15.01.1899 - Primiz von Johann Evangelist Leuchtle

Titel

15.01.1899 - Primiz von Johann Evangelist Leuchtle

Beschreibung

Am 14. Januar 1899 kündigte der damalige Ottobeurer Pfarrer im Ottobeurer Wochenblatt das Ereignis an:
Primizfeier! Am Sonntag, den 15. Januar, feiert der Hochw. Herr Joh. Ev. Leuchtle in der Pfarr- und Klosterkirche zu Ottobeuren sein erstes hl. Meßopfer. Beginn des Festzuges in die Kirche um ¾ 9 Uhr. Zu dieser Feierlichkeit ladet freundlichst ein das Kath. Pfarramt Ottobeuren, Pater Wilhelm Obermayr, O.S.B.

Wie der Zeitungsartikel am 18.01.1899 anmerkte, war bereits vorgesehen, dass Johann Leuchtle in eine Pfarrei im Dekanat Eichstätt kommen sollte. Im Internet findet sich ein Treffer, der seinen Wirkungsort in Wernfels im Landkreis Roth (Mittelfranken) belegt. In der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Wernfels heißt es in einem Satz über die Anschaffung einer Vereinsfahne: „Dann wurde 1905 eine Fahne beschafft, wozu Pfarrer Johann Leuchtle und die Gemeinde Wernfels namhafte Beträge spendeten.“

Wo das Elternhaus der Leuchtles stand, geht aus dem Artikel nicht hervor, es gibt für die Klosterwaldstraße 35 (alte Zählung, heute Haus Nr. 22) einen Hinweis, der Hausname war „beim Leuchtle“. Johann war der Urgroßonkel des heutigen Heimatdichters Hermann Schmid, dem sein Vater erzählte, Johann wäre „hochintelligent und für viele ein Vorbild“ gewesen.

Durch Beschluss vom 5. April 1897 war Michael Leuchtle, Söldner, zuvor erst in Westerheim, dann in Betzsried beheimatet, das Heimatrecht in der Markt-Gemeinde Ottobeuren verliehen worden. Michael könnte der Vater von Johann Evangelist Leuchtle gewesen sein.

Auf dem Foto abgebildet sind auch die drei Primiz-Bräutle bzw. Primiz-Bräutchen. Die Primiz-Krone hält Carolina („Lina“) Ott (Tochter von Katharina und dem Kaminkehrermeister Karl Ott; später verheiratet mit Karl Schurrer) in Händen.

Auf der Rückseite des Fotos findet sich folgende Widmung: „Seinem lieben Bräutchen Lina Ott zum Andenken an Johann Ev. Leuchtle, Primiziant, Ottobeuren, 15. Januar 1899.“

Hier nun der Text aus dem Ottobeurer Wochenblatt Nr. 5 vom 18.01.1899, S. 2f:
Primizfeier. Ein seltenes Fest im Winter konnte Ottobeuren in diesen Tagen feiern, eine Primiz. Die Rührigkeit, die so viele Hände zeigten, um dem untern Flecken ein festliches Kleid zu geben und die feierlichen Klänge der Hosanna am Vorabende verkündeten es schon voraus. Und in früher Morgenstunde wurden die Einwohner schon geweckt durch die Blechmusik, um den festlichen Tag zu begehen. Um 9 Uhr wurde dann der Hochwürdige Herr Primiziant, Johann Ev. Leuchtle von seinem Hause in feierlichem Zuge abgeholt. An dem Zuge, der sich durch den errichteten Ehrenbogen und die prächtig geschmückten Straßen, unter den Klängen der Blechmusik bewegte, nahmen der Gesellenverein, der Veteranenverein, die Feuerwehr und die Geistlichkeit teil, der Herr Promiziant wurde geführt von dem Hochw. Herrn Primizprediger, Herrn Distriktsschulinspektor Martin Sontheimer und Herrn Pfarrvikar Pater Wilhelm. Der Geistlichkeit folgten nach die anmutig gekleideten Bräutchen mit der Primizkrone, die zum Teil aus weiter Ferne herbeigeeilten Verwandten und Wohlthäter des Herrn Primizianten und dann die Gemeinde-Verwaltungen. Unter dem feierlichen Geläute der Glocken zog der Festzug ins Gotteshaus, wo ihm die festlichen Töne der großen Orgel entgegen rauschten. Nach dem Veni sancte spiritus bestieg der Hochwürdige Herr Primizprediger die Kanzel und sprach in kräftien, dem Hochw. Herrn Primizianten wie allem Volke zu Herzen gehenden Worte von Hirtenliebe, Hirtenleid und Hirtenlohn. Beim feierlichen Primizamte assistierte dem Herrn Primizianten als seinem Vetter und ehemaligen Schüler Herrn Pater [Kaspar] Kuhn, während Herr Pfarrviakr Pater Wilhelm [Obermayr] und Herr Kaplan Karl Mayer levitierten [als Priester begleiteten; siehe auch: Levitenamt]. Mit kräftiger Stimme sang der Hochw. Herr Primiziant sein erstes Amt, bei dem auch der Musikchor sein Bestes leistete. Nachdem die Töne des te deum verrauscht waren, kehrte der Zug wiederum zum elterlichen Hause des Primizianten zurück, wo die Primizbräutchen, wie schon beim Wegzuge ihre Gratulation in schönen Gedichten dem Herrn Primizianten darbrachten. Wenn wir alles zusammenfassen, was an diesem Tag wohl der Hochw. Herr Primiziant gefühlt hat, wir finden es am besten ausgesprochen in dem Psalm 121: Laudate dominum, quia benignus est, psallite nomini eius quoniam suavis est: Lobt den Herrn, denn er ist gütig, preist seinen Namen, denn er ist lieblich; wie freudvoll mag es so in seinem Herzen geklungen haben, da er selbst beseligt von der Gegenwart seines Heilandes ihn selbst darreichen durfte seinen Eltern und Verwandten.
Nachmittags hielt der Primiziant in der Kirche eine Litanei vor ausgesetztem Allerheiligsten. Das Festmahl fand in dem prächtig dekorierten Saale der „Post“ statt, insbesonders heben wir hervor das Bild des hl. Vaters, von diesem selbst geschenkt an Herrn Prälat Kneipp, der es dem Kloster schenkte und die Büste des Herrn Pater Kuhn. Das Mahl wurde verschönert durch die Vorträge der Blechmusik und die Deklamation der
Bräutchen. Dann brachte auch Herr Bürgermeister [Anton Frey] im Namen der Gemeinderatverwaltung und der ganzen Marktgemeinde dem Hochw. Herrn Primizianten seine Glückwünsche dar. Mögen sie alles sich erfüllen! Mögen die großen Heiligen des Benediktinerordens, in dessen Kirche er sein erstes hl. Meßopfer darbrachte, St. Willibald und St. Walburga, die Patrone der Diözese Eichstätt, in der sein Wirkungskreis sein wird, seine Fürbitter sein, auf daß er werden eine Leuchte im hl. Priesteramte und recht lange und segensreich wirke im Weinberge des Herrn.

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Erika Krainhöfner sei für die Zurverfügungstellung des Fotos recht herzlich gedankt. Gemacht hat es Johann Nepomuk Braun (1836 - 1914).
Abschriften, Digitalisat und Restaurierung: Helmut Scharpf, 11/2018

Urheber

Johann Nepomuk Braun

Quelle

Erika Krainhöfner

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1899-01-15