31.07.1914– Verhängung des Kriegszustandes
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Glaubte man noch wenige Tage zuvor, der Konflikt zwischen Serbien und dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich würde lokal ausgetragen, so war die Meldung aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 1. August 1914 („Im Namen seiner Majestät des Königs“) doch unmissverständlich: Bayern sowie das gesamte Deutsche Reich befanden sich nun – 43 Jahre nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wieder im Krieg.
Warum es einen Krieg gab, wurde andeutungsweise im Ottobeuren Volksblatt vom 4.8. deutlicher. Der Gegner war verklausuliert und das Kriegziel - hier ist die Rede davon, den „Ansturm niederzuschlagen“ – war auch der Heeresleitung selbst nach Monaten noch nicht klar.
Frevelnde Hand will unsere Fluren vernichten und deutsches Wesen soll von Fremdlingen bezwungen und ausgerottet, der deutsche Wohlstand untergraben werden. ... Seit Jahren betreibt man die Einkreisung unseres Vaterlandes mit allen Tücken. Im Südosten unseres Weltteiles wurde der Brand entzündet. Er sollte hinübergreifen in das uns verbündete Habsburger Reich und dessen Thron ins Wanken bringen. ... Um das Mördervolk vor verdienter Zucht zu schützen, rüstete das russische Riesenreich sein Heer. Es sollte Österreich-Ungarn in den erhobenen Arm fallen. Der deutsche Bundesgenosse forderte die Lokalisierung des Krieges, und die Antwort war die Mobilisierung des ganzen russischen Heeres. Der Zar stützt sich auf die Hilfe des ihm verbündeten Frankreichs und von Ost und West haben wir die Feinde zu erwarten. Unser gutes Schwert wird Deutschland schirmen und den Ansturm niederschlagen.
Tatsächlich hatte Russland als erstes mobilisiert und war in Ostpreußen eingedrungen.
Das Ottobeurer Volksblatt (bis 1909 Ottobeurer Wochenblatt) erklärte am 4.8.1914 auf Seite 3:
Wegen der kriegerischen Ereignisse sieht sich der Verlag dieses Blattes veranlaßt, ab 5. August das Geschäft zu schließen auf unbestimmte Zeit. ... Die Zukunft möge unserem Heere den Sieg bringen.
Es gab (vermutl. seit 1898) für Ottobeuren eine weitere Zeitung – das „Ottobeurer Tagblatt“. Dieses erschien weiterhin und auch über den 1. Weltkrieg hinaus.
Eine der ersten Maßnahmen vor Ort war die Sicherung von Bahn- und Telekommunikationsanlagen. Auf Seite 3 stand am 1.8. folgende Bekanntmachung des Königlichen Bezirksamtes Memmingen (entspricht dem heutigen Landratsamt):
Zur Sicherung der Bahn-, Telegraphen- und Telephonanlagen gegen böswillige Zerstörungen wird ein besonderer Bewachungsdienst eingerichtet.
Diesen Dienst verrichten Zivilschutzwachen, die von den Gemeinden gestellt werden.
Die Schutzwächter sind durch eine am rechten Arm zu tragende weiß-blaue Binde kenntlich gemacht, und sind bewaffnet. Sie sind ermächtigt und verpflichtet, verdächtige Personen, die auf dem Bahnkörper oder in dessen Nähe sich herumtreiben, aufzugreifen und allenfalls von der Waffe Gebrauch zu machen.
Eine unmissverständliche Warnung an Kriegsdienstverweigerer ergab sich aus der kurzen Meldung am 4.8. auf Seite 1:
Wien, 1. August. Ein österreichischer Infanterist in Peterwardein weigerte sich, weil er Nazarener war, die Waffe zu gebrauchen. Er wurde sofort wegen Ungehorsams erschossen.
Begriffserklärung: Unter dem „Nazarener“ dürfte es sich hier um einen Angehörigen einer adventistischen Sekte gehandelt haben (19. Jh. in Südwestdeutschland u. der Schweiz).
Am 1. August standen noch Friedensappelle im Vordergrund. Berichtet wurde über neun Demonstrationen der Sozialdemokraten in Leipzig. Schon eine Ausgabe später berichtete das Ottobeurer Volksblatt von der „Kriegsbegeisterung der Ruthener“ – sozusagen als Vorbild für das auch in Ottobeuren gewünschte patriotische Verhalten:
Lemberg, 1. August. Begeisterte Kundgebungen veranstalteten gestern die Ruthenen. Eine 500-köpfige Menge, darunter viele Vereine mit Fackeln, Fahnen, Tafeln und Musikkapellen zogen von der Statthalterei zum Korps Kommando und zum Offizierskasino unter den Rufen: „Es lebe die österreichische Armee, es lebe der Dreibund!“ Wahrhaftig begeisterte Kundgebungen erfolgten vor dem deutschen Konsulat, unter Händeklatschen und Tücherschwenken wurden vor dem Kaiserlichen Adler nicht endenwollende Hochrufe auf Kaiser Wilhelm ausgebracht. Mit entblößten Häuptern wurde die Nationalhymne gesungen.
Info zu den galizisch-ukrainischen Ruthenen hier. (Link nicht mehr verfügbar!)
Die Menschen wurden vor allem auch an ihrer Ehre gepackt. Am 4.8. wird unter der Überschrift „Der Krieg hat begonnen!“ wie folgt aus einem Telegramm des bayerischen Königs Ludwig III an Kaiser Wilhelm zitiert.
Das bayerische Heer ist heute mit dem Beginn der Mobilisierung unter deinen Befehl als Bundesfeldherr getreten. Schon in Friedenszeiten in dem Geist erzogen, der die deutschen Truppen vor 44 Jahren zum Siege geführt hat, wird das bayerische Heer sich des Vertrauens würdig erweisen, das ganz Deutschland in seine Kriegstüchtigkeit setzt. Nie ist das Deutsche Reich vor einer ernsteren Entscheidung gestanden als in dieser Stunde, in der seine Fürsten und Völker wie ein Mann aufstehen, um seine Ehre, seine Stellung, seine Zukunft gegen mächtige Feinde zu verteidigen. Nie aber wird die unerschütterliche Treue, in der die Deutschen zusammenstehen, sich überwältigender offenbaren als in dem Kampfe, der uns aufgezwungen wird. Das Vertrauen auf Gott und seine Gerechtigkeit wird unsere Heere stärken, im Bewußtsein ihrer Geschlossenheit, ihrer eisernen Manneszucht und ihres ernsten Mutes werden sie, wenn es zum Krieg kommen sollte, den Kampf für das treue gemeinsame Vaterland, für den Ruhm und die Würde des deutschen Namens in Ehren bestehen. In dieser Erwartung heiße ich Bayerns Söhne, sich um ihre Fahne scharen und bitte zu Gott, er möge, wenn der Kampf entbrennt, den deutschen Waffen den Sieg verleihen.
Die Antwort von Kaiser Wilhelm II. ist ebenfalls in der Zeitung abgedruckt.
Eine weitere Aufarbeitung steht noch aus. Hier abrufbar sind die Seiten der beiden letzten Ausgaben (1. und 4. August 1914; die Samstagsausgabe vom 1. August hatte sechs Seiten und ist als Datei 17,5 MB groß). Die Zeitungen wurden von Heidi und Hans Kraft dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Die Originalseiten wurden von Helmut Scharpf gescannt und aufwändig digital restauriert.
Weiterführende Links:
Heute-Nachrichten in 100 Sekunden von 1914 modern aufgemacht; (Link nicht mehr aktiv!) Link hier.
Segensgottesdienst in der Abteikirche am 03.08.1914.