27.03.1715 – Abt Rupert Ness erhält von seinen Mitbrüdern eine „Namenstagsgabe“

Titel

27.03.1715 – Abt Rupert Ness erhält von seinen Mitbrüdern eine „Namenstagsgabe“

Beschreibung

Das großformatige Ölbild (ca. 132 x 85 cm), gemalt von Elias Zobel (1677 - 1718*), ist eines von vielen spektakulären Exponaten des umgestalteten Ottobeurer Klostermuseums (Relaunch am 02.04.2023). Anlässlich seines Namenstages am 27.3. (nach Rupert von Salzburg) erhielt Rupert Ness II. das Bild von seinen Mitbrüdern, die alle in einer langen Kette von Ringen miteinander verbunden sind, ganz zu oberst die drei Ringe aus dem Wappen des Abtes. Die Liebesgabe ist voller Symbolik, die Sprache Latein. Nicht von Ungefähr ist in der Beschreibung des Ausstellungsstücks von einem „vieldeutigen Bild“ die Rede. Das virtuelle Museum möchte dieser Vieldeutigkeit nachgehen und das Bild erklären. Eine lesenswerte Kurzbiographie über Abt Rupert Ness II. von Pius Bieri (2010) ist im Anhang als pdf verlinkt.
*Pater Rupert Prusinovsky schreibt das Bild Elias Zobel zu.

Die Jahreszahl 1715 versteckt sich in einem Chronogramm. Es ist in den letzten vier Zeilen des zentralen Textteils in der Bildmitte untergebracht:
AMans ConCorDans atqVe obseqVens ottobVra – die in goldenen Lettern geschriebenen Großbuchstaben lauten zusammengefasst MCCDVVV, addiert ergibt sich das Jahr 1715.

Ganz oben sitzen die beiden Kirchenpatrone: oben links der hl. Alexander (mit rotem Mantel), er trägt das Stiftswappen (in Rot ein halber silberner Adler), rechts der hl. Theodor mit dem Konventwappen (die goldene Rosette auf schwarzem Grund)
Rechts von Alexander das Zitat:
Haec est via, qua dilectus Domino Caelum Benedictus ascendit.“ S. Greg.
Dies ist der Weg, auf dem Benedikt, den der Herr liebt, zum Himmel emporstieg. (Papst Gregor, Dialoge 37, 3)
Links von Theodor der Spruch:
Inenarrabili dilectionis dulcedine curritur [via mandatorum Dei].“ S. Ben: Prol. Reg.
„Er läuft in unsagbarem Glück der Liebe [den Weg der Gebote Gottes] .“ Hl. Benedikt von Nursia, Prolog der Regel des hl. Benedikt (Prol. 49)

Zwischen dem Auge Gottes und den (wiederholten) Wappen (Stifts- und Konventwappen) laufen drei Wort-Strahlen:
Timor Dei. Obedientia. Sinceritas. Contempti sui. Taciturnitas. Maturitas.
Gottesfurcht. Gehorsam. Aufrichtigkeit. Selbstverachtung. Schweigen. Reife.
Abnegatio. Patientia. Pauperitas. Observantia Reg.[ulae]. Modestia. Compunctio.
Aufopferung. Geduld Armut. Einhaltung der [Benedikts-]Regel. Bescheidenheit. Buße.
Quoniam illic mandavit Dominus benedictionem.“ Ps. 132. [3]
(Vollständig: „Ecce quam bonum et quam iucundum habitare fratres in unum sicut unguentum in capite quod descendit in barbam barbam Aaron quod descendit in ora vestimenti eius sicut ros Hermon qui descendit in montes Sion quoniam illic mandavit Dominus benedictionem et vitam usque in saeculum.“)
(Vollständig: Siehe, wie gut und lieblich es für Brüder ist, beieinander zu wohnen, wie die Salbe auf dem Haupt, die auf den Bart von Aarons Bart fällt, die auf den Saum seines Gewandes fällt, wie der Tau des Hermon, der auf die Berge Zions fällt, denn dort hat der Herr Segen und ewiges Leben geboten.) Der 132. Psalm aus dem fünften Buch des Psalters.

Ein Strahl aus Rosenblüten fällt auf das Konventwappen. Klaus Schwager schreibt hierzu in einer Fußnote: „Der Strahl fallender Rosen ist in Bezug auf Abt Rupert Ness (1710 - 1740), den vorbildlichen Mönch, als Symbol der Reinheit zu verstehen.“

In den Kartuschen:
Im Stiftswappen: „Provocat Exemplo.“ (Er setzt ein Beispiel.)
Im Konventwappen: „Virtute t..hit.“

Das Schriftband um die Engelsfigur links – mit Bischofsstab und Mitra lautet:
Operit. 1 Pet. 4.7.“
Dahinter verbirgt sich der erste Brief des Petrus, Kapitel 4, 7: „Das Ende aller Dinge ist nahe. Seid also besonnen und nüchtern und betet!“

Das Schriftband um die Engelsfigur rechts – mit dem Schwert:
Plus amari quam timeri. A (?). f. 64“ Mehr geliebt als gefürchtet zu werden. (Alternativ: Er suche mehr geliebt als gefürchtet zu werden. Satz 15 aus der Regel des hl. Benedikt, 64. Kapitel - Einsetzung und Dienst des Abtes)
Eine antike politische Maxime für gute Herrschaft, die auch die Benediktregel als zentrale Abttugend (vgl. Kap. 64,15) kennt.

Darunter:

R.A.M.O.
Anagramma
AMOR.

Die vier Buchstaben stehen als Abkürzung für „Rupertus Abbas Monasterii Ottenburani“ (= Rupert, Abt des Klosters Ottobeuren). Bei einem Anagramm handelt es sich um ein Wort oder einen Satz, bei dem die einzelnen Buchstaben in einer anderen Reihenfolge angeordnet werden können. Dadurch bilden sich neue Wörter oder Wortfolgen mit einer anderen Bedeutung. Aus RAMO wird also AMOR = Liebe.

Die Namenskette zieht sich hierarchisch von oben nach unten. Ganz oben – im blau-weißen Wappenschild des Abtes Rupert Ness II. – die drei Ringe. Ein Deutungsversuch erklärt die drei Ringe als Symbol für die hl. Dreifaltigkeit. (Arthur Maximilian Miller hat Rupert Ness mit dem Buch „Der Herr mit den drei Ringen“ ein literarisches Denkmal gesetzt.)
Links vom Wappenschild der Verweis auf den Prior des Klosters, Pater Honorat Reich; rechts der Subprior des Klosters, Pater Theodor.

Die weitere Aufzählung der 12 Patres nach links unten:
Pater Lambert (Super Eld SaS; vom Priorat Maria Eldern ), Pontianus, Petrus, Henricus, Gregorius, Gordian, Augustinus, Benedict, Antonius, Beda und Anselmus [Erb; der am 23. November 1740 zum Nachfolger von Rupert Ness gewählt wird]

Die 12 Patres nach rechts unten:
Pater Christopherus, Sebastianus, Hieronymus, Joannes Baptist, Constantinus (Prior VeldK, also Prior der Priorates in Feldkirchen in Vorarlberg), Francis (Rat. Salisb., ev. als Professor an der Benediktineruniversität Salzburg abgestellt), Needegori, Ambrosi, Placidus, Ildephonsus

Es folgen von rechts nach links die 10 Fratres:
Frater Philippus, Vitalis, Rupertus, Gallus, Maru[us], Willibaldus, Bernardus, Janniarius, Martialis und Felix

Der Konvent der Abtei Otobeuren bestand 1715 also aus dem Abt, 24 Patres und 10 Fratres, in Summe aus 35 Benediktinermönchen.

Die lateinische Widmung im Zentrum des Gemäldes:
Natalizanti (oder A Natalizanti) RUPERTO Ruperts Geburtstag
Huius Nominis Secundo, Zweiter dieses Namens
Meritis inter primos, Sie haben es verdient, zu den Ersten zu gehören
Dignitate non minus, Nicht weniger Würde
Quam Virtute et Exemplo Durch seine Tugend und sein Beispiel
PREASULI, wurde ich befördert
Amore Liebe
PATRI MONASTERII, die Klosterbrüder
ut qui als wer
Constructo Religiosis Coenobio, Nach dem Bau des Ordensklosters

Instructo Religioni Musisque Domicilio, unterrichtet in Religion und Musik
Ottoburam Lateritiam reddidit marmonam
Antiquissimam restituit Novam,
Auctis insuper Praerogativis Zusätzlich zu den erweiterten Vorrechten
Caesareo Imperialem des Kaisers des Reichs
Confirmatisque Privilegiis, Bestätigte Privilegien
Liberam praestitit et Exemptam befreit und reichsunmittelbar
vota Mille,
Sacra C.[ongregatio] noncupat
AMans
ConCorDans
atqVe
obseqVens
ottobVra

Um unteren Rand der Kette findet sich in goldenen Lettern der Satz:
Ecce quam bonum et quam iucundum habitare Fratres in unum.“
Seht, wie gut und wie angenehm es für Brüder ist, zusammenzuleben.

Den unteren grafischen Abschluss bilden zwei Äbte:
links B. Toto I. Fundator (Sohn des Klosterstifters Silach und erster Abt von Ottobeuren, Toto, Abt von 764 - 814)
mit dem Schriftband: „Ego plantavi, iste rigavit.“ 1 Cor. 3.
Ich habe gepflanzt, er hat gegossen.
[Vollständig: Ego plantavi, Apollo rigavit: sed Deus incrementum dedit. Ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. 1. Korinther 3]

rechts unten B. Rupertus I. Reformator (der selige Abt Rupert I., der lt. Wikipedia-Seite einige Reformen einführte) mit dem Schriftband: „Locus iste Divina illustratione semper visitand[us] est.“ B. Ruper.
Dieser Ort muss immer von göttlicher Erleuchtung besucht werden. (Pater / Abt Rupert Ness I.)

Beide Äbte zeigen auf Bildkartuschen:
Die linke Kartusche zeigt einen Mann mit Kreuz und einen Mann mit Schild, Lanze und Helm, die beide die drei Ringe halten, dahinter je ein grüner Hügel, denen jeweils eine Quelle entspringt (?), auf dem linken Hügel ein goldenes Kreuz, auf dem rechten ein Schwert, das von drei Ringen umgeben ist. Schwager beschreibt die Szene dieser Kartusche als Allegorien von Religion, Wissenschaft und Kunst, die sich über die drei Ringe des Abtes Rupert Ness vereinen.
Im Titel: „Duplici Doctrina.“ S. Ben. Reg[u]la Seine Unterweisung verdoppeln
Am unteren Bildrand die Aufschrift „Foedere gaudent.“ Sie freuen sich über den Bund.

Die rechte Bildkartusche zeigt die in Teilen fertiggestellte Klosteranlage auf einem Felsen in der Meeresbrandung steht, darüber strahlt die Sonne.
Klaus Schwager: „Die Darstellung in der rechten Kartusche zeigt das neue Kloster auf einem Felsen im Lichte des Morgensterns (Maria), dem tobenden Meer unversehrt trotzend; zu erkennen ist die vereinfachte Ostfassade des als erstes unter Dach gebrachten südöstlichen Klausurgevierts, einschließlich des ab Frühjahr 1714 errichteten östlichen Treppenhausrisalits mit seinem Volutengiebel, ein Tatbestand, der mit dem Chronogramm von 1715 im Einklang steht.“
Dr. Gabriele Dischinger führt es so aus: „Auf dem Gemälde ist u. a. das 1714 vollendete, südöstliche Klausurquadrum in schematischer Ostansicht wiedergegeben, d. h. die südliche Hälfte des Ostflügels mit dem SO-Pavillon und dem übergiebelten Risalit, in dem das Konvent-Treppenhaus (Raum 3 + 103 + 203) liegt.“
Im Titel: „Semper idem.“ Immer das Gleiche (?)
Am unteren Bildrand die Aufschrift „Inieta resistit ...“ (nicht lesbar; nach Klaus Schwager: Im[m]ota resistet Virg[o])

Unten den beiden Bildkartuschen, am untersten Rand des Gemäldes, schließt folgender Text ab:
Provocat Exemplo Virtute AMOR attratut (attratiit?) Omnes, Si praecedit AMOR, nulla Sequendo MORA est.“
Herbeigeführt durch die Vorbildkraft der Liebe. Steht die Liebe an erster Stelle, gibt es kein Hindernis in der Nachfolge.
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Das Foto wurde während einer Führung des Heimatdienstes Ottobeuren am 13.08.2024 im Abtszimmer aufgenommen.

Dieser Eintrag muss noch redigiert werden (insb. lat. Übersetzungen und Deutungen).

Hinweis: Die Rechte an der Namenstagsgabe liegen bei der Abtei Ottobeuren.

Repro, Abschrift und Zusammenstellung: Helmut Scharpf, 08/2024

Urheber

Elias Zobel

Quelle

Klostermuseum der Abtei Ottobeuren

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1715-09-24

Rechte

Die Rechte liegen beim Kloster Ottobeuren