalt es Verbrechen,
Man täuschte sich sehr;
: Die Form kann man zerbrechen,
Die Liebe nimmermehr.:
6 Die Form ist zerbrochen
Von außen herein;
:Doch, was man d'rin gerochen,
Ist eitel Dunst und Schein.:
7. Das Band ist zerschnitten,
War schwarz, roth und gold
: Und Gott hat es gelitten,
Wer weiß, was er gewollt.:
8. Das Haus mag zerfallen —
Was hat's denn für Noth?
: Der Geist lebt in uns Allen,
Und uns're Burg ist Gott.:
6. Walhallalied.
1. Helden, laßt die Waffen ruhen,
Nehmet den Pokal zur Hand,
Eine hehre Kunde dringet
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— 8 —
Aus dem deutschen Vaterland.
Tausend frohe Stimmen sangen
Jubelnd einen Festgesang,
Daß der Schall der hohen Worte
Mächtig uns zu Ohren drang.
2. Aus dem tiefen dunklen Haine
Trauriger Vergessenheit
Hat uns eines deutschen Fürsten
Hoher Heldensinn befreit.
Wo sein Volk von Rebenhügeln
Glücklich in die Donau schaut,
Wird uns eine weite Veste
Auf sein Königswort erbaut.
3. Daß wir jung und lebenskräftig
Unserm Volke neu ersteh'n
Daß Germanias spät'ste Enkel
Ihre tapfern Väter seh'n,
Daß das Blut in ihren Adern
Wieder heißer, heißer wallt,
Wenn der Klang der Jubellieder
Mächtig aus Walhalla schallt.
4. Laßt die Schilder froh erdröhnen,
Nehmet den Pokal zur Hand,
Singet, daß es wiederhalle
In dem deutschen Vaterland:
Heil dem Fürsten, den des Ruhmes
Ew'ge Sternen Krone lohnt,
Wenn er einst in spätern Jahren
Selber in Walhalla thront.
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