01.05.1798 – die Augsburger Postzeitung berichtet über die geplante Auflösung des Ottobeurer Klosterstaats
Titel
Beschreibung
Schon einige Jahre vor der Aufhebung der Abtei Ottobeuren und dem Ende des selbständigen Klosterstaats am 02.12.1802 berichtete die Augsburger Postzeitung – in Ausgabe Nr. 104 vom Dienstag, den 01.05.1798, S. 2 – von entsprechenden Plänen des Rastätter Kongresses.
An diesem Beitrag – dem 900. Themeneintrag im virtuellen Museum – wird noch gearbeitet!
Quellen:
Augsburgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- u. ökonomischen Neuigkeiten, Augsburg 1798
sowie eine umfangreiche Abschrift aus Band IV von Pater Maurus Feyerabend.
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Augsburgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- u. ökonomischen Neuigkeiten, Augsburg 1798
Ausgabe Nro. 71, 23.03.1798, S. 3 (pdf S. 272 des Gesamtjahrgangs):
Maynz [Mainz], den 16. März.
Der Regierungs-Commissaire Rudler wird sich nun nächstens mit dem Schicksal der Ordensgeistlichen und Nonnen in den eroberten deutschen Ländern beschäftigten. Es ist ein Plan vorhanden, nach welchem erstere ihre Kleidung ausziehen, und nach ihren Fähigkeiten zu Acker- und Weinbergleuten, zu Gärtnern, Lehrern im Rechnen und Schreiben, und zu Krankenwärtern in den Spitälern gebraucht werden sollen. Den Nonnen, die wieder zu ihren Versandten zurückkehren, soll ihr Eingebrachtes zurückgegeben, die übrigen aber zu Lehrerinnen und Aufseherinnen der weiblichen Armen in den weiblichen Arbeits- und Armenhäusern angestellt werden.
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Augsburgische Ordinari Postzeitung, Ausgabe Nro. 73 vom 26.03.1798, S. 3 (pdf S. 280):
Rastadt [Rastatt], den 18. März.
In der gestrigen Sitzung hat die Reichsdeputation [im „Rastatter Kongress“] über die am 15. dieß [diesen Monats] von der französischen Gesandtschaft erhaltenen Antwort berathschlagt. Das Resultat dieser Berathschlagung weiß man nicht; der Hauptgegenstand der französischen Nota betrifft die vorgeschlagenen Sekularisationen [Säkularisationen].
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Nro. 76 vom 29.03.1798, S. 3 (pdf S. 290):
Rastadt, den 23. März.
Gestern, in der 30sten Sitzung der Reichsdeputation wurde in Betreff der letzten französischen Note folgendes Conclusium gefaßt: „Es soll unter herkömmlichem Benehmen mit der kayserl. Plenipotenz eine weitere Note an die französische Gesandtschaft erlassen und darin, unter Anführung zweckmäßiger Gründe, erklärt werden, daß die Deputation den 3. ihrer letzten Erklärung wegen Abtrettung beygefügten Voraussezung [Voraussetzung] festen inhärire, und daß sie zuversichtlich erwarte, die französische Regierung werden den in der lezten [letzten] deutschen Note bemerkten Strich der jenseitigen Reichslande noch bey dem deutschen Reiche belassen.“
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Nro. 79 vom 02.04.1798, S. 3 (pdf S. 304):
Rastadt, den 25. März.
Ein Courier, der diesem Morgen aus Paris hier eingetroffen, hat die sichere Nachricht mitgebracht, daß General Bounaparte [Napoléon Bonaparte] nicht mehr nach Rastadt zurückkommen würde. Seine Equipage, und alles, was vom ihm noch hier ist, hat Befehl erhalten, nach Paris abzugehen. Der nemliche Courier hat von Seiten des Directoriums dem Herrn Grafen von Cobenzl eine mit Diamanten eingefaßte Uhr, nebst einer ganz mit Diamanten besetzten Uhrkette überbracht, die auf 60,000. Gulden geschätzt werden. Sein erster Sekretair hat ein Präsent erhalten, das im Werth 500. Louisd’or beträgt.
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Nro. 80 vom 03.04.1798, S. 1 (pdf S. 306):
Rastadt, den 28. März.
Folgende Note hat die französische Gesandschaft gestern des kays. königl. Bevollmächtigten Ministers Grafen von Metternich Excellenz zugeschickt. (…)
(Betr. der Hoffnung der dt. Seite, doch einen Teil des linken Rheinufers wieder zu erhalten.)
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Nro. 83 vom 07.04.1798, S. 3 (pdf S. 320):
Rastadt, den 1. April.
Die Reichsdeputation beshäftigt sich gegenwärtig mit einer Antwort auf die letzte der französischen Gesandschaft. – Der Courierwechsel ist äusserst stark. – Der Abgeordnete der Reichsstadt Bremen ist nach Paris abgereist. – Die öffentlichen Spieltische sind auf Befehl des Marggrafen von Baden - Durlach hier verboten worden. – Die Schriften an und über den Congreß mehren sich täglich; gegenwärtig sind über 30. derselben hier im Umlauff. – In der Sitzung der Reichsdeputation am 29. März wurden verschiedene Berichte verlesen, die neue feindliche Anstalten ankündigen, welche die Franzosen gegen Ehrenbreitstein getroffen, und die darinn bestehen, daß sie den Lauff eines Wassers, das mit der Festung Verbindung hat, abgeschnitten haben.
Rastadt, den 2. April.
In der heutigen achtunddreissigsten Sitzung der Reichsfriedensdeputation ist die von den französischen Ministern zur Entschädigung der auf dem linken Rheinufer verlierenden Stände vorgeschlagene Sekularisation [Säkularisation] auf dem rechten Rheinufer durch Stimmenmehrheit angenommen worden, aber, wie sich wohl von selbst versteht, mit Einschränkungen. Das Conclusum wird erst in der nächsten Sitzung, die künftigen Mittwoch oder Donnerstag gehalten wird, abgefaßt werden.
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Nro. 86 vom 10.04.1798, S. 1 (pdf S. 326):
Rastadt, den 4. April.
An die höchst ansehnliche kays. Plenipotenz von der Reichfriedensdeputation.
Nach dem Dafürhalten dieser Reichsdeputation sey die jüngste Note der bevollmächtigten Minister der französischen Republik vom 27. März (7 Germinal) dahin zu beantworten: „Von Seite der Reichsdeputation habe man dem Geschäfte und der Beförderung des Friedensschlusses am zuträglichsten geglaubt, wenn alles jenes vordersamst ins Reine gebracht würde, was bey Bestimmung der künftigen Gränzen zwischen beyden Nationen festzusetzen nothwendig, und wiederhohlt in Anregung gebracht worden sey, ehe man zu allenfallsigen weiteren Friedensartikeln übergehe.
Da die französische Gesandschaft aber in ihrer jüngsten Note vom 27. März (7. Germinal) erkläre, daß sie in diesem Augenblick mehr als schon geschehen auf die diesseitigen Anträge zu antworten, und hierüber weiter zu unterhandeln nicht vermöge, bevor sich die Deputation nicht auch über den proponirten Entschädigungsmodus beifällig [?] geäussert haben werde, und daß ohne diese Äusserung der Friede durchaus nicht zu Stand kommen könne, daß aber alsdann in den fernern Unterhandlungen alles mit angegangen werden solle, was gerecht und dem gemeinsamen Interesse beyder Nationen angemessen sey, so sehe die Deputation, um diese Unterhandlungen und den Augenblick der endlichen Pacifikation [den Friedensschluss] sobald als möglich herbeyzuführen, sich gedrungen, auch noch in die verlangte durch Sekularisationen zu erzielende Entschädigungen für den auf dem linken Rheinufer entstehenden Verlust sich einzulassen, und darüber in nähere Unterhandlung zu treten, jedoch dergestalt, daß dabey mit allen denjenigen Maasregeln und beschränkenden Vorschritten eingeschritten werde, welche zu Erhaltung der Constitution des deutschen Reichs in jeder Hinsicht, auch zu Wiederherstellung und Befestigung des darauf gegründeten Wohls der Stände, Reichsangehörigen und Unterthanen wesentlich erforderlich seyen. Da es aber bey der Bestimmung jeder Entschädigung vorzüglich auf das Maas der Beschädigung ankomme, so erwarte man, die französische Gesandtschaft werde nunmehr vor allem auf in der Note vom 11. März angeführte 2. Voraussetzung bestimmt und willfährig zu antworten, auch über die am 3. März übergebenen 18. Punkte sich zu erklären fernerhin keinen Anstand nehmen, zugleich aber sehe man, nach dem man sich dem gäntlichen Abschlusse der Pacifikation gegenwärtig auf alle Art genähert zu haben glaube, mit Zuversicht der bisher vergeblich gewünschten Verfügung entgegen, daß die französische auf dem rechten Rheinufer hin und wieder in grosser Anzahl befindlichen Truppen alsbald zurückgezogen, und hierdurch deren nicht mehr erschwinglichen Verpflegung ein Ende gemacht werde. Die Reichsdeputation wisse dieser den französischen bevollmächtigten Ministern zu ertheilenden Antwort aus den in derselben enthaltenen [?] dringenden Gründen nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse nicht länger auszuweichen, und glaube in dieser Hinsicht hoffen zu können, daß die Kaiserl. höchstansehnliche Plenipotenz sich mit derselben zu vereinigen keinen Anstand nehmen werde. Womit etc. etc.“
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dito, S. 3
Rheinstrohm, den 3. April.
Es ist nun ein Beschluß des Regierungskommissär Bürger Rudler [François Joseph Rudler, deutsch Franz Joseph Rudler] bekannt geworden, in welchem allen Kirchen, Stiften, und Klöstern in den eroberten Landen am linken Rheinufer, der Verkauf der kirchlichen Sachen und Effecten, oder das Wegbringen der Dokumenten etc. verboten wird. Die Pröbste, Dechanten und Vorsteher etc. derselben, sind darin für diese Sachen verantwortlich gemacht; sie sind gehalten ein förmliches Verzeichniß der zum Stifte oder Kloster gehörigen Mobilien, Silberwerk, Kirchenornate, Weiszeug [ev. Weißzeug], Gemählde [Gemälde] etc. einzuliefern. Ein ähnlicher Beschluß, betrifft die Innungen und Zünfte wegen Veräusserung der diesen zugehörigen Immobilien. In demselben macht Bürger Rudler den obigen Beschluß für die Geistlichkeit auf die Innungen anwendbar.
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Nro. 87 vom 11.04.1798, S. 1 und 3 (pdf S. 330 und 333):
Rastadt, den 5. April.
In der gestrigen 39. Session, (wo die in der gestrigen Zeitung mitgetheilte Anwort auf die französische Gesandschaft abgefaßt wurde) stimmte Österreich in Hinsicht auf die französische Note vom 27. März (7. Germinal) wie folgt:
Wenn die Reichfriedensdeputation findet, daß für die auf dem linken Rheinufer durch die Kriegsunfälle verliehrenden Stände aller Art, von jenen auf dem rechten Rheinufer Entschädigungen geleistet werden sollen; so wird der Grundsatz vorzüglich billig seyn, daß nach der Reichsverfassung diese Entschädigungen in billigen und thunlichen Verhältnissen für geistliche und weltliche Stände, welche verliehren, eintreten müssen. Vorzüglich aber wird erfordert, um die Reichsverfassung im Ganzen zu erhalten, daß den 3. geistlichen Churfürsten ein ihrer Würde und Existenz angemessener Stand sicher gestellt werde. – Da weiter die Entschädigungen nur als ein Ersatz für das Verlohrne angesehen werden müssen, keines Weges aber die Absicht seyn kann, solche in einer Acquisition brauchen zu wollen, und auch ohnehin die Reichsdeputation an Entschädigungsmittel und Auswege, deren einige der Verfassung weniger nachtheilig, und in den deutschen Staaten gefunden werden dürfen, ernstlich sich wird beschäftigten müssen, so wird die Existenz mancher Reichsstände hierdurch annoch gerettet werden können. – Auch muß man von Seiten Österreichs ausdrücklich darauf antragen, dieses der Antwort der Deputation an die französische Bevollmächtigte einzuverleiben, und als einen Entschädigungsweg aufzustellen. – Daß in jedem Falle für die Individuen aller Art gehörig gesorgt werden muß, um sie nicht der Noth und dem Kummer auszusetzen, versteht sich von selbst, und dieser Umstand ligt [liegt] Österreich so sehr am Herzen, daß man ihn der sorgfältigsten Aufmerksamkeit, und der nachdrucksamsten Unterstützung anempfehlen muß. – Österreich bedaurt [bedauert] gewiß die in diesem Kriege sich ergebene leidige Unfälle. Dieses Haus hat sich aber hiebey gar nicht das geringste vorzuwerffen, gleichwohl ist Österreich ein[er] der größten Beschädigten, und bey Aufstellung des Entschädigungsgrundsatzes vorzüglich zu einer Entschädigungsforderung berechtigt. Dieses Haus hat nach dem ausdrücklichen und wörtlichen Innhalt der französischen Kriegserklärung diesen Krieg sich zugezogen, weil Kayser Leopold der Zweyte sich nach dem churfürstlichen Collegialschreiben vom Jahr 1770. der im Elsaß begüterten und beeinträchtigten Fürsten und Ständen hat annehmen müssen. – Durch 6. Jahre ist dieses Haus, und zwar am Ende fast ganz allein im Krieg geblieben, hat alle seine innere[n] Staats- und Geldresourcen erschöpft, die Festung Maynz wieder erobern helfen, die dem Feind zugekommene Festung Mannheim nach unermeßlichem Aufwand an Geld und Leuten zum Schutz von Deutschland allein wieder erobert, und dadurch damals das weitere feindliche Vordringen in das Herz von Deutschland gehemmt, und da der feindlichen Übermacht in dasiger Gegend der hinlängliche Widerstand nicht mehr geleistet werden konnte, und es auch derselben glückte, bis in Bayern an die Iser [Isen? / Isar?] und die obere Pfalz, vorzurücken, hat die kayserl. königl. Armee ohne weitere Beyhülffe diese Länder wieder befreyt, und den Feind bis an die Sieg [?] zurückgedrückt. – Dieser in der Geschichte immer merkwürdig bleibende Feldzug hatte die kostspielige, und auch wieder mit vielem Blut errungene Einnahme der Brückenköpfe von Kehl und Hünningen zur Folge, welchen Deutschland in dem damaligen Augenblick seine Sicherheit zu verdanken hatte. Auch in Italien hat Österreich die dasigen beträchtlichen Reichslande und Reichslehen [Wort am Seitenwechsel nicht lesbar] vertheidigt. Unglückliche Ereignisse haben nun freylich das Schicksal des Kriegs mehr verschlimmert, und Österreich sah sich hierdurch bemüssiget, als souveraine Macht der Gewalt nachzugeben, und Frieden zu schliessen, entzog sich aber hierdurch so wenig seinen Pflichten als Reichsstand, daß es ein beträchtliches Reichskontingent als Quintuplum ferner ins Feld stellte, und auch dermal zum Reichsdienst darum erhält. Dabey hat Österreich seine wichtige und gesegnete Länder in Italien und auch die äußerst beträchtlichen Niederlande verlohren, welche noch allein den ganzen burgundischen Kreis mit einem churfürstlichen Anschlag vorstellten, und womit die vorzüglichste Befugnisse, als eine Stimme am Reichstage, und das Präsentationsrecht zum Reichskammergericht nebst andern mehr verknüpft, die auch durch eine lange Reihe von Jahren die Vormauer von Deutschland gewesen, und von dem Hause Österreich in diesem Betrachte mit unzähligem theurem Aufwand von Menschen und Geld vertheidigt worden sind. – Man hat bey diesen Äusserungen vorzüglich die Absicht, diese Umstände dem Reichsfrieden[s-] Protocoll einzuverleiben, und sich allenfalls nach Zeit und Umständen das Weitere vorzubehalten, mit der wiederhohlten ausdrücklichen Bemerkung: daß dem Erzhause sehr am Herzen liege, daß die Reichsverfassung im ganzen erhalten, dieselbe keine, der einzelne Besitzstand aber so wenig als möglich einige Veränderung erleide, wovon nun die Erhaltung der Reichsverfassung vorzüglich mit abhängt, und jeder Reichsstand, er möge seyn, wer er wolle, zu einer eigenen Erhaltung tief in sein Herz eingraben möge, damit nicht zu spät diese grosse Wahrheit, und der aus dem Gegentheil entspringende Nachtheil eingesehen, auch solche durch die Folgen bestättigt werde.
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dito, S. 3:
Rastadt, den 4. April.
Der französische Minister Treilhard läßt seine Gattin aus Paris hieher kommen. Ein Beweis mehr, daß das Friedensgeschäfte seinem Ende noch nicht nahe ist. – Die Reichsdeputation hat zum erstenmale bey dem französischen Minister Bonnier [Antoine Bonnier d’Alco] gespeißt. Man scheint sich etwas mehr zu nähern, obgleich die weitere Frage: welche Stände der Secularisation unterliegen sollen, noch zu manchem lebhaften Wortwechsel Anlaß geben dürfte. [vgl. Wikipedia: Rastatter Gesandtenmord von 1799]
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Nro. 88 vom 12.04.1798, S. 3 (pdf S. 336):
Bey verschiedenen Gesandtschaften in Rastadt sind auch kürzlich von dem Fürsten von Thurn und Taxis Vorstellungen, wegen Herstellung der Landstrassen auf dem rechten Rheinufer, eingereicht worden. Vornehmlich wird dain dargethan, daß, in Ermangelung einiger Vorsorge auf diesen Gegenstand, von den Fuhrleuten die Strassen auf dem linken Rheinufer hin und her vorgezogen werden dürften.
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Nro. 89 vom 13.04.1798, S. 2f. (pdf S. 339f.):
Rastadt, den 7. April.
Die in Ulm versammelten Abgeordneten der Regierungen der freien Reichsstädte in Schwaben haben ein Promemoria an die Reichsdeputation übergeben, des Inhalts: „Bei den mancherlei Gerüchten über das Schicksal dieser und jener Reichsstände hätten sie geglaubt, sich gemeinschaftlich berathen, und ihre Maasregeln nehmen zu müssen. Die Schwäbischen Reichsstädte fänden sich – und dieß sey die allgemeine Stimme – bey ihrer bisherigen Verfassung glücklich, und hätten keinen höhern Wunsch, als ferner dabey gelassen zu werden. Sie zählen dabey fest auf den Schutz Kaiserlicher Majestät und des Reichs, und hielten es für Pflicht, diese Gesinnungen, Wünsche und Bitten an das Reichs Oberhaupt und den Reichsfriedenskongreß zu bringen. Ihre Erhaltung, als den dritten Bestandtheil des Reichs, sey tief in der Verfassung selbst gegründet; sie trügen in Kriegs- und Friedenszeiten die Lasten mit; Reichsstädte seyen es überdieß, welche sich von jeher in Deutschland durch Handlung und Kunstfleiß ausgezeichnet hätten. Sollte die Nothwendigkeit auch Entschädigungen diesseits für die Verlierenden jenseits gebieten, so glaubten sie doch nicht dießfalls als Opfer dienen zu müssen. Dabey müßten sie mit Bedaueren berühren, daß übelgesinnte Reichsstädtische Bürger unter dem falschen Vorgeben, als wären sie von ganzen Gemeinden bevollmächtigt, sich erklärt hätten, die Bürger dieser oder jener Reichsstadt wünschten, ihrer bisherigen Verfassung müde, sich einer andern Ständischen Hoheit zu unterwerfen: dieß sey nicht das Verlangen auch nur einer Reichsstadt in Schwaben, sondern einzelner Übelgesinnter, die nicht ihres Vaterlandes, sondern ihren eigenen Vortheil im Auge hätten. Sie machten diese Eröffnung, um der gleichen Unternehmehungen entgegen zu arbeiten; und da diese Wünsche von Überlgesinnten auch an die Französische Gesandschaft und das Französische Direktorium gebracht worden seyen, so ersuchten sie die Reichsdeputation, die Französische Gesandschaft zu versichern, daß diese Unternehmehungen blos das Werk einzelner, Unruhe liebender Personen seyen, die ohne Mitwissen und Vollmachten die Reichsstädtischen Obrigkeiten und Bürger, mit mißbrauchten Namen der letztern, gemacht würden.“
– Wegen Kurtrier als Bischof von Augsburg hat sich der geheime Rath von Epplen, und wegen der Reichsstadt Ulm der Senator Müller legitimirt. Im Namen der sämtlichen 31. Schwäbsichen Reichsstädte schicken Augsburg, Ulm, Rothweil [Rottweil] und Überlingen Deputirte hieher.
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Nro. 90 vom 14.04.1798, S. 3f. (pdf S. 344f.):
Frankfurt, den 8. April.
Die vormals deutschen Länder am linken Rheinufer sind nun bereits von dem französischen Regierungscommissaire Rudler in 4. Departements eingetheilt worden, in welchen die vorhandenen Nationalgüter nächstens zum Vortheil der Republik an die Meißtbietenden verkauft werden sollen. Belgien mit dem ehemaligen Besitzthum Lüttich ist bekanntlich schon seit ein paar Jahren in 9. Departements abgetheilt. Alle diese Länder enthalten über 4. Millionen Einwohner, und gegen 9. Quadratmeilen.
Frankfurt, den 9. April.
Die französischen Truppen, welche Ehrenbreitstein blockiren, sind ansehnlich verstärkt worden, alle Dörffer um diese Festung sind voll Franzosen. Das Korps, welches zwischen der Nidda und der Lahn cantonirt, hat dieser Tagen auch ansehnliche Verstärkungen vom linken Rheinufer erhalten.
Stuttgard [Stuttgart], den 2. April.
Die französischen Minister in Rastadt [Rastatt] haben die (letzthin mithetheilte) Note der Reichsdeputation schon beantwortet. Sie sagen in ihrer Antwort, daß die Zurücklassung des Strichs Landes auf dem linken Rheinufer zwischen der Kur und Maas, und zwischen der Nette und dem Rhein sich schlechterdings nicht mit dem Wohl beyder Staaten vertrage: sie geben zu, daß unter den bekannten 18. Punkten einige sich von selbst verständen, mehrere der französischen Truppen vom rechten Rheinufer erst nach der Abschliessung des allgemeinen Friedens stattfinden könne; sie dringen deßhalb am Schlusse der Note auf schleunige Herstellung des Friedens, und bitten sich zu dem Ende das Verzeichniß derjeningen Stände aus, die zur Entschädigung der auf dem linken Rheinufer verlierenden sekularisirt werden sollen. (Der ausfährliche Innhalt wird folgen.)
Die meisten deutschen Reichszeitungen melden folgendes:
Von Seite der königl. preussischen Gesandtschaft soll den französischen Bevollmächtigten zu Rastadt erklärt worden seyn: Der König sey sehr geneigt gewesen, in die Abtretung des linken Rheinufers zu willigen; er werde es auch in Betreff der Säkularisationen seyn, versehe sich aber dagegen, daß Frankreich von Ausbreitung der Revolutionsgrundsätze auf dem rechten Rheinufer ganz abstehen werde, indem der König jede dießfallsige Begünstigung als eine Kriegserklärung werde ansehen müssen.
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Nro. 91 vom Montag, den 16.04.1798, S. 3 (pdf S. 346):
Stuttgard [Stuttgart], den 15. April.
Ein französisches für offiziell gehaltenes Blatt, der Conservateur, sagt: es sey am 23. März zu Rastadt zwischen den französischen und den preussischen Ministern eine förmliche Abtretungsakte der jenseitigen preussischen Besitzungen mit den … … [nicht lesbar] Bedingungen gegeneinander ausgewechselt, und zur Ratification an ihre gegenseitige Regierungen geschickt worden.
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Nro. 92 vom Dienstag, den 17.04.1798, S. 1ff. (pdf S. 350ff.):
Rastadt, den 9. April.
Die französischen bevollmächtigten Minister haben der kayserl. Plenipotenz und dem Direktorialminister gestern Abends folgende Antwort auf die jüngste Note der Reichsdeputation übergeben:
„Indem die Reichsdeputation die Nothwendigkeit der Säkularisation zur Entschädigung derjeningen Stände auf dem rechten Rheinufer, welche auf der linken Rheinuferseite Besitzungen verlohren haben, anerkennt, und indem sie diesen Grundsatz annimmt, bezeugt dieselbe durch die am 16. Germ. (5. April) mithetheilte Note, das Verlangen nach einer Erklärung von Seiten der Minister der französischen Republik über die zwote [zweite] der in der Note der Reichsdeputation vom 21. Vent. (11. März) ausgedrückten Preposition, und über die 18. Artikel, welche dieselbe ihre Note vom 13. Vent. (3. März) beygefügt hatte, auch verlangt sie den Rückzug der Truppen der Republik, welche sich auf der rechten Rheinseite befinden. – Die Minister der französischen Republik erklären sich über diese verschiedene Verlangen. In Rücksicht des letzten wiederhohlen sie, was sie schon gesagt haben, daß, indem die Verlassung der Positionen die erste Folge eines bewirkten Friedens seyn müsse, kein hinreichender Bewegungsgrund da ist, vor diesem Zeitpunkte die Truppen auf die andere Rheinseite zurückzuziehen. Auf die in der Note von 21. Vent. [Ventose] (11. März) enthaltene zwote Proposition antworten die bevollmächtigten Minister der französischen Republik, daß sie sich schon auf eine jeden Vernünftige befriedigende Weise erklärt haben, als sie sagten, daß sie in dem Laufe der ferneren Diskussionen sich nicht von demjenigen entfernen würden, was gerecht und mit dem gemeinschaftlichen Interesse der beyden Nationen übereinstimmend seyn würde; dieß setzt auch voraus, daß sie von ihrer Seite nur annehmliche Forderungen thun werden. Endlich auf die der Note vom 13. Vent. (3. März) beygefügten Artikel sind die Minister der französischen Republik genöthiget, zu bemerken, daß diese Absicht, die Unterhandlungen zu beschleunigen, vorgeschlagen worden zu seyn, einige derselben haben niemals der Gegenstand eines ernsthaften Zweifels von Seiten der Reichsdeputation seyn können, z.B. die Erhaltung des Privateigenthums, die freye Ausübung des Gottesdienstes, wenn dabey die Gesetze beobachtet werden, die Vergessenheit der während des Krieges geäußerten Meinungen und andere Artikeln sind mit der Souverainität [Souveränität] der Republik und mit ihrer Constitution [Verfassung] unvereinbar: die Unterzeichneten können ihre Verwunderung darüber nicht genug bezeigen, daß man über einige diese Artikel erregen und andere zu verlangen sich entschliessen könnte. In der gegenwärtigen Lage der Dinge ist das wahre Mittel, die Unterhandlung zu beschleunigen, an der Anwendung der Entschädigungs-Basis zu arbeiten; vielleicht ist es vor allem zuträglich, daß die Reichsdeputation allgemeine Regeln vorbereite, und das Loos der Titularen, welche aufgehoben werden können, zu bestimmen, damit Niemanden, wer es auch sey Zweifel über die Grundsätze der Vernunft und Weisheit übrig bleibe, welche diese wichtige Operation leiten werden.
Rastadt, am (19. Germinal) (8. April) Unterzeichnet: Treilhard. Bonnier.
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dito, S. 3:
Maynstrohm [Main], den 10. April.
Die französischen Truppen auf dem rechten Rheinufer, sowohl diejenigen, die zwischen der Lahn und der Nidda kantonniren, als jene, die Ehrenbreitstein blockirt halten, verstärken sich noch beinahe täglich, und zu gleicher Zeit erhält sich die Sage, daß General Hatry sein Hauptquartier von Maynz [Mainz] auf die rechte Rheinseite, und zwar nach Wetzlar verlegen werde. In Maynz [franz. Mayence] ist eine Proklamation erschienen [Dekret vom 30. März 1798], wodurch alle gerichtliche[n] Akten, Protokollen und Beschlüsse der verschiedenen Municipal [Kommunen], und Gerichtsverwaltungen, selbst den Notariatsakten in französischer Sprache abgefaßt werden müssen. Auch hat sich kürzlich die dortige Municipalität [Stadtverwaltung] gegen verschiedene in Umlauf gekommene Gerüchte, als, der Krieg dauere fort, die Jugend müsse das Gewehr ergreifen, und der arme Bürger eine geraume Zeit die Garnison auf seine Kosten unterhalten, sehr nachdrücklich erklärt. Im Zweifelsfalle sollen sich die ruhigen Bürger an die Municipalität wenden, wo man sich versichert halten könne, keine Unwahrheit zu hören; die Schuldigen aber sollen nach den Zuchtgesetzen und nach Befinden der Umstände der Kriminalgesetze bestraft werden.
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Nro. 93 vom Mittwoch, den 18.04.1798, S. 4 (pdf S. 354):
Augsburg, den 17. April.
Heute früh sind Se. Excellenz, der kayserl. königl. Herr Minister Graf von Kobenzel [Cobenzl] von Rastadt kommend hier durch passirt.
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Nro. 94 vom Donnerstag, den 19.04.1798, S. 3 (pdf S. 360):
Rastadt, den 13. April.
In der gestrigen Reichsdeputationssitzung wurde die letzte französische Antwort verlesen. Gestern und heute sind aus Wien Couriers angekommen. Die Abreise des Grafen von Cobenzel [Cobenzl], die heute Abends erfolgt, dürfte eine Folge von der Ankunft dieser Couriers, und ihrer mitgebrachten Depeschen seyn. Alle seine Domestiken bleiben bis auf weitere Ordre hier, unterdessen hat der Herr Graf doch Heute alle seine Rechnungen bezahlt.
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Nro. 95 vom Freitag, den 20.04.1798, S. 4 (pdf S. 365):
Maynz [Mainz], den 13. April.
Auf Befehl des französischen Regierungskommissairs sollen die hiesige geistliche Corpora innerhalb 14. Tagen ein Verzeichniß ihrer beweglichen und unbeweglichen Güter und Einkünfte einreichen. Welche geistliche Innung dieß unterläßt, verliehrt die Verwaltung ihrer Güter, und sie werden zum Vortheil der französischen Republik verwaltet. –
Die churfürstlichen und Domkapitlischen Domainen, und die geistlichen Güter werden vor der Hand noch nicht verkauft, sondern sie sollen auf einige Jahre vermiethet werden. –
Es kommt hier immer viel französisches Geschütz an, um die Festungswerker damit zu besetzen. – Die Festung Ehrenbreitstein ist noch von den französischen Truppen eingeschlossen, die der Besatzung alle Zufuhr von Lebensmitteln abschneiden. – Kein Einwohner darff sich von hier entfernen, ohne 2. Bürgen wegen seiner Zurückkunft zu stellen.
Kölln [Köln], den 12. April.
Gestern erging von den französischen Regierungskommissarien der Befehl an alle Capitel, Klöster und geistliche Corporationen am linken Rheinufer, ein genaues Verzeichniß ihres beweglichen und unbeweglichen Vermögens einzugeben. – Am 9. dieß [dieses Monats] wurde hier in Kölln die neue Municipalität feyerlich eingeführt, und dem bisherigen Stadtmagistrat seine Auflösung angekündigt.
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Nro. 96 vom Samstag, den 21.04.1798, S. 3f. (pdf S. 368f.):
Rastadt, den 15. April.
Gestern kamen der Marggraf, der Erbprinz, und der Prinz Ludwig von Baden hieher. Die französischen Minister Treilhard und Bonnier machten ihren dießmal ihren ersten Besuch, den die fürstlichen Personen bald darauf erwiederten [erwiderten]. Graf Kobenzel [Cobenzl] wird in 14. Tagen von Wien zurück erwartet. Er hat den größten Theil seiner Leute hier gelassen.
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dito, S. 4
Augsburg, den 20. April.
Heute früh um 3. Uhr ist der Bothschafter der französischen Republik in Wien, der Divisionsgeneral Bernadotte mit seinem Legationssecretaire, 3. Adjudanten, und mehrern Domestiken in 3. Wagen hier in dem Gasthof zu den drey Mohren angekommen, und hat um 10. Uhr Vormittags seine Reise weiter gegen den Rhein fortgesetzt.
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Nro. 97 vom Montag, den 23.04.1798, S. 2f. (pdf S. 371f.):
Rastadt, den 15. April.
In der morgenden Sitzung wird die Reichsdeputation über die letzte Note der französischen Gesandschaft berathschlagen. Die Mehrheit der Stimmen dürfte dahin gehen: daß die französischen Minister eine allgemeine Definitio-Erklärung über die zu ergreifenden Maasregeln geben möchten, wodurch das Friedensgeschäffte schleunig beendigt werden könnte. Diese Erklärung wird zu einem festen Plan führen, nach welchem die Säkularisationen und Entschädigungen, die vorgenommen werden müssen, regulirt werden können.
– Der Hessenkaßlische Minister Baron von Waitz ist von einer Reise hieher zurückgekommen, die er, man weißt [weiß] nicht, wohin, gemacht hat.
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dito, S. 4:
Ein anders aus Rastadt, den 17. April.
Gestern war die 41. Sitzung der Reichsdeputation, in welcher die letzte französische Note in Deliberation gezogen [beraten] wurde. – Man glaubt, das Secularisationssystem [Säkularisationssystem] werde nur mit möglichster Schonung angewendet werden.
Kurzgefaßte Nachrichten.
Der brave Commandant von Ehrenbreitstein hat für die Kranken seiner Besatzung Arzneyen von den Franzosen verlangt, welches ihm aber abgeschlagen wurde.
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Nro. 98 vom Dienstag, den 24.04.1798, S. 4 (pdf S. 377):
Rastadt, den 16. April.
Gestern war die 42. Sitzung der Reichsdeputation. Der Beschluß über die letzte französische Note soll erst heute gefaßt werden. – Der Herr [Friedrich Adolf] von Zwanziger ist von einer nach Regensburg gemachten Reise hier wieder angekommen.
– Am 14. dieß wurden 360. Zentner in Laubthalern auf 15. Wägen von Bern nach Frankreich abgeführt. Bern gewährt gegenwärtig einen traurigen Anblick.
– Ulm, den 21. April.
Gestern Abends kam General Bernadotte bisheriger Bothschafter der französischen Republik am kayserl. Hofe, aus Wien hieselbst an, übernachtete mit einem zahlreichen Gefolge im Gasthof zum goldenen Rad, und, setzte heute früh seine Reise über Stuttgard [Stuttgart] und Rastadt [Rastatt] nach Frankreich, mit Eilfertigkeit weiter fort.
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Nro. 99 vom Mittwoch, den 25.04.1798, S. 3 (pdf S. 380):
Rastadt, den 21. April.
Es ist in der Deckerischen Buchhandlung allhier ein neuer Pacifications- und Entschädigungsplan [Friedens- und Entschädigungsplan] im Druck erschienen, nach welchem ein Theil der geistlichen Staaten stehen bliebe, ein anderer mit den ferner bestehenden vereinigt, und ein dritter als Entschädigungsmittel dienen sollte. Nach diesem Plane, über dessen Werth die Meynungen sehr getheilt sind, müßten ferner diejenigen Stände, welche durch den Krieg nichts gelitten haben, die Entschädigungsmasse durch Geldbeyträge vermehren.
– So eben meldet man aus Genf vom 17. April folgendes: die Franzosen sind letzten Sonntag Mittag, 2000. Mann stark, in unsere Stadt eingerückt, und unsere Vereinigung mit Frankreich ist Abends um 5. Uhr proklamirt worden.
Maynz [Mainz], den 15. April.
Zwischen den Maynzer und Frankfurter Juden ist der Neid entstanden, und zwar auf folgende Art: In Frankfurt dürfen bekanntlich die Juden auf keinen öffentlichen Spaziergängen in und ausserhalb der Stadt, herumgehen. Es sind ihnen zum Ein- und Ausgange gewisse Thore bestimmt. Neulich kam einer von unseren Juden mit der dreyfarbigen Cokarde nach Frankfurt, gieng auf den Glacis um die Stadt her spatzieren [spazieren], wurde aber von einem Polizeidiener hinausgewiesen. Dieß verdroß den Juden so sehr, daß er sich bey der Maynzer Municipalität [Stadtverwaltung] beschwerte, welche dieses Verfahren als eine einem französischen Bürger angethane Beleidigung ansah, und darüber sogleich an den Frankfurter Magistrat schrieb. Nun hat der Frankfurter Magistrat Befehl gegeben, daß alle französischen Juden mit Cocarden, auf allen Spaziergängen erscheinen, und zu allen Thoren ein- und ausgehen dürfen.
Stuttgard, den 22. April.
Gestern Abends um 7. Uhr ist General Bernadotte hier angekommen, und hat heute früh seine Reise weiter nach Rastadt fortgesetzt.
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Nro. 100 vom Donnerstag, den 26.04.1798, S. 3 (pdf S. 384):
Rastadt, den 22. April.
Heute Abends ist der französische Gesandte in Wien, General Bernadotte, hier angekommen. Ob er vor der Hand hier bleibt, ist noch nicht bekannt.
Rastadt, den 19. April.
Gestern in der 42. Sitzung der Reichsdeputation, wurde folgende Antwort an die französischen Minister auf ihre letzte Note gefaßt:
„Die Reichsfriedensdeputation habe bereits in ihrer jüngsten Note bemerkt: daß es bey Bestimmung der Entschädigungen vorzüglich auf das Maas der Beschädigungen ankomme; daß sie daher erwarte, man werde nunmehr vor allem auf die in der Note vom 11. März angeführte zweyte Voraussetzung bestimmt und willfährig antworten, auch über die am 3. März übergebenen 18. Punkte sich zu erklären, fernerhin keinen Anstand nehmen. In derselben Note habe die Deputation auch noch beygefügt, daß man der Verfügung wegen alsbaldiger Zurückziehung der französischen Truppen vom rechten Ufer mit Zuversicht entgegen sehe.
– Der Innhalt der Note der bevollmächtigten Minister der französischen Republik vom 10. Germinal (8. April) entspreche aber diesen so billigen Erwartungen nicht; denn in Rücksicht des Zurückzugs der Truppen werde darin zu erkennen gegeben, daß kein hinlänglicher Grund vorhanden sey, denselben vor völligem Abschluß des Friedens zu bewerkstelligen. In Ansehung der zweyten Voraussetzung aber werde sich auf eine unmögliche völlige Beruhigung gewährende Art nur im Allgemeinen dahin geäußert, daß nach den vorhin geschehenen Erklärungen anzunehmen sey: es würden von französischer Seite keine andern als zuläßigen Forderungen gemacht werden. Von den am 3. März übergebenen Punkten hingegen betrachten die französischen Minister zwar einige derselben als solche, in Ansehung welcher kein Zweifel Statt finden möge; andere aber erklärten sie als mit der Souverainietät und der Verfassung der Republik ganz unvereinbarlich, ohne aller übrigen Punkte weiter zu erwähnen. Am Ende fügten sie den Antrag bey, daß an der Anwendung der Basis der Entschädigungen gearbeitet, und vor allem allgemeine Regeln vorbereitet würden, um das Schicksal derjenigen, die supprimirt [verdrängt, unterdrückt, zurückgedrängt] werden dürfen, zu bestimmen.
– Die Deputation erkenne nun zwar vollkommen die gerechten Rücksichten, welche die französischen Minister bey dem letzten dieser Anträge geleitet hätten, und es gereiche ihr zur Beruhigung, daß in diesem Punkte die Obliegenheiten dieser Reichsdeputation mit dem Wunsch der französischen Republik so vollkommen übereinstimmten.
– Die Reichsdeputation sey inzwischen doch fest überzeugt, daß man sich nicht eher wirksam mit näherer Bearbeitung der Grundsätze über die Entschädigungen beschäftigten könne, bis man nicht eine genaue und bestimmte Einsicht der Lage der Dinge und der Umstände erhalte. Diese letztere aber lasse sich erst alsdann erlauben, wenn durch Erledigung der bekannten 18. Artikel die Masse des Verlustes, die Modifikationen, unter welchen die Abtrettungen geschehen sollen, und das Schicksal der Bewohner der überrheinischen Provinzen gemeinsam bestimmt seyn würden; zumal die Reichsdeputation allein in der unbezweifelten Erwartung, daß man den drey in der Note vom 11. März enthaltenen Voraussetzungen Genüge leisten werde, Aufopferungen anerkannt, welche für Deutschland ohnhin so groß und schmerzlich seyen. Sie halte es demnach ihren schweren Pflichten gemäß, noch ferner auf der Willfahrung ihrer vordern Anträge zu bestehen.
– Sie erneuere daher gegenwärtig nochmals die Erwartung, daß die bevollmächtigten Minister der französischen Republik auf die zweyte Voraussetzung der Note vom 11. März bestimmt und willfährig antworten, auf jeden der bekannten 18. Artikel sich erklären, und für die Zurückziehung der französischen Truppen vom rechten Rheinufer, wo verschiedene Gegenden neuerlich so stark überlegt werden, daß diese erschöpften Lande unmöglich mehr die Kosten aufzutreiben wüßten, die Befehle unverweilt veranlassen werden.
– Dieser Beschluß wurde noch gestern an die kayserliche Plenipotenz gebracht, und dabey bemerkt, daß, falls dieselbe sich nicht mit dieser Antwort der Reichsdeputation vereinigen werde, sie auch nicht übergeben werden sollte.
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dito, S. 4:
Rastadt, den 20. April.
Heute früh um 5. Uhr kam ein ausserordentlicher Courier des französischen Bothschafters am Wiener Hofe, des Generals Bernadotte, bey der französischen Gesandschaft an. Die Depeschen, die er abgab, veranlaßten sogleich eine Zusammenkunft dieser (französischen) Minister und ihrer Sekretäre. Nachdem diese bis 11. Uhr Mittags bey einander gewesen waren, so wurde der Courier wieder abgefertigt, der seinen Weg unverzüglich nach Paris fortsetzte.
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Nro. 101 vom Freytag, den 27.04.1798, S. 3 (pdf S. 388):
Rastadt, den 21. April.
Heute hat die kayserliche Plenipotenz die Note der Reichsdeputation vom 18. dieses [Monats] den französischen Bothschaftern übergeben, so daß man nach dem bisherigen Gange höchstens bis morgen einer Antwort darauf entgegen sehen kann. Man will wissen, daß gestern die kayserliche Plenipotenz eine sehr lebhafte Unterredung mit den französischen Gesandten gehabt habe, und schließe zum Theil hieraus, daß die zu erwartende Antwort etwas nachdrücklich ausfallen werde.
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Frankfurt, den 23. April.
Ein franz. Truppenkorps, das in Luxemburg, Trier, und in andern Städten an der Mosel steht, hat Befehl erhalten, auf das rechte Rheinufer zu marschiren. – Unter den franz. Truppen am Kanal bemerkt man, nach den neuesten Berichten aus Brüssel, starke Bewegungen.
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Nro. 101 vom Samstag, den 28.04.1798, S. 3 (pdf S. 392):
Straßburg, den 24. April.
Gestern hat man hier die unangenehme Nachricht von dem am 13. dieß [dieses Monats] in Wien erfolgten Vorfall in dem Palais des französischen Bothschafter Bernadotte, und dessen Abreise von Wien erhalten. Er ist vorgestern in Rastadt angekommen, und wird wohl so lange daselbst bleiben, bis er weitere Verhaltungsbefehle vom Direktorium empfängt. Man hoft [hofft] inzwischen, daß aus diesem Vorfall keine unangenehme Folgen zwischen Österreich und Frankreich entstehen werden. Übrigens (fährt die Straßburgerzeitung fort) wird jedermann leicht einsehen, daß dieser Vorfall durch englisches Geld angestiftet war, und daß Pitt [William Pitt der Jüngere] die grosse Expedition zu hintertreiben, und dieß durch einen neuen Bruch zwischen Frankreich und Österreich zu bewirken sucht.
– Seit einigen Tagen sind hier 2. österreichische Couriere nach Paris durchgeeilt.
[Im Artikel wird nicht erwähnt, um was für einen „Vorfall“ es sich in Wien gehandelt hat. Im „Wien Geschichte Wiki“ wird es näher erklärt, es geht um den sog. „Fahnentumult“, Zitat:
„Fahnentumult (Fahnenrummel, Fahnenkrawall). 1798 hatte Jean Baptiste Bernadotte (nachmals König von Schweden und Norwegen) als Gesandter der Französischen Republik das Geymüllerpalais (1, Wallnerstraße 8) gemietet, das sich ab 1797 im Besitz des Barons Wimmer befand. Als er (als begeisterter Republikaner) am 13. April 1798 anläßlich eines Fests vom Balkon des ersten Stockwerks die Fahne der Französischen Republik wehen ließ, entstand ein Auflauf; das Volk riß die ihm verhaßte Trikolore herab. Bernadotte verließ am nächsten Tag Wien.“]
Maynz [Mainz], den 20. April.
Von hier ziehen noch immer französische Truppen an das rechte Rheinufer, wo sich an den Ufern der Lahn und Nidda eine ansehnliche Macht sammelt. Diese Truppen, welche meistens aus Holland kommen, sind sehr gut montirt, und die Cavallerie trefflich beritten. Wozu diese Anstalten während dem Friedenskongreß zu Rastadt abzwecken, ist ein politisches Räthsel.
– Die Festung Ehrenbreitstein hält sich noch. Die Besatzung ist klein, und soll noch auf mehrere Monate Lebensmittel haben. Aber an Arzneyen fehlt es ihr.
Rastadt, den 23. April.
Heute Nachmittags gegen 3. Uhr ist der französische Gesandte am Wiener Hofe, General Bernadotte, hier eingetroffen, und bey den französischen Ministern abgestiegen. Er hat einige von denen [deren] Zimmern im Schlosse, die Buonaparte bewohnt hatte, bezogen, und wird hier die Antwort auf die Depeschen, die er nach Paris geschickt hat, erwarten. Die Nachricht von den Vorfälle[n] in Wien am 13. April, und von der darauf erfolgten Abreise des Bothschafters hat hier grossen Eindruck gemacht. Man will aber jetzt Gründe zur Beruhigung haben, und man glaubt, die unangenehmen Folgen nicht befürchten zu dürfen, die man Anfangs besorgte.
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Nro. 103 vom Montag, den 30.04.1798, S. 3 (pdf S. 396):
Rastadt [Rastatt], den 23. April.
Die Herrn Grafen von Metternich, und [Ludwig Konrad von] Lehrbach [1750 - 1805] haben in Betreff des Vorfalls in Wien am 13. dieß, Couriers erhalten. – Der König von Preussen soll für seine Länder jenseits des Rheins nicht im fränkischen Kreis, sondern im nördlichen Deutschland entschädigt werden.
– Von Seiten der schwäbischen Reichsstädte hat sich nun auch der Reichsstadt Augsburgische Rathsconsulent [Dr. Johann Heinrich] von Prieser, und von Seiten der Reichsstadt Überlingen der Consulent Ill bey der Reichsfriedensdeputation legitimirt.
– In Bruchsal läßt der Bischoff von Speyer ansehnliche Weinvorräthe verkauffen.
– Die französischen Gesandten haben in Betreff der letzten Note der Reichsdeputation erklärt, sie würden sich der achtzehn Punkte wegen in Unterhandlung einlassen.
Maynstrohm, den 16. April.
Seit einigen Tagen ist sehr vieles Geschütz in die Festung Maynz [Mainz] gebracht worden. Kein dortiger Einwohner darf sich nun mehr aus der Stadt entfernen, ohne Bürgen wegen seiner Rückkunft zu stellen; auf dieses Verbot wird sehr streng gehalten.
Kurzgefaßte Nachrichten.
Das seit einigen Tagen verbreitete Gerücht, als ob in Berlin ähnliche Auftritte wie in Wien vorgefallen seyen, ist ungegründet.
– Nach öffentlichen Berichten ist General Bernadotte am 15. April unter Bedeckung von 70. Mann Cavallerie aus der kayerlichen Residenz abgereist, die er zu seiner Sicherheit erhielt.
– Die Stadt Koblenz ist jetzt in 2. Sectionen abgetheilt, die erste heißt: „Section der Gleichheit, und die andere: Sectione der Verbrüderung.“
Der König von Spanien hat das Verbot der Einfuhr englischer Waaren und Manufactures auch auf seine amerikanische Besitzungen ausgedehnt: allein die Engländer treiben von ihren westindischen Inseln aus schon seit Jahren einen äusserst vortheilhaften Schleichhandel dahin, der sonst in den Händen der Holländer war.
Nach öffentlichen Berichten dürfte das Fürstenthum Neuchatel an Frankreich kommen, und der König von Preussen dagegen auf einer andern Seite entschädigt werden.
Seine chufürstliche Durchlauch von Pfalzbayern haben das seit unfürdenklichen Zeiten bestehende Sperrgeld an den Thoren der Residenzstadt München aufgehoben.
– Nach Berichten aus Innsbruck soll das im Tirol stehende kayserliche Militair noch mit 6000. Mann vermehrt werden.
– Die in Passau ausgebrochenen Unruhen sind wieder beygelegt.
– Am 20. April wurden Schiffe aus Glaras [Glarus] und Schwitz [Schwyz], die in Zürch [Zürich] Getreide abholen wollten, dem Befehl des General Schauenburg gemäß abgewiesen.
– Milord Bristol, ein Irländischer Bischof [nicht korrekt; sehr wahrscheinlich: Frederick Hervey, 4. Earl of Bristol], der sich unweit Bologna aufhielt, ist von den Franzosen als ein Spion arretirt worden, und soll als ein solcher gerichtet werden.
In Ulm befindet sich noch immer ein Bataillon Bamberger in Garnison.
– An der Iller versammelt sich zwischen Ulm und Memmingen ein Korps von 8000. Mann kayserlicher Truppen.
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Nro. 104 vom Dienstag, den 01.05.1798, S. 2 (pdf S. 399):
Rastadt [Rastatt], den 26. April [1798].
Noch ist auf die letzte Note der Reichsdeputation keine Antwort der französischen Minister erschienen, obgleich man heute eine vermuthetete. Wahrscheinlich erwarten die Gesandten der Republik erst noch einen Courier aus Paris, welcher morgen eintreffen soll. General Bernadotte befindet sich noch immer hier. Er wohnt in dem hiesigen Schlosse, aber er und die kayserlichen Gesandten sehen sich nicht.
– Die schwäbischen Prälaten haben auf ihrer Versammlung in Ochsenhausen den Beschluß gefaßt, Abgeordnete nach Wien, Paris und Rastadt [Rastatt] zu schicken, um das drohende Ungewitter der Säcularisationen, wo möglich, zu beschwören. Ein Deputirter von ihnen ist bereits hier angelangt.
Ein anders [Eine weitere Meldung] aus Rastadt, den 26. April.
Das heutige, hier herauskommende Rastädter Congreß Blatt meldet, daß folgender Pacifications- und Entschädigungsplan im Umlauf [?] sey:
1.) Bisthümer und Stifter [Stifte], welche jenseits des Rheins liegen, und an Frankreich kommen, folglich aufgehoben werden, sind: Lüttich, Basel, ein Theil von Worms, ein Theil von Speyer, Stable [Stabls?], Malmedy, Cornelius Münster [Kornelimünster], Prüm, Thorn und Kronweissenburg.
2.) Geistliche Staaten, welche mit andern consolidirt, und zur Erhaltung der geistliche[n] Churfürstenthümer verwendet werden: die disseits gelegenen noch übrigen Theile von Worms, und Speyer, ferner Fulda und Paderborn.
3.) Geistliche Staaten, welche zur Entschädigung der verliehrenden weltlichen Reichsstände säcularisirt werden: nemlich Salzburg, Eichstädt, Bertesgaden [Berchtesgaden], die gefürstete Abtey Kempten.
4.) Bisthümer, welche erhalten werden, und nur einige ihrer weltlichen Besitzungen zur Entschädigung geistlicher und weltlicher Reichsstände abtretten: diese sind, Würzburg, Bamberg, Bisthum Augsburg, Freysingen [Freising], und Passau.
5.) Reichsprälaten, welche aufgehoben werden: Wettenhausen, Ursberg, Ottobeuren, Irsee, Kaysersheim [Kaisersheim / Kloster Kaisheim].
6.) Weltliche Fürstenländer, welche theils zur Entschädigung anderer geistlich- und weltlichen Reichsstände angewandt, theils zur Erhaltung eines nöthigen Arrondissements vertauscht werden: die noch übrigen Ämter von der Churpfalz, welche diesseits des Rheins liegen. – Das Herzogthum Bergen. – Die österreichische[n] Besitzungen in Schwaben, namentlich Breisgau und Burgau.
7.) Reichsstädte, welche an Frankreich fallen: Speyer, Worms, Kölln [Köln], Achen [Aachen].
8.) Reichsstädte, welche inclavirt werden, und unter landesfürstliche Hoheit zu stehen kommen: Nürnberg, Ulm, Kaufbeuren, Kempten.
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Feyerabend, Band IV (auf S. 282 in der Fußnote):
Geheime Geschichte der Rastädtischen Friedensunterhandlungen, IV Theil, Seite 34, Schmidts* neuere Geschichte XVI. Band, S. 166
*SCHMIDT, Michael Ignaz
vielleicht meint Feyerabend: Carl Ludwig Haller: Geheime Geschichte der Rastadter Friedensverhandlungen in Verbindung mit den Staatshändeln dieser Zeit nebst den wichtigsten Urkunden (1799, Nachdruck 24 Jan. 2017 Hansebooks, bei Thalia); es scheint einen 1., 2. und 3. Teil gegeben zu haben. (Nachdruck nur 3. Teil, 604 S., ISBN-13: 978-3743663800, Format 18.9 x 3.1 x 24.61 cm)
Ausgabe 1.5.1798:
https://digipress.digitale-sammlungen.de/view/bsb10505164_00397_u001?page=,1
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Ebay, Kauf 14.6.2025 (28 € + 5 € Versand):
Artikelmerkmale:
Original/Lizenzierter Nachdruck: Original
Technik: Aquatinta
Produktart: Print
Material: Papier
Thema: Porträt
Herstellungszeitraum: 1800-1849
Originalität: Original der Zeit
Zeitraum: 1800-1899
Herstellungsmethode: Gravur
Artikelbeschreibung des Verkäufers:
Porträt : Ange Elisabeth Louis Antoine Bonnier d’Alco (1750 - 1799)
„Antoine Samuel Bonnier, Ministre Plénipotentiaire de La République Francaise à Rastadt,
en 1798 e 1799; (an 6 e an 7.)“
Aquatinta und Kupferradierung, ca. 1804.
Von Charles François Gabriel Levachez und Jean Duplessi-Bertaux.
Blatt aus : „Tableaux historiques de la Révolution Française, 1798-1804“
Darstellung (einschl. Schrift) : 37 × 22,5 cm.
Blatt : 48 × 30 cm.
Das breitrandige Blatt stockfleckig, in den Blatträndern teils leicht gebräunt sowie mit geringen Handhabungsspuren.
Bonnier-d’Arco (Ange), Präsident der Rechnungskammer von Montpellier, Französische Revolution
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Erstinfo von: https://drw.de/ueber-uns/unsere-geschichte/900jahreklosterort/saekularisation
Säkularisation des Reichsstifts Ursberg
Am 14.12.1802 begann auf kurfürstlichen Befehl Maximilian von Bayern die Auflösung und Enteignung des Reichsstiftes Ursberg.
Bereits am 25.04.1798 stand in den Augsburger Zeitungen, dass die Reichsklöster Kaisheim, Wettenhausen, Ursberg Ottobeuren und Irsee säkularisiert werden sollen.
4 Jahre später wurde es dann in die Tat umgesetzt.
Im Vergleich zu anderen Säkularisationsprozessen, wie z. B. Wessobrunn, lief der Vorgang in Ursberg verhältnismäßig zivilisiert ab, vermutlich wollte man keine Unruhe bei der Bevölkerung riskieren.
Zum Zeitpunkt der Auflösung bestand der Konvent, einschließlich Abt, aus 25 Chorherren und 8 Konversen. 5 Chorherren übernahmen als Weltpriester Ursberger Pfarreien, weite 9 Chorherren übernahmen andere Pfarreien. Zusätzlich waren 4 Beamte, 23 Bedienstete und 54 Dienstboten, Knechte und Mägde im Kloster angestellt.
Bereits am 03.02.1803 begann die Auflösung.
Getreide und Futter, Vieh, Arbeitsgeräte und Handwerkszeug wurden verkauft oder versteigert. Bauernhöfe, die Mühlen und die Handwerksbetriebe wurden verpachtet.
Alles bewegliche Gut wurde versteigert.
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Feyerabend, Band IV.
S. 271
(…)
§ 5.
1797
Nicht so erwünscht wie in Schwaben, wo von Basel bis an die Sieg hinab an dem rechten Ufer des Rheins kein Feind mehr stand, war der Erfolg der österreichischen Waffen in Italien. Dort mußte sich der österreichische General Provera, von dem französischen Oberbefehlshaber
S. 272
Bonaparte eingeschlossen, am 16. Jäner [Jänner, Januar] mit 5000 Kriegsgefangenen ergeben, welches die Übergabe der starken Festung Mantua den 2ten Hornung [Februar] an die Franzosen nach sich zog. Hierauf folgten die Friedensunterhandlungen des Pabstes [Papstes], gegen welchen ein Theil der französischen Armee im Anzüge war, den 19ten Hornung mit den Franzosen, wobei Pius der VI. nicht nur die Grafschaften Avignon, und Venaissin in Frankreich, sondern auch die Legationen Bologna, Ferrara, und Romagna verlor. Bald hernach brachen die Franzosen in Krain, Kärnthen, und Tirol unter dem General Joubert, welcher über Bozen, und Brixen sich zog, ein; und endlich, als der Feind auch schon in das Österreichische vorgedrungen, und 60000 Mann stark von der Hauptstadt Wien, an dessen Linien sich in Eile eine zahllose Menge der freiwilligen Landesvertheidiger aus allen Ständen bildete, nur noch 9 Posten entfernet war, gewannen die zu Leoben angefangenen, und die zu Udine nachmals fortgesetzten Friedenspräliminarien ihren weitern Fortgang *.
Auch Schwaben fühlte einige Folgen des französischen Waffenglückes in Italien, welches die Franzosen abermals nach Schwaben
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* Schmidts neuer Geschichte XVI. B. S. 151.
S. 273
lockte, und die Auftritte des vorigen Jahrs daselbst zu erneuern drohete. Da die jenseits des Rheins kommandirenden französischen Generäle von den am 17ten April zu Leoben, und zu Udine geschlossenen Friedenspräliminarien noch zur Zeit nichts wissen konnten, so setzten so wohl bei Neuwied 40000, als auch bei Dürsheim unweit Straßburg eben so viele unter dem General Moreau zwei Tage später, nämlich den 20ten April über den Rhein, und es wäre abermals zu derben Schlägen gekommen – die Festung Kehl war schon wieder von den Feinden besetzt –, wenn nicht wenige Tage darauf nach der Ankunft der Kouriere von Buonaparte alle Feindseligkeiten zwischen den Neufranken, und den Kaiserlichen, wovon schon am Ende des Hornungs, und Anfangs des Märzmonats durch den hiesigen Marktort, und Gebiet viele an den Rhein voran geeilt waren, eingestellt, und die Friedenspräliminarien in Straßburg den 24ten April unter dem Trompetenschall wären bekannt gemacht worden, worauf der Erzherzog Karl durch Augspurg [Augsburg] nach dem Rhein reisete, und in Schwaben eine allseitige Ruhe sich einstellte. Der Friede selbst kam erst den 17ten Oktober dieses Jahres auf einem adelichen Schlosse des Dorfes Campo Formio
S. 274
unweit Udine zu Stande, und ward am folgenden Tage in eine diplomatische Form gegebracht. Die bekannt gewordenen Artikel desselben betreffen die Abtrettung der sämmtlichen Niederlande, der Lombardie [Lombardei], des größten Theils der venezianischen Staaten an Frankreich, wodurch die Republick [Republik] Venedig aus der Reihe der Staaten verschwand; und die Gründung der sogenannten Zisalpinischen Republik begann, die bald noch mehrere benachbarte Staaten verschlung [verschlang]. Beinebens [Gleichzeitig] ward der Herzog von Modena, weil das bemeldte Herzogthum der neuen Republick einverleibt wurde, durch das Breisgau, und die vier Waldstädte entschädiget, mit dem deutschen Reiche aber ein Kongreß zu Rastadt [Rastatt] verabredet, welcher von Seite der aus zehen Reichsständen ernannten Reichsdeputation den 8ten Dezember [1797] mit der ersten Sitzung sich anfieng. Folge[n]reicher, und niederschlagender für das Deutsche Reich, welches nun sich selbst überlassen war, waren die geheimen Artikel dieses merkwürdigen Friedens, die man erst später erfuhr. Vermöge derselben versprach der Kaiser dem in seinen Fo[r]derungen unersättlichen Frankreich bei den Reichsfriedensunterthandlungen seine Verwendung für die Erhaltung des linken Rheinufers, und der
S. 275
Festung Mainz, wenn diese nicht durchgreifen sollte, beineben die Zurückziehung aller seiner Armeen in seine Staaten bloß mit Zurücklassung seines Kontingents zum Dienste des Reiches; über dieß die Abtrettung des Frickthals, und aller am linken Rheinufer zwischen Zurzach und Basel gelegenen Landstriche, und auch die etwaige Entschädigung der jenseits des Rheins verlierenden Ständen aus den Reichsbesitzungen des innern Deutschlandes selbst, wozu Preussen schon am 5ten August 1796 in einer geheimen Konvention zu Berlin, die dasselbe mit Frankreich schloß, das äusserst gehässige, und lieblose Prinzip der Verweltlichung der geistlichen Stifter abermal aufstellte, und sich erklärte, mit einem Theile des Bißthumes Münster, und der Grafschaft Recklinghausen nebst einigen andern Stücken, als einer Entschädigung sich begnügen zu wollen*. Durch eben diese geheimen Artikel machte sich gegenseitig auch Frankreich verbindlich, um den Kaiser in die Säkularisationssache miteinzuflechten, demselben das Erzbißthum Salzburg, und die zwischen den Flüssen Inn, und Salza gelegenen baierschen Landstriche zu verschaffen** ; also schon zu einer Zeit, in der man der Reichsdeputation
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* Schmidts Geschichte l. cit. Seite 158.
* Schmidt l. cit. Seite 153.
S. 276
zu Rastadt [Rastatt] die Integrität des Reiches als eine Basis zu den öffentlichen Friedensunterhandlungen mit Frankreich, in Mund legte, und nachdrücklichst empfahl, waren für das deutsche Reich durch geheime Unterhandlungen neben dem weitschichtigen linken Rheinufer schon mehrere Erzbißthümer, und Bißthümer* verloren, und als verweltlichte Entschädigungsopfer hingegeben. Indeß freueten sich unsere fromme[n], und gutmüthige[n] Schwaben des zu Kampo Formio so glücklich geschlossenen Friedens, als einer grossen Wohlthat des Himmels; in allen Kathedral-, Kollegial- und Stiftskirchen wurden allenthalben Freude- und Dankfeste angeordnet; besonders unser Herr Abt Honorat [Göhl] ließ an seine Gebietsunterthanen sogar schon nach dem Abschlusse der Friedenspräliminarien einen Aufruf zum öffentlichen Danke ergehen, worinn er nicht nur zu einem löblichen und Christlichen Gebrauche des eingeleiteten Friedens in einer ganz freimüthigen Sprache dieselben erinnerte; sondern auch die noch freimüthigere Warnung
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Hierunter gehören einige zur Verweltlichung bestimmte geistliche Länder für den Prinzen zu Hessen, und die Bißthümer Würzburg, und Lamberg für den Prinzen von Oranien. Schmidt loc. cit. Seite 159. Reus deutsche Staatskanzlei VI. Band.
S. 277
hinzusetzte, „sich von alten bösen Beispielen, Irrlehren, und Grundsätzen, vorzüglich jenen der Freidenker, Illuminaten und Jakobiner, welche ganz Deutschland, ja ganz Europa angefüllt hätten, zu hüten, und nach Kräften rein zu bewahren; indem ihre ganze Absicht, und Bemühung dahin, wie er sagte, abzielte, alles Christenthum, alle geoffenbarte Religion, allen Gottesdienst, und alles bis dahin bestandene gesellschäftliche Band zwischen rechtmässigen Obrigkeiten und Unterthanen nebst allem ruhigen Besitze des ältest bejährten Eigenthumes zu zerstören, und umzustossen“*.
So dachte man während dieses merkwürdigen Jahres, welches den gährenden Brennstoff zur Zerstörung aller geistlichen Stiftungen Deutschlands geheim in sich trug; und so handelte, und so bethete in der Einfalt des Herzens der gute, und von jedermann gut denkende Schwabe!
Neben diesen trühen, und trauerigen Aussichten in die Zukunft störten noch andere umher schwärmende Irrlehren die innere Ruhe des obern Schwabens. Martin Boos, Kanoniker
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* Publikat vom 11ten Mai 1797. Zwei Tage darauf, am Wahltage des regierenden Herrn Abtes, wurde das feierliche Dankfest gehalten.
S. 278
an dem benachbarten Kollegialstifte Grönenbach, und ein gewisser Kaplan Bach sammt andern mitverbundenen Konsorten verbreiteten von einiger Zeit her so wohl durch sich, als durch ihre auserwählte[n] Geistesmütter, die hiebei, was eine Geschlechtsgabe ist, den wortreichesten Eifer bewiesen, verschiedene von den alten Ketzern geborgte Schwärmereien, und Irrlehren* im Kemptenschen Lande. Doch der Herr Fürstabt Rupert von Neuenstein zu Kempten, und unser Abt Honorat machten den Herrn Fürstbischof Klemens fruhezeitig genug auf die Gefahr aufmerksam; worauf sodann eine genaue Untersuchung zu Augspurg veranstaltet, die in den boosischen Schriften enthaltenen anstössigen Sätze gebrandmarket, der Verfasser zu einem feierlichen Widerrufe angehalten, von der Seelsorge auf Jahr und Tag suspendirt, in das Korrektionshaus zu Göggingen verwiesen, und durch andere anpassende Maßregeln der weitern Verbreitung dieser Irrthümer, soviel möglich, vorgebeugt wurde**.
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* Herr Braun liefert dieselben im Auszuge. Geschichte der Bischöfe zu Augsburg IV. B. S. 551.
* Ebenderselbe l. cit. Seite 552.
S. 279
Zu Ollarzried legte unser damalige[r] Konvenvorsteher Gregor Hilber mit Beihilfe einiger unserer Mitbrüder unter genauer Beobachtung aller hiebei üblichen Kirchengebräuche den zweiten Tag des Maimonats den ersten Stein zur neuen Pfarrkirche. Der eifrige Pfarrer von hier hielt bei dieser Gelegenheit über jene Stelle des Evangeliums: Viele Könige haben das sehen wollen, was ihr gesehen habet, und haben es nicht gesehen – eine schickliche Volksrede; der hiesige Schulpräfekt machte mit einigen studiernden Singknaben die von dem Pontifikalbuche vorgeschriebene Schule, und der obenbemeldte Herr Prior beschloß die Handlung in der alten Kapelle mit einer feierlichen gesungenen Messe. Übrigens erbath sich die neue Pfarrgemeinde auf ihre Kosten, und Verpflegung zur Fortsetzung, des alltäglichen Meßopfers Einen aus den vielen emigrirten französischen Priestern, welche sich nach dem Abschlusse des Friedens hier zahlreich wiederum einfanden, und abermals, obgleich der Marktort durch die vielen Kriegsbeschwerden sehr vieles erlitten hatte, und selbst das Stift an baarem Gelde beinahe erschöpft war,* sich einer sehr geneigten, und willfährigen Aufnahme erfreuen durften. Den bemeldten Dienst
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* Diarium P. Franc. Salesii Depra pag. 119.
S. 280
übernahm, ohne sich jedoch in die übrigen Funktionen einer pfarrlichen Seelsorge mischen zu dürfen, der Herr Ludwig Konstantin Melnotte aus. der benediktiner Kongregation der heiligen Viton, und Hidulph, Profeß zu Nantes in der berühmten Abtei zum heiligen Leopold, welcher denselben bis auf das Jahr 1801 den 2ten Dezember fortsetzte.*
Übrigens begann, in dem Brachmonate [Juni] dieses Jahrs der feierliche Bittgang des geflammten ottenbeurischen Gebietes nach dem heiligen Berge Andechs in Baiern das letztemal. Derselbe nahm am Ende des sechzehnten Jahrhunderts im Jahr 1584 unter dem Abte Gallus Memminger seinen Anfang, ward in jedem dritten Jahre wiederholt; eine bischöfliche Verordnung vom 30ten Dezember 1780, welche alle Bittgänge in weit entlegene Örter [Orte] einstellte, ohne jedoch den gewöhnlichen Opfergaben nachtheilig zu werden, welche alljährlich dahin entrichtet wurden, hemmte auf einige Zeit dessen Fortsetzung; ward aber nach neun Jahren wieder unternommen, und erlosch erst gänzlich, nachdem das Unglück der Zeiten die Wiederholung desselben unmöglich gemacht hatte.
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* Adnotationes domesticae
S. 281
§. VI.
1798
Erst jetzt gab das benachbarte Frankreich dem deutschen Reiche so wohl, als auch andern mehrern europäischen Staaten sernen Übermuth, den die vielen Siege demselben einflößten, in dem vollesten Masse zu kosten. Zu Rastadt schien die aus zehn Reichsständen zusammen gesetzte Reichsdeputation* sich nur einzig versammelt tu haben, die unmäßigen Foderungen [Forderungen] Frankreichs, und dessen Machtsprüche zu vernehmen, und mit aller Bereitwillig- und Eilfertigkeit zu vollstrecken. Die französischen Bevollmächtigten behandelten die Reichsdeputirten mit einem Tone, wovon die Geschichte der Friedensunterhandlungen vielleicht kein Beispiel aufzuweisen hat, und es ward durchgehends nicht jene männliche feste Sprache bemerkt, die man mit Recht von Bevollmächtigten erwartet, die im Namen einer Nation zu den andern sprechen, sondern vielmehr der herrschsüchtige Ton eines diktatorischen Übermuthes. Über die Abtretung des linken Rheinufers,
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* Diese waren Churmainz, Österreich, Chursachsen, Baiern, Würzburg, Bremen, Hessendarmstadt, Baden, und die Städte Frankfurt, und Augspurg [Augsburg]; doch stellte man es auch andern intessirten [interessierten] Reichsständen frei, dabei zu erscheinen.
S. 282
welche Frankreich als die erste Basis zu einigem Gedeihen der eingeleiteten Friedensunterhandlungen aufstellte, berücksichtigte man von französischer Seite weder eine Gegenvorstellung der Reichsdeputation, noch Eine der angehängten Bedingnisse; frei und unbedingt sollte dasselbe überlassen werden; und auch jetzt willigte das schwache, und seiner Machtstützen schon beraubte Reich in einer Note vom 11. März ein*. Kaum war man aus einer erzwungenen Nachgiebigkeit über den ersten Punkt mit einander in etwas verstanden, so trat Frankreich mit einer zweiten Basis, welche vorgeblich nicht weniger nothwendig, als die erste wäre, nämlich mit dem zu Gunsten der zu entschädigenden überrheinischen Fürsten und Herren schon entworfenen, und in den geheimen Artikeln des Friedens [*] von Kanpo Formio [Campo Formio] schon angewandten Prinzip der Säkularisation der geistlichen Stifter zu willigen. Die Reichsdeputation gab auch hierinn nach; erwarte aber, daß diese Entschädigung bloß nach dem Verhältnisse der Beschädigung werde bestimmt werden, und daß Frankreich als dann von allen weitern Ansprüchen an das Reich abstehen [absehen], seine Truppen unverzüglich vom rechten Rhemufer zurückziehen, und sich eben
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* Geheime Geschichte der Rastädtischen Friedensunterhandlungen IV. Theil Seite 34.
Schmidts neuere Geschichte XVI. Band 166.
[* ARTICLES SECRETS ET CONVENTION ADDITIONELLE DU TRAITÉ DE CAMPO-FORMIO, couclu le 26. Vendémiaire an 6. (17. Oct. 1797.) / Geheime Artikel und Additional Convention zu dem Friedenstraktat von Campo-Formio, geschlossen den 17. Oktober 1797, 14. S. (Digitalisat hier abrufbar)
Auf S. 13 (Artikel 12) ist zwar nicht explizit von einer Säkularisation die Rede, aber erstmal von einer „Entschädigung“; Zitat:
„Se. Majestät der Kaiser, König von Ungarn und Böhmen, und die französische Republik werden sich bey den Friedensunterhandlungen mit dem deutschen Reich gemeinschaftlich verwenden, daß den verschiedenen Fürsten und Ständen des Reichs, welchen einiger Verlust an Landen oder Rechten zugegangen, gemäß der Bedingungen des gegenwärtigen Friedensvertrags, oder zufolge des mit dem deutschen Reiche noch zu treffenden Vertrages, und insbesondere die Kurfürsten von Mainz, Trier und Kölln, der Kurfürst von Pfalzbaiern, der Herzog von Württemberg und Teck, der Markgraf von Baden, der Herzog von Zweybrucken, die Landgrafen von Hessen-Kassel und Darmstadt, die Fürsten von Nassau-Saarbrück, von Salm-Kyrburg, Löwenstein-Wertheim, und Wiedrunkel, dann der Graf von Leyen, in Deutschland angemessene Entschädigungen erhalten , welche mit gemeinschaftlicher Einverständniß der französischen Reppublik reguliert werden sollen.“]
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(Jahr 1798)
so willfährig, als bestimmt auf die schon eher übergebenen Punkte erklären werde*. Doch wenigstens jetzt hätte man von Frankreich eine sanftere, und freundschäftlichere Sprache erwarten sollen; aber eben jetzt erfuhr man das Gegentheil, und die auf ihr stets anhaltendes Waffenglück, und ingemein große Übermacht pochende Nation foderte [forderte] noch weiter die freie Rheinschiffahrt, die Aufhebung der Rheinzölle, die Abtretrung aller Rheininseln an Frankreich, die Übertragung aller auf der überrheinischen unmittelbaren Reichsritterschaft haftenden Schulden auf das rechte Rheinufer,die Übergabe des Forts Kehl sammt dessen Gebiete an die französische Republik, die Schleifung der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz, und des Forts Kassel bei Mainz, und noch dazu die Wiederherstellung der Handelsbrücke zwischen Alt- und Neubreisach sammt einem Bezirke von fünfzig Morgen Landes; welches im Ganzen so viel hieß, als: Das Reich sollte den französischen Truppen selbst den Weg in ihr Innerstes öffnen, damit sie ohne alle Gefahr nach Belieben einrücken könnten, während daß Frankreich den Deutschen durch die Reihe der stärkesten Gränzsestungen gleichsam ganz unzugänglich war **. Nun folgten, wie leicht zu
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* L. cit. Schmidt S. 168. Geheime Geschichte Seite 39.
** Schmidt loc. Cit. Seite 171. Geheime Geschichte S. 46.
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erachtet war, auf solche unmässige Foderungen Vorstellungen auf Vorstellungen; aber kaum erzweckte die Reichsdeputation die Milderung einiger wenigen Artikel, als die französischen Bevollmächtigten mit neuen Aufträgen von ihrer Republik versehen am 6tm Dezember das Ultimatum der Reichsdeputation des Inhalts vorlegten, daß wenn nicht innerhalb sechs Tagen über alle noch streitige Punkte eine kathegorische, und befriedigende Antwort erfolgen würde, ihre Vollmachten aufhören müßten*.
Dieser heftige Drang auf das beinahe Stützenlose, und mehr als um die halbe Macht geschwächte Reich erzwang endlich jene, obgleich nicht ohne alle Beschränkung an die französische Gesandschaft den 9ten Dezember abgegebene Note, worinn es heißt: „Man sehe sich bemüßigt, dem Ultimatum in allen Artikeln beizutretten, und lasse sich so fort gefallen, daß die bei einigen noch erfoderlichen nähern Bestimmungen, und Erläuterungen erst bei der Redaktion der Friedensartickel nachgeholt würden.“**
So viel bewirkte bei der Reichsdeputation der schreckende Ton Frankreichs, und der befürchtete Ausbruch eines neuen Krieges, welcher aller Nachgiebigkeit ungeachtet dennoch gleichsam auf dem Fusse nachfolgte!
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* Geheime Geschichte S. 19.
** Reus deutsche Staatskanzlei bei Schmidt 1. cit. S. 179.
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Doch nicht nur das deutsche Reich, sondern auch der römische Staat, die Schweitz [Schweiz], und ein Theil des Orient- ward zu einem Opfer des französischen Übermuthes, und der republikanischen Allgemeinherrschsucht bestimmt. Zu Rom kam es durch geheime Leitungen zu einem förmlichen Aufstande, bei welchem der französische General Duphot durch die päbstlichen [päpstlichen] Truppen, welche den Aufruhr zu stillen herbei eilten, unabsichtlich erschossen wurde. Der damalige französische Botschafter Joseph Bonaparte reisete auf diesen Vorfall sogleich von Rom ab, um, wie er sich selbst ausdrückte, an der päbstlichen Regierung Rache zu nehmen. Den 11ten Hornung [Februar] rückten ungefähr 15000 Franzosen mit Feldgeschütz, und reitender Artillerie ein, den 15ten desselben wurde der Freiheitsbaum auf dem Kapitol aufgepflanzt, hierauf der Kirchenstaat durch eine von dem französischen Oberbefehlshaber Berthier entworfene Acte als römische Republik ausgerufen, vom 19ten auf den 20ten in der Nacht über die erstiegenen Gartenmauern in den päbstlichen Pallast eingedrungen, Pabst [Papst] Pius VI des ruhmvollesten Andenkens auf Befehl des General Massena aus Rom nach Siena, wo er den 25ten Tag des Aprils in Begleitung zweier französischen Kommissairs nebst Bedeckung, und nachmals von dannen
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nach Florenz in die Karthause als ein Gefangener abgeführt, die Stadt mit schweren Kontributionen belegt, und die kostbare Buchdruckerei von Rom, welche mit 28 verschiedenen orientalischen Schriften versehen war, sammt sechs Arbeitern nach Paris geschickt *
Zu gleicher Zeit sollte es auch die Schweitzer [Schweizer] Republik gelten, die nach französischem Zuschnitte eine neue Republikanisirung erleben sollte. Ein ehemaliger Advokat la Harpe, von den Bernern, wie er vorgab, beleidiget, wiegelte aus Rachsucht der erste die Wattländer auf, welche die ihnen durch den Kanton Bern, und Freiburg entzogene Rechte unter französischem Beistande wieder zurück foderten, und in dieser Absicht schon im Monate Jäner [Jänner, Januar] 15000 Franzosen unter dem General [Philippe Romain] Ménad in ihr Land zogen. Der Kanton Bern sah die Gefahr frühe genug ein, und stellte zu seiner Vertheidigung 25000 Mann auf; allein den 2ten März brachen die Feinde in vier Kolonnen in die Schweitz ein, mehrere Gefechte fielen vor, die Schweitzer mußten der Übermacht weichen, eine neue Konstitution [Verfassung] annehmen, und am 26ten April erfolgte
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* Neue deutsche Staatskanzlei bei Schmidt loc. Cit. S. 179.
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die Vereinigung dieses Freistaates, welcher bis dahin einige Scheidwande zwischen Frankreich, und Österreich machte, mit der französischen grossen Republik*. Bei diesem Überfalle der Schweitz litt neben andern Stiftern besonders das fürstliche benediktiner Stift Einsidlen [Kloster Einsiedeln] einen beträchtlichen Schaden. Den 3ten März drangen die Republikaner durch verborgene Wege dahin, plünderten alles, was man ihrer Raubsucht mcht schon früher entzogen hatte, führten die Buchdruckerrei auf einigen Wagen über Basel nach Hünningen ab, zerstörten die Gnadenkapell[e]; anstatt des Gnadenbildes aber mußten sie sich mit einem weislich unterstellten ähnlichen Bilde begnügen. Eine Folge der theils verübten, theils bedrohten Feindseligkeiten war die Auswanderung der meisten geistlichen Herren Stiftskapitularen sammt ihrem gnädigsten Oberhaupte [Abt Beat Küttel], welche gegen die Stürme der Zeit, und der Verfolgung theils in Schwaben, theils in Österreich, und anderswo auf einige Zeit Sicherheit suchten, und allenthalben eine bereitwillige Aufnahm fanden.
Eines der wichtigsten, und weit aussehendsten Unternehmen von Seite Frankreichs war, daß Buonapart in der Absicht Syrien, und
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* Schmidt lib. cit. S. 183. Diaria diversa.
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Ägypten zu erobern, nachmals in Vereinigung mit Tippo Sahib [Tipu Sultan] die Engländer aus Ostindien zu verdrängen, und mit der Zerstörung des englischen den französischen Handel empor zuheben auf Befehl des Direktoriums den 12ten Mai mit 25000 auserlesener Landungstruppen nach dem Orient segelte; allein dieses kühne Unternehmen scheiterte plötzlich; die gesammte französische Flotte wurde von dem berühmten englischen Admiral Nelson auf der Rhede von Abukir zwischen Alexandrien, und Rossete theils zerstört, theils gefangen genommen; worauf Buonapart nach einiger Zelt mit einer kleinen Gefährtschaft sich unter einer preußischen Flagge wieder nach Frankreich unverrichteter Sache zurück begab.
Indeß erweckte dieser verwegene Schritt wider Frankreich zwei neue Feinde, nämlich die ottomannische Pforte, welche mit England anband, und den 10ten August Frankreich den Krieg erklärte. Auch Rußland entschloß sich an dem Kriege gegen die grosse Republik Antheil zu nehmen, und versprach noch dazu dem Deutschen Kaiser, welchem wegen der, dem französischen Gesandten General Bernadotte bei der Absteckung der dreifarbigern Fahne* an seinem Hotel den 13ten April
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* Die Aufschrift dieser Fahne war: Republique Francaise. Unten Ambassade de Vienne. Das Wienervolk verlangte die Einziehung der Fahne; und als diese nicht erfolgte, drang man theils mit Gewalt in den Pallast [Palast] ein, theils stürmte man mit einem Steinregen auf die Fenster los. Bernadotte verließ zwei Tage darauf die Stadt Wien.
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Abends zugegangenen Mißhandlung ein neuer Krieg mit Frankreich bevorstund, ungefähr 24000 Mann Hilfstruppen zu schicken.
Hier fand sich nach dem Abschlusse des Friedens zu Kampo Formio, und noch besonders nach dem Einfalle der Franzosen in die benachbarte Schweitz abermal eine grosse Anzahl der Emigranten sowohl des geistlichen, als weltlichen Standes von verschiedenem Range, und Würde ein. Man sah hier nicht nur, theils in den Stiftsgebäuden, theils in dem Marktorte [Ottobeuren] mehrere französische Priester, Pfarrer, Regenten der französischen Seminarien, ehemalige Lehrer an der Sorbonne, Generalvikarieu, sondern auch den Hochwürdigsten Herrn Bischof von St. Cloud, welcher beinahe zwei volle Jahre des hiesigen Gastrechts genoß; beinebens [gleichzeitig] viele Adeliche, Ludwigsritter, Grafen, und auch einige Herzoge, welche sich theils im Gasthofe zum Löwen, theils in mehrern Privathäusern einquartirt hatten, und für ihr baares Geld so, wie jeder konnte, zehrten, und ruhig und friedlich lebten. Mehrere andere kamen bloß auf
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einige Tage hieher, und zogen sich alsdenn anderswohin, wo sie einen anständigen, und leeren Platz fanden. Gegen alle erzeigte sich Abt Honorat sehr willfährig, und gut, besonders gegen die dürftige Klasse derselben; keine Bitte blieb ungetröstet, und kein Ansuchen, es mochte entweder ein kleines Reisegeld, oder eine Erquickung auf einige, und mehrere Tage, ober die Beischaffung nothwendiger Kleidungsstücke betreffen, geschah ohne einige fertige Hilfleistung; nicht selten widmete der gute Abt seine eigenen Kleidungsstücke zum Gebrauche dieser Bedürftigen, und es ist unverborgen, daß er einem reisenden Emigranten, welcher übel beschuhet war, die eigenen Reisestifel [Reisestiefel] zum weitem Fortkommen vom Fusse [Fuße] gab.* So benahm man sich eben zu einer solchen Zeit gegen eine fremde Nation, als derselben hohe Repräsentanten zu Rastadt den Untergang Ottenbeurens, und aller wohlthätigen Stifter Deutschlands mit einer unerhörten Herzenshärte betrieben und beschlossen!
Die grossen Übel- und Bedrängnisse, welche in diesem, und in den folgenden
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* Wer die Jahrerechnungen des Herrn Abtes vom Jahre 1792. bis 1800. gelesen, und die Menge der theils genährten, theils gekleideten, theils sonst beschenkten Emigranten gesehen hat, der wird die Summe der baaren Auslage für dieselben zu 20,000 fl. [Gulden] nicht übertrieben finden.
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Jahren den ansehnlichen Ort Schwabmünchen an der augsburgischen Hochstrasse insbesondere betrafen, da sich dieselben von einer ganz neuen, und unerhörten Ursache herschreiben, verdienen allerdings umständlicher, und näher bemerkt zu werden. Nachdem am 1ten Mai des jüngstverflossenen Jahres entweder von ungefähr, oder durch Unachtsamkeit an der Hauptgasse unter der Pfarrkirche schon 26 Häuser abgebrannt waren* schien in den folgenden vier Jahren das Niederbrennen mehrerer Wohnstätte sammt Zugehörden nach einem vorsetzlichen Plane zu folgen. Vom 5ten Jäner [Jänner, Januar] dieses laufenden bis den 3ten November des 1801sten Jahres legte man dreizehenmal Feuer an, wodurch neben den obigen Brandstädren noch andere fünfzig Häuser- und Städel in die Asche gelegt wurden. Zu jedem so schändlichen Unternehmen ward entweder ein sehr stürmischer Tag, oder auch ein hoher Festag, an welchem aus pflichtschuldiger Andacht sich eine grosse Volksmenge bei dem Gottesdienste versammelt hielt,
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* Auch mein ältester Bruder Joh. Georg Feyerabend, ein Handelsmann, verlor hierunter sein schönes Wohnhaus, das er jedoch durch hiesige liebvolle Unterstützung balder, als andere Mitverunglückte, wiederum herstellte.
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absichtlich gewählt. Bald brannte es auf der Seite, bald Unten, bald in der Mitte des weitschichtigen Marktortes. Vier Jahre lang gieng kein Ortsbewohner ohne grossen Kummer und Sorge zur Nachtruhe; besonders war es der ärmern Menschenklasse, welche unter den Strohedächern, oder in meistentheils hölzernen Hütten wohnten, bei jedem Nachtsanbruche jämmerlich bange; sie flüchteten deßwegen ihren kleinen Getreidvorrath sammt ihren besten Habseligketten in die von Grund aus gemauerten, und mit Steinblatten gedekten Häußer [mit Steinplatten geckten Häuser] ihrer andern Mitbürger, ungewiß in welcher unglücklichen Nacht das Feuer ihre Hütten über dem Kopfe zusammenbrenne.
Allerdings leiteten alle Umstände auf den Verdacht eines einheimischen Mordbrenners, und so sehr man denselben im allgemeinen aus einer Nothregel der Klugheit geheim hielt; so deutlich sprach man einzeln vor der niedergesetzten fürstlich bischöflichen Untersuchungskommission davon, welche zwar einige Personen eines nicht untadelichen Lebens in engere Verwahrung setzte; beinebens [geleichzeitig] aber nichts von Erheblichkeit aufdeckte, was gegen schwere Kommissionsauslagen der Erwartung entsprach. Dieß leistete erst den 2ten November 1801 ein armer Taglöhner des Orts, welcher den bösen Geist auf der That ergriff. Eine vor
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einiger Zeit noch ziemlich ordentliche, fromme, verdachtlose, und öffentlich unbescholtene Weibsperson, eine Bürgerinn des Ortes, und das Eheweib des sogenannten untern Schmieds, damals im 37ten Jahre des Alters, Maria Frank mit Namen, und diese zwar, was in der Geschichte unerhört ist, nicht aus Armuth, Raubsucht, Rache, oder Gehäßigkeit, und auch nicht aus Wahnsinn, Lebensverdrusse, oder aus einer andern schadenfrohen Bewegursache, sondern hauptsächlich aus einer albernen Lust, mit Augen hell, hoch und weit umher sich verbreitende, und aufsteigende Feuerwirbel zu sehen, war jene berüchtigte Mordbrennerin, welche des ungeachtet bei allen Löschanstalten gerne unter den ersten Hilfspersonen sich einfand. Die Unglückliche wurde den 16ten July 1802 aus Begnadigung zu Schwabmünchen enthauptet, der Leib auf einem errichteten Holzstoffe verbrannt, die Gebeine aber und Asche in einen irdenen Topf gesammelt, und in den Fluß geworfen.
§. VII
1799.
Noch dauerten zu Rastadt neben allen übertriebenen Foderungen [Forderungen der Franzosen] an das Reich [Heilige Römische Reich Deutscher Nation] die Friedensunterhandlungen fort, welche jedoch bald ein ganz unerwartetes Ende nahmen. Denn nicht nur erlaubte sich das ungenügsame, und stets anmaßliche Frankreich in der Trunkenheit seines Siegesstolzes noch während derselben,
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die Aushüngerung und Überwältigung der Reichsfestung Ehrenbreitstein, und die Aufforderung der Stadt Mannheim zur Übergabe*, sondern brach auch ohne alle vorhergehende Kriegserklärung, bloß unter dem gekünstelten Vorwande jene militärischen Stellungen – wie es in der Proklamation heißt** einzusehen, welche die Umstände erheischten, den 1ten März unter dem Obergeneral Jourdan mit 40000 Mann über den Rhein nach Schwaben, und am 6ten des nämlichen Monats unter dem General Masséna aus der Schweitz [Schweiz] nach Graubündten [Graubünden], wo der österreichische Herr General Auffenburg [Auffenberg] gefangen genommen wurde , nach Feldkirch und dem Vorarlbergischen auf. Zum Glücke Deutschlands, besonders des obern Schwabens, hielten sich Se. königl. Hoheit der Erzherzog Karl, dieser schon im Jahre 1796 mit
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* Diese Übergabe ereignete sich den 2. März 1799, oder, 14 Tage spater, als Se.Durchlaucht der jetzt glorreichest regierende König in Baiern, Max Joseph IV. damals noch Herzog von Zweibrücken, nach dem Tode des Churfürsten Karl Theodor, welcher den 16ten Hornung [16. Februar 1799] Nachmittas 3. Uhr an einem Schlagflusse gestorben war, die Pfalzbaiersche Regierung übernommen hatte.
** En Quartier général de 1. armée de Mayence, la 10 ventóse, an VII da la Republique Française, une et indivisible.
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Ruhm, und Siegeslorbeern gekrönte Erretter Deutschlands eben damals schon zu Friedberg über dem Lech in seinem Hauptquartier auf, welches von dannen den 4ten März aufbrach. Hier trafen schon am 4ten März der Herr General, Feldmarschall Lieutenant von Staader*, und die österreichischen Herren Generäle Kollowrath [Kolowrat], und [Joseph Freiherr von] Schellenberg sammt noch mehrern Offizinen, und vielen Truppen ein, verblieben bis auf den Palmensonntag, welcher auf den 17ten des nämlichen Monats fiel, brachen am bemeldten Tage morgens 6 Uhr nach vollendeter Militärmesse von hier auf, und rückten, wie sie beordert waren, vom Übergange der Iller mit brennenden Lunten der Jourdanischen Armee muthig entgegen, welche sich bei Ostrach aufgestellt hatte. Hier geschah am 20ten März der erste Angriff auf den Feind, drey Tage darauf der zweite bei Pfullendorf, und endlich der 3te den 25ten März bei Stockach mit einem solchen Erfolge, daß der Feind genöthiget war, sich mit einem grossen Verluste der Erschlagenen, und Gefangenen über den Rhein zurück zuziehen.
Nun ward auch der, noch zu Rastadt während diesen Feindseligkeiten versamelten Reichsdeputation, am 7ten April ein allerhöchstes kaiserliches
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* Ein leiblicher Bruder unsers annoch lebenden Mitbruders Pater Wilibald von Staader.
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Kommissionsdekret mitgetheilt, worinn Se. kaiserliche Majestät erklärten, „Allerhöchst dieselben sähen sich aus vorgelegten allergerechtesten Gründen nothgedrungen, allen, während des Kongresses der französischen Republick [Republik] gemachten verbindlichen Zusicherungen, die bisher bestandene Rechtskraft wieder zu entziehen, und den staats- und völkerrechtlichen Zustand der Dinge zwischen Deutschland, und Frankreich wieder auf den Zustand hergestellt zu betrachten, auf welchem derselbe vor dem Friedenskongreß zu Rastadt gewesen ist.“
Hiemit war nun alles wieder zerstört, und wollte Gott (!) auf immerhin zerstört, was aus einem blossen Zwange der Übermacht das deutsche Reich der französischen Republik verheissen, und gleichwohl bewilliget hatte. Der kaiserliche Bevollmächtigte erklärte hierauf in einer übergebenen Note, an den bisherigen Friedensunterhandlungen keinen weitem Antheil zu nehmen, ließ deßwegen die französische Antwort auf die eingegebene Note, wie sie war, uneröffnet, und verließ am 13ten April den Kongreßort Rastadt, worauf auch die übrigen Reichsdeputirten, weil ohnehin für die Gesandten in der Gegend von Rastadt keine hinlängliche Sicherheit mehr zu seyn schien, einige früher, die andern spater folgten. Die französischen
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Minister reiseten den 28ten April spat Abends 10 Uhr bei dunkler Nacht ab; hatten sich aber kaum 200 Schritte von der Vorstadt des Kongreßortes entfernet, als ihr Wagen von mehrern wie Szekler Husaren gekleideten, und bewaffneten Menschen zu Pferde angefallen, die französischen Minister von ihnen herausgerissen, und zwei derselben – [Claude] Roberjot, und [Antoine] Bonnier [d’Alco] – durch Säbelhiebe jämmerlich ermordet wurden. Der 3te – Jean Debry – stark verwundet stellte sich todt, blieb deßwegen ausgeplündert auf dem Platze liegen, und kam bei Anbruch des folgenden Tages, nachdem er sich wieder zusammen gerafft hatte, nach Rastadt zurück. So endete sich der Kongreß zu Rastadt mit einer Greuelthat, welche die Franzosen mit Recht allenthalben als eine offenbare Verletzung des Völkerrechts ausposaunten, ohne daß man sich jedoch bis jetzt die Thäter dieser folgereichen Unthat mit einer geschichtlichen Gewißheit nennen getrauete.*
Ein neuer, mit vereinter Macht wider Frankreich zu unternehmender Reichskrieg ward nun abermal das Looswort des so sehr mißhandelten Deutschlandes, oder doch wenigst der südlichen Halbscheide desselben. Denn der deutsche Norden, was höchst auffallend war,
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• Schmidts neuere Geschichte XVI. Band 20. B. [?] 9tes Kapitel.
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hielt sich noch stets an sein älteres Trennungssistem fest, und glaubte sich leider (!) gemäß der abgegebenen Stimmung am Reichstage auch für diesesmal nicht verpflichtet, den Beschlüssen der grössern reichsständigen Zahl zu gehorchen*. Besonders waren es die geistlichen, von der so nahen Gefahr der Verweltlichung, oder vielmehr ihrer Vernichtung nun befreiten Reichsstände, welche von dieser Stunde an, wie es schon eher geschah, mit gedoppeltem Eifer das Interesse des Kaisers, und des Reiches für das Ihrige ansahen, und zur gemeinen Sache alle mögliche Unterstützung zu veranstalten bereit waren. Es mangelte auch nicht an frohen Aussichten, welche die Hoffnung eines glücklichern Unternehmens gegen Frankeich begünstigten. Der tapfere Erzherzog, Prinz Karl hatte den Feind schon über den Rhein zurück gejagt, und war alles Ernstes daran nicht nur in Schwaben **, sondern auch in andern vorliegenden Reichskreisen einen zweckmässigen Landsturm zu organisiren; auch die versprochenen russischen Hilfstruppen befanden sich zur Verstärkung der unter dem Kommando des Erzherzogs Karl stehenden
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* Daselbst 10tes Kapitel S. 214.
** Schmidt daselbst S. 209. Kurz gefaßte Geschichte der vorzüglichsten Thatsachen.
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Reichsarmee in vollem Marsche, und in Italien erhob die Kürze der Zeit, in welcher die größten, und beinahe unbezwinglichsten Festungen, sobald nur die Trencheen [Schützengräben] eröffnet waren, bezwungen wurden, die gemachten Eroberungen zu Wundern der Kriegskunst; 25 dieser hartnäckigsten Plätze fielen binnen einer kurzen Zeit theils unter dem kaiserlichen General Kray in die Hände der Österreicher, theils nachmals unter dem russischen Feldmarschall Souwarow [Suworow], welcher den 15ten April, zu Verona ankam, in jene der Russen.
Die zisalpinische Republik war gesprengt, die Verbindung der französischen Armee in, Italien und jener in der Schweitz aufgehoben, der Kirchenstaat, Neapel, und Toskana, von den Republikanern befreiet, und von dem tiefesten Norden her ließ sich den 20ten Mai auf dem Reichstage zu Regenspurg [Regensburg] eine für das Beste des Reiches sehr patriotisch erklärende Stimme vernehmen, welche bei mehrem andern die beinahe erkaltete Vaterlandsliebe neuerdings hätte anfeuern, und ermuntern können. Nämlich der König von Schweden, Gustav Adolph IV. ließ als Herzog von Pommern durch seinen Komitialgesandten erklären: „Nachdem alles wieder in seine alte Verhältnisse zurückgetreten sey, bleibe
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es die erste Pflicht eines jeden Mitgliedes des Reichs, durch Stellung seines Kontingents, Theil an dem wider ausgebrochenen Kriege zu nehmen. Er sey daher von diesem Tage an bereit, sein Kontingent als Herzog von Pommern marschiren zu lassen, und wünsche, daß alle wohldenkende[n] Mitglieder des deutschen Reiches, und besonders die Mächtigern, eben dasselbe thun möchten.“
So sprach Gustav Adolph, dessen Stimme für die Erhaltung des deutschen Reiches stets rein patriotisch, und musterhaft war; wäre der übrige Norden [insb. Preußen] eben so gestimmt gewesen, und wären die Russen, welche kaum angekommen waren,* nicht gegen
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* Die Russen rückten zu Augsburg in zwei Abtheilungen den 3ten, und 8ten August ein; hier sahen wir den 19ten, und 8ten August unter dem russischen Obersten Tuetschin eine beiläufig aus 800 Mann bestehende Kavallerie, welche hier Rasttag hielt. Ausser dem östlichen Vorzeichen der alten Pfarrkirche verkauften sie an ihre Kriegsgenossen rohen Speck, und andere Schmotzwaaren [Schmotzwaren = Schmalz, Butter, Speisefett]. In ihrer Büde [Bude, Baracke?], waren am ersten Platze drei schöne Gemählde der Heiligen Paulus, Niklas, und Johann Chrysostom[mus] aufgestellt. Nach der, den 26ten des Herbstmonats bei Zürich erhaltenen schweren Schlappe zogen sie sich wieder nach Augspurg, und weiter zurück. Merkwürdig waren die, wie unsere viersitzige geschlossene Kutschen gebaute Krankenwagen, welche sie allenthalben mit sich führten, und welche über ihre Krankenpflege eine sehr vortheilhafte Meinung verbreiteten. Selbst der Herr General Souwarow zog durch den Ort Babenhausen, wo derselbe in der Behausung des Fuggerschen Herrn Kanzlers von Kolb Quartier genommen hatte. Dort stellte sich Souwarow während der Defilirung [Defilierung / Defilee; Vorbeimarsch, feierliches Vorbeischreiten] seiner Truppen an die offenen Fenster des 2ten Stockwerkes; die braven Truppen belobte er laut, und gab denselben seinen kriegeväterlichen Segen; über die feigen und muthlosen Truppen aber spukte [spuckte] er stets unter schweren Ausdrücken der Verachtung, und des Unmuthes vom Fenster herab.
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Erwartung allzufruhe wieder von dem Russischen Kaiser, Paul I. nach Hause zurück berufen worden, so wäre es wohl niemals zu der unerhörten Säkularisation aller geistlichen Reichsstände, und auch wohl niemals zu einer gänzlichen Auflösung, und Zerstörung der alten ehrwürdigen Reichsverfassung gekommen.
Pabst [Papst] Pius VI., dieser wahrhaft apostolische Wanderer, welcher als ein Gefangener
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von Rom nach Siena, von Siena nach Florenz, von Florenz nach Parma, und zuletzt von Parma nach Valence in dem 82sten Jahre seines schwächlichen Alters herum geschleppet wurde, vollendete nun auch die Lebensperiode seiner ruhmvollen, und heiligmässigen Tage; er starb, wie Heilige sterben, nachdem er noch einen heitern Blick auf das unglückliche Frankreich geworfen hatte, den 29ten Tag des Augustmonats in der französischen an der Rhone gelegenen Stadt Valence. Pius regierte die Kirche aus allen Päbsten nach dem heiligen Petrus am längsten, nämlich 24 Jahre, 6 Monate, 14 Tage, wie die untenbemerkte Grabschrift beweiset*, womit der dam[a]lige Sekretär Seiner Heiligkeit, Herr Joseph Maroni, den päbstlichen Sarg versah. Den feierlichen Exequien, welche hier der Herr Abt
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Hic situs est
PIUS VI. Pontifex maximus,
olim
Johannes Angelus Braschius Cesenas,
Qui diuturnitate Pontificatus
Caeteros omnes Pontifices praetergressus
Ecclesiam rexit annos XXIV. menses VI. dies XIV.
Decessit sanctissime Valentiae
Die XXIX Augusti Anno MDCCXCIX.
In arce, in qua obses Gallorum custodiebatur,
Dum annos ageret LXXXI. menses VIII. dies II.
Admiranda animi firmitate Vir, &
Summa in laboribus maximis perferendis
constantia.
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Honorat [Göhl] für Se. Heiligkeit am 5ten des Wintermonats [5.11.1799] hielt, wohnten auch Seine Excellenz, der apostolische Herr Nunzius von Luzern Peter von Gravina [Pietro Gravina] bei, Hochwelcher Abends vorher in Begleitungs des Herrn Großdekan Maurus – und dessen Herrn Bruders, Ämilian Tänzel von Tratsberg [Tänzl von Tratzberg], von Kempten hier ankam. Das halbstündige Trauergeläut fieng den 12ten November in beiden Kirchen [Abteikirche und St. Peter Ottobeuren] hier an, und endete sich mit dem 11ten Tage des Christmonats.
Zu Engetried, einem eine kleine Meile von hier entlegenen Gebiets- und Patronatsdorfe, sollten sich, wie der damalige Pfarrvikar sammt Wundergehilfen, dem Dorfmeßner, und einer vorgeblich besessenen Jungfer unter dem leichtgläubigen Baurenvolke
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* Herr von Gravina, aus dem Geblüte [Geschlecht] der St. Michaels Herzoge in Spanien entsprossen, von Spanien des ersten Ranges, Erzbischof zu Nizäa, Hausprälat Pius des VI., und apostolischer Nunzius [Nuntius] zu Luzern hatte für das hiesige Stift [Ottobeuren], das er öfter besuchte, viele Gnade und Achtung. Hier widmete er sich über die heilige Charwoche den Geistesübungen, hielt darauf am heiligen Ostertag dieses Jahrs [1799] das feierliche Pontifikalamt, und schätzte den frommen Abt Honorat sehr hoch, in dessen Begleitung er im Jahre 1802. den Franzosen von hieraus entfloh.
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aussprengten [verbreiteten], bei einem schmerzhaften Muttergottesbilde der Pfarrkirche mehrere Wunderbegebenheiten ereignet haben, welche meistens in einem unzeitigen, und unerwarteten Ertönen der Pfarreiglocken, und in eben solchen nächtlichen Beleuchtungen der Pfarrkirche sammt einigen ausserordentlichen Paroxismen [vgl. Paroxysmus], Machtsprüchen, und anmaßlichen Prophezeihungen der schlauen Jungfer bestanden. Die erste Beleuchtung sammt dem Zusammenstürmen der Glocken geschah den 13ten Hornung [Februar] spat Abends, worauf bis auf den 20ten noch zwei andere folgten. Das Volk strömte auf den Wunderruf haufenweise nach Engetried; Abt Honorat aber, ein erfahrner Geistsmann, welcher die Geister zu unterscheiden treflich verstund, sehte sich dem Betruge alsbald entgegen, ertheilte dem hiesigen Ortspfarrer,
Franz Sales Depra, den Auftrag, am 24ten Hornung, als dem zweiten Fastensonntage, dem Pfarrvolke von der Kanzel zu melden, daß von Obrigkeitswegen alles Wallfarthen [Wallfahren] nach Engetried sowohl bei Tag als bei Nacht bis auf ein weiteres, und gründlicheres Untersuchen der bischöflichen sowohl, als der landesherrlichen Stelle untersagt, und eingestellt bleiben soll; er ließ nicht nur an das hohe Ordinariat zu Augspurg [hier fehlt ein Verb], sondern auch, des angränzenden Übels halben [halber?], an
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den benachbarten Herrn Fürstabt zu Kempten, und den 12ten März trat wirklich eine bischöfliche Kommission ein, welche den bemeldten Pfarrvikar von seiner Vikarstelle an einen entfernten Korrektionsplan verwies; jedoch die weitere Untersuchung, besonders da der neue Ausbruch des Krieges im folgenden Jahre dem gerichtlichen Untersuchen sehr viele Hindernisse legte, zog sich auf eine längere Zeit, die mitwirkenden Wunderpersonen betreffend, hinaus, und erst zwei Jahre spater, den 13ten April ward der landesherrliche Urtheilspruch dahin eröffnet, daß die zwei des Betrugs überwiesenen Wunderthäter, der Meßner nämlich, und die bemeldte Jungfer, mit einem angehängten Täfelchen, worauf die Worte stunden: „Wegen Religionsschändung, und Volksverführung“, öffentlich vor der Kirche fruhe von 7 bis 8 Uhr sollten ausgestellt, dann alsbald auf einen Wagen gesetzt, und in die allgemeine Kreiszuchtanstalt auf ein Jahr nach Buchloe abgeführt werden.*
Übrigens war Ottenbeuren [damals üblich für Ottobeuren] in diesem Jahre, ein nicht nur von französischen Emigranten, sondern auch von deutschen vertriebenen Ordensgeistlichen sehr zahlreich besuchter Zufluchtsort.
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* Aus dem diesigen gerichtlichen Akten, und auch Privatbemerkungen.
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Der Hochwürdigste Herr Bischof von St. Klaudius [Saint-Claude, vermutlich Jean-Baptiste de Chabot] allein, welcher am Grünendonnerstag in der Stiftskirche um 7 Uhr frühe die feierliche Pfarrmesse hielt, ertheilte 54 französischen Priestern auf dem Hochaltar, und der damalige Pfarrer, Pater Sales Depra*, in der untern Pfarrkirche [St. Peter am Marktplatz] Vierzehn derselben das heiligste Abendmahl; die andern fremden Ordensgeistlichen empfiengen dasselbe mit der Klostergemeinde unter dem Hochamte aus der Hand des Herrn Abtes, und die anwesenden fremden Adelichen verrichteten ihre Österandacht meistens unter den Reihen des Volkes. Der Gäste, welche man das Jahr über, und noch länger an dem Konventtische verpflegte, waren Einige von Einsiedlen [Einsiedeln], andere von St. Gallen, wider [wiederum] andere von Dissentis, und, wollte Gott, man wäre noch jetzt im Stande, fremden Unglücklichen Hilfe leisten zu können! Ein gewisser junger Geistlicher von Ebersmünster im Elsaß, Bernard Richert mit Namen, welcher mit den hiesigen jungen Ordensgeistlichen die Theologie studirte,
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* Dieser Herr Pfarrer, welcher auf die Verzierung der Kirchen etc. grosse Summen freiwilliger Beiträge verwendete, ließ in diesem Jahre auf Kosten, und Begnehmigung des gnädigen Patronatsherrn auch die Pfarrkirche zum heiligen Peter und Paul sammt dem Thurme erneuern.
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feierte hier am 6ten Oktober die erste heilige Messe, und dessen Ordensmitbruder Herr Zoelestin machte den Ehrenredner. Auch unser Priorat zu St. Johann in Feldkirch, und dessen Verwalter, Pater Niklas Wacker, erwies den ankommenden Gästen, und Ordensbrüdern der feindlich behandelten Klöster alle mögliche Liebe, und Gastfreundschaft. Für eine Mahlzeit sammt einem halben Wein für jeden Kostgänger über Tisch, und einer Morgensuppe ward daselbst mehr nicht, als 24 kr. gefodert [gefordert, verlangt], und diese Mahlzeiten wurden vom 14ten Juli bis zur Wiederkehr einiger Ruhe für die helvetischen Abteien, und Klöster mehern [mehreren] Hunderten gereicht.
Für Schwaben blieben die letzten Monate dieses mit so vielen Siegen beglückten Jahres nicht ohne neue Gefahr, und Besorgniß. Die Schweitz war nämlich für die Allirten [Alliierten] verloren, und die Russen hatten sich zurück gezogen. Dieses ließ einen neuen Einfall der Franzosen in Oberschwaben befürchten. Erzherzog Karl traf zwar, wie gewöhnlich, die zweckmäßigsten Schutzanstalten dagegen, nahm sein Hauptquartier in Donaueschingen, und hielt die Feinde mächtig zurück; fand sich aber auch genöthiget, zur Verpflegung seiner Armee schwere Naturalienlieferungen auf die
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Stände umzulegen; und man leistete alles gerne und willig, besonders die geistlichen Reichsstände, welche alle Ursache hatten den auswärtigen Feind von Schwaben abzuhalten, und dessen Zerstörungsmaximen zu vereiteln. Ottenbeuren, das Vermöge seines uralten Exemtionsrechts keine Kriegslast hätte treffen sollen, hatte eine Lieferung an Naturalien zu übernehmen, welche auch, nach einem gnädigst erlassenen Werth von beiläufig 30,000 Gulden, doch weniger nicht, als 90000 Gulden im Geldanschlage betrug, and noch dazu ward die Hälfte der Klostergebäude mit einem Lazareth bedrohet, welches aber in Hinsicht auf die schönen Gebäude, und auf die zahlreiche Schule, welche hiedurch wäre aufgelößt und zerstöret worden, nicht zur Wirklichkeit kam.
In Frankreich ward das bisher bestandene Direktorium, oder die alte Regierung im November gestürzt, und vermöge der neuen Konstitution Napoleon Bonaparte, welchem noch zwei andere Konsuln, Kambaceres [Jean-Jacques Régis de Cambacérès], und Le Brun [Charles-François Lebrun] mit berathschlagender Stimme beigegeben wurden, als erster Konsul, oder Oberhaupt der Republik mit einer sehr ausgedehnten Gewalt ernannt. Ein neues Besorgniß, welches leider nur allzusehr begründet war, und in der Folge nicht nur
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Schwaben, und das gesammte deutsche Reich, sondern auch ganz Europa in ein grundloses, und unübersehbares Meer der mannichfaltigsten Übel, und Drangsalen versenkte.
§. VIII.
Jahr 1800.
Da für dieses Jahr nichts wahrscheinlicher war, als der Ausbruch eines neuen verheerenden Krieges, so nahm man allererst Bedacht auf die Mittel, wodurch nach dem Abgange der Russen, und bei der anhaltenden Unthätigkeit des nördlichen Deutschlandes dem Feinde eine ansehnliche Macht entgegengesetzt, und die nöthigen Summen zu den Kosten des neuen Feldzuges könnten herbei geschaft werden. Der Kaiser, und das englische Geld thaten hierinnfalls das Meiste. Der Erstere hob zu dem Dienste des neuen Feldzuges aus seinen eigenen Staaten neuerdings 150000 Mann aus, und Großbritannien schloß mit Pfalzbaiern, mit Württenberg, mit Churmainz, mit dem schwäbischen Kreise, und mit einigen andern Ständen Subsidienverträge, und nahm noch die von Rußland entlassenen Kondeer zum Gebrauche in Italien in seinen Sold. Kräftig genug waren nun die getroffenen Gegenanstalten; nur Schade,
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daß der allgemein geliebte Erzherzog Karl, welcher durch eigene Beispiele der Unerschrockenheit allen seinen Soldaten einen hohen Muth einflößte, und welchen der gemeine Mann aus Verehrung, wie man hier öfter hörte, seine Sonne, seinen Mond, seine Sterne, und sein Alles nannte, den 18ten März, wie einige glauben, wegen geschwächter Gesundheitsumständen, andere aber, wegen einigen geheimen Umtrieben am Hofe zu Wien* das Kommando über die österreichische Armee niederlegte, und dasselbe dem in dem vorjährigen italienischen Kriege sehr berühmt gewordenen General Kray übergab.
Auf der französischen Seite stund der einsichtsvolle und kriegserfahrene Oberbefehlshaber der Rheinarmee [Jean-Victor] Moreau, welcher, ehe man einen Rheinübergang im Ernste besorgte, in der Nacht vom 24ten bis 25ten April unter dem Kommando des Generals St. Suzanne [Jean-Chrysostôme Bruneteau de Sainte-Suzanne] den linken Flügel seiner Armee plötzlich übersetzte.
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* Der Herzog von Suffolk [gemeint ist vermutlich John Howard, 15th Earl of Suffolk] sagte in der ersten Parlamentssitzung zu London am 2ten Hornung 1800: Der Erzherzog Karl wäre von dem Kommando aus Besorgniß entfernet worden, seine Kriegsthaten möchten den Frieden beschleunigen. Von Seida historisch-chronologische Darstellung des wichtigen Feldzuges in Deutschland vom Jahr 1800.
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Zu gleicher Zeit, und am nämlichen Tage unternahm so wohl das Zentrum der französischen Armee unter dem General St. Cyr [Laurent de Gouvion Saint-Cyr] bei Altbreisach, als der General [Antoine] Richepanse von Basel her den Rheinübergang. Doch alle sich durchkreuzende Bewegungen der Franzosen waren bis dahin mehr nicht als die Maskirung, und Verheimlichung einer höhern Absicht. Eigentlich trachtete Moreau die Vereinigung der Österreichischen deutschen mit der italiänischen Armee zu trennen, und dieses gelang ihm nach Wunsche. Noch war General Kray auf dem Marsche nach Stockach begriffen, als die französischen Korps schon vereint in der Schlachtordnung standen; Moreau aber die Kaiserlichen bei Stockach am 3ten Mai angriff, und schlug. Zwei Tage darauf begannen bei Mößkirch, und den 6ten Mai bei Pfullendorf abermals blutige Gefechte, welche die Hauptabsicht der Franzosen mehr begünstigten, als den Österreichern einige wahre Vortheile verschafften. Doch die vortheilhaften Stellungen auf den Anhöhen theils vor – theils hinter Biberach hielten sich lange; obgleich nachmals die südlichen Anhöhen nach einem lebhaften Widerstände der Österreicher der General St. Cyr eroberte, und die übrigen, welche Kray selbst vertheidigte, auch endlich, nachdem die Feinde schon zweimal
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zurück geworfen waren, bei dem dritten Angriffe gleichfalls mußten verlassen werden. Nun zog sich der kaiserliche Oberbefehlshaber, indem auch die im Rücken liegende Bergfestung Hochentwiel [Hohentwiel] im Württenbergischen von dem Kommandanten Major von Wolf an die Franzosen schon übergeben wurde, über die Iller zurück, und lagerte sich bei Memmingen.
Hieher überbrachten die ersten gründlichen Nachrichten des unglücklichen Gefechtes am 9ten Mai Abends die Herren Reichsprälaten Romuald [Weltin] von Ochsenhausen, und Siard von Schussenried [Siard II. Berchtold], welche sich flüchteten. Unser Herr Abt war zur Flucht noch nicht entschlossen; als aber noch in der nämlichen Nacht auch der apostolische Herr Nunzius von Luzern in ebenderselben Absicht, sich durch die Flucht zu sichern, von Memmingen* hier ankam, berief er vor Mittemacht die geistlichen Hausoffizialen zu sich, übertrug auf dieselben mit aller erfoderlichen Vollmacht das Verwaltungsgeschäft, und den 10ten Morgens 4 Uhr begann in vier Wagen die Abreise aller ebenbemeldten Herren nach Oberndorf [Marktoberdorf], und von dannen nach dem Tirol. Zu
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* Der Herr Nunzius wohnte eine längere Zeit in der schönen Behausung des Herrn von Grimmel zu Memmingen.
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Hause brachte man alles, was sich verheimlichen ließ, inner dem Kloster, und der Kirche in verborgene, sichere und trockene Plätze, und es wäre allerdings hohe Zeit hierzu. Denn von nun an trug jeder Tag seine eigenen Gefahren und Schrecken mit sich. Selbst der Nachmittag des zehnten Mai war schon voll des durchdringenden Schreckens. Um Ein Uhr Nachmittag nahm man plötzlich ein an der südlichen Anhöhe der Strasse nach Kempten aufwirbelnde Staubwolke gewahr, welche unter einem entsetzlichen Geschreie der Menschen, und unter vielen ebenso entsetzlichen Hufschlägen der herab gejagten Pferde den Klostergebäuden sich näherte. Diese schnell bewegliche Wolke bestand aus einer Menge der in der Eile zusammen gerafften Bauern, und Bauersknechte, welche die feierlichen Magazine von Memmingen nach Kempten abzuführen beordert waren, auf dem Wege bei Ittelspurg [Ittelsburg] aber von französischen Chasseurs überfallen eilendst die Stränge entzweischnitten, und mit gehängten Zügeln davon ritten. Bei diesem Überfalle wurden von uns zwei Wagen, und eilf [elf] Mutterpferde* eine Beute der Feinde. Kaum war dieser schnelle Auftritt vorüber, als bei Memmingen eine heftige Kanonade zu knallen anfieng,
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* Von diesen verwendete der Herr General Vandamme das Vorzüglichste zum eigenen Gebrauche.
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welche bis acht Uhr Abends andauerte, und noch von einem schrecklichen Donnerwetter, welches die Kanonade zur Verdoppelung des Schreckens von obenher mitmachte, begleitet wurde. Nämlich Moreau, welcher sich des ganzen Besitzes von Oberschwaben versichern wollte, setzte über die Iller, griff die Österreicher in der neuen Stellung bei Memmingen an, und als dieser Angriff sich abermals zum Nachtheile der Österreicher endigte, zogen sie sich den eilften Mai theils an das Donauufer, theils in die Verschanzungen bei Ulm zurück [vgl. Kapitulation der Österreicher am 14.5.1805]. Eine seitswärts gerathene Truppe unter dem Rittmeister aus einem nicht weit entlegenem gräflichen Hause zog sich bei der Retirade über Ottenbeuren nach Mindelheim, und benahm sich sehr unfreundlich. Die Truppe ungeachtet, daß man derselben mit Vergnügen eine nicht sparsame Erquikung reichte, erbrach dennoch den Weinkeller, belud sich, und ihre Gefässe mit Wein, und mißhandelte noch dazu den hiesigen Waldgärtner, als ihren mitgegebenen Wegweiser, den gutmüthigen Johann Georg Schütte, den sie auf dem Wege unferne von hier nicht nur seines wenigen Geldes, sondern auch aller Kleider beraubten, so elend, daß er sich kaum nach einigen Tagen wieder vollkommen erholte.
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Von Memmingen aus hatte der französische Herr General Montrichard [Joseph Hélie Désiré Perruquet de Montrichard] für das hiesige Stift die Freundschaft, Nachmittags 2. Uhr einen von seinen Offizieren hieher zu senden, und demselben eine sogenannte Sauvegarde [Schutzwache] von selbst anbieten zu lassen. Der Offizier brauchte die gelindesten Worte, foderte für sich bloß ein mittelmässiges Pferd; für seinen Herrn Prinzipal aber, als eine Erkenntlichkeit 100 Louisdors, woran es nachmals die Halbscheide [Hälfte] auch that. In einem etwas rauhem und härtern Tone sprach ein anderer aus Grönenbach von dem Herrn General [Dominique Joseph] Vandamme hieher abgeordneter Rittmeister. Dieser drohete, wenn man sich nicht sogleich entschliessen würde, ihm an seinen Prinzipal, den man als einen harten, und unerbittlichen Mann schilderte, 120 Louis'dors mitzugeben. Alle Gegenvorstellungen waren vergeblich; der Offizier nahm weder eine Speise, noch ein Getränk zu sich, hungerte und dürstete, wie es einige Zeit schien, nur nach Gold, und erst nachdem derselbe von unserm Pater Theodor Klarer* [Clarer] in die große Kirche
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* Dieser wendete durch seine Geläufigkeit in der französischen Sprache, und durch den sehr gefälligen Umgang theils von diesem Orte, theils von der Nachbarschaft manches Unheil ab.
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geführt von dannen zurück kam, lispelte er Einem seiner Kriegskameraden diese noch verständlichen Worte in's Ohr: „Bruder! Geh hin in die Kirche, dort wirst du finden, wohin die Ottenbeurer ihren Reichthum verwendet haben“, ward hierauf sanfter, begnügte sich mit 50 Louisdors und kehrte sodann Nachts 10 Uhr nach Grönenbach zurück. Auf diese zwei folgte am 12ten dieses Abends 4 Uhr ein Adjutant des Herrn Generals Le Kourbs [Claude-Jacques Lecourbe], Le Kamus mit Namen, ein leutseliger Offizier, welcher die von dem General Montrichard aufgestellte Schutzgarde mit einer Lekourbischen [ver]wechselte; ohne alles Verschulden aber der Unsrigen in eine sehr nahe Todesgefahr gerieth. Denn, nachdem die Unsrigen auf Verlangen dem Herrn Adjutanten eine geographische Karte vorgelegt, und die Wege nach den befragten Dörfern Erkheim und Kammlach mit einem Wachse bezeichnet hatten, traf denselben, von einem Leibhusaren, und einem hiesigen Wegweiser begleitet, in dem Attenhauser Walde bei der Rekognoszirung [Erkennung] das Unglück unter die österreichischen Uhlanen [Ulanen] zu kommen. Der Leibhusar ward gefangen genommen, der Herr Adjutant aber selbst rettete sich, ritt spornstreichs zurück, rann todtblaß mit feuerfunckelnden Augen in den verlassenen Speisesaal hinein, und rief aus vollem Halse:
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„Herr Prior! Ihr Wegweiser hat mich mitten unter die Feinde geführt, mein Leibhusar ist gefangen, und ich verdanke mein Leben bloß der Schnelligkeit meines Pferdes.“
Alle Entschuldigungen, und gründlich wahre Gegenvorstellungen blieben vergeblich; voll des Gramms [Grams] und Unmuths verließ le Kamus das Speisezimmer, und schlug den Weg nach Ungerhausen ein.
Am folgenden Tage, den 13ten Mai, mit welchem der Herr Abt, wie leicht zu erachten, ohne alle Feierlichkeit sein 34stes Jahr der Regierung antrat, war es wohl Niemanden banger ums Herz, als unserm sehr thätigen Herrn Oberamtmann von Huber, welcher sich auf einen überbrachten Befehl heute vor dem Divisionsgeneral le Kourbe [Lecourbe] zu Memmingen zu stellen hatte. Der gestrige Vorfall veranlaßte manche bange Erwartungen; doch nicht hievon, sondern von der Ankündigung der auferlegten Brandschatzung war die Rede. Diese lautete kurz, wie folgt: „Binnen 24 Stunden sollten 150,000 Livres geprägten Geldes, und binnen sechs Tagen 90 ausgerüstete, und gesattelte Pferde, wie auch 100 vier bis 5 Zentner schwere Ochsen geliefert werden.“ Eine schwere Foderung nach so vielem erlittenem Schaden; aber auch diese nicht die einzige,
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und auch noch lange nicht die letzte. Als noch dieses in Memmingen vorgieng, kam ein Kolonet mit 30 Chasseurs angeritten von Grönenbach, hieher welcher abermals im Namen des Herrn Generals Vandamme weniger nicht, als 600 Louisdors unter vielen Drohungen, und mit vieler Ungestümmigkeit foderte, ein ungemein trotziger, und hitziger Mann, der sich selbst an dem hiesigen lekourbischen Schutzmanne, als jener ihm seine Instruktion vorwies, und von aller unbefugten Foderung abhielt, vergriff, denselben aus dem Speisezimmer hinaus stieß, und eher nicht ruhete, als bis er das Versprechen von 40 Luisdors für den Herrn Vandamme, erpreßt hatte. Jedoch dieß blieb nicht ungeahndet. Auf die Anzeige des beleidigten Schutzmannes, welcher spornstreichs nach Memmingen eilte, traf Abends 7 Uhr auf Befehl des Herrn Generals Lecorb[e] der Herr General Delotze [vermutlich: General Louis Pierre Delosme] mit 150 Mann hier ein, arretirte den Herr Offizier, und führte denselben gefangen nach Memmingen. Uns allen ward über diesen Vorfall auf den künftigen Tag sehr bange.
Jetzt wuchsen Kummer, Schrecken, Gefahr mit jedem Voranschreiten der Zeit, und zwei feindliche Herren Generale in einem Kampfe den Foderungen gegen einander verkündigten dem hiesigen Platze die trübesten Aussichten
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an. Doch auch diese zerstreuten sich wieder, und heiterten sich nach einigen neuen Schrecknissen aus [auf]. Den 14ten Mai bei Tagesanbruch fand sich ein Offizier des Generals Vandamme hier ein, welcher unrücksichtlich auf die gastige Arretirung des Herrn Obersten de Lotze die verheissenen, und noch nicht bezahlten 40 Luisdor foderte, und alsbald erhielt. Auf diesen traf nachmittags ein anderer Herr Oberster ein. Dieser kündigte nach zwei Stunden die Ankunft von 2000 Bewaffneten an, verlor nur wenige Worte, hielt sich sehr bescheiden, verlangte in die Abtei, ließ sich alle Zimmer des weitschichtigen Gastgebäudes, das nun, weil Fenster auf Fenster, Thür auf Thür paßten, wie ein Sommerhaus, oder wie eine Laterne aussah, öffnen, unten im aussern Hofe standen beinahe 50 leere Wartwägen bereit, und alle Anstalten schienen auf eine gänzliche Ausplünderung hinzudeuten. Doch diese unterblieb. Denn nachdem die angekündigten 2000 Mann eingetroffen waren, folgte nach 4 Uhr Abends Herr General Vandamme selbst. Von den Seinigen so böse geschildert, und von den Unserigen deßwegen so sehr gefürchtet zog der Herr Divisionsgeneral, auf einem schönen von uns erbeuteten Pferde sitzend, von vielen Offizieren umgeben, unter einer starken Bedeckung,
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und unter der Begleitung einer türkischen Musik ein. „Für 2000 Mann muß Brod gebacken werden“, war Eines seiner ersten Worte, und als dasselbe mit aller Bereitwilligkeit erwiedert war, begab sich der Herr General auf das zubereitete Zimmer, bald darauf in den hohen Saal zum Speisen, und von dannen um ½ 11 Uhr Nachts auf die Loge des Theaters, wo die Unserigen, wie sie von dem letzten Herrn Offizier freundschaftlich waren belehrt worden, um die Gewogenheit des Herrn Generals für das hiesige Haus zu erwerben, zwei geistliche Chöre, und zwei Arien mit so vielem Beifalle aufführten, daß der Herr General von der Loge herabstieg, dem Orchester sehr freundlich dankte, und dem Hause allen Schutz, alle Gnade, und Gewogenheit zusicherte. Von dieser Stunde an machte Vandamme den wahren Beschützer des Hauses; alle Meubeln blieben geschont, das Tafelsilber lag frei auf dem Tische des hohen Saals, ohne daß am Ende ein Stückchen vermißt wurde; ein französischer Husar, welcher in der Trunkenheit ein nicht sonderheitlich künstliches Gemählde mit zwei Säbelhieben beschädigte, wurde sehr übel hergenommen; für die Unserigen, welche öfter um Ihn waren, trug er eine vorzügliche Achtung, der damalige Prior des Stiftes mußte stets
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an seiner Seite zu Tische speisen, und noch bei seiner Abreise von hier den 23ten Mai schickte er von der Ferne einen wohlgeladenen Küchenwagen sammt einer Eskorte hieher mit dem Vermelden zurück, seine ehemaligen Gastfreunde möchten sich hiemit einige Erquickung verschaffen. Wohl gedacht, und wohl getroffen! Denn nun war beinahe alles geleert, alles erschöpft. Neun Tage hintereinander wurden alltäglich beiläufig 600 Mann in dem Klostergastgebäude gespeiset, und mit Wein getränkt; mehrere hundert Malter Getreides zu Brod verbacken, mehrere Fuder Wein sammt einer grossen Menge des Brandweins verzehrt, eine ungeheure Zahl des Schlachtviehes niedergemetzelt, in den Waldungen das meiste Gewild niedergeschossen, und 20,000 fl. [Gulden] deckten im Ganzen den Schaden nicht, den man erlitt. Unsere benachbarten Ordensschwestern, die Klosterfrauen in Wald [Klosterwald], erlebten auch bei ihrer Entfernung von einer zahlreichen feindlichen Truppe mehrere schreckensvolle Tage. Ihr auf einer Anhöhe gelegenes schön, und hochgebautes Kloster, welches gegen die Abendseite [nach Westen hin] einen freien, und weiten Prospekt machte, lud die bei Hawangen, und Ungerhausen gelagerten Feinde auf einen Besuch ein, den sie sich auch den 16ten Mai, beiläufig 1000 an der Zahl, obwohl auf eine
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sehr unhöfliche Weise, gefallen liessen. Sie drangen in das Kloster mit Gewalt ein, spalteten mit Äxten die Thüren, erbrachen die Kästen, raubten einen ziemlichen Vorrath an Leinwand, zerschnitten die Betten, nahmen im Kloster, und dem angelegenen Ökonomiehofe, was ihnen beliebte, haueten sechszehn Schafen die Füsse ab, beluden die zubereiteten Wagen mit ihrer Beute, und zogen zu ihren Waffengefährten hin. Zum Glücke waren die frommen Klosterbewohnerinnen sammt ihrem Beichtvater schon einige Tage früher nach Ottenbeuren herauf gezogen, wo sie anfangs etliche Tage der Herr Kanzler von Weckbecker in seiner Behausung verbarg, nachmals aber bei dem Anwachsen einer noch grössern Gefahr das Kloster übernahm, und denselben zu einem stillen Gottesdienste die Abteikapelle, zu einem Speisezimmer den philosophischen Hörsaal, und das angelegene Schlafzimmer, welches von den Studenten bei dem Einrücken der Franzosen verlassen ward, zu der nächtlichen Ruhe einräumte.
Was dem hiesigen Hause in dieser Zeit der allgemeinen Noth und Drangsal einigen Trost verschaffte, war vorzüglich das überaus schöne Benehmen der hiesigen Bürger, und Einwohner. Denn diese meldeten sich nicht
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nur von selbst zur Zeit der Gefahr zahlreich bei dem damaligen Gerichtsamman des Ortes, Martin Zugschwert, und boten sich anstatt der Unserigen als Geiseln an, dem Feinde übergeben zu werden; sondern trugen auch alles, was sie von ihrem hinterlegten Sparpfenninge erübrigen konnten, zur Tilgung der grossen Brandschatzung gerne und willig zusammen; besonders zeichneten sich hiebei Einige von der vermöglichten Klasse aus,* indeß die andern bei Tag und bei Nacht auf verschiedene geheime Posten ausgestellt [aufgestellt] jede Annäherung einer Gefahr belauschten, und dieselbe entweder abzutreiben, oder doch fruhezeitig genug anzuzeigen beeifert waren.
Übrigens verflossen von dieser Zeit an nur seltene Tage des Jahrs, welche nicht mit einer neuen Foderung von Getreide, Heu, Haber, Viktualien, Kleidungsstücken, Spitalrequisiten, Schanzarbeiten, baarem Gelde, und andern Artikeln bezeichnet waren, und die Herren Beamten, welche ohn Ausnahm französisch sprachen, und ihre Amtspflicht sich nahest angelegen seyn liessen, hatten stets bei ihrem abwechselnden Hin – und Herreisen theils mit
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* Diese waren Martin Zugschwert mit 2000 – Magdalena Epple mit 1000 – Johann Georg Rauch Bäckermeister mit 800 fl. [Gulden].
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der Milderung, theils mit der Berichtigung derselben von allen Seiten zu thun.
Den 10ten August zur Vesperzeit traf auch der Herr Abt Honorat nach einer vierteljährigen Abwesenheit in Begleitung seiner zwei Mitbrüder Sebastian Sidler, und Barnabas Huber von seiner Fluchtreise zurück ein, und nahm an der traurigen Lage seines Stiftes noch Antheil. Eben damals machte ein gewisser Herr Grandeau allhier den französischen Ortskommandanten, welcher zwar den regierenden Herrn mit aller französischen Artigkeit aufnahm; aber sich auch bei der bald darauf erfolgenden Abreise seine angerühmte Schutzwache sehr theuer bezahlen ließ.
Weit bescheidener, und unvergleichlich weniger kostspielig benahm sich der Herr Brigadegeneral la Balle [vermutlich Louis Paul Baille de Saint-Pol], welcher späterhin auf jenen folgte. Überaus mässig in seinen Foderungen, genügsam mit allem, was man zu seiner Bedienung that, ungemein leutselig im alltäglichen Umgange, allen mit Achtung zuvorkommend fiel dieser Herr niemand beschwerlich,
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* Eine goldene Uhr, ein zu 21 Louisd’or geschätztes Pferd, baare 37 Louisd'or, und eine ziemliche Parthie feinen Tuches mußten die Artikel unsrer Gegenerkenntlichkeit ausmachen.
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und machte mehr den Hausfreund, als den Kommandanten des Hauses.
Bei ferner Anwesenheit trug es sich zu, daß der vorsetzliche Mörder eines unschuldig erschossenen Baurens den 24ten Oktober den Rechten gemäß durch das Schwert sollte hingerichtet werden. Der Herr General bat den Herrn Abt um die Begnadigung des Verurteilten, die unverzüglich erfolgte, und ließ dieselbe durch seinen Adjutanten einige Minuten vor der Vollziehung der Todesstrafe im Namen des Herrn Abtes auf dem Richtplatze bekannt machen, worüber von Seite der Franzosen ein hochjauchzendes: „Vive la republique!“ ertönte, und selbst der Herr Divisionsgeneral Goudin [ev. Jean-Olivier Gaudin] von Memmingen ein Glückwünschungsschreiben an den Herrn la Balle abschickte.
Indeß, als man zu Hause mit der Selbsterhaltung von allen Seiten zu thun hatte, erfuhr man hier von allem dem, was sich ausser demselben in dem übrigen Schwaben, und in Italien Wichtiges ereignete, nur jenes, was sich durch ausserorderrtliche Beiträge, und Lasten dem hiesigen Stifte recht fühlbar machte, worunter vorzüglich die neue Befestigung der Reichsstadt Ulm, welche der
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östrreichische Herr General [Joseph] von Dedowich [Dedovich] leitete, zu zählen ist. Dieses Unternehmen fügte dem hiesigen Stifte, und Gebiete einen beinahe eben so bedeutenden Schaden zu, als die feindliche Brandschatzung, und die freie Verpflegung so vieler Tausend Franzosen, sammt allen Gelderpressungen demselben in diesem Jahre zusammen verursachet hatten, ohne daß sich eine einzige wohlthätige Folge dafür zeigte. Denn nach der allerwichtigsten, und blutigsten Schlacht bei Marengo in Italien, wo die Österreicher den vollkommenen Sieg schon in den Händen zu haben glaubten; der französische General [Louis Charles Antoine] Desaix aber durch die Erneuerung des Gefechtes mit seinen Reservedivisionen am Ende alles, was im vorigen Jahre verloren war, wieder eroberte, folgte bei der kaiserlichen Armee in Schwaben, von Ulm beinahe bis Wien ein Rückzug über den andern. Durch den französischen Oberbefehlshaber Moreau von seinen Magazinen abgeschnitten, zog sich der österreichische Herr General Kray in der zweiten Hälfte des Brachmonats aus seiner festen, und beinahe unangreifbaren Stellung bei Ulm nach Nördlingen, und das bemeldte Ulm mit einer Besatzung von 12000 Mann hielten die Feinde bloquirt: als auch Nördlingen keine Sicherheit auf eine längere Zeit gab, gieng der weitere Rückzug nach Neuburg an der Donau,
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nach Ingolstadt, und zuletzt über Landshut nach dem Innstrom. Jedoch die Feinde machten stets solche Bewegungen, welche den Österreichern stets neue Gefahren verkündigten. Der General Deckaen [General Charles Matthieu Isidore Decaen] rückte über Augspurg, und Dachau nach München, und da sich die Franzosen in Baiern zahlreich verbreiteten, nebenzu auch sich der Isarbrücken bemächtigten, besetzte der rechte Flügel der französischen Armee unter dem Herrn General le Kourbe [Lecourbe] inner der kurzen Zeit vom 11ten bis 14ten Juli nicht nur Feldkirch, Immenstadt, und Füssen, sondern eroberte auch die wichtige St. Luziensteig [St. Luzisteig], nahm Graubündten [Graubünden] ein, und stellte so die Kommunikation zwischen den beiden französischen Armeen in Deutschland her. In dieser Lage bot General Kray dem französischen Feldherrn Moreau einen Waffenstillstand an, welcher auch am 15ten Juli zu Paris begnehmiget wurde. Es begann sogar einige Zeit spater, obgleich unter sehr schweren Bedingungen*, zwischen Österreich, und Frankreich ein präliminar Friedensvertrag, welcher bald unterbrochen, bald wieder angeknüpft, zuletzt mit der Aufkündigung des Waffenstillstandes am 11ten November, und am
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* Bald darauf, den 20ten September, mußten den Franzosen, um eine Verlängerung des Waffenstillstandes zu erhalten, die drei festen Plätz: Philippsburg, Ulm, und Ingolstadt als Unterpfand überlassen werden.
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desselben mit Eröffnung neuer Feindseligkeiten sich endete. Der Schlag bei Hohenlinden, [am 3.12.1800] welcher hieraus folgte, konnte für die kaiserlichen Waffen nicht wohl unglücklicher ausfallen. Die Schlacht war nicht nur in Rücksicht auf den grossen Verlust, den man erlitt, sondern noch vielmehr in Hinsicht auf die Folgen, welche daraus entstunden*, entscheidend.
Nun eilten die Franzosen im Laufe des Sieges Salzburg zu, zogen am 15ten Dezember Morgen- daselbst ein, rückten hierauf unverzüglich nach Linz vor, wo denselben beträchtliche Magazine in die Hände fielen, und am 24ten Dezember standen die französischen Vorposten schon ungefähr 20 Stunden von Wien, wohin man feindlicher Seits ohne weiters vorgerückt wäre, wenn nicht in der Zwischenzeit österreichische Bevollmächtigte in dem französischen Hauptquartier zu Steyer angekommen wären, und der Graf von Kobenzel [Johann Ludwig von Cobenzl] am letzten Tage dieses Jahrs an dem Friedenskongreßorte zu Lüneville sich erklärt hätte, daß er von nun an bevollmächtiget sey, auch ohne England im Namen des Kaisers einen Frieden
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* Sie öffnete den Weg in das Innere von Österreich, und spater zu dem verderblichen Frieden zu Lüneville.
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zu schliessen. Dieses ist die kurze Schilderung des für Süddeutschland eben so, wie für Italien äusserst verderblichen 1800ten Jahres, welches im ganzen nichts tröstliches hatte, als daß Gott nach dem Tode der höchstseligen, und unvergleichlichen Pabstes Pius VI. den 12ten März dieses Jahrs in der Person des damaligen Kardinals Barnabas Chiaramonti auf der Insel St. Giorgio Maggiore zu Venedig aus dem Orden des heiligen Benedikts, seiner Kirche ein anderes Oberhaupt unter dem Namen Pius VII. schenkte, welcher mit der nämlichen Geistesstärke, wie sein verewigter Vorfahr, von Gott ausgerüstet, durch seine unerschütterte Standhaftigkeit, bewährteste Tugend, und durch sein eben so Einsicht – als Eifer – und demuthvolles Benehmen neben der allgemeinen Hochachtung und Bewunderung sich bis nun auf die Liebe und Anhänglichkeit der gesammten katholischen Heerde allen rechtlichen Anspruch erwarb.*
§. IX.
Mit dem 1ten Jäner [Jänner, Januar] dieses Jahrs fiengen sich die Definitivfriedensunterhandlungen zu Lüneville an, von welchen sich aus den damaligen
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* Literae Rvdmi D. Nuntii Lucernensia de Gravina 31. Martii ad Abbatem nostrum datae.
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Konjunkturen, oder Verbündungen der nordischen Mächte sehr leicht vermuthen ließ, daß dieselben die baldige Auflösung des gestammten Reiches, allererst aber die Zugrunderichtung aller geistlichen Reichsstände, und Stifter bezwecken würden. Nachdem sich Rußland, Schweden, Dännemark, und Preußen mit England zu vereinen gewußt hatten, stand Österreich, von allen andere Mächten verlassen, allein da, und dem Reiche erlaubte man nicht einmal, das mit anzuhören, was über dasselbe verhängt wurde; sondern es ward so gar zu einer ausdrücklichen Bedingniß des auf 30 Tage bewilligten Waffenstillstandes gemacht, daß der Kaiser als Reichsoberhaupt Frieden allein, auch für das Reich, abschliessen sollte. Nun kam es bei den damaligen ungünstigsten Umständen früher, als man je hoffte, zum Ziele. Am vierzigsten Tage nach der Eröffnung der Unterhandlungen, nämlich am 9ten Tage des Hornungs [Februars] wurde der Friede zu Lüneville von den beiderseits Bevollmächtigten, dem Grafen von Kobenzel, und Joseph Buonaparte, sowohl für Österreich, als für das gesammte deutsche Reich unterzeichnet; ein Friede, welcher durch die nachmals emsigst betriebene, und auf ihre Seite geleitete Entschädigungsweise die weltlichen Reichsfürsten neben der sehr gelegenen Arrondirung
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ihrer Staaten noch dazu nicht nur entschädigte, sondern auch ansehnlich vergrösserte*, hingegen die gesammten geistlichen Reichsstände, den damaligen Zwangsumständen und der gewalttätigen französischen Diktatur gemäß, ihrer Rechte so wohl, als ihres Eigenthumes beinahe ohne alle Ausnahm entsetzte [entzog, wegnahm]. Der Friede von Kampo Formio, und die dem deutschen Reiche abgedrungenen, obgleich von dem Kaiser damals nicht begnehmigten, Bewilligungen des Rastadter Kongresses vom Jahre 1799 waren zur Grundlage genommen, und bei der Anwendung der Entschädigungsnorm gaben Rußland, Preussen, und andere mit denselben einverstandene Mächte keine der Reichsgeistlichkeit günstige Winke. Regenspurg [Regensburg] ward der Ort der Verhandlungen in der Entschädigungssache.**
Indeß ward bei so stürmischen, und aussichtlosen Zeiten dem regierenden Herrn Abte Honorat [*1733, Amtszeit von 1767 - 1802] im 69sten Jahre des Alters mit jedem Tage die Regierungslast beschwerlicher; er wünschte deßwegen schon im jüngstverflossenen Jahre den damaligen öffentlichen Lehrer
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* Schmidts neuere Geschichte durch Joseph Milbiller bearbeitet XVI. Band XI. Buch 3tes Kapitel Seite 295. und folgende.
** Schmidts Geschichte des obigen Bandes 13tes Kapitel.
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der Mathematik zu Salzburg, unsern Pater Ulrich Schiegg, an der Seite zu haben; doch sowohl der Vorsteher, oder Rektor der hohen Schule, als der Herr Abt von St. Peter sammt den Herrn Präses, und Assistenten der Universität setzten sich seiner Abrufung entgegen, und selbst der regierende Herr Erzbischof drang in einem Schreiben vom 7ten Mai und in einem andern von dem Zten November des Jahrs 1800 auf die noch längere Beibehaltung desselben bei dem mathematischen Lehrfache, wobei Schiegg gemäß dem eigenem Ausdruck des erzbischöflichen Schreibens einen so entschiedenen Nutzen geleistet hätte.
Jedoch Abt Honorat, nicht gewöhnt von seinen einmal gefassten Entschließungen abzugehen, nahm auch diesesmal sein Wort nicht zurück, besonders da die verwickelten, und geheimnißvollen Zeitverhältnisse einen solchen Mann foderten [forderten]; und als der Herr Professor, von der hohen Schule noch nicht entlassen, in den Herbstferien von Salzburg nach Hause [ins Kloster Ottobeuren] zurück kam, entließ er denselben, allen von der hohen Schule wiederholten Gegenvorstellungen ungeachtet, aus dem Hause nicht mehr, belud ihn anfangs zur Prüfung des Gehorsams mit einigen an sich unbeträchtlichen Klosterämtern, nachmals aber ward er mit der Aufsicht
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über alle Stiftsrevenuen [Einnahmen der Abtei], und mit der Oberleitung, und Konzentrirung aller übrigen Ökonomieämter bewürdiget, welches dem Stifte grosse, und wesentliche Vortheile verschaffte.
Schiegg stand 10 Jahre als Lehrer der Mathematik an der Universitärsschule zu Salzburg, gab neben den mathematischen, der Erste auch landwirthschäftliche Kollegien, führte bei einigen Salzwerken eine bedeutende Holzersparniß ein, zeichnete sich bei mehrern Geschäften rühmlich, und mir vieler Vorzüglichkeit aus; und selbst jene ehrlose Schmäheschrift, welche wider alle öffentliche Lehrer Salzburgs von einem ungenannten lieblosen Kritiker im Drucke erschien, fand an dem Herrn Mathematiker, dem dieselbe übrigens in Hinsicht auf die ausgebreitesten Kenntnisse, Sittlichkeit, und Orthodoxie das vorzüglichste Lob sprach (weil doch alle Individuen mußten getadelt werden) nichts anderes, als eine Eilfertigkeit sammt einem vorgeblich schleppenden Mönchtston bei dem öffentlichen Vortrage, und eine Gesichtsmine, wie man dieselbe nach der Muthmassung des Spötters im 9ten Jahrhunderte soll getragen haben, zu tadeln und zu rügen. Elende Schattenzüge des finstern Neides!
Den 15ten des Wintermonats erneuerte der regiernde Herr Abt Honorat sammt unserm
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würdigen Senior, und wohlverdienten Archivar Gallus Dingler, nach in dem Ordensstande hinterlegten fünfzig Jahren mit aller Feierlichkeit seine den 13ten November im Jahre 1751 abgelegten Ordensgelübde. Die Herren Reichsgrafen und Reichsgräfinen von Babenhausen, Zeil, Immenstadt, Wurzach, die Abgeordneten der Reichsstadt Memmingen, der Klöster Irrsee, Roth, Wiblingen, und anderer zierten mit ihrer Gegenwart den hohen Verlobungstag. Am 15ten, weil der Vormittag wegen des stets anhaltenden Gottesdienstes alle andere Feierlichkeiten theils hinderte, theils ausschloß, ward eine aus besonderer Dankespflicht von dem Verfasser verfertigte, und von unserm Mitbruder, Herr Theodor Klarer, in die Musik gesetzte Kantate: „Das Opfer Noachs“ betitelt, und am folgenden Tag das grosse Meisterstück der Tonkunst, die „Schöpfung“ von Joseph Hayden [Haydn] von einem zahlreichen Musikchor mit vielem, und ungetheiltem Beifalle in dem so genannten hohen,oder Kaisersaale aufgeführt, und so dieses Jubelfest zum Vergnügen der hohen anwesenden Gäste mit einem eben so zahlreichen, als feierlichen Abendmahle beschlossen.
Übrigens, sobald die Zeiten für Schwaben wieder ruhiger aussahen, und die feindlichen
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Armeen sich in die Ferne, nämlich nach Baiern, Salzburg, und Österreich von hier gezogen hatten, fanden sich alsbald wieder Mehrere der französischen Emigranten in dem alten Kost- und Gasthause hier ein, und sowohl der damalige Hauskommandant, ein französischer Batallioneschef, als selbst der Herr Brigade General von La Valle, welcher nach dem späterhin geschlossenen Waffenstillstande aus den Kriegsgegenden wieder hier eintraf, sahen die ihrer Nation erwiesene Gastfreiheitsliebe gar nicht ungerne. Indeß zog sich doch der französische Benediktiner, Konstantin Mellnote, welcher fünf Jahre hindurch die angehende neue Pfarrgemeinde zu Ollarzried mit einem alltäglichen heiligen Meßopfer bis nun versehen hatte, im Herbstmonate nach Frankreich zurück.* Die bemeldte Kirche versahen indeß unsere Mitbrüder theils von dem Kloster, theils von dem benachbarten Eldern aus bis auf den 6ten Tag des Christmonats, von welchem Tage an (Es war der 2te Adventsonntag) unser Pater Mathäus Osterrieder, als ernannter provisorischer Vikar, von hieraus bis in den März des Jahres 1805. beharrlich, und eifrig versah.**
_________________________
* Literae ejusdem testimotiales a P. Francisco Salesio Depra scriptae 11ma Septembria 1801. in ipsius diario ad A. 1797.
** Auf diesen folgte als erster instalirten Pfarrer Pater Sebastian Sidler, ehedem Pfarrer zu Ottenbeuren.
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§. X.
Nun rückte für Ottenbeuren, das von seinem Entstehen ein Zeitalter von 1037 Jahren unter unzähligen Wendungen des Glückes, und Unglückes am ersten Stiftungorte, als Eine der ältesten Benediktiner Reichsabteien in Oberschwaben, stets fest und unerschüttert in seinem uralten rechtlichen Besitzstände zurück gelegt hatte, das allerbitterste, und allerklägliechste Jahr an, welches demselben aus einem Entschädigungsgrunde der weltlichen Fürsten gemäß der lieblosen Diktatur, und dem Zwangsworte des damals so gebieterischen, und übermüthigen Frankreichs so, wie allen übrigen Stiftungen Deutschlands, seine Auflösung ankündigte.
Der würdige Herr Abt Honorat vollendete am Feste der Erscheinung des Herrn, den 6ten des Monats Jäner, an welchen der zweite infulirte Herr Prälat David des obern heiligen Geistesspitals zu Memmingen seinen alten Herrn Nachbarn besuchte, und das Pontifikalamt hielt, sein neun und sechzigstes Lebensjahr; brachte aber das 70ste kaum noch
S. 337
über die Halbscheide. Noch hielt er am Freitage, und Samstage vor dem ersten Fastensonntage anstatt Einer zwei Kapitelreden über die Worte des Propheten Ezechiel* an die Seinigen, worinn er dieselben zur treuen Erfüllung aller ihrer übernommenen Berufspflichten, und zur gemeinschäftlichen und standhaften Erduldung aller bevorstchenden Übel und Drangsalen das letztemal ermahnte. Dieß geschah am 5ten, und 6ten das Märzmonats. Am 15ten desselben unter dem feierlichen Hochamte, welchem der Herr Abt aus Andacht jederzeit beiwohnte, ward er in seinem Oratorium von einem Schlagflusse betroffen, schleppte sich noch mit harter Mühe an die nächstgelegene Fensteröffnung hinter dem Choraltar, winckte, und rief um Hilfe, und als sich eilends zwei Mitbrüder, und einige Studenten hiezu bereit einfanden, trugen sie den schwachen Alten nach der Abtei in einem Tragsessel zurück, wo derselbe bei einer abermal eintretenden Schwäche den 23ten Mai in Beiseyn der gesammten Klostergemeinde unter den erbaulichsten Übungen der Andacht, Liebe, Vertrauens, und der ruhigsten Ergebenheit in den Willen des Allerhöchsten die heiligen Sterbesakramente empfieng. Von dieser Zeit dienten
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dem kranken Herrn Abte wechselweise theils bei Tage, theils, und besonders bei Nacht seine Ordensgeistliche, von deren E[i]nigen er sich auch bei dem ersten Besuche den heiligen Segen erbath. Unter den nächtlichen Phanthasien, welche die Schwachheit der Nerven bildete, nahm sich Eine besonders aus, welche die Abbethung des so genannten Vater unser in der ungewohnten baierschen Aussprache betraf. Einen guten Theil brachte der Kranke mit diesem Probstücke zu, und brachte dasselbe niemals zu Stande, worüber er sich bei dem Morgenbesuche vor seinem Leibarzte, dem Herrn Docktor Benz, wehmüthig beklagte. Indeß besserten sich doch die Umstände der Krankheit, und der Herr Abt, welcher im Zimmer umher gieng, versprach sich schon selbst eine noch längere Lebensfrist, ließ sogar den 16ten Juli seine Verwandte schriftlich zu sich laden, als es eben dieselbe Nacht vom 16ten auf den 17ten war, in welcher er unvermuthet starb, und morgens nach vier Uhr ohne Änderung eines Gesichtszuges, mehr einem schlafenden, als einem Todten ähnlich, in seinem Bette mit kreuzweise übereinander gelegten Händen von dem Klosterwächter gefunden wurde.
Abt Honorat zu Immenstadt im Allgäu den 6ten Jäner des Jahres 1733 geboren legte seine Studien theils an der hiesigen, theils an der freisingischen
S. 339
Schule zurück, verpflichtete sich zum Ordensstande den 13ten des Wintermonats im Jahre 1751 ,und sechs Jahre hernach zum Priesterthume befördert lebte er so wohl als Lehrer der Weltweisheit, und der Gotteslehre, als bei andern Ämtern inner, und ausser dem Hause angestellt als der erbaulichste Ordensmann genauest nach den Pflichten seines Berufes. Als Abt erhielt er den 28ten März 1768 die kaiserliche Belehnung über alle hergebrachte Herrlichkeiten, und die Bestätigung aller Gerechtsame des Stiftes von Sr. Majestät Joseph II., und im Jahre 1794 den 27ten des Brachmonats eine gleiche von Sr. Majestät, dem jetzt glorreichest regiernden Kaiser Franz II. Er selbst war 30 Hause die stets ansichtliche Ordensregel der Seinigen, gegen sich selbst strenge foderte er von den Seinigen in allen Punkten, wenn es auch bloß unbedeutende Kleinigkeiten betraf, einen genauen, schnellen, und strengen Gehorsam, welcher öfters grosse Selbstüberwindungen kostete; er erleichterte die Beschwerden des Ordenshauses sehr ungerne, und war weit geneigter, dieselben zu vermehren, und fühlbarer zu machen, bemerkte sehr vieles mit seinem stets wachsamen Forscherauge, und lobte äusserst wenig, und selten, wenn er das Gute, und Rechtschaffene sah.
Nichts wenigerer, als ein Freund der Gemüthszerstreuungen, oder der so genanmen Erholungen,
S. 340
oder des Reisens verblieb er stets zu Hause, theilte jede Stunde des Tages in das Gebeth, in die Lesung, und in die Amts- und berufsmäßige Arbeit, oder Beschäftigung ein. Niemand fand ihn je müßig, er speisete viele Jahre des Tages nur einmal, begnügte sich ohne alle Nebenspeise bloß mit dem, was auch jedem Ordensneulinge aufgesetzt wurde, suchte in allen seinen Geräthschaften nur das Gewöhnliche, hielt sich, so viel es je die Regierungsgeschäfte erlaubten, an die gewöhnliche Tagordnung, umd fand sich an allen Sonn- und Festtagen des Jahrs nach ¾ auf zwölf Uhr Mittmachts jederzeit Einer der Ersten bei dem nächtlichen Chorgesange ein, welcher an höhern Festen eine halbe Stunde länger, und gewöhnlich dis ¾ auf 2. Uhr Morgens andauerte. Übrigens wußte sich der kleine Prälat, wie man denselben in Hinsicht auf die kürzere Leibesgrösse oft nannte, Ehrfurcht, Ansehen, und Würde von aussen genug zu schaffen, von Innen belebte ihn ebenfalls wahre Christliche Geistesgrösse genug, und obgleich er die großen Thaten, Einsichten, und Unternehmungen seines Vorfahrs, Abtes Rupert II. nicht erreichte, und auch in den tiefen Rechtskenntnissen, und der übrigen Fächern der hohem Wissenschaften seinem unmittelbaren Vorgänger an der Regierung,
S. 341
dem Abte Anselm, nicht gleich kam, so übertraf er doch beide Herren Vorfahren durch die Einführung eines majestätischem Gottesdienstes, durch die Beförderung der hiesigen sechsmal zahlreichern Pflanzschule, durch eine kostspielige Münzen-, Kupferstiche-, Kunstbücher-, alten Holzarbeiten-, und Gemähldesammlung, die dem Kunstgeschmacke des Herrn Abtes viele Ehre machte, und dem weitschichtigen Hause sehr gut kam, vorzüglich aber durch die mit eben so vielem Eifer, als mit dem besten Erfolge betriebene Holzes- und Landeskultur, welche gewiß so wohl dem hiesigen Marktorte, als dem gesammten Gebiete in Hinsicht der theils schon genossenen, theils noch zugeniessenden Vortheile auf lange Zeiten unvergeßlich seyn sollte. Überhaupt, wie sich damals eine bekannte Monatschrift ausdrückte,* „der Hochselige vereinigte in seiner Person die vollkommensten Eigenschaften eines würdigen Abtes. Klosterzucht, und Wissenschaften blüheten im gleichen Grade während seiner mehr als fünf und dreisigjährigen Regierung in seinem Stifte. Selbst der herrschende Zeitgeist konnte weder jene entkräften, noch diese verderben. Der Verewigte
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* Augsburger Monatschrift erster Jahrgang zehntes Heft Oktober S. 639. Conf. etiam literae funebres in lucem emissae.
S. 243
schrieb mehrere asketische Schriften: sie sind ein Ausguß seines frommen Herzens, und werden von guten Christen mit Ruhen gelesen.“* So die bemeltde Monatsthrift.
Der Leichnam des Hochseligen wurde den 19ten Juli durch den Herrn Honorius Reichsprätaten von Irrsee [Irsee] bei einem ungemein zahlreichen Zulaufe des Volkes in einem eigens hiezu ausgemauerten Grabe inner der Stiftskirche vor dem eisernen Schlußgitter beigesetzt, und die Grabstätte mit einem verhältnißmässtgen, mit vier selbst gewählten Buchstaben** bezeichneten Steine nachmals geschlossen. Die wohlbearbeitete, und erbauliche
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* Geistes-, und Gotteslehr ein Gebet- und Lesebuch für das Volk. Ottenbeuren im Jahr 1768. Scola humilitatis, & charitatis ex opusculis S. S. Bernardi, & Thomae Aquin. Augustae 1793. Mirabilis Dei charitas, & largitas in Sacramento Altaris in VIII. apud Rösel Augustae 1793. Ethica religiosa Coelestini II. Abbatis Sanctgallensis Ottenburae per Wankenmiller in VIII 1793. Notata ex Ludovico Argentinensi in VIII 1798. Scalae S. Joannis climaci tentata Versio & explanatio. Ottenb. in VIII. A. 1783. Castellum theresianum animae. Ottenb. io VIII. A. 1783 D. Thomae aquinatis Summa quoad substantiam conscripta, & abbreviata in VIII. Campid. 1801 Item alia quaedam diversi generis opuscula.
** H. J. H. P. Nach der eigenen Ausdeutung: Hic jacet Honoratus Peccator!
S. 243
Leichenrede, welche in drei Foliobogen hier gedruckt nachmals in das Offene trat, hielt den 18ten August der Hochwürdige Herr David, Prälat des heiligen Geists Ordens zu Memmingen, Hochwelcher auch den Leichenzug persönlich begleitete, und den zweiten feierlichen Gottesdienst mit einem abgehaltenen Pontifikalamte für den Hochseligen verrichtete.
Indeß traf man sogleich am Sterbetage den 17ten Juli in einer fruhe halb 6 Uhr gehaltenen Konferenz die nothwendigen Anstalten zur Ernennung einer Interims Verwaltung, zur Absendung einer Deputation mit der Todesanzeige an den durchlauchtigsten Herm Fürstbischof Klemens Wenzeslaus [Clemens Wenzeslaus von Sachsen] nach Oberndorf [Marktoberdorf], zur Einberufung der weiter entlegenen Stiftskapitularn, und zudem neuen Wahlgeschäfte, womit man nicht lange zögern wollte. Die Deputation nach Oberndorf machten der Herr Oberamtmann von Huber und der Verfasser. Um 6 Uhr Fruhe hier abgefahren trafen wir durch Umwege Nachmittags in der dritten Stunde zu Oberndorf ein, wo wir sogleich die Gnade hatten, durch den Titl. Herrn Hofpfarrer von Siebenbeutel bei Sr. kurfürstlichen Durchlaucht gemeldet, und vorgelassen zu werden. Auf die Todesanzeige konnten wir leicht bemerken, wie sehr der durchlauchtigste
S. 344
Fürst unsern verewigten Herrn Abt achtete und schätzte. „O des lieben und frommen Abtes,” waren öfters die Aufrufsworte; und als wir uns zur fernem höchsten Huld und Gnade überhaupt, besonders aber wenn Ottenbeuren, was uns noch unbekannt, und bloß eine Vermuthung war, als Entschädtgung an Se. Durchlaucht gelangen sollte, unterthänigst gehorsamst empfahlen, bildete sich plötzlich eine mitleidige Thräne in Höchstdessen Auge, und der Herzensgute Fürst erwiederte: „O alsdenn würde Ottenbeuren kaum eine Änderung an seiner vorigen Lage fühlen. Denn ich weiß, wie schwer es fällt, wenn man Jemanden seines Eigenthumes entsetzt [wegnimmt, beraubt].“ So sprach Einer der ersten Fürsten Deutschlands; rief hierauf den obenmeldten Herrn Hofpfarrer zu sich, befahl demselben, die erfoderlichen Schreiben an das augspurgische Generalvikariat zu erlassen, und schon Abends fünf Uhr vollkommen gefertiget fanden wir kein weiteres Hinderniß mehr, über Kaufbeurn nach Augspurg zu reisen, wo wir am 19. des Juli von dem Hrrn Generalvikar Rigg nach eröffnetem kurfürstlichen Schreiben erfuhren, daß der Wahltag auf den 23ten des laufenden Monats anberaumt, der Freiherr Johann Adam Niklas von Palmer, des hohen Domstiftes zu Augspurg Kanoniker, und der hochbischöflichen Kurie Offizial als Wahlkommissär, und
S. 345
der Herr geistliche Rath, und Siegler Jos. Jgnaz Heinrich Lumpert Hochdemselben als Notar beigegegeben sey, welche sodann am 22tm Juli hier eintrafen, die gewöhnlichen Citatorien an dem grossen Kirchenportal anhefteten, und, nachdem auch die Herren Skrutatoren, nämlich der Herr Reichsprälat Honorius von Irrsee [Irsee] sammt seinem Herrn Prior David Galbinger, und der Herr Prälat Ämilian von Füssen sammt seinem Simpert Holzmann, als erbethenen Zeugen beinahe zu gleicher Zeit angekommen waren, schrit man am folgenden Tage nach vollendetem Gottesdienste zu dem Wahlgeschäfte, welches der bischöfliche Herr Kommissair von Palmer als Wahlpräsident mit einer sehr zierlichen, und kraftvollen Rede eröffnete, und wobei in der ztweiten Abstimmung der damahlige Konventprior, Paulus Alt, durch eine Stimmenmehrheit als Abt kanonisch erwählt, und nach abgelegtem feierlichen Glaubensbekenntnisse, und der gewöhnlichen Eidesformel die Wahl selbst bestätiget wurde.*
Die Kundmachung der glücklich beendigten Wahl, welche der Herr geistliche Rath, und Kanoniker Lumpert, als Notar, von der öffentlichen Kanzel eröffnete, verursachte unter dem Volke viele Freude; denn der Neuerwählte**
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* Instrument electionis de 1802. 23 die Julij.
** Der Herr Abt ward den 15tehn März im Jahre 1760 in der Reichsstadt Wangen geboren, vergelübdete sich den 8ten des Christmonats im Jahre 1780; ward Priester den 6ten Juni 1784. Machte vor seiner Erhebung einen klugen Novitzenmeister [Novizenmeister], einen bescheidenen Direktor der jungen Geistlichen, einen emsigen gründlichen Lehrer der Theologie hier, zu Freisingen einen Lehrer des geistlichen Rechts,und Schulpräfekt, zulezt einen liebwürdigen Prior der hiesigen Klostergemeinde.
S 346
hatte sich durch seine bekannte Tugend und Frömmigkeit, durch seine wissenschäftliche Kenntnisse, und durch sein theils zu Hause, theils zu Freisingen [Freising] löblich fortgesetztes Lehramt, und besonders durch seinen milden, und sanften Karakter so wohl bei seiner Klostergemeinde, als bei dem Volke, das er oft von der Kanzel, und von dem Bußgerichte aus belehrte, viele Liebe, und grosses Zutrauen erworben,und jedermann hoffte unter seiner Regierung vergnügt, und glücklich zu seyn.
Die feierliche abteiliche Einsegnung ertheilten Se. kurfürstliche Durchlaucht in höchst eigener Person dem Neuerwählten den 25ten Julj in der Pfarrkirche zu Oberndorf, luden denselben zur Tafel ein, wonach Höchstdieselben den neuen Abt unter den gnädigsten Versicherungen der höchsten Huld, und Gnade nach Hause entliessen, wo derselbe mit allen möglichen Ehrenbezeugungen, und dem Zusammenströmen eines ungemein zahlreichen Volkes an der Gränze empfangen, und wie in einem
S. 347
Palmentriumphe in seine Stiftskirche eingeführt wurde. Das allerhöchste kaiserliche Belehnungsinstrument in der sonst gewöhnlichen Form traf am vierten Monate nach dem Wahltage, unrbcksichUich auf die zu Regenspurg
fünf Monate früher von Chur tarn*
denburg, und Churbaiem emgereichte Protestatio
« gegen ave künftige Wahlm, hier ein;
ward aber dm ?ten November in Origtnalt
nach Ulm abgefodert.
De» rote» August hielt der neue Herr W
das erste Kapitel. Der höhere Ruf bestimmte
den Verfasser, nachdem 17 Jahre auf der
Schule mühefam zurückgelegt waren, zu dem
Priorat, welches, an fich beschwerlich genug,
bald gar nichts mehr Tröstliches hatte. P.
Roman Chrifmann, welcher sich zuvor acht
Jahre um die Schule verdient gemacht hatte,
nahm die erledigte Steve als Schvlxräfekt
ein.
Btt Regenfpurg machte da- übermächtige
Frankreich von dem erzwungenen Verweltlichung—
und EntfchLdigwy-printip die «eitschichtigste
Anwendung, und man dehnte dasselbe
aus de« Umfang aller geistlichen Beßtzungm
aus, welch« z« der EntschLdtgunSmaffe
gegen die Erinnerung im Kurmainz, dabei
C 348 )
I 180a feei ferner Abstimmung bedauerte * , daß die
Säkularisationen so sehr generalisirt werden
sollten , gezogen wurden. Mit der militärischen
Befiznahme der zur Entschädigung entweder
zu dcstimmendeu, oder schon bestimmten
Reichsgebiete säumten sich auch die griffen»
weltlichen Fürsten nicht länger.
Den ryte» Augusts an einem Soniage,
aus welchen da- Schutzengelsest fiel , kamen
der ehemalige Herr Stadtpsieger zu Mindelheim,
jetzt aber als hLhsternavnter Kurbaierscher
Kommissär, der Freiherr von Hertlmg,
samt dem Herrn Baronvon Lerchenfeld Nachmittags
halb zwei Uhr hier <m, D a man schon
vorher sichern Bericht hievon eingezogen hatte ,
so versammelten sich alsbald in dem Wohnzimmer
de- Herrn KommiffatrS der Herr
Prälat, und Prior sammt den anwesenden so
wohl geistlichen,, als weltlichen Offizianten des
Stifter. Der Herr Kornmiffatr überreichte
allererst das höchste kurfürstliche Schreiben,
welches jedoch nicht mit der Addresse an de»
wirklicher regierenden Herrn Abt Paul, sondern
an dessen hochseligen Vorfahr Abt
Honorar, versehen war. Abt Paul, ohne da«
Schrei-
* ProtoPolI btt avAer-rdentktch Itetch-depula»
tton $« Regen s p u r- noj. h Van» Sette z» .
( 349 )
Schreiben $u öffnen, säumte sich nicht -u be, 2.
merken, dieses Schreiben wäre nicht <m seine
Person gerichtet, die Eröffnung stünde Ihm
folglich nicht ru; als aber gegenseitig erwiedert
wurde: ” Es wäre dieß bloß als ein
„ Versehen der ExpeditionSstelle |u betrach-
„ tm , und hätte nicht- weiteres auf
„ sich," * geschah die Eröffnung des Höchstbemeldten
Schreibens, ** worinn es hieß: "
„ Seine Churfürstliche Durchlaucht fänden
„ sich durch das Beispiel Preussens, und
,, Oesterreichs bewogen, den Ihnen rugesi-
„ cherten Distrikt in Schwaben mit einiger
„ Mannschaft so gleich provisorisch occupiren
„ $u lassen, jedoch ohn« die mindeste Aende-
„ »uns in der Zivilverwaltmg rc. " Ueber
diesen Inhalt äusserte sich der Herr Prälat
an den EhmsKrstlKhen Herrn Kommissär mit
folgenden Worten: ** Mann könnte sich einer
,» «Uitairischen von den höchste» Mächten be,
ge-
• Der rvahre Grund hi«v»n w*c die tttibtantt»
fttitwhg de« Herr« Adre» als Rcichsprälat
tn , wie sich tm <hnrfürstttches Bd>mben
vpm s6ten August is»3 a« »drückt, daß nim*
HA derfrlbe erst nach dem Zettpuntt yc»
w4blt worden w4*t» #K> Lhirr basiern im
verein mit Lhurbrandenbvr- die ErklÄrun-
<m den Reich«ag hätte ergehen fofyVtt, daß
von nun *M keine wahr mehr, al» perbmd.
. tick, angesehen würde.
•* Man sehe am Ende die Beilage unter N, IV.
( 350 )
♦ 1802 », genhmigtm Okkupirung nicht entgegen sehen,
», müßte aber bi- zur vollen Entscheidung der
$t Sache sich die gegen S e . kaiserliche Majestät,
„ Md das Reich tragenden Pflichte«, und Rech-
,, te alkrtmtgs vorbehalten, wie sich auch das
am jotm August an S e . Churfürstliche Durchlaucht
erlassene Antwortschreiben dem Sinne
«ach ausdrückte *. Auch der um sein S tift
Vesten- verdiente damalige Großkeller und
Dberrechner, Ulrich Schiegg, eröffnet« seine
Gesinnung hierüber folgender Massen;" W ir
,, sind ein wehrloser Stand. Hätten wir
„ aooooo Mann, so wüßten wir unftr«
,, Rechte wohl )v vertheidige«. ” Hierauf
nahm man ohne weitere Rücksprache über die
Hauptsache ein spates, und kurres Mittag»
Mahl, «ach welchem die Churfürstlich« Kommission
mit hiesig« Equipage stach Minder
heim abgeführt wurde.
Am 2ten September gierig auch die militäirbesitznahmr
von der Reichsstadt Memmin*
9«» vor sich, und Tags darauf rückten hier
30 Mann mit zwei Unteroffizier» ein, für
welche dm hiesige» Quartierträgem von S r .
ChwfütjWichm Durchlaucht täglich 4 — und
von der hiesigen Landschaft 26 Kreuzer bewilliget
wurden. Hievon wurden den 16 —
rmd i?ten September einige nach Memmin(
351 )
gen, andere nach Augspurg tut Besitznahme 2-»««»»-
de- Stiftes S t. Ulrich abgeschickt; es blieben
also mehrer nicht, als 15 und späterhin
kaum noch sechs in dem hiesigen Gebiete zurück.
Die kurre Zeit von drei Monaten, welche
-wischen der militair — und Civilbesitznähme
dahin flössen, glichen mehr einer Vorbereitung
rum politischen Tode, als einer ordentlich
fortgesetzten Regierung. Der Herr
Prälat, dessen Herzensgüte bekannt war,
zeichnete sich durch Unterstützung der Armen,
und Hilflosen in der Zwischenreit aus; der
Herr Oberrechner, und Klosteroekonom Ulrich
Schiegg, und der Herr Oberamtmann von
Huber bereiset«« die Gebiet-d-rfer, und berichtigten
mit denselben jene noch al-fallsigen
Rückstände, welche rum richtigen Abschlüsse
ersoderlich waren, den man spater als ein Muster
einer guten, und in allen ihren Theilen
wohl rusamenhangende Rechnung nicht verkannte
; der Herr Kanzler Joseph von Weckbecker
bearbeitete gemä? einem am öten
November von Ulm erhaltenen Schreiben
die statistische Uebersicht de- hiesigen
Reich-stiftes, welche dm istrn November
dahin adgieng. In gemäßheit derselben
hält.da- ottenbemischr Hebtet im Flächenmhal(
3Z2 )
s . -so», haltt vier, und 3/4 seographische Quadratmeist
, an Wohnung-häusern 1636, an Feu-
«rstädien 1736, und an Seelen 20051 in sich,
die au-wärtigen Besitzungen -u Zmmenstad am
Bodensee, zu Feldkirch im Vorarlbergischen,
und einige anderswo »erstreuten nicht mit ein-
Berechnet: den drei Orden-neuttngen, welche
Len -8ten des WetnmonatS ihr Probierjahr
löblichst vollbracht hatte», ward nach eigenem
Ansuchen wegen der eingetretenen Zeitumstandr
die feierliche Vergelübdung auf eine unbestimmte
weitere Zeitftist Wau- verlegt; man nahm auf
Vieles Bedacht , nur auf feine eigene Vortheile
vergaß man, und ließ ave Meubeln, alle Naturalien,
und alle Vorräche an Ort, und Stelle ver*
-leiden; theil- weil man sich von einem mächtige«
katholischen Fürsten die fchonendste Behandlunin
jeder Hinsicht versprach, theil- weil man er
nicht wagen wollte, durch Verheimlichunsen.,
und schüchterne Nebenwege die Ungnade Höchst»
desselben wider sich# wie immer, aufzubringen
oder zu rechen.
Der 3<# Tag der Wintrrmvnat-, m
der letzte der so lange genossenen Reich-unmittelbarkeit
zeichnete sich «och mir einer besonder-
merkwürdigen, und heiligen Handlung
au-. Gemäß dem vo» dem Herrn Abre gemachten
Auftrage ward da- averheiligste Sakra(
353 )
krament von der hiesigen Pfarrkira-c aus ourch % rs«-
den dasigen Herm Ortspfarrer Sebastian Sidler
unter einer anständigen Begleitung des
Volkes nach Okarzned getragen» Bei der Annäherung
gierig der Verfasser ,ais damaliger Prior,
von Ministern,und einem rahlrerchen Volke
begleit« n. mit feierlichen Paramenten angethan,
dem ftomen Zuge beiläufig taufend Schritte «ntgegen,
«mpfieng da- AlKrheiÜgste aus der Hand
des ottenbeurifchen Pfarrers, trug dasselbe in
der erbaulichsten Ordnung, und mit einem unbeschreiblichen
Troste der muen Pfarrgenossm
in die sehr schöne , und «et» gebauete Pfarrkirche,
setzte es unter den vorgeschriebenen
AeremomM feierlich bei-hielt hierauf über dir
Worte des heiligen Johannes 1. Kap; ^ Allen
„aber, die ihn aufnahmen, gab er die Vorrechte ,
», Kinder Gottes $« werden " «ine Predigt , und
nach geendigter Rede das feierliche Hochamt mit
Ministern - worauf öffentliche Bethftunden bis
rum Schluffe des Tages wechselten» herzlich
frohe war -er Dank , den die Vorsieher im
Gemeinde «ach der Tischzeit unter Krevden»
thränen für die unveMffttche Wohtthm abstatteten,
und wir ave, die wir r« dieser settenen
Feierlichkeit das Unferige beitrugen - kehrten
mit vielem Vergnügen Abe;rd- ÄachHause
zurück.
2. tv. D. »3 " <8an|
( 354 )
9 . igo2. Ganz anders sah cs am folgenden Tage,
den iteo des Chriftmvnats aus. Der fürstlich
kemptische Herr Hosrath von Re«),
als Subdclegirtcr des Churfürstlich - baierschen
Kommissärs inKempten, Herrn von Breuning,
traf morgens halb acht Uhr in der Behausung
des H tm Kanzlers von Wcckbecker
sammt einem Sekretär ein, begab sich nach
«imgrr Unterredung in Begleitung des bemeldten
Hem» Kanzlers in die Abtei , überreichte
zuerst das gedmckte Churfürstlich - Haierische
Besihnahmsdekret * , worinn alle bisherige Unterthanen
^ufgefodert wurden. Seiner Churfürsitichen
Durchlaucht ztt Pfalzbaiern, als
ihrem muMehrigen Htm i ireu y und gehorsam
zu seyn; tzienächst wies der Herr Kommissär
Dem Herrn Abte fern Kommissorium vor,
und gab Hoch Demselben dmch den Herr« Kanzler
-uverftchrn,daß<r sich von nun an weder
iitti Regieru^sgeschäfte, noch um Hie Käme»
ralverwatwng -an-umhmm chätte. Worauf
sich Der Herr KommMar in sei« zubereitetes
Wohnzimmer zurückzog, von wo aus er
-re
* DaMde tooibf bth ften Äbendo von dem
Hiesigen Drrsvorstchev Martin Zugsthwert
Auf dem Rardstzarrfe der Bürgerschaft, und
»m folgende« Zestragv der EmpfängnG Ma»
tto i« , «UeYi Gedietspsarrgemeinde» wwf Befehl
öffentlich vorgelesen»
( 355 )
die versammelten Herren Beamt«« mit dem^'
Austrage <m den Herrn Abt hinwies, vvn
Hochdemselben dieEntlassung von chren eidliche«
Pflichten an dessen Person f «nd <u* da- Gotteshaus
ja erwirken^ Der Herr Prälat ertheilte
dieselbe unter dem schon einmal ausdrücklichgemachte
« Vorbehalte seiner
Rechte,mid Pflichten an Kaiser, «nd Reich!;
jene dankten unter häufige« Thränen für alle von
dem Gotteshause empfangene, und genossene
Wohlthaten, worauf sie der Herr Abt unter
dem Ansuchen ihres weitern ftelmdschäfttiche»
Beistandes , «nd Raches von sich entließ,
Ztzt nahm bet Herr Kommissär das entlassene
Oberamt in Ehurfürsttiche bairrfche
Pflichk, ertheilte demselben den Auftrag seine
neue Eidesleistung der provisorischen Landesregierung
in Kempten einjoftnde« > der Herr
Kanzler von Weckbecker ward im Politischen-
«nd Rechtliche« als Interims * Stiftöverwal»
ter, der Herr Oberanrtman« von Huber alprvvisorischer
Kameralbeamter -aufgestellt , das
(hurbaiersche Besitznahmspatent an dem außer»
Thor- «nd a« dem grossen Kirchenportal ao»'
geschlagen, anstatt des bisherige« das boten»
sch« Wa-pe« ausgegangen - «och dem
% H tttittf*
1802
( 356 )
I. »8or. nämlichen Morgen der allgemeine Kassensturz
vorgenommen, die Klvstergemeinde in dass
genannte Mufäun» zusammen berufen, jedeeinzelne
Ordensmitglied über das Alter, ProfesslonSzeit,
Beschäftigung, Zufriedenheit, und
so weiter befragt, und von dem rten bis i4ten
Dezember alles Kirchensilber, die Paramente,
GefLsse hier und in Eidern, alles Tafel —
vnd Köchegeräth, all der grosse Vorrath an
Früchten, und Naturalien, alle Meubeln der
Hast — und anderer Zimmer, die zahlreiche«
Gemählde in dem BUderfaale, die Einrichtungen,
und Werkzeuge aller Offizinen, da-
Weinlager in den verschiedenen Kellern, die
"vielen Pferde, Zug — und Mastthiere, und
«eben vielen andern Sachen, welche Geld
machten, auch so gar die persönlichen Würdeinsigmen
de- Herrn Abtes, nicht ohne dessen
Betroffenheit, genauest bemerkt, und «ach
der Schliessung / und - Versieglung des
Archivs, und des Büchersaals zur grossen
Entschädigunsmasse bestimmt. Alle diese w
gemein beträchtlichen Vvrräthe, und die Baar^
schaft am Gelde sammt den hinterlassenen
Akivrückständen -eckten hinreichend allen durch
die schweren Kriegstaj^n merklich vermehrten
Passwstand eines Stiftes, welches gemäß
einer, von dem Hem» Ulrich Schiegg
redC
357 >
«MI* , «nt gmiffmhaft eirfürHgttn, tm>3- «>»
nachmals eingereichten Fasston. 130, 000 Gulden,
als jährliche Einkünfte, bejog. \
So erlosch ( l-ostzntlich nicht füe immer>
nachdem sich in der Zwischenreit der gebieterische
Einfluß Frankreichs auf die deutschen Staate»
verloren hat, utifr das linke Rheinufer, alder
damals angenommene Entschädigung--
gründ, wieder m Deutschland zurück gekehrt
ist ) in diesem Iahre^das malte S tift Otten«
beuten, welches durch länger, als Tausend
Jahre tut Aufnahm der Religion, und der
guten Sitten angelegenst das Seinige beittug,
der Kirche , und dessen sichtbarem Oberhaupte
bi den verwirrtest«» Zeiten mit der uns
verletztesten Treue anhieng,. an der genauen
Pflichterfüllung m Kaiser, und Reich niemals
etwas ermangeln ließ, dem deutsches
Vaterlande, ungeachtet feiner sehr theuer erkauften,
und erworbenen-Freiheit, bei harten,
ttffe gefährlichen Zeiten die liberalesten
Beiträge lieferte, dem. Eindringen des Iw
chmnes,
* Diesig dep jährlich*» Lrträgniffe
stimmte man nachmal» aus (eicht erineßlt»
chen Ursachen «eit unter die Halbchetve
herab. v
( 358 >
2-- thumes, des Sittenverderbnisses, und de» Unglaubens
sich jederzeit standhaft widersetzte,
seine Besitzungen niemals anders, als durch
gerechte Mittel, und auf rechtlichen Wesen
erweiterte, unter feinen 55 Siebten, welche
dasselbe regierten, größtentheits entweder heilige,
oder fönst tugendhafte, weife unfc klnge
Regenten, und Haushälter zählte , beinahe
50» Jahre lang keine andere, als selbst
die allerhöchsten Reichsregenten für feine mächtigsten
Schutzherren erkannte, selbst mehreregeistliche
Kolonien pflanzte, und die gepflanzten
zu einer ansehnlichen Grösse beförderte,
neben der häußlichen Pstanzschule, und der
ersten Besetzung der bald hernach öffentlichen,
und hohen Schule zu Salzburg an verschiedenen
andern Plätzen löbliche Lehranstalten errichten
half, allenthalben gelehrte, und taug-
I liche Männer zum Lehramte versendete, mit
vielem Aufwande das Reich der Wtssenfchaften
erweiterte, den freien Künsten empor half,
die Künstler reichlich belohnte, dem öffentlichen
Gottesdienste, und den Tempeln Glanr,
und Würde verschaffte, dem Taglöhner, und
Handwerker durch Aufführung vieler und grosser
Gebäude Nahrung, und Brod gab, die
sowohl einheimischen, als auswärtigen Armen,
und Verunglückte» mit einem grossen
Theile feiner jährlichen Einkünfte, der Ordensre(
359 )
regek,nnd der hohen Absicht dergottseligeir Stifter % ißoa,
gcm4§, unterstützte , und nicht nur die Landeskultur
mit vielem Eifer betrieb, sondern
auch die Kultur des Verstandes, sowohl durch
einen öffentlichen stets fortgesetzten, und einer
zahlreichen Jugend ertheilte« wiffenschäftlichen
Unterricht, als durch einheimische Tugendhelspiele
einer fortgepflanzten regelmässigen/
und erbaulichen Hausordnung-, und Klosterzucht
mit aller Anstrengung stets in einem guten
Stande, und Fortgange erhielt. So erlosch
dasselbe zu einer Zeit, wo da- geschwächte
Reich unter dem schweren Drucke der kolossalischen
Frankenrepvblik schmachtete , w»
Frankreich die Ln der Geschichte unerhörte
Verweltlichung aller deutschen geistlichen
Stifter sammt der Abtretung des linken
Rheirmfers als eine Hauptbedingniß, zu einiger
Friedenshoffnung aufgestellt hatte, und
wo das deutsche Reich gegen feinen Willen,
um gleichwohl einen nachtheiligen z und kurzen
Frieden zu erkaufen, sich alles mußte gefallen
lassen; zu einer Zeit endlich erlosch dasselbe,
wo alle zu einem Friedensopfer bestimmte
geistliche Mltstände des Reichs, anstatt nach
jo vielen gememschäftlich erstandenen Leiden,
Drangsalen, Beschwerden, Ausleerungen,
Gewaltthätigkeiten, Gefahren, und Uebeln eine
Ruhepause zu geniesten, und gleich den
Etlichen Mitständen sich in ihrem eigenthümlichen
c >
3» !8o*‘ lichtn Besitzstände ohne ave VergkLfferimg,
und auch so gar ohne alle weitere Entschädigung,
wozu die deutsche Geistlichkeit nach
den bis dahin bestandenen gleichen Rechten des
Reichsvereins, und nach aller Billigkeit wie
die weltlichen ReichsmitKände gleich berechtiget
war, sich zu erhalten,, gegen die
bi» dahin aufrecht erhaltenen Grundsätze des.
deutsche» StaatenvereinS gänzlich! erdrückt,
und ohne Schonung vernichtet wmden> Doch
jetzt gibt es andere Verhältnisse, und andere
Ansichten. Gott erhebe dich, und mache
den Richter in deiner Sache!
Psalm 79* v. rz.
v . J. Q. G. D.
2 Zette 300