11.10.1910 – neue Glocken aus der Glockengießerei Georg Wolfart (Lauingen) für St. Georg in Böhen
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Beschreibung
Bei diesem wunderschönen großformatigen Foto (22,5 x 29 cm) ist zwar der Anlass – der Transport von vier Kirchenglocken – eindeutig erkennbar, mangels Beschriftung blieb jedoch zunächst unklar, wann und warum. Aus verschiedensten Quellen (Unibibliothek Augsburg, Stadtarchiv Memmingen, Heimatmuseum und Stadtarchiv Lauingen) wurden Infos zusammengetragen, sie brachten aber noch keinen Durchbruch. Nachdem letztlich nur die Lieferung an eine benachbarte Pfarrei in Frage kam, brachte Abt Johannes Schaber die Beobachtung ein, es könnte sich auf dem Foto um den Böhener Pfarrer handeln. Fotos der Böhener Pfarrer fanden sich am 12.11.2020 bei einem gemeinsamen Besuch mit Pater Rupert Prusinovsky im Pfarrhaus von Böhen, wo in der ehemaligen Kanzlei tatsächlich die Pfarrer abgebildet sind, darunter Pfarrer Franz Xaver Haslach, der von 1910 bis 1916 in Böhen wirkte*. Der Klosterarchivar fand darüber hinaus ein Andenken an die Glockenweihe am 13.10.1910, was wiederum zum ausführlichen Artikel im Ottobeurer Volksblatt vom 27.10.1910 führte, indem der 11.10.1910 als Tag der Anlieferung genannt wird.
Die Glocken kamen aller Wahrscheinlichkeit per Bahn nach Ottobeuren, um dann per Pferdefuhrwerk weiter nach Böhen verbracht zu werden. Zusammen mit der historischen Glocke von 1524 verfügte Böhen nun über insg. fünf Glocken, die am 19.10.1910 erstmals gemeinsam geläutet werden konnten. Es ist leider davon auszugehen, dass die meisten Glocken – wie auch die Kneipp-Glocke in Stephansried – schon 1917 wieder abgehängt werden mussten, um Waffen und Munition herzustellen. Links hinter Pfarrer Haslach könnte Georg Wolfart zu sehen sein.
Wer einen fundierten Bericht über den Werdegang der Lauinger Glockengießerei Wolfart lesen möchte, dem sei der Sonderdruck aus dem 81. Band der Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, den der Leiter des Heimathauses Lauingen, Bernhard Ehrhart, dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, empfohlen:
Fitzek, Roman: Die Glockengießerei G. Wolfart in Lauingen und ihre Vorgänger, Augsburg, 1988, S. 117 - 168.
Hier der Bericht aus dem Ottobeurer Volksblatt vom 27.10.1910, S. 1f.:
Neues Geläute.
Böhen, 23. Oktober. Als die Kunde vom baldigen Eintreffen der neuen Glocken eintraf, regte sich in den letzten Wochen allenthalben helle Freude, die sich zu wahrer Begeisterung steigerte. Dies zeigte sich am Dienstag, den 11. ds. Mts., als die neuen Glocken abgeholt wurden, sowie am Donnerstag, den 13. ds. Mts., dem Tage der Weihe und des Aufzuges derselben, wie auch am Kirchweih-Sonntag, als die neuen großen Glocken den Festtag begrüßten. Auf prächtig geschmückten Wagen wurden sie verladen und selbst sinnig geziert, wozu neben zartem Tannenenreisig Epheu, veredelte Tuja Gewächse und Rosen mit anderen Gartenblumen Verwendung fanden. Freilich hatte die warme, so seltene Sonne die zarten Blümchen bald um ihren schönsten Schmelz gebracht.
Vor dem Pfarrdorfe wurden die von je 4 Pferden gezogenen Wagen vom Pfarrer und Volk unter Vorantragen von Kreuz und Fahnen und den Klängen der hiesigen rührigen Blechmusik zur Pfarrkirche geleitet. Nun gab's ein freudiges Schauen und Besprechen wie bei Kindern am hl. Abend. Allgemeine Anerkennung fand der reine, schöne Guß, wie auch die stilgerechten Verzierungen und geistvollen Inschriften:
Die 1. Glocke, dem Patron der Pfarrkirche, Georg, gewidmet, zeigt in hübscher Ausführung das Bild des Heiligen und den Text des Psalmes: „Auf dich, o Herr, habe ich gehofft und ich werde nicht zu Schanden werden.“ — Gestiftet von Gottlieb Holderied, Kirchenpfleger, 1910. Das Gewicht dieser Glocke beträgt 8 ½ Zentner. Die 2. Glocke, dem hl. Josef gewidmet, 13 ½ Zentner schwer, trägt die Aufschrift: „Dein Segen, o Herr, ist über deinem Volke.“ Ps. 3, 8. Gestiftet von Roman Bischlager in Böhen 1910. — Als 3. Glocke versieht die frühere große, alt-ehrwürdige Glocke aus dem Jahre 1524 ferner ihren hl. Dienst. Dieselbe trägt nur den verdeutschten Text: „Durch diesen Schall mögen weichen Feinde und schädliche Wetter. Im Jahre des Herrn 1524.“ Zur Ehre des Glockengießermeisters Wolfahrt [Wolfart] in Lauingen muß gesagt werden, daß es ihm vorzüglich gelungen ist, die Stimmung der neuen 4 Glocken B-G-Es-C dem F dieser alten Glocke anzupassen. Das Gewicht derselben mag etwa 24 Zentner betragen. Wirkungsvoll zu den Tönen der 3 genannten gesellt sich die 4., dem heiligsten Herzen Jesu geweihte, 28 Zentner schwere Glocke. Neben dem kurzen, aber vielbedeutenden Gebetlein: „Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser!“ weist dieselbe als Stifter die Familie Hartmann von Fricken auf. Vorzugsweise den „Sonntagsdienst“ zu versehen, ist der Zweck der Herz-Jesu-Glocke, während die 5., fast 48 Zentner schwere, mit ihrem weichen, klangvollen C hauptsächlich an den Festtagen ihres schönen Amtes walten wird: Die Herzen zu erheben und für das göttlich Hohe zu erwärmen. Das Geläute im ganzen wie im einzelnen ist wie der von derselben Firma gelieferte eiserne Glockenstuhl eine durchaus wohlgelungene Arbeit zu nennen. Die Aufschrift dieser Glocke lautet: „Ruf bis zum End' der Zeiten unsern Wahlspruch in die Weiten: Dem großen Gott unserer Herzen, dem Geiste der Erneuerung und Vollendung, sei Liebe und Dank in Ewigkeit. — Gestiftet zu Ehren des heil. Geistes von den Pfarrkindern Böhen's unter Pfarrer Haslach und Bürgermeister Georg Engel 1910.“ Es kam der Tag der Weihe und des Aufzuges – eine seltene Begebenheit in einer Gemeinde. Deswegen sollte diesem Tage nach den Plänen unseres Pfarrers ganz der Stempel des kirchlichen Festes aufgedrückt werden. Mächtige Fahnen, rote mit weißem Kreuze, und weiß-blaue, wehten vom Turme und verrieten in ziemliche Ferne, daß im stillen Böhen etwas Besonderes stattfinde. Auch der Himmel zeigte seine Huld und erhöhte durch das herrliche Wetter die festlich freudige Stimmung.
8 geistliche Herren waren zur Feier erschienen und wirkten in liebenswürdiger Weise mit. Um 8 Uhr versammelte der Fest-Gottesdienst die meisten Pfarrangehörigen und sonstige Gäste, auch Neugierige, in der Kirche, die ihr Festtagsgewand angezogen hatte. Hochw. H. Domkaplan Oblinger von Augsburg sprach in der Festpredigt über die Bedeutung der Glocken, Hochw. H. Pater Prior vom benachbarten Ottobeuren hielt unter Assistenz der Hochw. H. Pfarrer Böckeler (Probstried) und Eisenmann (Zell) das levitierte Hochamt, während der Veranstalter des Ganzen, unser Hochw. H. Pfarrer, ebenfalls unter Assistenz und Teilnahme der übrigen geistlichen Herren mit bischöflicher Vollmacht die Weihe der Glocken vornahm.
Die umständlichen Vorarbeiten im Turme waren endlich unter der umsichtigen und unermüdlichen Anleitung unseres Zimmermeisters Joseph Schmalholz soweit gediehen, daß nachmittags ½ 2 Uhr der Aufzug der neuen Glocken stattfinden konnte. Zum 1. Male am Mittwoch, den 19. ds. Mts., kam abends der Akkord der 5 Glocken zu Gehör. Allgemeines Wohlgefallen, allseitige Freude und einmütiges Lob über das glückliche Gelingen unserer Glocken-Angelegenheit ist die Kritik der Pfarrangehörigen. Dem neuen Geläute folgt in den nächsten Wochen die neue Turm-Uhr aus der Uhren-Fabrik Theodor Fendt [1837 - 1907] in Markt-Oberdorf [Marktoberdorf]. Wie notwendig hat eine Gemeinde eine Turm-Uhr! Möge sie viele Stunden des frohesten Glückes bringen!
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Zum Prozedere der ursprünglichen Recherche-Überlegungen:
Zur 1100-Jahrfeier 1864 wurden für die Abteikirche in Ottobeuren neue Glocken angeschafft, da gab es den Typ Fahrrad aber noch nicht, geschweige denn Karbidlampen, die an Fahrrädern erst ab 1896 eingeführt wurden. Der Draht zweier Gleichstromleitungen verweist auf die Zeit nach 1901. Für die Glockenweihe 1926 ist die Szene vor dem Ratskeller, damals das „Wein-Restaurant“ von Adolf oder Johann Fergg (mit Blick auf Knabenschule und Hirsch sowie links auf das heutige „Little Italy“), hingegen deutlich zu alt.
Zwischen zwei Frauen vorne links steht der damalige Böhener Pfarrer
Die Recherche konzentriert sich seit 11.9.2020 auf die 1955 aufgegebene Glockengießerei Wolfart-Kuhn (vormals Georg Wolfart) in Lauingen. Auf der großen Glocke rechts ist die Aufschrift der ersten beiden Zeilen erkennbar als: Gg. Wolfart in Lauingen
1910 erschien bei Auer in Donauwörth ein Buch mit 53 Seiten, das von der Glockengießerei selbst herausgegeben wurde und gelieferte Glocken zwischen 1893 und Ende 1909 beschreibt. Ottobeuren wird nicht erwähnt, dafür im Mai 1905 Hirschzell (bei Kaufbeuren), Untrasried (Dezember 1906), Probstried (Juni 1907) und Memmingen (eine Glocke im September 1909). Die Universitätsbibliothek Augsburg hält die Schrift vor, sie wurde am 16.9.2020 eingesehen. Es wäre möglich, dass die Glocken (nach Oktober 1900) per Zug nach Ottobeuren kamen, hier geweiht wurden, dann aber in eine Nachbarpfarrei gingen.
Eine Durchsicht der Ottobeurer Wochenblätter von 1896 bis 1910 ergab Hinweise auf Lieferungen anderer Glockengießereien. Ende September 1905 wurde der Kirchturm von Lachen (Unterallgäu) eingeweiht, von der Hamm'schen Glockengießerei Augsburg (1875 - 1922) wurden hierfür vier Glocken geliefert. Die Glocken wurden in Memmingen abgeholt, der Pfarrer auf unserem Foto ist nicht Martin Sontheimer. Im Juli 1901 wurde für die Kapelle in Hofs eine zweite Glocke geweiht, gegossen in Memmingen.
Gewisse Hoffnungen bestehen, dass sich über die neuen Glocken in Probstried noch mehr erfahren lässt, die dürften jedoch von Lauingen per Bahn über Kempten geliefert worden sein.
Eine genauerer Eingrenzung wird möglich, wenn das Jahr der Herstellung des Neubaues in der Rupertstraße 2 („Little Italy“) bekannt ist; zu sehen ist hier noch der Vorgängerbau. Auf der hier verlinkten Ansichtskarte (vor dem 1. Weltkrieg) ist der Neubau samt Aufgang bereits abgebildet. Und noch ein kleines Detail: Auf unserem Foto ist rechts ein Bohlen-Steg zu sehen, der über den noch offenen Mühlbach führt, um zu einer Holzlege zu gelangen. Dieser Steg ist auf einer Aufnahme von Otto Aufleger von 1891 bei einem Blick zwischen den beiden im Vordergrund stehenden Häusern deutlich zu erkennen. Nur der Zaun zur Straßenbegrenzung ist noch etwas einfacher gehalten und auf „unserem Foto“ etwas verstärkt.
Denkbar ist außerdem ein eher unerfreulicher Anlass: die Abfuhr der Glocken zum Einschmelzen im Ersten Weltkrieg; Soldaten sind jedoch keine zu sehen. In Stephansried war im Juli 1917 sogar die Kneipp-Glocke abgehängt worden. (Sobald das genauere Datum der Glocken-Abhängung in Ottobeuren feststeht, kann in den Zeitungen der Zeit nachgelesen werden; vielleicht sind die Umstände dort näher beschrieben.) Dagegen spricht der festliche Schmuck.
Nett: die Wäsche, die über dem Zaun hängt sowie die Betten, die zum Auslüften aus dem Fenster hängen.
Die Bretter vorne rechts könnten auf Baumaßnahmen am – ggf. noch offenen – Mühlgraben hinweisen, wahrscheinlich ging es aber nur zur Holzlege. Man beachte auch die drei Kinderwägen!
Immerhin konnten der Schrift aus Launingen einige interessante Details entnommen werden, z.B. zum richtigen Läuten von Glocken (s. weiter unten).
Aus dem Ottobeurer Wochenblatt stammen Artikel über ein Gerichtsurteil (1899), dass Mesner nicht verpflichtet seien, für den ordnungsgemäßen Zustand der Glocken zu sorgen, über ein schlimmes Unglück im Zusammenhang mit dem Läuten in Mailand (1897) oder über ein „Schwabenstücklein“ in Nördlingen (1905), wo der Glöckner beim Läuten nicht bemerkte hatte, dass der Klöppel (Schwengel) am Boden lag und gar nichts zu hören war.
Biografische Angaben zu Georg Wolfart finden sich auf einer Glocken-Seite des Bistums Eichstätt, als Quelle wird dort ein Buch des Donauwörther Glockenspezialisten Hans Brenner (*8.1.39 in Bobingen, 8.04.2019 in Nördlingen) angegeben:
Brenner, Hans: Glockenbuch für Donauwörth und südwestliche Umgebung, 2006, S. 74:
Georg Wolfart (*16. April 1861 in Kempten, †19. Juli 1937 in Lauingen) war der Sohn des Kemptener Bürgers und Rothgießers Theodor Wolfart (*08.11.1832 in Kempten, †18. August 1924 in Kempten). Er heiratete am 28. Februar 1893 Barbara Zöschinger, eine Tochter des Lauinger Glockengießers Franz Josef Zöschinger (*27. März 1844; †15. Oktober 1892). 1893 übernahm Georg Wolfart die Gießerei seines Schwiegervaters. (Dies ist vermutlich der Grund, warum das unten zitierte Büchlein von 1910 die Aufträge erst ab 1893 auflistet.)
1924 wurde die Gießerei an die Gebrüder Radler aus Hildesheim verpachtet, um die Gießerei zu retten, übernahm Georg Wolfart diese jedoch bald wieder selbst.
Am 23. Januar 1936 heiratete Tochter, Barbara Wolfart, Wilhelm Kuhn, der den Betrieb anschließend übernahm.
Brenners Buch kann nach wie vor bestellt werden (bei Helga Brenner, 0906/4659), die von ihm zusammengetragene umfangreiche Sammlung ging nach seinem Tod an das Westfälische Glockenmuseum in der „Glockenstadt Gescher“ (bei Aachen).
Das spektakuläre Bild wurde Mitte 2020 auf dem Wertstoffhof Gott sei Dank rechtzeitig vor der Vernichtung gerettet!
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Ottobeurer Wochenblatt Nr. 59 vom 26.07.1901, S. 4:
Ottobeuren, 26. Juli.
(…) Auch in Hofs wurde es [das Kinderfest] gestern abgehalten, nachdem dort vormittags die festliche Weihe der neuen, von einem Wohlthäter gestifteten zweiten Glocke begangen worden war. Dieselbe wiegt zwei Zentner und wurde [in] Memmingen gegossen. Die feierliche Konsekration der Glocke nahm der Hochwürdige Herr Stiftsprior P. Sigisbert von St. Stephan in Augsburg vor, der zur Zeit in den Ferien hier weilt.
Ottobeurer Wochenblatt Nr. 45 vom 20.04.1905, S. 3:
Nördlingen, 17. April. Ein Schwabenstücklein, das zwar geheim gehalten wird, von dem aber trotzdem selbst durchreisende Fremde erfahren, ereignete sich hier am Sonntag den 9. April. Als die Zeit zum Vormittagsgottesdienst herannahte, warteten die evangelischen Gemeindemitglieder vergeblich auf das Kirchengeläute, das sonst zur Andacht rief. Einige Kirchenbesucher fragten nun beim Meßner an, warum nicht zum Gottesdienst geläutet worden war, doch dieser versicherte mit aller Bestimmtheit, das sei geschehen. Als dies aber bestritten wurde, rief man einen Schutzmann herbei, der auf den Kirchturm stieg und dort die Entdeckung machte, daß der Schwengel der Glocke, mit der geläutet worden war, sich von der Glocke gelöst hatte und auf dem Boden lag. Der Glöckner hatte also fortwährend den Strang gezogen und nicht bemerkt, daß die Glocke keinen Ton gab. Tableau!
Ottobeurer Wochenblatt Nr. 111 vom 03.10.1905, S. 3:
Lachen, 2. Oktober. Neuer Kirchturm. Im Laufe dieses Sommers konnte ein längst gehegter Wunsch unserer katholischen Kultusgemeinde zur Ausführung gebracht werden, nämlich das Dachreiterlein auf unserer Kirche durch einen massiven Turm ersetzt zu sehen. Es ist wirklich der neue Turm ein schöner Bau, ein Monumentalbau, ausgeführt von der renommierten Baufirma Mayer in Ottobeuren und Herrn Zimmermeister Zettler hier. Das neue Geläute, bestehend aus 4 Glocken, stammt aus der Hamm'schen Glockengießerei, Augsburg und zeugt von dem guten Rufe dieser Firma. Nur der Wohltätigkeit und der Energie unseres hochw. Herrn Pfarrers Sontheimer haben wir es zu verdanken, daß das schon längst gehegte Turmprojekt zur Ausführung kam.
Memminger Zeitung, 29.09.1905, Kreis-Nachrichten.
Lachen, 28. Sept. Eine seltene und darum um so eindringlicherer Feier durfte unsere Kirchengemeinde am 26. ds. begehen. Nachdem im Verlauf des heurigen Sommers unser hölzerner Dachreiter einem stattlichen schmucken Turme mit schön aufwärts strebender Kuppel Platz gemacht hatte, galt es, ihm, dem stummen Himmelsweiser, auch eine weithin vernehmbare Stimme, ein neues Geläute, zu verleihen. (Ueber dasselbe wurde an dieser Stelle bereits berichtet.) Die neuen Glocken wurden auf 2 vierspännigen, von hiesigen Jungfrauen aufs schönste dekorierten Wagen in Memmingen abgeholt. Gegen 1 Uhr wurden sie in feierlicher Prozession, die Schuljugend mit der hiesigen Blechmusik und dem Kirchenchor an der Spitze, von der froh bewegten Kirchengemeinde am Eingang des Dorfes empfangen u. zur Kirche, die auch Festschmuck erhalten hatte, geleitet. Hier hielt Hochw. Herr Pfarrer Sontheimer eine kurze aber eindringliche Ansprache über die Bedeutung des Turmes und die Namen der neuen Glocken, worauf nach Absingen eines Kirchenliedes die letzteren an ihren Bestimmungsort verbracht wurden. Origineller Weise wurde je eine Glocke von Männern, Jünglingen, Jungfrauen u. Kindern aufgezogen, was ganz glatt verlief und natürlich eine große Zuschauermenge angelockt hatte. Wegen der noch nicht vollständig ausgeführten Befestigung des eisernen Glockenstuhls (von der Firma Henkel in Aitrang geliefert) konnte das für den nächsten Tag vorgesehene Probeläuten nur zum Teil vorgenommen werden; doch wurden über den Klang des herrlichen Geläutes nur Stimmen des Lobes laut. In der am Abend im Sanz‘schen Gasthause veranstalteten Festversammlung, die durch Vorträge der Musikkapelle angenehm belebt wurde, gab Hr. Pfarrer Sontheimer in längerer Rede einen Rückblick über die Entstehung des neuen Turmes und brachte in herzlichen Worten allen Beteiligten, namentlich dem Hr. Pfarrer Lutz für Fundierung des Baufonds, Herrn Bauamtmann Voit in Memmingen für Aufstellung des trefflichen Planes und die technische Oberleitung, den Herren Meistern und Arbeitern für die gediegene Ausführung, der Kirchen- und Gemeindeverwaltung, dem Bauausschuß und allen, welche Hand- und Spanndienste leisteten, den gebührenden Dank zum Ausdruck. Herr Bürgermeister Dreier dankte namens der Pfarrgemeinde insbesondere dem hochw. Hr. Pfarrer, dem durch seine unermüdliche Tätigkeit und Opferwilligkeit der Hauptanteil an dem ganzen Werke zugesprochen werden muß, welchem Gedanken auch Hr. Baumeister Mayer von Ottobeuren noch weiter Ausdruck verlieh. Am Michaelitag findet zur kirchlichen Feier noch ein Dankgottesdienst mit Predigt u. Hochamt statt.
Ottobeurer Wochenblatt Nr. 38 vom 13.05.1899, S. 3:
Für Lehrer und Kirchenverwaltungen. Ein reichsgerichtliches Urtheil verdient allgemein bekannt zu werden. Das Reichsgericht hat ausgesprochen, daß der Lehrer in seiner Eigenschaft als Meßner nicht verpflichtet sei, für den ordnungsmäßigen Zustand der Glocken zu sorgen. Dagegen ist es Sache der Kirchenverwaltungs-Mitglieder, sich von Zeit zu Zeit durch Nachsehen zu überzeugen, ob Riemen, Glockenstuhl und Seile der Glocken in gutem Zustande sich befinden. Würden wahrgenommene Defekte nicht beseitigt und dadurch beim Läuten Unglücksfälle hervorgerufen, so fällt die Schuld selbst wenn Knaben das Läuten besorgen, nicht auf den Lehrer, sondern anderswohin.
Ottobeurer Wochenblatt Nr. 17 vom 29.04.1897, S. 4:
Mailand, 21. April. Ein recht seltener Unglücksfall trug sich am zweiten Osterfeiertag in dem Dorfe Pontevico zu. Eben war der Gottesdienst zu Ende. Die Gläubigen verließen dicht aneinander gedrängt die Kirche, während einige junge Burschen aus Leibeskräften die Glocken läuteten. Da zersprang in einer der Glocken der metallene Klöppel und diese Stücke sausten in weitem Bogen auf den Kirchplatz nieder. Das schwerste von ihnen traf auf eine Gruppe von drei Mädchen, die zusammen aus der Kirche kamen. Der einen wurde von dem Klöppel der Kopf gänzlich zerschmettert. Der zweiten wurden die Schultern und das Rückgrat gebrochen. Die dritte blieb äußerlich unverletzt, wurde aber von einem solch' tötlichen [tödlichen] Schrecken erfaßt, daß sie in schwere Krankheit verfallen ist, und man auch für ihr Leben fürchtet.
Memminger Volksblatt Nr. 119 vom 28.05.1907
Probstried, 26. Mai. (Neue Glocke.) Einem Lauinger Blatte ist zu entnehmen, daß der dortige Glockengießermeister Wolfart die große, für die Kirche in Probstried bestimmte Glocke nunmehr fertiggestellt hat. Die Glocke wiegt die Kleinigkeit von 2200 Kilo.
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Literaturzitat:
[Wolfart, Georg (Hrsg.)] Glockengiesserei Georg Wolfart Launigen a.D., bestehend seit 1700, Druck bei Ludwig Auer in Donauwörth, [1910], 53 S.
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Die Glockengiesserei Georg Wolfart übernimmt den Neu- oder Umguss von Glocken jeder Grösse, in jedem verlangten Tone, zu den billigsten Preisen. Durch eine richtige, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Theorie und durch die bei langjähriger Praxis gemachten Erfahrungen unterstützt, kann dieselbe die geehrten Besteller in jeder Hinsicht zufriedenstellen.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass die meisten in den letzten 50 Jahren gegossenen Glocken gegenüber guten, alten Glocken einen weichen, ja sogar schwachen Ton haben und die Nebentöne gegenüber dem Grundtone zu stark hervortreten. Deshalb hat obige Giesserei durch jahrelange Versuche eine andere Glockenkonstruktion erfunden, deren Grundton bedeutend stärker und reiner hervortritt; es ist das Resultat bereits durch Fachleute als überraschend und vorzüglich anerkannt. Solche Glocken mit starken, weithin und rein hörbaren Tönen sind zur Besichtigung ausgestellt.
Zur Verwendung kommt Metall von bester Qualität. (...)
Georg Wolfart
S. 4 Einiges über Glocken und Glockenguss.
S. 7 Das Läuten der Glocken.
Es mag zwar etwas komisch berühren, wenn hier über eine scheinbar so unbedeutende und selbstverständliche Sache ein Wort gesprochen wird. Allein die Tatsache, dass die Art und Weise des Läutens in unzähligen Fällen das Geläute einer ganz bedeutenden Abnützung und selbst der Gefahr der Zertrümmerung aussetzt, dann aber auch der Umstand, dass von der Art des Läutens wesentlich die Wirkung des Geläutes abhängt, lässt es mir angezeigt erscheinen, auch hierüber einige Bemerkungen zu machen. Eine Glocke, die richtig hängt, ist nie schwer zu läuten. Dennoch sieht man sehr oft, dass diejenigen, welche läuten
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müssen, sich grässlich dabei ermüden, jedoch nur durch ihre eigene Schuld. Will man eine Glocke richtig läuten, ohne sich dabei zu ermüden, so bleibt man ruhig aber fest stehen und zieht am Seile kurze, aber kräftige Züge. Dabei achte man darauf, dass der Zug stets in dem Moment stattfindet, in dem die Glocke zurückzuschwingen beginnt, denn nur dann findet eine nützliche Kraftübertragung statt.
(Foto: „Ton E. 850 Kilo. Unterbächingen.“)
Dass man mehr Kraft überträgt, wenn man sich an das Glockenseil anhängt und an demselben hinaufspringt, ist unrichtig.
Der Glaube ferner, je höher eine Glocke gezogen werde, desto stärker schlage der Klöppel an der Glocke an, ist unrichtig. Eine Glocke soll nicht höher als ungefähr in einem Winkel von 60° gezogen werden. Schwingt die Glocke höher, so muss auch der Klöppel höher hinaufschwingen und verliert dadurch seine Kraft.
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Sehr zu tadeln ist, dass oft (hauptsächlich bei kleinen Glocken) plötzlich beim Läuten still gehalten wird. Denn wenn ein starker Mann eine leichte Glocke sofort in ihrem Gange festhält, der Klöppel aber noch im vollen Lauf ist, so schlägt derselbe mit aller Kraft gegen die Wandung der Glocke, die nicht mehr weichen kann, weil sie festgehalten wird. So ist es dann möglich, dass eine Glocke zerspringt und umgegossen werden muss.
Recht unschön ist es, wenn beim Läuten eines reingestimmten Geläutes sämtliche Glocken zu gleicher Zeit gezogen werden und auch wieder zu gleicher Zeit aufhören.
Man soll in einem gewissen Takt in das Läuten bringen. Am schönsten ist es, wenn das Beginnen und Aufhören beim Läuten folgendermaßen geschieht:
I. Bei harmonischen Geläuten.
Es beginnt die obere Oktavglocke. Erst wenn sie gleichmäßig läutet, folgt die nächstfolgend grössere Glocke (die Quinte). Sobald auch diese im gleichmässigen Gange, folgt die nächste Glocke (Terz) und dann erst nach ihr die grosse Glocke. Sind noch weitere Glocken vorhanden, so lässt man diese in der Weise anstimmen, dass stets die der kleinen Oktavglocke zunächstliegende folgt.
Beispiel:
Glocken: c' e' g' c'' e" g".
Beginnen: c'' c' e' g' e'' g''.
Das Aufhören sodann findet von oben nach unten, also in folgender Reihenfolge statt. (...)
S. 10 Der Unterhalt der Glocken.
Ab S. 12 Zeugnisse,
beginnend mit Sonderheim im März 1883, endend auf S. 49 mit dem 16.12.1909 für die Gemeinde Leipheim.
Ab S. 50: Zusammenstellung ab 1905 gelieferter Glocken.
Darunter:
– Mai 1905 für Hirschzell (Kaufbeuren) as b des
– Dezember 1906 Untrasried (Oberdorf) cis e fis gis h (Gesamtgewicht 9650 Pfund)
– Juni 1907 Probstried (Kempten) c f g (6620 Pfund)
– September 1909 Memmingen g (164 Pfund)
53 Seiten (plus Werbung: „Kapellenglocken, Sakristei- und Sanktusglocken mitsamt solidem Gestell, ebenso Altarglocken und Klingeln stets vorrätig. Kugellager, Achsen und Klöppel zu Reparaturen. Schmierapparate und Lagerfett. Glashülsen zu Seilführungen mit und ohne Holzfassungen.“
* Vgl. Ottobeurer Tagblatt vom 22.12.1916, S. 3:
Böhen, 22. Dez. (Kirchliches.) Se. Majestät der König haben Sich Allergnädigst bewogen gefunden, die katholische Pfarrei Böhen, dem Pfarrer Ignaz Schärfl in Horgau, Bezirks-Amt Zusmarshausen, zu übertragen.
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Zusätzlich wurde hier noch eine Ansichtskarte von Böhen eingestellt, gelaufen am 3.5.1950 nach Salza in Thüringen.
Abschriften: Helmut Scharpf, 09-11/2020