1916/17 - Tapferkeitsmedaillen für Bäcker Xaver Döring und Kaufmann Albert Scheule

Titel

1916/17 - Tapferkeitsmedaillen für Bäcker Xaver Döring und Kaufmann Albert Scheule

Beschreibung

Nur zwei Ottobeurer wurden im 1. Weltkrieg mit der Tapferkeitsmedaille (in Silber) ausgezeichnet. Sie war für Mannschaften und Unteroffiziere der höchste bayerische Orden, als Gegenstück zum preußischen goldenen Militär-Verdienstkreuz (Manschafts-Pour le Merite).

Die Vorderseite zeigt als Bild Max-Joseph-König von Bayern, die Rückseite den bayerischen Löwen mit Umschrift „Der Tapferkeit“. Im 1. Weltkrieg wurden 998 goldene Medaillen verliehen, im Krieg 1870/71 waren es 212. Die silberne Tapferkeitsmedaille - wie für Döring und Scheule - wurde im Krieg 1870/71 nur 800 Mal und im 1. Weltkrieg 2839 Mal verliehen. Von Anfang an lautete ihr landläufiger Name „Bayerische Tapferkeitsmedaille“, den sie ab 2. März 1918 auch offiziell erhielt.
Laut Bayerischem Kriegsarchiv wurden mit diversen Nachbewilligungen im 19. Jahrhundert, gerechnet ab den ersten Verleihungen vom 10. April 1795 bis zur letzten Verleihung im März 1920, insgesamt 1.474 Goldene und 4.868 Silberne Bayerische Tapferkeitsmedaillen vergeben.

Nach der Einstellung der Verleihungen existierte der Orden der Bayerischen Tapferkeitsmedaille bis zum Tod des letzten Inhabers Ende des 20. Jahrhunderts als halbstaatliche Körperschaft des öffentlichen Rechts fort. Der Orden verausgabte eine eigene Zeitschrift und benutzte eigenes Briefpapier. Alle Träger erhielten zudem einen Ausweis mit Lichtbild (wie der von Albert Scheule), da sie höchstes gesellschaftliches Ansehen und mancherlei Vergünstigungen genossen, wie etwa Freifahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln u.ä.
Quelle bei Wikipedia: Tapferkeitsmedaille

Der Grund der Verleihung ist im Werk „Bayerns Goldenes Ehrenbuch“ für alle Medaillenträger genau beschrieben, so auch auf den Seiten 259 (Xaver Döring, geb. 07.12.1889 in Ottobeuren, †1968 in Ottobeuren für eine Aktion am 09.08.1917 und Albert Scheule, geb. 20.02.1894 in Derndorf, † 01.09.1971 in Ottobeuren für Aktionen Ende Juli 1916). Scheule war nach der Verwundung durch einen Granatsplitter zur Kur in Wörishofen (s. Bild von 1917, das Thomas Obermajer im November 2014 aus dem tschechischen Zbiroh zur Verfügung stellte). Er steht unter der Beschriftung „Opa“. Das Bild zeigt ein Bad in der Mühlbachstraße.
Albert Scheule war mit seiner Familie am 10. Juli 1933 nach Ottobeuren gezogen, zunächst in die Bergstraße 12 (alte Hausnummer; zwischen Gantner-Haus und Frischknecht am Fuße der Bergstraße), am 15.03.1936 konnte dann das Haus Ecke Bahnhofstraße/Pater-Maurus-Feyerabend-Straße erworben werden, wo die Scheules bis 1973 (Eröffnung Feneberg) einen kleinen Laden betrieben. Das Haus hat seit 1951 die Hausnummer 41 in der Bahnhofstraße.

Literaturzitat:
Bayerisches Kriegsarchiv und Joseph Hyronimus (Hrsg.): Bayerns Goldenes Ehrenbuch - Gewidmet den Inhabern der höchsten bayerischen Kriegsauszeichnungen aus dem Weltkrieg 1914/1918, Verlag Joseph Hyronimus, München, 1928, 543 Seiten, 14 Bildtafeln

Gescannt wurden hier exemplarisch 61 Seiten, u.a. alle Grafiken (die Grafik nach Seite 416 „U-Boot nach dem Angriff“ fehlt im Exemplar von Scheule). Alle Seiten wurden aufwändig nachbearbeitet und sind auch in Druckqualität abrufbar. Ein Gesamtscan des Ehrenbuchs in verminderter Qualität findet sich hier.
Außerdem: Wikipedia-Link Bayerisches Kriegsarchiv.

Unbedingt lesenswert sind die Geleitworte im Ehrenbuch, vermitteln sie doch, welch zeitgeschichtlicher Geist hinter den Aufzählungen steht. Die Widmung von Hyronimus lautet:

Festhalten sollen diese Blätter die Erinnerung an ruhmvolle Taten und der Nachwelt überliefern, was Mannesmut und treue Pflichterfüllung geleistet, dass wahre Vaterlandsliebe sich nicht in Worten erschöpft, sondern Taten erheischt.

Von Heldentum, Pflichtgefühl und Opferbereitschaft, wahrem Mannestum, vom Vorbild für die kommenden Geschlechter, von einer „neidvollen, haßsäenden Welt von Feinden“ ist im Buch die Rede.
„Revolution und das damit verbundene schmähliche Kriegsende machten es seinerzeit nicht möglich, Euch heimkehrenden Helden den Dank des Vaterlandes, den es Euch schuldet, so zum Ausdruck zu bringen, wie er Euer würdig gewesen wäre.“

Der Originaltext im Kapitel „Silberne Tapferkeitsmedaille“ über Albert Scheule (S. 447):
Scheule, Albert
Inftr. der 12. Komp. b. Res.Inf.Rgts. 18. Im Frieden Knecht in Derndorf. Geb. 20.2.1894 zu Derndorf in Schwaben.

Die 12. Komp. b. Res.Inf.Rgts. 18 lag in der Sommeschlacht vom 21. bis 27.7.1916 nördl. Maurepas an einem kleinen Hang in vorderster Stellung. Gräben und Unterstände gab es nicht, jeder Mann suchte in einem rasch ausgehobenen Erdloch Deckung, so gut er konnte. Das siebentägige Trommelfeuer fügte der Kompagnie die stärksten Verluste zu. Die Krankenträger hatten schwere Arbeit zu leisten.

Hierbei zeichnete sich Infanterist Scheule ganz besonders aus. Mit seltener Liebe und opferfreudiger Hingabe an seinen schweren Dienst arbeitete er Tag und Nacht, teils Verwundete bergend und verbindend, teils Verschüttete ausgrabend oder gefallene Kameraden bestattend. Kurz vor der Ablösung wurde auch er durch einen Granatsplitter verwundet, als er pflichttreu wie immer ohne jede Deckung im stärksten Artilleriefeuer seinen Dienst versah.

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Im Nachwort vom Dezember 1927 findet sich auch die Vermengung mit Religion, wenn vom „heilgen Licht der siegtrunkenen Augen“ die Rede ist oder Hyronimus mit den Worten schließt:

Möge jeder, der dieses Buch zur Hand nimmt, aus ihm Kraft und Entschlossenheit und freudige Hoffnung auch auf künftigen deutschen Manneswert schöpfen, möge sich unser ganzes Volk zu eigen machen, was uns draußen am Feinde wieder und wieder zum Sieg geführt: die Demut des Befehlens und der Stolz des Gehorchens. Dann wird der Tod von Millionen nicht umsonst gewesen sein. Ihr Geist wird auferstehen und wir in ihm. Das walte Gott!

Immerhin ist hier von Millionen Toten die Rede, ein kritisches Hinterfragen der Sinnhaftigkeit findet gleichwohl nicht statt, es wird einzig das Heldentum und das Andenken betont: Deutschland, umzingelt von Feinden.
Am 11.11.2014 berichtete die Tagesschau von einem neuen Ansatz: Im nordfranzösischen Notre-Dame-de-Lorette wurde eine internationale Gedenkstätte zum Ersten Weltkrieg eingeweiht. Die Namen der 580.000 getöteten Soldaten sind nicht mehr nach Nationen getrennt, sondern werden gemeinsam in alphabetischer Reihenfolge genannt.

Zurück zum Orden: Die Abstufung der verliehenen Auszeichnungen entspricht der damaligen feudalistischen Klassengesellschaft. Der Militär-Max-Joseph-Orden, errichtet „am 1. Januar 1806 von Seiner Majestät dem König Maximilian Joseph I“, ist in seiner höchsten Stufe dem Königshaus vorbehalten, das Großkreuz des Militär-Max-Joseph-Ordens und der Stern zum Großkreuz sowie das Kommandeurskreuz und das Ritterkreuz ausschließlich Rittern (darunter auf Seite 40 Daniel Ritter von Pitrof,*14.02.1873, Ochsenfurt, †27.10.1960, Hechendorf, der mit dem Ottobeurer Freikorps 1919 den Spartakusaufstand in München und Kempten niederschlug), Freiherrn und sonstigen Adeligen. Für „Normalsterbliche“ gab es den „Militär-Sanitäts-Orden“ 1. und 2. Klasse sowie die Tapferkeitsmedaille in Gold oder Silber.

Die ausgewählten Buch-Scans wurden aufwändig restauriert (Helmut Scharpf, 11/2014). Zusammengefasst wurden hier alle erläuternden Texte zu den Auszeichnungen, die Anfänge mit den Geehrten im Alphabet und das jeweilige Ende, zusätzlich dann auch die Textseiten mit den Ausgezeichneten, wenn sie vor einer Grafik standen sowie alle - heroisch-pathetischen - Grafiken (bis auf die erwähnte U-Boot-Grafik), die beiden Buchseiten mit Döring und Scheule, das Inhaltsverzeichnis, die Übersicht der 14 Bildtafeln sowie das Abkürzungsverzeichnis.

Technischer Hinweis: Die pdf-Datei des Buch-Scans (Reiter ganz rechts) hat ca. 62 MB und sollte vor dem Betrachten erst heruntergeladen und abgespeichert werden.


Urheber

Bayerisches Kriegsarchiv, Joseph Hyronimus

Quelle

Reinald Scheule

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1916-07-27

Rechte

gemeinfrei