18.09.2021 – Grabesritter und Ordensfrauen treffen sich erstmals in Ottobeuren
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Beschreibung
Kaum hatten sich die Ritter und Ordensfrauen mit ihren dekorativen Mänteln auf dem Ottobeurer Marktplatz versammelt, da zückten die umstehenden Passanten auch schon ihre Smartphones, um die Szene festzuhalten. Besonders als die Gruppe von der Blasmusikgesellschaft Ottobeuren auf dem Weg zum Hauptportal der Basilika begleitet wurden, ergab sich ein farbenprächtiges Bild. Entstanden ist der päpstliche Laienorden aus einer spätmittelalterlichen Pilgerbewegung.
Das 30. Bodenseetreffen des „Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem“ fand erstmals in Ottobeuren statt. Es sind immer besondere Glaubensorte, die sich die Ritter und Ordensfrauen zum Ziel nehmen. Dass die römisch-katholische Ordensgemeinschaft Ottobeuren und die Basilika St. Alexander und Theodor besuchte, lag daran, dass eines der Ordensmitglieder, Michael Hopfenzitz, selbst in Ottobeuren wohnt und das Treffen organisiert hatte. Seit 13 Jahren ist er im Orden engagiert; sein Großonkel – Erzbischof Josef Stimpfle (*25.03.1916, Maihingen, †12.09.1996, Augsburg) – hatte den Orden im Bistum Augsburg neu begründet. (Stimpfle war laut Wikipedia zuletzt Großoffizier des Ordens und Prior der Ordensprovinz Bayern.)
Die „Komturei St. Ulrich und Afra“ konnte als diözesane Untergliederung der Ordensgemeinschaft 2021 ihr 60-jähriges Gründungsjubiläum begehen. Die Komturei, deren Ausdehnung derjenigen des Bistums Augsburg entspricht, gehört zur „Ordensprovinz Bayern“, eine von sechs der „Deutschen Statthalterei“ – eine wiederum von weltweit 58 Statthaltereien (Stand 2018).
Der Augsburger Komturei gehören aktuell 55 Mitglieder an. Um eine Mitgliedschaft kann man sich nicht bewerben; Aufnahmekandidaten werden laut Wikipedia auf Vorschlag von Mitgliedern des Ordens ausgewählt. Nach einem „Nihil obstat“ (lat. für „es steht nichts entgegen“) des jeweiligen Ortsbischofs, des Statthalters und des Großpriors der jeweiligen Statthalterei werden die Kandidaten vom Kardinal-Großmeister ernannt und vom vatikanischen Staatssekretariat bestätigt. Die formale Aufnahme in den Orden erfolgt während der Investitur, wobei Männer (nur Laien) den Ritterschlag erhalten.
Vom 8. - 10. Oktober 2021 findet in Augsburg eine solche halbjährliche „Investitur“ statt, in der neue Mitglieder in den Orden aufgenommen werden, unter den neuen ist diesmal Bischof Dr. Bertram Meier. Coronabedingt waren heuer nur 200 Teilnehmer dabei, in „normalen Jahren“ kommen bis zu 600 aus ganz Deutschland. Auf der Internetseite des Bistums wurde am 10. Oktober über die Herbstinvestitur berichtet, dass Bischof Bertram am 09.10.2021 mit 25 anderen Frauen und Männern durch Großprior und Kardinal Reinhard Marx in den Orden aufgenommen wurde. Überreicht wurden Mantel und Ordenskreuz. Der Augsburger Oberhirte bekam den Titel „Großoffizier / Komtur mit Stern“.
Bereits seit 1888 können auch Frauen aufgenommen werden, aktuell sind 10 - 20% sind Frauen („Ordensdamen“), zur Hälfte sind es die Gattinnen.
An der Spitze der Augsburger Komturei steht Komtur Prof. Dr. Christoph Becker. Ämter können maximal zwei Amtszeiten – à vier Jahre – ausgeübt werden. Prior der Augsburger Komturei ist Dr. Thomas Schwartz (ehem. Stadtpfarrer von Mering, jetzt neuer Hauptgeschäftsführer von Renovabis). Es gibt monatliche Treffen, die im „Haus St. Ulrich“ in Augsburg stattfinden.
Die Mitglieder werden lt. Wikipedia unter „Persönlichkeiten katholischen Glaubens mit einwandfreier sittlicher Lebensführung“ ausgewählt, die sich in besonderer Weise um die katholischen Einrichtungen im Heiligen Land und um den Orden verdient gemacht haben und sich verpflichten, dies auch in der Zukunft zu tun. Jährlich fließen zwischen drei und fünf Millionen Euro allein aus Deutschland in Richtung Israel, Palästina (Gazastreifen und Westjordanland), nach Jordanien und Zypern fließen. Damit werden z.B. 44 Patriarchatschulen mit 22.000 christlichen, muslimischen und jüdischen Schülern unterstützt. Eine besondere Nähe zum Heiligen Land ergab sich für Michael Hopfenzitz, nachdem sein Bruder Martin nach Israel zog.
Die Verteilung der Hilfsgelder erfolgt über den „Lateinischen Patriarchen von Jerusalem“. Dieser „Großprior“ ist zur Zeit Pierbattista Pizzaballa, die oberste Leitung des Ordens hat als „Kardinal-Großmeister“ Kardinal Fernando Filoni inne, der Amtssitz befindet sich in Rom, am „Palazzo Della Rovere“ an der Via Della Conciliazione. Die päpstliche Institution wurde im Jahr 1868 durch Pius IX. gegründet und steht als „juristische Person des Vatikanstaats“ in einem ganz besonderen Souveränitätsverhältnis zum Heiligen Stuhl.
Zum Treffen („Agape“) waren 58 Teilnehmer gemeldet, dabei waren auch die Komtureien Bregenz, St. Gallen und Ravensburg. Ab 9 Uhr traf man sich bei Kaffee und Butterbrezen im Kursaal im Haus des Gastes. Michael Hopfenzitz begrüßte, ebenso Bürgermeister German Fries, der das Wirken der Benediktiner für Ottobeuren in den Vordergrund rückte. Fries erklärte, er habe „sich in die Ordensdienste eingelesen“. Er sei selbst im Rahmen von christlichen Austauschprogrammen schon zweimal in Israel gewesen, darunter auch in einem Kibbuz. Aufgrund der Bedeutung der Benediktiner für die Entwicklung Ottobeurens sei man von der Infrastruktur her „heute mit allem gesegnet“. Ottobeuren sei nicht der Ort, an dem „das Rathaus so schön ist“, bekannt sei man wegen der Benediktinerabtei, der Konzerte und internationalen Begegnungen.
Ein Ritter aus der Komturei Ravensburg warb für eine Fahrt nach Armeinien und Georgien.
Um 10 Uhr legte die Gruppe ihre Mäntel an und begab sich auf den Marktplatz. Pater Winfried Schwab – als Benediktiner selbst einer der Ritter – hielt auf der Treppe vor dem HdG eine „Statio“ (zur Vorbereitung mit Gedanken der Marienverehrung) ab. Man versteht sich als „eine Gemeinschaft des Betens, der Spiritualität, Nächstenliebe und auch der Aktion“.
Auf dem anschließenden Weg über die Rupertstraße bis zum geöffneten Hauptportal begleitete die Blasmusikgesellschaft Ottobeuren die Mitglieder des Laienordens. Wie schon die Fassade des HdG, so hingen die Fahnen des Ordens mit den typischen „Jerusalemkreuzen“ auch in der Basilika.
Pater Winfried hielt die hl. Messe und predigte, als Konzelebrant stand ihm der Augsburger Weihbischof – und ebenfalls Ritter – Dr. Dr. Anton Losinger zur Seite; beteiligt war außerdem der Vorarlberger Generalvikar Hubert Lenz.
In der Festpredigt ging Pater Winfried auf den Dominikaner-Terziar Bartolo Longo ein, dem erst nach einer schweren Krankheit „Augen und Ohren für die Nöte der Menschen geöffnet worden waren.“
Der Basilika-Organist Dr. Josef Miltschitzky ließ die Marienorgel brausen, seine Frau Susanne Jutz-Miltschitzky sang ein Solo. Vor dem Hochaltar hatten sich die Ottobeurer Alphornbläser positioniert.
Nach dem Gottesdienst führte Pater Winfried die Gemeinde – anhand des Glaubensbekenntnisses – gedanklich durch die Kirche und erkärte die Fresken*, vom Engelssturz, über die Pfingskuppel, den Benediktinerhimmel (hier der Ausschnitt über Benediktiner als Päpste) bis zum Gründerfresko. Anschließend bat er die Gruppe an den Eldern-Altar zum Angelus-Gebet und zu einem Salve Regina.
Im Gasthof „Mohren“ schloss sich ein gemeinsames Mittagessen an – wiederum mit einer „geistlichen Erbauung“ durch Pater Winfried.
Noch ein paar Worte zu Bekleidung und Insignien: Das Tragen der Uniform des Ordens ist zurzeit nicht verbindlich. Die Verwendung des Mantels und des Baretts wird hingegen bekräftigt. Der Mantel besteht aus elfenbeinweißem Tuch und ist in Form eines Vollrads geschnitten; unterhalb der linken Schulter ist ein 25 cm großes Jerusalemkreuz in Rot angebracht. Das Barett ist aus schwarzem Samt; an ihm sind die Rangabzeichen angebracht. Geistliche tragen eine Mozetta. Der Mantel der Damen ist schwarz, auch hier ist unterhalb der linken Schulter das rote Jerusalemkreuz angebracht. Dazu tragen die Damen einen schwarzen Schleier.
Zu den Insignien gehört das rote fünffache Jerusalemkreuz. Dieses wurde von Gottfried von Bouillon, einem Anführer des Ersten Kreuzzuges und nach der Eroberung Jerusalems der erste Regent des neu gegründeten Königreichs Jerusalem, erstmals als Wappen geführt. Adelige Ritter und Bischöfe des Ordens vom Heiligen Grab können das Ordenskreuz zu ihrem Adels- bzw. Bischofswappen hinzunehmen.
Mit der von Papst Pius IX. verfassten Breve „Cum multa sapienter“ am 24. Januar 1868 wurde der Ritterorden in drei Klassen eingeteilt.
Neben dem Ritterorden gibt es zur Unterstützung der Christen im Heiligen Land auch den „Deutschen Verein vom Heiligen Lande“. (Etwa 90% der Ordensmitglieder gehören auch dem Verein an.)
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In der Memminger Zeitung vom 21.09.2021 erschien auf S. 30 ein Artikel mit zwei Fotos und einer Infobox („Wenn Ritter durch Ottobeuren ziehen“).
Josef Diebolder veröffentlichte in der Katholischen Sonntagszeitung einen lesenswerten Bericht („Reiche Frucht bringen“, vorauss. Ausgabe 38 vom 25.09.2021). Das Original können Sie schon bald im ePaper-Archiv abrufen.
Fotos und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 09/2021
(*Sollten Sie die Fotos aus der Basilika für kommerzielle Zwecke nutzen wollen, wenden Sie sich bitte an die Pfarrei Ottobeuren.)