1753 – Bau des Zehentstadels in Dietratried durch das Kloster Ottobeuren
Titel
Beschreibung
1745 beschloss Abt Anselm Erb, in verschiedenen Orten des Ottobeurer Territoriums Zehntscheunen errichten zu lassen.* Einer dieser Zehentstadel wurde laut Wappenstein 1753 in Dietratried gebaut.**
Fährt man die Ortsstraße von Süden nach Dietratried herein, so steht an der Ecke zur Baumstraße als erstes Gebäude auf der linken Seite das am Mühlbach gelegene stattliche Gebäude des ehemaligen Zehentstadels.
1365 wurde Dietratried erstmals urkundlich erwähnt, laut Wikipedia hatte das Kloster Ottobeuren bereits im 14. Jahrhundert dort Besitz, der 1433 erweitert wurde.
**Auf der Ostseite findet sich das Wappen des damaligen Abtes von Ottobeuren, Anselm Erb, unter dem auch die Abteikirche – die heutige Basilika Ottobeuren – fertiggestellt wurde. Links oben sieht man das Stiftswappen, rechts oben das Konventwappen und in der Mitte unten sein eigenes mit den drei Sternen (siehe auch sein Wappen in der Pfingstkuppel der Basilika), verteilt die Buchstaben A.A.M.O. (für: Anselmus Abbas Monasterii Ottenburani bzw. Ottoburani). Seine Regentschaft währte von 1740 bis 1767 und in dieser Zeit – genauer: 1753 – wurde der Zehentstadel in Dietratried gebaut.
Die Inschrift der unter dem Wappen angebrachten Tafel lautet:
„Zehentstadel von Dietratried, erbaut um 1700 vom Kloster Ottenbeuren, seit 1802 bayerisch.“
Das Erbauungsjahr ist somit etwas zu früh angesetzt. Ottenbeuren war eine früher lange übliche Bezeichnung von Ottobeuren, die zuletzt Karl Schnieringer durchzusetzen versucht hat. Mit der Säkularisation wurde das Staatsgebiet von Ottobeuren dem Herzogtum Bayern einverleibt. Für Dietratried wurde 1802 in dem verlinkten Artikel aus den Heimatblättern Ottobeuren angegeben: 26 Häuser, 26 Feuerstellen, 129 Seelen.
Heute wird der Zehenstadel landwirtschaftlich genutzt.
Am 13.09.2020 soll der Stadel im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Tag des offenen Denkmals“ zu besichtigen gewesen sein. In der Liste der Baudenkmäler in Wolfertschwenden des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege wird das Gebäude unter der Nummer D-7-78-218-11 aufgeführt, verbunden mit der Adresse „Baumstraße 1“ und der Minibeschreibung „Zehentstadel, stattlicher Bau mit Halbwalmdach, Mitte 18. Jh.nachqualifiziert.“
Architektin Martina Gleich aus Babenhausen widmete sich in ihrer Masterarbeit 2011 in einem Kapitel der Liste des Landesamtes, die für das Unterallgäu 19 Zehentstadel auflistet, die zwischen 1515 und 1791 entstanden. Die Abgabe eines „Zehnten“ wurde 1848 abgeschafft. Dieses und weitere Hintergründe wurden in einem Artikel im Lokalteil der Memminger Zeitung vom 18.01.2021 auf Seite 25 („Was ist eigentlich ein Zehentstadel? Der Babenhauser Heimatforscher Dieter Spindler hat sich mit der Geschichte der markanten Gebäude befasst“) beschrieben.
*Pater Maurus Feyerabend erwähnt das Vorhaben von Abt Anselm Erb im vierten Band seiner „Jahrbücher“. Hier der Wortlaut (S. 25 über das Jahr 1745):
Zu Hause ließ man bis dahin nicht selten die schuldigen Zehenten, besonders in den fernem, und unwegsamem Gegenden, mit Gelde ablösen ; der Herr Abt fand bei der Einsammelung selbst mehrere ökonomische Vortheile, und wenigere Klagen der Zehentholden ; entschloß sich also zu Oeheim [Eheim], und nachmals auch noch an andern Plätzen besondere Zehntscheünen erbauen zu lassen, wobei die zwei kleinen Gemeinden Ollarzried, und Dingesweiler [Dingisweiler] eben so heftig, als vergebens abermals um die Errichtung einer neuen Pfarrei, und um einen besondren Seelsorger ansuchten.
Gabriele Dischinger zitiert dies sowie weitere Fundstellen in ihrer 2011 erschienen Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage Ottobeuren (S. 167, 179), auf S. 220 ist außerdem von einem Plan (Inv ZiT3 - die Abk. steht für „Zeichnungen für Objekte innerhalb des Ottobeurer Territoriums“) die Rede, der 1768 von Erbs Nachfolger, Abt Honorat Göhl unterschrieben ist und auf dem ein steinernes, ungefähr 4,5 m breites Brücklein üben den Mühlbach dargestellt ist. Ob diese Brücke realisiert wurde, sei nicht bekannt, so Dischinger. Die Länge der Brücke erkläre sich „aus ihrer geplanten Nutzung als Übergang für Fuhrwerke zwischen der Ortsstraße und dem 1753 errichteten Zehentstadel am südlichen Ortsausgang von Dietratried“. Auf den Seiten 223-25 schließlich noch eine interessante Information:
„Abt Honorat leitet im Ottobeurer Territorium ein groß angelegtes Wege- und Straßenbau-Programm ein, das einen Kostenaufwand von mehr als 30.000 Gulden erfordert. In dem Zusammenhang lässt Ottobeuren Grenzsteine herstellen, z.B. von dem Bildhauer Johannes Bonenberger. Einer der ersten Steine wird 1774 in Dietratried an der Grenze zwischen [dem] Ottobeurer und Kemptener Territorium gesetzt.“
Noch ein paar Fundstellen im dritten Band von Pater Maurus Feyerabend zu Dietratried und der bis Benningen und Memmingen reichenden „Sumpflandschaft“. Daraus geht hervor, dass es bereits vor dem Entschluss Erbs Zehentstadel gegeben hat. Beginnen wir mit dem Textauszug im Dreißigjährigen Krieg 1634 und 1635:
Desto schlimmer verfährt man mit den Zehendscheunen, und mit der Hab : alle Scheunen mit Ausnahme jener zu Frechenrieden sind leer ; von Pferden, und Hornviehe sieht man wenige Stücke ; drei Schafe machen die gesammte Klosterhab aus. Die Hausdienerschaft ist untereinander spaltig, und zwielichtig, und kömmt nirgendwo fleissiger und einmüthiger, als beim Tische zusammen. Die zwei Ammänner von Böhen, und Attenhausen, welche mit der Lieferung vorschriftmässig nicht beihielten, hat man in Eisen geschlagen, und gemäß einem Schreiben vom 17ten Dezember wurde das Dorf Dietratried, und das gesammte so genannte Thalrast [Thal oder Darast] abermal ausgeplündert.“
Nichts aber übertraf die unmenschliche Weise, womit die Schweden von den gemeinen Leuten die verheimlichten Gelder erpreßten. Einigen stiessen sie in dieser Absicht Ahlen, und Pfriemen durch die Waden, andere schossen sie, um Schrecken zu verbreiten, entweder zwischen den Füssen durch, oder jagten die Kugel durch den hohlen Leib ; wieder andere füllten sie unter Bedrohung, mit Füssen auf ihre aufgedunsene Leiber zu springen, mit
S. 422
Jahr 1635.
einer Menge Wassers so voll an, daß sie bloß zwischen dem Zerplatzen, und dem Entdecken ihres verheimlichten Nothpfennings [Notpfennigs] zu wählen hatten ; noch andere sperrten sie in die Backöfen, und heitzten dieselben so lange, bis es die Hitz eben so weit, als der Wasserzwang brachte. Alles dieses, und noch Mehrers verübten die Truppen des schwedischen Generals von Horn laut eines hand[ge]geschriebenen Pfarrbuches in dem ober Mindelheim gelegenen Dorfe Egg, dessen Pfarrer sich in diesem Jahre zehnmal flüchten mußte, und zehenmal wieder zu seiner Heerde zurücktrat *. Und noch war das Übel im Steigen, obgleich dasselbe schon jetzt noch zwei andere, nämlich eine blasse Hungersnoth, und eine weit um sich greifende Sterblichkeit in seiner Geleitschaft hatte. (...)
Jahr 1658. (Seite 484f.)
Zu Hause gab sich unser Abt Peter, woran es einemjeden regierenden Abte vorzüglich gelegen seyn sollte, sehr viel Mühe, sich mit allen Gerechtsamen [Vorrechten zur Nutzung von Grundstücken] seines Hauses vollständig, und gründlich zu befassen, weßwegen er alle von der Stiftung her noch vorfindliche Urkunden in ein Buch sammeln, die ausser den Sprachgebrauch gekommenen Ausdrücke der ältesten, und ältern Diplomen, und Urkunden mit untersetzten Bemerkungen erläutern, und so zur Erleichterung des Nachsuchens, und zur bequemmern Einsicht in alle häusliche Rechte hinterlegen ließ. Auch die Landeskultur gewann unter seiner Regierung. Das sogenannte Beninger Ried, eine äusserst sumpfichte anderthalb Stunden lange, und eine halbe Stunde breite Gegend, die sich unter dem Dorfe Dietratried zwischen Woringen, und Beningen [Benningen] bis nahe an die Stadt Memmingen erstreckt *, und beiläufig fünfthalb hundert Tagwerke, oder Jauchert im Umfange hält, lag bis dahin ganz öde, und unangebaut,
(* Bei Dietratried verschlieft sich ein Theil des Mühlbaches plötzlich unter die Erde, der andere erießt sich auf die hahe gelegenen Ebenen. Daher der grosse Sumpf. Bei Beningen quillt das Wasser aus der Erde wieder hervor, und sammelt sich.)
S. 485
und gewährte weder dem Menschen, noch dem Thiere einige Nahrung. Schon unter dem hochseligen Abte Maurus, ehe die Greuel des schwedischen Kriegs Oberschwaben ganz überschwemmten, dachte man einen Theil dieser fruchtlosen Plätze gemeinnützig zu machen ; man mußte aber das Ende des alles verheerenden Kriegs abwarten, und erst im J. 1652 nahm man das Geschäft neuerdings einem geschlossenen Vertrage gemäß vor *, welches endlich in diesem Jahre so ganz in's Reine gebracht wurde. Zwei und siebenzig Jauchert, oder Tagwerke des bis dahin öde gelegenen
Jahr 1659.
Erdreichs wurden in der Zwischenzeit für den gemeinen Nutzen gewonnen, und der Dorfgemeinde Beningen unter der Bedingung eingeräumt, daß dieselben zwar alljährlich von der Mitte des Maimonats bis auf den 25ten des Heumonats von der bemeldten Dorfgemeinde nach Belieben benützt, ausser der bedungenen Zeit aber der Stadt Memmingen zum freien Trieb und Tratt sollten offen belassen werden. Ein Unternehmen, das in der Folge mehrere Nachahmer fand.
Jahr 1660.
Zu Memmingen brachten die sogenannten grauen Schwestern, welche bei allen Gefahren der bedrängtesten Zeiten ihre geistliche Wohnung nicht verliessen, sondern unter dem Drucke einer schmachtenden Armuth von guten Menschen hie und da unterstützt in der Erfüllung ihrer Berufspflichten standhaft ausharreten, ihr halbzerstörtes Klösterchen, obgleich mit vielen Kosten, wieder in einen bewohnbaren Stand *.
Mit dem benachbarten Herrn Erbmarschall von Pappenheim errichtete Abt Peter wegen des Weilers Boßhart einen neuen Vergleich, welcher mit einer feierlichen Urkunde bekräftiget wurde. Ottenbeuren eignete sich Kraft desselben allen, bis an eine an, der Dietratrieder Steige
S. 487
stehend, Bildsäule, erheblichen Groß- und Kleinzehent, und Pappenheim allen andern unter der Bildsäule am Felsen- und Theinselberg gelegenen zu. Eben damals lebte auch die verwittwete Frau des Herrn Schwiger von Rotenstein, welche die erste sich wagte, zum Nachteile der Mühle von Hawangen eine Wässerung oben der so genannten Aymühle zu unternehmen, welches, obgleich alsbald als ein widerrechtlicher Eingriff mißbilliget, dennoch in Folge der Zeiten lange, und harntäckige Streitigkeiten veranlaßte.
----------------------------
Zur Ergänzung sind hier noch drei Fotos vom Kirchturm von St. Vitus in Wolfertschwenden eingestellt, auf denen das Wappen des letzten Reichsabtes von Ottobeuren, Honorat Göhl (Abt von 1767 - 1802), zu sehen ist. Sein Wappen bildet seit 1959 das Gemeindewappen von Wolfertschwenden. Auf der Ostseite ist oben zusätzlich das Wappen seines Vorgängers, Abt Anselm Erb, abgebildet.
Und als weitere Ergänzung zu unserer „kleinen Wappenkunde“ drei Aufnahmen vom Gasthof Adler in Sontheim, wo sich auf der Ostfassade das Wappen von Abt Rupert Ness (mit den drei Ringen) findet.
----------------------------
In Woringen (Memminger Straße 45) hat ebenfalls ein Zehentstadel überdauert. Gebaut wurde er vom Kloster in Kempten „um 1740“, wie es auf der Geschichtsseite der Gemeinde Woringen heißt. Weiter: „Am Zehentstadel wurde nur etwa 50 Jahre lang der Zehnte abgegeben. Er kam infogle der Säkularisation 1803 durch staatliche Verfügung in Privatbesitz.“
Auf der Ostseite ist ein Wappen mit drei Ringen zu sehen, es ist dies jedoch nicht das von Abt Rupert Ness von Ottobeuren. Eine Tafel am Gebäude gibt folgende Auskunft:
„ehedem Zehentstadel des Stiftes Kempten, erbaut von Fürstabt Anselm von Reichlin-Meldegg (1728 - 47)“
Das denkmalgeschützte Gebäude ist im Besitz einer Erbengemeinschaft und steht zum Verkauf. Die fünf Fotos wurden am 15.05.2021 aufgenommen.
----------------------------
In Ottobeuren selbst gab es bis 1713 einen Salzstadel: Links an der Genobank am kleinen Marktplatz befindet sich eine Tafel, die darauf hinweist.
Fotos und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 04/2020