15.09.1901 – Der Hofhund rettet Joseph Tschugg aus Wetzlins das Leben

Titel

15.09.1901 – Der Hofhund rettet Joseph Tschugg aus Wetzlins das Leben

Beschreibung

Große Schlagzeilen machte der Ottobeurer Ortsteil Wetzlins – bis 1972 zur Gemeinde Guggenberg gehörig – nie. Aus den Statistiken zur Säkularisation geht hervor, dass es hier 1802 zwei Häuser gab, in denen zwei Familien mit „acht Seelen“ wohnten. Im Jahr 1901 war ein Vorgang in Wetzlins aber sogar dem Wörishofer Badeblatt eine Meldung wert: das heldenhafte Eingreifen des Hofhunds der Familie Tschugg Mitte September.
Wir nehmen den Vorfall zum Anlass, ein Schlaglicht auf Unfälle und Katastrophen zu werfen, die sich im Oktober / November 1901 in und um Ottobeuren ereigneten. Vorschriften zur Verhütung von Unfällen oder einen effektiven Arbeitsschutz gab es nicht.

Die Fotos zeigen den Weiler Wetzlins am 1. Mai 2014 (Blick von Langenberg aus) sowie die friedfertigen und neugierigen Kühe und Kälber des „Original Allgäuer Braunviehs“ (hier: Mutterkuhhaltung des Schafroth-Hofs in Markt Rettenbach; Fotos vom 12. Mai 2023). Welcher Rinderrasse der Stier von 1901 angehörte, wird nicht genannt. Aber es war eben auch ein Stier!
Auf einen Satz aus der Zeitung sei hingewiesen: „Bei diesem Anlasse möge den Ökonomen bedeutet sein, daß die Stiere aus Sicherheits- und Sittlichkeitsgründen auch nicht auf die Weide gehören.“

Zunächst nun zum Angriff eines Stiers auf Joseph Tschugg:

Ottobeurer Wochenblatt Nr. 91, 31.10.1901, Seite 3:
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 29. Oktober (Ein Hund als Lebensretter.)
Vor einiger Zeit wurde der 26jährige Bauernsohn Joseph Tschugg von Wetzlins von seinem Stier, der sich auf der Weide befand, angefallen und lebensgefährlich verletzt. In dem Augenblicke, als das wütende Tier seinem Opfer den Todesstoß versetzen wollte, eilte der große Hofhund, durch die Hilferufe des unglücklichen aufmerksam gemacht, herbei und begann mit dem rasenden Bullen sofort einen Kampf auf Leben und Tod. Er sprang ihm in das Genick und biß sich zuletzt in der Nase des Stieres fest. Dadurch gewann der schwer verletzte junge Mann Zeit, sich in Sicherheit zu schleppen. Erst als der Hund seinen Herrn gesichert wusste, ließ er von seinem Gegner ab und eilte in mächtigen Sätzen nach Hause, wo er dem vor Schmerz wimmernden Verletzten zärtlich schmeichelte. Nach 6wöchentlichem sehr schmerzlichem Krankenlager ist der Patient wieder so hergestellt, dass er leichtere Arbeiten verrichten kann; doch eitern noch die tiefen Wunden. Bei diesem Anlasse möge den Ökonomen bedeutet sein, daß die Stiere aus Sicherheits- und Sittlichkeitsgründen auch nicht auf die Weide gehören.

Wörishofer Badeblatt
Aus Nah und Fern.
Ottobeuren 29. Oktober
Von einem weidenden Stiere wurde vor sieben Wochen der 26jährige Bauernsohn Joseph Tschugg von Wetzlins angefallen und lebensgefährlich verletzt. In dem Augenblicke, als das wütende Tier seinem Opfer den Todesstoß versetzen wollte, eilte der große Hofhund herbei und begann mit dem rasenden Bullen sofort einen Kampf auf Leben und Tod. Er sprang ihm in das Genick und bis sich zuletzt in der Nase des Stieres fest. Dadurch gewann der Schwerverletzte junge Mann Zeit, sich in Sicherheit zu schleppen. Erst als der Hund seinen Herrn an sicherem Orte wußte, ließ er dem „Memminger Volksblatt“ zufolge von seinem Gegner ab und eilte in mächtigen Sätzen nach Hause, wo er den vor Schmerz wimmernden Verletzten zärtlich schmeichelte. Nach sechswöchentlichem, sehr schmerzlichem Krankenlager ist der Patient jetzt ziemlich wieder hergestellt.

Ottobeurer Wochenblatt Nr. 93, 05.11.1901, Seite 2:
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 2. November
Wir scheinen seit einiger Zeit besonders vom Unglück bevorzugt zu sein. Vor einigen Wochen wurde, wie wir schon berichteten, im nahen Wetzlins ein Ökonom von einem Stier überfallen und elend zugerichtet In der vorigen Woche verunglückte der Ökonomen P. Albrecht von Oberhaslach
indem ihm auf dem Wege von Memmingen hieher das Pferd durchging und er den Fuß brach. Einen Tag vorher wurde dem Sohn des hiesigen Sägmühlbesitzers Herrn Schaber an der Kreissäge ein Finger weggerissen. Letzten Dienstag verunglückte die Schreinermeistersfrau Angstwurm von hier auf eine gräßliche Weise. Indem sie sich bückte, um einer Kuh einen Stein herauszunehmen, welcher derselben zwischen die Klauen geraten war, stieß ihr die Kuh mit einem Horn ein Auge aus. Der Zustand der Frau soll noch heute gefährlich sein. Und heute Nachmittag 1 Uhr ertönten Feuersignale. Eine ungeheure Rauchwolke stieg in dem hochgelegenen Weiler Langenberg auf und bedeckte das ganze Günztal. Es brannte in dem Anwesen des Ökonomen Herrn Mayer (Hausnahmen Bernhard). Trotz den schnell herbeigeeilten Feuerwehren von Guggenberg, hier [Ottobeuren], Betzisried und Haitzen konnte dem Feuer nicht Einhalt getan werden, da nicht genügend Wasser vorhanden war. Die Pferde, das Vieh und weniges Hausgerät wurden gerettet. Dagegen wurden alle Futtervorräte und die sonstige Habe vernichtet.
Der schöne Hof brannte vollständig ab. Bei dem herrschenden Wind war es ein großes Glück, dass das Feuer auf dieses einzige Anwesen beschränkt blieb. Herr Mayer ist, wie wir hören nicht gut versichert und es wendet sich der vom Unglück so schwer heimgesuchten Familie alles Mitleid zu. Ein Kind, das mit Feuer spielte, ist die Ursache des Brandes.

Ottobeurer Wochenblatt, 05.11.1901, S. 4
Danksagung.
Für die Hilfeleistung bei dem am 2. November in dem Anwesen des Herrn Josef Maier [im Artikel oben Mayer, in der eigenen Danksagung unten Maier] in Langenberg ausgebrochenen Brande wird den Feuerwehren von Guggenberg, Ottobeuren, Betzisried und Haitzen, allen Nachbarn und Hilfeleistenden der beste Dank ausgesprochen.
Guggenberg, den 4. November 1901.
Schneider, Bürgermeister.

Dito:
Danksagung.
Für die rasche, thatkräftige Hilfeleistung bei dem uns getroffenen Brandunglücke sehen wir uns veranlaßt den Feuerwehren von Guggenberg, Ottobeuren, Betzisried und Haitzen, sowie der Nachbarschaft, besonders Herrn Alexander Notz für die bereitwillige Überlassung seines Wohnhauses in Dennenberg den herzlichsten Dank hiemit öffentlich auszusprechen.
Josef Maier mit Familie
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Ein Unglück kommt selten allein!“ Deshalb hier weitere Unglücks- und Todesfälle im Oktober 1901:
Ottobeurer Wochenblatt, 26.10.1901
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 26. Oktober. Gestern früh zwischen 4 und 5 Uhr wurde in der Richtung gegen Böhen eine Brandröte sichtbar. Es brannte dortselbst das Anwesen der Bürgermeisterswitwe Harzenetter vollständig nieder. Da bei Entstehung des Brandes die Inwohner noch im Bette waren, und das Feuer, genährt durch die reichlichen Futtervorräte, schnell um sich griff, gelang es nur mit Mühe, das Vieh und die Pferde zu retten. Das Geflügel, und das meiste Mobiliar wurde ein Raub der Flammen. Brandstiftung wird vermutet.

Kronburg , 22. Oktober. (Schreckliches Unglück.)
Gestern — am Tage seiner silbernen Hochzeit — Abends 7 Uhr geriet der Söldner und Veteran Meinrad Dreyer von hier, der sich auf dem Heimwege vom Leutkircher Gallusmarkte befand, im Bahnhofe Aichstetten auf bisher unaufgeklärte Weise unter die Räder des bereits wieder in Bewegung gesetzten Zuges und wurde gräßlich verstümmelt. Der Tod trat sofort ein.

Dito:
Obergünzburg. 23. Oktober.
Seit einiger Zeit ist hier der Typhus ausgebrochen. Dieser hat epidemischen Charakter und sind circa 15 typhuskranke und typhusverdächtige Personen im hiesigen Krankenhaus untergebracht. Ein Patient ist gestorben. Die Krankheit, der man anfänglich wenig Bedeutung beilegte, ist wahrscheinlich aus der benachbarten Gemeinde Willofs, wo sie seit dem Frühjahr stark herrschte, eingeschleppt worden. Die von den Erkrankten innegehabten Wohnungen werden mit Farmalindämpfen [Formalindämpfen] desinfiziert. Hoffentlich gelingt es, dem Weiterumsichgreifen der Krankheit Einhalt zu thun.

Ottobeurer Wochenblatt Nr. 96 vom 12.11.1901, S. 2:
Lokales und aus dem Kreise.
Ottobeuren, 11. November. Gestern abend wurde von Knaben die Leiche des seit 10 Tagen vermißten Taglöhners Michael Send von hier gefunden. Dieselbe lag mit dem Kopf nach unten in dem Bächlein östlich von Eldern. Send dürfte wahrscheinlich auf dem Wege von Eldern nach
Guggenberg bei Nacht verunglückt sein.

Das klingt alles nicht so recht nach „der guten alten Zeit!
Deshalb eine Positivnachricht zum Schluss:
Im Ottobeurer Wochenblatt Nr. 96 vom 12.11.1901 geht aus dem „Kirchenanzeiger für die Pfarrei Ottobeuren vom 14. - 17. November“ hervor, dass es zwischen den Familien Tschugg in Wetzlins und zwei Familien aus Dennenberg zu einem Eheversprechen kam. Die Meldung lautete:
Petrus Prell, Bauerssohn von Dennenberg und Viktoria Tschugg, Bauerstochter von Wetzlins. Georg Tschugg, Bauerssohn von Wetzlins und Josepha Prell, Bauerstochter von Dennenberg.
Man wollte eine Doppelhochzeit feiern. Die Phase der Verlobung sollte nicht lange dauern: Beide Paare heirateten am 18.11.1901!
Aus der Familienchronik der Tschuggs (von Haus Nr. 10) hier einige wenige Daten:
Viktoria und Georg Tschugg sind zwei der fünf Kinder (Anna, Georg, Maria [sie starb mit gut zwei Monaten], Maria und Viktoria) von Joseph Rupert Tschugg (*25.03.1838, †19.03.1911) und Veronika Magdalena Mayer (*04.02.1842, †13.09.1911) aus Eldern; Heirat am 16.05.1870.
Georg Tschugg (*10.06.1873, †04.11.1935) heiratet - wie oben beschrieben - Josepha Prell (*14.04.1879, †05.11.1906) aus Dennenberg; sie haben zwei Kinder (Maria und Viktoria). Joesepha stirbt demnach kurz vor dem fünften Hochzeitstag. Georg heiratet ein Jahr nach dem Tod seiner Frau (am 04.04.1907) ein zweites Mal, Anna Kraus (*30.10.1875, †17.03.1944) aus Eheim. Georg und Anna haben drei Kinder (Veronika*, Josef und Josefa).
Viktoria Tschugg (*25.08.1879, †07.08.1916) heiratet Peter Prell (*12.11.1875, †16.03.1949) aus Dennenberg.

*Veronika (*15.08.1910, †04.11.1953) wird aud Haus Nr. 10 1/2 Hofnachfolgerin, sie heiratet Georg Wölfle (*20.05.1907, †09.01.1994) aus Stöcken / Hopferbach.

Abschriften, Fotos und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 08/2024

Urheber

Ottobeurer Wochenblatt / Helmut Scharpf

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1901-09-15

Rechte

gemeinfrei