20-12-2015 „Winterbilder“ der Oberen Mühle mit Blick zurück
Titel
Beschreibung
Bei der Oberen Mühle handelt es sich nicht nur um eines der ältesten Gebäude unseres Fleckens, sie wird auch noch von einer der ältesten Familien in Ottobeuren bewohnt.
Laut der auf der Ostseite eingelassenen Steintafel (von Dr. Otto Merkt, Kempten) steht hier schon seit dem Jahre 1485 eine Mühle. Die Tafel nennt die bis 1950 gültige Hausnummer 171, heute Mühlbachstraße 28. 1557* wurde die Mühle neu erbaut. Seit 1557 ist es der Sitz der Familie Wagner - damit wohl die älteste des Ortes. Ein Bild des Familiengrabs auf dem Ottobeurer Friedhof (Aufnahme vom 02.07.2015) verdeutlicht dies.
Von 1485 bis 1803 gehörte sie zum Kloster. Gemahlen wurde noch bis 1967 - zuletzt vom „Mühler Bi“ (Adalbert Wagner). Das Landesadressbuch vom Juni 1928 nennt Ulrich Wagner als Besitzer der Kunstmühle.
Die Stromerzeugung kam erst Mitte der 1980er Jahre dazu (ca. 5 kW Leistung). Die Mühlsteine sind verkauft, ansonsten ist ein Großteil der Innenausstattung (Nordhälfte des Gebäudes) noch erhalten.
Im 2. Band der Jahrbücher von Pater Maurus Feyerabend taucht die Mühle 1485 nicht auf; die untere und obere Mühle finden bei ihm erstmals für das Jahr 1463 Erwähnung (S. 673 f.), Zitat:
... in den übrigen wird der hiesigen Gemeinde gestattet, in dem Flecken, von der obern bis untern Mühle, jedoch mit blossen Händen ohne andere- Werkzeug, und nur zum Eigengenusse, und nicht zum Verkaufe, ausser dem Flecken aber in dem Leim- Frölins- und sogenannten Geißbächlein zu fischen.
Im dritten Band steht auf den Seiten 113 f. für das Jahr 1534 folgender Hinweis:
Auch schloß er [Abt Leonhard] mit diesem Jahre die Vererbung sehr vieler grundeigener Stiftsgüter meistentheils an die eigenen Stiftsunterthanen, mit welchen sehr leidentliche Bestandsverträge abgeschlossen wurden, worunter neben sehr vielen andern auch die obere Mühle des hiesigen Marktortes, die Mühle zu Suntheim [Sontheim], der Hoferwald, der sogenannte Wetzelschlag, und das Bad, und Badhaus zu Böhen, eine Hofstatt zu Salenwang, die Mühle zu Niederrieden, und ein beträchtlicher Hof zu Friesenried namentlich vorkommen.
* Im dritten Band, S. 194 f. steht über das Jahr 1553:
Überhaupt wurde der neue Kirchenbau in diesem, und in den folgenden Jahren bis zur spatem feierlichen Einweihung rastlos, und mit einem so gut berechneten Kostenaufwands betrieben, daß man sich noch stets ohne fremde Aushilfe kräftig genug fand, nebenzu auch andere nicht unbedeutende Gebäulichkeiten zu Stande zubringen ; wie dann die obere, und untere Mühle des hiesigen Marktortes, die so genannte Riedmühle zu Beningen, die drei Zehentscheunen zu Günz, Böhen, und Attenhausen, und neben diesen die geräumige Kapell zum heiligen Sebastian auf dem Gottesacker unter diesem Herrn Abte [Kaspar Kindelmann] aufgeführt, und der Gottesacker selbst mit einer weitschichtigen Mauer umgeben wurden.
Für das Jahr 1628 werden in einer Aufzählung der Verdienste von Abt Gregor Reubi folgende Dinge ganannt:
Ottenbeuren zählt ihn mit Recht unter seine größten und würdigsten Äbte. Er tilgte während der so vielen, und kostspieligen Rechtsstreite, an Passiven 97188 fl. bauete die Schule, die Walke, das Waschhaus, die Bräustatt sammt aller Zugehörde *, den Hof zum Schachen sammt der Fischgrube, einen Salzstadel im Marktorte, das Klosterthor sammt einer Zugbrücke, zwei Torkel zu Sipplingen, und Immenstad, den Meierhof zu Wald, wo ehevor ein schlechtes Bruderhaus stand, erneuerte das Schloß zu Ungerhausen, und ließ den Fischteich graben, erweiterte die Kapell zu Rummoltshassen [Rummeltshausen] um 12 Schuhe, und versah dieselbe mit einem Thürmchen, besetzte den Spitalgarten, und die Höfe Schachen, Wolfarts [Wolferts], und Konenhof mit einigen hundert Bäumen, verwendete viel Geld auf die Kirchenparamente, auf die Verzierung des Pontifikalchors, und der Altäre, ließ den Abfall bei der obern Mühle zweimal wiederum herstellen, erhielt alle Gebäulichkeiten in gutem Stande, und gleichwie er der erste, und eifrigste Beförderer der hohen Schule zu Salzburg war, so war er auch aus allen hiesigen Äbten der Erste, welchen Kaiser Ferdinand II. mit dem Titel eines kaiserlichen Rathes im J. 1620 beehrte.
Die Auswirkungen des 30jährigen Krieges gingen auch an den Mühlen nicht spurlos vorüber, wobei die obere Mühle in einer Schilderung zur Situation von 1635 von Pater Jeremias Mayr nicht explizit genannt wird (S. 432 f.):
Vom 20sten Jäner [Januar] dieses Jahrs meldet er: „Unsere Unterthanen werden wegen der Räubereien mit jedem Tage ärmer, und wegen der Auswanderung mit jedem Tag' an der Zahl weniger. Am 11ten Tage des Jäners plünderten die Feinde von Mindelheim her das Dorf Frechenrieden, am 12ten die von Memmingen die Dörfer Günz und Rumoldshaufen, wo sie 60 Wagen mit der Beute beluden, am 16ten fünf und zwanzig andere die zwei Waldmühlen, wo sie den Miller, Stephan mit Namen, zum Tode aufsuchten, dessen Eheweib durch den Leib schossen, und die Hausgenossen erbärmlich mißhandelten. Die Pfarrer zu Ottenbeuren, Attenhausen, Günz, und Erisried haben ihre Pforten verlassen. In unserm Gebiete sind die meisten Mühlen zerstört, und in einen unbrauchbaren Stand versetzt ; mit dem Hunger ist es auf der äussersten Stuffe ; Pferdefleisch, ausgebalgte Katzen, und geschundene Hunde sind jetzt die gewöhnlichen Delikatessen, der blassen Bürger, die Noth zwingt sie auch, nicht nur alle Gattung der Mäuse, sondern auch das Moos alter Bäume, Brennesseln, und gleich den Thiern Gras, und andere theils unverdauliche, theils äusserst eckelhafte Dinge zu speisen. Als dieser Tagen dem Herrn Obersten von Wolkenstein ein schäbiger, und krätziger Esel fiel, stürzte man sich über das Aas her, und fraß dasselbe begierg auf. Zu Boos zehrte eine Mutter ihr eigen Kind auf, und eine andere stand eben im Begriffe mit ihrer doppelten Leibsfrucht ihren Hunger zu stillen, als der Ortspfarrer dazukam, und die Unmenschlichkeit hinderte. (...)
1690 (S. 559) ist erstmals von einem Günzhochwasser die Rede:
Hier schwoll den 15ten des Brachmonats [= Juni] um Mitternacht in dem engen Günzthale das Wasser so hoch an, daß alle Brücken zerstört, die Mühlen überaus beschädiget, die Mauer des Klostergartens niedergestürzt, und nahe Wohnungen, Gärten, Wiesen und Felder, welche in der Ebene lagen, unter Wasser gesetzt wurden.
Im vierten Band taucht die obere Mühle nicht auf, das Jahr 1789 war aber wiederum von einem Hochwasserereignis gekennzeichnet (S. 205 f.):
Für den hiesigen Marktort waren die letzten Tage des Heumonats [= Juli] sehr unglückliche Tage. Nach einem vierzig Stunden lang anhaltenden Regen sammelte sich in dem engen Günzthale eine grosse Menge des Wassers, und verstärkte sich so sehr, daß der hoch angewachsene Günzfluß schon in der Nacht auf den 29ten Juli, nachdem die schlafenden Eigenthümer von einer fremden beherbergten Person aufgeweckt, und gewarnet, kaum noch Zeit gefunden hatten, ihr Leben zu retten, zuerst den Ölstampf, und nachmals das geräumige Haus selbst, wie dieselben standen, von des Ölmillers Boden ablösete, und gegen den Marktort herabführte. In dem Marktorte selbst beschädigte das tobende Gewässer zwei unterspühlte Ecke der zwei steinernen Gasthäuser zum Löwen, und Engel, und bei der untern Mühle riß die Gewalt des Stromes drei bürgerliche Wohnhäuser während des Tages von ihrer Stelle hinweg. Am Leben verunglückte zwar Niemand ; aber das Geheul, den Jammer, und das Elend vergrösserte ungemein die allseitige Unbehilflichkeit, welche bloß die Menge der Zuschauer, und nicht jene der Retter vermehrte.
Zurück in die Gegenwart:
Der Winter war bis Ende 2015 ausgeblieben. Überhaupt war es eines der sonnenreichsten und wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. So entstanden im milden Dezember-Licht einige stimmungsvolle Aufnahmen (jeweils zusammengesetzt aus vier bis acht Bildern). Auf dem Startbild ist links der Mühlkanal samt Mühle zu sehen, in der Mitte der sogenannte Ross-Stall, rechts wiederum der frühere Saustall (Schweinestall), der heute von einem Taubenzüchter genutzt wird. In der Gebäudemitte ist auf der Ostfassade ein Abtswappen abgebildet.
Ein echtes Winterbild stammt vermutlich vom Anfang der 2000er Jahre; da ist auch das Abtswappen sichtbar.
Alle Aufnahmen wurden von Helmut Scharpf gemacht und sind frei verwendbar.
Ein Interview mit Herrn Wagner sowie mit dem Klosterarchivar steht noch aus.