1887 - 1895 – die Jahrgänge des Mindelheimer Anzeigeblatts
Titel
1887 - 1895 – die Jahrgänge des Mindelheimer Anzeigeblatts
Beschreibung
Der Blick über den medialen Tellerrand lohnt sich. In Mindelheim gab es ab Ende des 19. Jahrhunderts zwei Zeitungen: die 1881 gegründeten „Mindelheimer Neuesten Nachrichten“ – als Vorläufer der heutigen „Mindelheimer Zeitung“ sowie das hier eingepflegte „Mindelheimer Anzeigeblatt“. Die Zeitungsjahrgänge sind unten zum Download verlinkt, die Ausgaben wurden textdurchsuchbar gescannt.
Hans Högel sen. vom Verlagshaus Högel KG der Mindelheimer Zeitung hat die Originale dankenswerterweise zur Verfügung gestellt; lediglich der Band 1891 fehlt. Die meisten Vorlagen sind bereits in schlechtem Zustand, es ist gut, wenn sie nunmehr digital zur Verfügung stehen. Finanziert wurde die Digitalisierung zur einen Hälfte aus Mitteln der Stadt Bad Wörishofen, der Stadt Mindelheim, dem Förderkreis Kneippmuseum, dem Hans-Högel-Verlag, zum anderen Teil mit Mitteln der Marktgemeinde Ottobeuren.
Von Ottobeurer Seite gilt unser Interesse vor allem der Frühgeschichte Sebastian Kneipps, insb. für die Zeit, in der es in Wörishofen noch keine eigene Zeitung gab. Ottobeuren lag zwar im damaligen Landkreis Memmingen, der Kohlberg war auch Landkreisgrenze, die Leser*innen im Landkreis Mindelheim haben aber durchaus einiges über Ottobeuren erfahren. Die Fundstellen sind – bislang – für die Jahre 1887, 1888 und 1889 aufgearbeitet, getrennt nach „Kneipp“, „Ottobeuren“ und nach dem Betreiber des „Mayenbads“, dem Mindelheimer Apotheker Adolf Boneberger. Letzterer hat die Zeichen der Zeit erkannt, den Erfolg Kneipps in Wörishofen und gleichzeitig die sehr unbefriedigende Quartiersfrage. Im April 1888 ließ sich Boneberger vom Stadtmagistrat ein Gartenhaus genehmigen, im Februar 1889 die Erbauung eines – möglicherweise weiteren – Gartenhauses und „weiterer Baderäume“. (Boneberger sollte nach dem Tode Kneipps zu einem seiner größten Kritiker mutieren.)
Überhaupt verbreitete sich die Kneippkur 1889 mit großer Dynamik. Das Mindelheimer Anzeigeblatt berichtete von der Errichtung einer Heilanstalt in Memmingen, von der Eröffnung „im Frühjahr 1889“ des Jordanbads bei Biberach, über die Errichtung einer „Wasserkuranstalt“ in Beyharting (bei Aibling) sowie einer „Wasserheilanstalt“ durch Joseph Bosch in Thannhausen, der Umwidmung der Heilanstalt von Dr. Constantin Uherek in Immenstadt zu einer Badeeinrichtungen nach dem „System Kneipp“ oder vom „herrlich gelegenen und elegant eingerichteten Johannisbad in Schongau“, in dem Dr. med. Thiermann die ärztliche Behandlung und Leitung übernommen hat und das Bad „streng nach der Pfarrer Kneipp'schen Wasserkur“ führt. Die Aktivitäten von Dr. Bernhuber in Türkheim, einem weiteren frühen Verbündeten Kneipps beleben auch dort den Ort und führt Heilungssuchende in Wörishofens Nachbarschaft. Der Kneippfreund wird schon bald abgeworben. Am 6. September 1889 berichtet die Zeitung: „Das Kneipp'sche Kaltwasser-Heilverfahren, das in den letzten Jahren so viel Aufsehen erregt hat, wird nunmehr ab Mitte September auch im Kaiserbade in Rosenheim durch den als Chirurgen und Frauenarzt vielfach thätigen und rühmlichst bekannten Dr. Bernhuber aus Türkheim, welcher auch dort seit Jahren die ärztliche Leitung in der Kneipp'schen Heilanstalt Wörishofen inne hatte, eingerichtet und ausgeübt.“
Spannend auch die Berichte über die ersten Auflagen von Kneipps Hauptwerk („Meine Wassekur“) und Statistiken über die große Zahl von Kurgästen in Wörishofen; hohe Adelige und ebenso hohe Geistliche unter ihnen erregen große mediale Aufmerksamkeit. Das alles ruft die Gegner und Neider auf den Plan. Das Mindelheimer Anzeigeblatt Nr. 73 vom 11.09.1889 klärt auf S. 7 auf: „Die in mehreren Blättern aufgetauchte Nachricht von dem Ableben des hochw. Hrn. Pfarrers Kneipp in Wörishofen ist gottlob aus der Luft gegriffen. Hr. Kneipp verkehrte Sonntag 8. ds. Mts. aufs Heiterste mit den zu den Manövern anwesenden Soldaten.“ Kneipp selbst fühlt sich zu einem Dementi verpflichtet: „Zu meinem großen Erstaunen hat sich die Nachricht überallhin verbreitet, ich sei gestorben. Es ist dieses nichts anderes als eine boshafte Erfindung, deren Ursprung nicht unschwer zu ermitteln ist. In Folge der Aufregung, welche sich auf diese Nachricht hin vieler meiner Freunde bemächtigt hat, sehe ich mich genöthigt, zu erklären, daß ich, Gott sei Dank, vollkommen gesund bin und mich in meinem Alter von 69 Jahren so wohl und rüstig fühle, wie wohl Wenige.“
Im „Verzeichnis der neugewählten Mitglieder des landwirtschaftlichen Bezirks-Comités Türkheim pro 1887 - 1890“ lesen wir im Januar 1887, dass Kneipp als Ausschuss-Mitglied gewählt wurde. Der Stephansrieder hatte schon die Klosterökonomie der Domikanerinnen in Wörishofen wieder auf Vordermann gebracht und über die Jahre mehrere landwirtschaftliche Ratgeber veröffentlicht. Insofern war er in besagtem Landkreis-Gremium sicher gut aufgehoben.
Das Mindelheimer Anzeigeblatt steht Kneipp in der Berichterstattung sehr wohlwollend und wertschätzend gegenüber. Anders als im Ottobeurer Wochenblatt erfährt die Leserschaft ungleich mehr.
Was die Berichterstattung über Ottobeuren angeht, so steht diese oft im Zusammenhang mit Basilika und Kloster, oft aber auch mit den Kurzberichten über Verfahren des Landgerichts Memmingen bzw. des Schöffengerichts Ottobeuren. Auch landwirtschaftlichen Themen werden immer wieder aufgegriffen. Die Maul- und Klauenseuche und andere Tierseuchen plagten die Landwirte, in der Milchwirtschaft bzw. der Käseherstellung lernte man im Verein dazu.
Das Mindelheimer Anzeigeblatt Nr. 78, 29.09.1889 berichtet auf S. 7 über ein bedeutendes Ereignis – die Eröffnung der Bahnlinie Memmingen - Leutkirch, gleich darunter wird's jedoch ernst:
„In der Nacht zum 23. ds. wurde der Gendarm Walther von Ottobeuren in Rettenbach durch einen Schuß erschreckt. Die Kugel, die übrigens nicht ihm gegolten, war an seiner Taschenuhr abgeprallt. Der Thäter, ein Ökonomenssohn von Ronsberg, der seine Geliebte wegen Untreue erschießen wollte, ist verhaftet.“
Parallelen zum Hier und Jetzt: Wenn das Anzeigeblatt im Februar 1887 schreibt: „Deutschlands Heer ist unsere Wacht.“ die Begründung folgt auf dem Fuße: „Und diese Wacht hat Deutschland wegen seiner centralen Lage in Europa auch nötig, wenn es nicht wieder dazu kommen soll, daß die verschiedensten fremden Völker auf deutschem Boden einander bekämpfen, ähnlich wie die Knaben von allen Enden und Ecken einer Stadt auf dem Hauptplatze derselben ihre Händel ausmachen. Nur auf einen gut geschulten und fest gefügten, aber nicht auf einen durch häufige Veränderungen gelockerten Heereskörper kann der Bürger und Landmann mit Vertrauen blicken. Seien wir Deutsche doch froh, daß gegenwärtig über 400.000 Säbel und noch so viel gut geschulte Hände für uns die Wache gegen die großen äußern Feinde halten, die gegen uns Deutsche – gleichviel ob wir liberal, freisinnig, ultramontan etc. seien – nichts Gutes im Sinne haben.“ Das erinnert an den Krieg Russlands gegen die Ukraine oder den Ausfall der USA als Nato-Schutzmacht, an den Beschluss eines weiteren „Sondervermögens“ für die Bundeswehr.
Auch im Kleinen – vor Ort – war nicht alles eitel Sonnenschein. Am 10.04.1887 hieß es über einen Einbruch: „In der Nacht vom 1. auf den 2. April wurde in der Lourdesgrotte bei Ottobeuren eingebrochen, der Opferstock geleert, mehrere Tafeln zerschlagen, die Wachsfiguren zertreten und überhaupt die Grotte sehr beschädigt.“ Vandalismus war auch damals schon ein Problem. Damals wie heute gab es übrigens die sogenannten „Fünziger-Treffen“. Gemeint waren 1887 die Jahrgänger von 1837. Das Treffen in Ottobeuren wurde sogar im Landkreis Mindelheim beworben.
Bestimmte Eisenbahnlinien waren bereits in Betrieb, Mobilität war in der Regel jedoch ein mühsames Unterfangen. Man kann über den weiten Umkreis der besuchenden Gruppen bei den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum des Turnvereins und der freiwilligen Feuerwehr Mindelheim am 13., 14. und 15. August 1887 nur staunen: Feuerwehren kamen aus Apfeltrach, Augsburg, Dirlewang, Egelhofen, Erkheim, Friedberg, Hausen, Heimenegg, Höchstädt a/D., Kempten, Kirchdorf, Krumbach-Hürben, Landsberg, Loppenhausen, Mattsies, Memmingen, München, Nassenbeuren, Nesselwang, Obergünzburg, Oberrammingen, Oberrieden, Ottobeuren, Pfaffenhausen, Rettenbach, Türkheim, Unteregg, Unterkammlach, Unterrammingen, Warmisried, Westernach,. Wiedergeltingen und Wörishofen. Die Zeitung: „Die Gesamtzahl der Feuerwehrmänner betrug 700. Rechnet man nun dazu eine noch ca. drei Mal so große Zahl von Menschen aus der Umgebung, welche an diesem Tage Mindelheim, besuchten, so darf es nicht Wunder nehmen, wenn überall der Raum zu klein wurde.“
Immer wieder besuchten Schüler- oder Vereinsgruppen Ottobeuren. Nicht von Ungefährt inserierte der Goldene Engel“ aus Ottobeuren auch in Mindelheim (vgl. Juni / Juli 1888). Der damalige Wirt – Eduard Hebel – empfahl „einem geehrten Publikum guten Mittagstisch, große Auswahl von Speisen zu jeder Tageszeit, frisch selbst gemachte Wurstwaaren. Metzgerei im Hause. Vorzügliches Bier von der Geiger'schen Brauerei dahier.“
Das „Institut für verwahrloste Knaben in Ottobeuren“ erhielt vom Landrat von Schwaben und Neuburg (heute wäre das der Bezirkstagspräsident) eine Unterstützung in Höhe von 7280 Mark, dem „Institute für verwahrloste Mädchen in Wörishofen" wurden 5198 Mark zugesprochen. Was einige der Ottobeurer Zöglinge so anstellten, sollte sich im November 1887 gar in der Berichterstattung niederschlagen.
Weitere Jahrgänge werden sukzessive aufgearbeitet.
Wegen der großen Dateigrößen (alle um die ein GB) sollten Sie die Dateien vor dem Öffnen erst herunterladen. Den Text kann man mit dem Shortcut „Strg + f“ durchsuchen.
Die Direktlinks im Einzelnen:
Mindelheimer Anzeigeblatt 1887 (pdf, 774 Seiten, 1,041 GB)
Auswertung (pdf)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1888 (pdf, 830 Seiten, 1,110 GB)
Auswertung (pdf)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1889 (pdf, 862 Seiten, 1,020 GB)
Auswertung (pdf)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1890 (pdf, 889 Seiten, 1,181 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1891 (Jahrgang fehlt; ist aber im Stadtarchiv Mindelheim vorhanden)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1892 (pdf, 926 Seiten, 0,948 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1893 (pdf, 950 Seiten, 0,996 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1894 (pdf, 970 Seiten, 0,985 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1895 (pdf, 1012 Seiten, 1,093 GB)
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Transkriptionen und Zusammenfassung: Helmut Scharpf, 04/2025
Hans Högel sen. vom Verlagshaus Högel KG der Mindelheimer Zeitung hat die Originale dankenswerterweise zur Verfügung gestellt; lediglich der Band 1891 fehlt. Die meisten Vorlagen sind bereits in schlechtem Zustand, es ist gut, wenn sie nunmehr digital zur Verfügung stehen. Finanziert wurde die Digitalisierung zur einen Hälfte aus Mitteln der Stadt Bad Wörishofen, der Stadt Mindelheim, dem Förderkreis Kneippmuseum, dem Hans-Högel-Verlag, zum anderen Teil mit Mitteln der Marktgemeinde Ottobeuren.
Von Ottobeurer Seite gilt unser Interesse vor allem der Frühgeschichte Sebastian Kneipps, insb. für die Zeit, in der es in Wörishofen noch keine eigene Zeitung gab. Ottobeuren lag zwar im damaligen Landkreis Memmingen, der Kohlberg war auch Landkreisgrenze, die Leser*innen im Landkreis Mindelheim haben aber durchaus einiges über Ottobeuren erfahren. Die Fundstellen sind – bislang – für die Jahre 1887, 1888 und 1889 aufgearbeitet, getrennt nach „Kneipp“, „Ottobeuren“ und nach dem Betreiber des „Mayenbads“, dem Mindelheimer Apotheker Adolf Boneberger. Letzterer hat die Zeichen der Zeit erkannt, den Erfolg Kneipps in Wörishofen und gleichzeitig die sehr unbefriedigende Quartiersfrage. Im April 1888 ließ sich Boneberger vom Stadtmagistrat ein Gartenhaus genehmigen, im Februar 1889 die Erbauung eines – möglicherweise weiteren – Gartenhauses und „weiterer Baderäume“. (Boneberger sollte nach dem Tode Kneipps zu einem seiner größten Kritiker mutieren.)
Überhaupt verbreitete sich die Kneippkur 1889 mit großer Dynamik. Das Mindelheimer Anzeigeblatt berichtete von der Errichtung einer Heilanstalt in Memmingen, von der Eröffnung „im Frühjahr 1889“ des Jordanbads bei Biberach, über die Errichtung einer „Wasserkuranstalt“ in Beyharting (bei Aibling) sowie einer „Wasserheilanstalt“ durch Joseph Bosch in Thannhausen, der Umwidmung der Heilanstalt von Dr. Constantin Uherek in Immenstadt zu einer Badeeinrichtungen nach dem „System Kneipp“ oder vom „herrlich gelegenen und elegant eingerichteten Johannisbad in Schongau“, in dem Dr. med. Thiermann die ärztliche Behandlung und Leitung übernommen hat und das Bad „streng nach der Pfarrer Kneipp'schen Wasserkur“ führt. Die Aktivitäten von Dr. Bernhuber in Türkheim, einem weiteren frühen Verbündeten Kneipps beleben auch dort den Ort und führt Heilungssuchende in Wörishofens Nachbarschaft. Der Kneippfreund wird schon bald abgeworben. Am 6. September 1889 berichtet die Zeitung: „Das Kneipp'sche Kaltwasser-Heilverfahren, das in den letzten Jahren so viel Aufsehen erregt hat, wird nunmehr ab Mitte September auch im Kaiserbade in Rosenheim durch den als Chirurgen und Frauenarzt vielfach thätigen und rühmlichst bekannten Dr. Bernhuber aus Türkheim, welcher auch dort seit Jahren die ärztliche Leitung in der Kneipp'schen Heilanstalt Wörishofen inne hatte, eingerichtet und ausgeübt.“
Spannend auch die Berichte über die ersten Auflagen von Kneipps Hauptwerk („Meine Wassekur“) und Statistiken über die große Zahl von Kurgästen in Wörishofen; hohe Adelige und ebenso hohe Geistliche unter ihnen erregen große mediale Aufmerksamkeit. Das alles ruft die Gegner und Neider auf den Plan. Das Mindelheimer Anzeigeblatt Nr. 73 vom 11.09.1889 klärt auf S. 7 auf: „Die in mehreren Blättern aufgetauchte Nachricht von dem Ableben des hochw. Hrn. Pfarrers Kneipp in Wörishofen ist gottlob aus der Luft gegriffen. Hr. Kneipp verkehrte Sonntag 8. ds. Mts. aufs Heiterste mit den zu den Manövern anwesenden Soldaten.“ Kneipp selbst fühlt sich zu einem Dementi verpflichtet: „Zu meinem großen Erstaunen hat sich die Nachricht überallhin verbreitet, ich sei gestorben. Es ist dieses nichts anderes als eine boshafte Erfindung, deren Ursprung nicht unschwer zu ermitteln ist. In Folge der Aufregung, welche sich auf diese Nachricht hin vieler meiner Freunde bemächtigt hat, sehe ich mich genöthigt, zu erklären, daß ich, Gott sei Dank, vollkommen gesund bin und mich in meinem Alter von 69 Jahren so wohl und rüstig fühle, wie wohl Wenige.“
Im „Verzeichnis der neugewählten Mitglieder des landwirtschaftlichen Bezirks-Comités Türkheim pro 1887 - 1890“ lesen wir im Januar 1887, dass Kneipp als Ausschuss-Mitglied gewählt wurde. Der Stephansrieder hatte schon die Klosterökonomie der Domikanerinnen in Wörishofen wieder auf Vordermann gebracht und über die Jahre mehrere landwirtschaftliche Ratgeber veröffentlicht. Insofern war er in besagtem Landkreis-Gremium sicher gut aufgehoben.
Das Mindelheimer Anzeigeblatt steht Kneipp in der Berichterstattung sehr wohlwollend und wertschätzend gegenüber. Anders als im Ottobeurer Wochenblatt erfährt die Leserschaft ungleich mehr.
Was die Berichterstattung über Ottobeuren angeht, so steht diese oft im Zusammenhang mit Basilika und Kloster, oft aber auch mit den Kurzberichten über Verfahren des Landgerichts Memmingen bzw. des Schöffengerichts Ottobeuren. Auch landwirtschaftlichen Themen werden immer wieder aufgegriffen. Die Maul- und Klauenseuche und andere Tierseuchen plagten die Landwirte, in der Milchwirtschaft bzw. der Käseherstellung lernte man im Verein dazu.
Das Mindelheimer Anzeigeblatt Nr. 78, 29.09.1889 berichtet auf S. 7 über ein bedeutendes Ereignis – die Eröffnung der Bahnlinie Memmingen - Leutkirch, gleich darunter wird's jedoch ernst:
„In der Nacht zum 23. ds. wurde der Gendarm Walther von Ottobeuren in Rettenbach durch einen Schuß erschreckt. Die Kugel, die übrigens nicht ihm gegolten, war an seiner Taschenuhr abgeprallt. Der Thäter, ein Ökonomenssohn von Ronsberg, der seine Geliebte wegen Untreue erschießen wollte, ist verhaftet.“
Parallelen zum Hier und Jetzt: Wenn das Anzeigeblatt im Februar 1887 schreibt: „Deutschlands Heer ist unsere Wacht.“ die Begründung folgt auf dem Fuße: „Und diese Wacht hat Deutschland wegen seiner centralen Lage in Europa auch nötig, wenn es nicht wieder dazu kommen soll, daß die verschiedensten fremden Völker auf deutschem Boden einander bekämpfen, ähnlich wie die Knaben von allen Enden und Ecken einer Stadt auf dem Hauptplatze derselben ihre Händel ausmachen. Nur auf einen gut geschulten und fest gefügten, aber nicht auf einen durch häufige Veränderungen gelockerten Heereskörper kann der Bürger und Landmann mit Vertrauen blicken. Seien wir Deutsche doch froh, daß gegenwärtig über 400.000 Säbel und noch so viel gut geschulte Hände für uns die Wache gegen die großen äußern Feinde halten, die gegen uns Deutsche – gleichviel ob wir liberal, freisinnig, ultramontan etc. seien – nichts Gutes im Sinne haben.“ Das erinnert an den Krieg Russlands gegen die Ukraine oder den Ausfall der USA als Nato-Schutzmacht, an den Beschluss eines weiteren „Sondervermögens“ für die Bundeswehr.
Auch im Kleinen – vor Ort – war nicht alles eitel Sonnenschein. Am 10.04.1887 hieß es über einen Einbruch: „In der Nacht vom 1. auf den 2. April wurde in der Lourdesgrotte bei Ottobeuren eingebrochen, der Opferstock geleert, mehrere Tafeln zerschlagen, die Wachsfiguren zertreten und überhaupt die Grotte sehr beschädigt.“ Vandalismus war auch damals schon ein Problem. Damals wie heute gab es übrigens die sogenannten „Fünziger-Treffen“. Gemeint waren 1887 die Jahrgänger von 1837. Das Treffen in Ottobeuren wurde sogar im Landkreis Mindelheim beworben.
Bestimmte Eisenbahnlinien waren bereits in Betrieb, Mobilität war in der Regel jedoch ein mühsames Unterfangen. Man kann über den weiten Umkreis der besuchenden Gruppen bei den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum des Turnvereins und der freiwilligen Feuerwehr Mindelheim am 13., 14. und 15. August 1887 nur staunen: Feuerwehren kamen aus Apfeltrach, Augsburg, Dirlewang, Egelhofen, Erkheim, Friedberg, Hausen, Heimenegg, Höchstädt a/D., Kempten, Kirchdorf, Krumbach-Hürben, Landsberg, Loppenhausen, Mattsies, Memmingen, München, Nassenbeuren, Nesselwang, Obergünzburg, Oberrammingen, Oberrieden, Ottobeuren, Pfaffenhausen, Rettenbach, Türkheim, Unteregg, Unterkammlach, Unterrammingen, Warmisried, Westernach,. Wiedergeltingen und Wörishofen. Die Zeitung: „Die Gesamtzahl der Feuerwehrmänner betrug 700. Rechnet man nun dazu eine noch ca. drei Mal so große Zahl von Menschen aus der Umgebung, welche an diesem Tage Mindelheim, besuchten, so darf es nicht Wunder nehmen, wenn überall der Raum zu klein wurde.“
Immer wieder besuchten Schüler- oder Vereinsgruppen Ottobeuren. Nicht von Ungefährt inserierte der Goldene Engel“ aus Ottobeuren auch in Mindelheim (vgl. Juni / Juli 1888). Der damalige Wirt – Eduard Hebel – empfahl „einem geehrten Publikum guten Mittagstisch, große Auswahl von Speisen zu jeder Tageszeit, frisch selbst gemachte Wurstwaaren. Metzgerei im Hause. Vorzügliches Bier von der Geiger'schen Brauerei dahier.“
Das „Institut für verwahrloste Knaben in Ottobeuren“ erhielt vom Landrat von Schwaben und Neuburg (heute wäre das der Bezirkstagspräsident) eine Unterstützung in Höhe von 7280 Mark, dem „Institute für verwahrloste Mädchen in Wörishofen" wurden 5198 Mark zugesprochen. Was einige der Ottobeurer Zöglinge so anstellten, sollte sich im November 1887 gar in der Berichterstattung niederschlagen.
Weitere Jahrgänge werden sukzessive aufgearbeitet.
Wegen der großen Dateigrößen (alle um die ein GB) sollten Sie die Dateien vor dem Öffnen erst herunterladen. Den Text kann man mit dem Shortcut „Strg + f“ durchsuchen.
Die Direktlinks im Einzelnen:
Mindelheimer Anzeigeblatt 1887 (pdf, 774 Seiten, 1,041 GB)
Auswertung (pdf)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1888 (pdf, 830 Seiten, 1,110 GB)
Auswertung (pdf)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1889 (pdf, 862 Seiten, 1,020 GB)
Auswertung (pdf)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1890 (pdf, 889 Seiten, 1,181 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1891 (Jahrgang fehlt; ist aber im Stadtarchiv Mindelheim vorhanden)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1892 (pdf, 926 Seiten, 0,948 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1893 (pdf, 950 Seiten, 0,996 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1894 (pdf, 970 Seiten, 0,985 GB)
Mindelheimer Anzeigeblatt 1895 (pdf, 1012 Seiten, 1,093 GB)
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Transkriptionen und Zusammenfassung: Helmut Scharpf, 04/2025
Urheber
Mindelheimer Anzeigeblatt
Quelle
Hans Högel sen.
Verleger
Helmut Scharpf
Datum
1887-01-03
Rechte
gemeinfrei