1723 – Jacopo Bellandelli malt die „vier Weltmonarchien“

Titel

1723 – Jacopo Bellandelli malt die „vier Weltmonarchien“

Beschreibung

Auch wer schon unzählige Male auf den Solnhofer Platten durch die Klostergänge gelaufen ist, hat dabei in der Regel einen besonderen Schatz übersehen: die Deckenfresken. Vier davon sollen hier näher erklärt werden.

Allen, die sich näher mit den Kunstschätzen des Klosters befassen wollen, seien die epochalen Arbeiten der Münchner Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Dischinger (26.10.2011, s. Fotos und 11.05.2014) sowie von Klaus Schwager (2017); Literaturzitate s. unten. Im Band 2 der „Barocken Bildwelt“ finden sich Hinweise zu den im virtuellen Museum abgebildeten Deckenfresken mit den „vier Weltmonarchien“, auf den Seiten 390 - 407 (insb. S. 405- 407) die entsprechenden Details. Und die sind wirklich spannend:
Bei Wikipedia findet sich ein Eintrag zur sogenannten „Vier-Reiche-Lehre“. Dem im babylonischen Exil lebenden jüdischen Apokalyptiker, Traumdeuter und Seher Daniel, dem der Gott Israels (JHWH) das apokalyptische Ende der Judäa beherrschenden Weltreiche und das folgende ewige Reich Gottes offenbarte.
Die vier Herrscher der Weltmonrchien werden nach der Vision des Propheten Daniel von je einem Fabelwesen begleitet. Von Norden nach Süden der Kaisersaal-Durchfahrt folgen die Deckenfresken einer chronologischen Abfolge, der die Zeiteinteilung nach Jakobus Saliani (von 1638) zugrunde liegt:

Fresko 1: das babylonische oder syrisch-chaldäische Reich, 3334 Jahre nach Erschaffung der Welt. Nebukadnezar mit langem Bart und einem spitzen asiatischen Hut mit Kronreif sowie einem Szepter. Das ihm zugeordnete Tier ähnelt einem Löwen, hat aber Adlerflügel. (Aus der Prophezeiung des Daniel 7, 1-8)

Fresko 2: das medisch-persische Reich, 3517 Jahre nach Erschaffung der Welt. Der Herrscher Kyros mit einem grünen Gewand mit goldenem Knebelverschluss, auf dem Haupt ein Turban mit Krone und Federgesteck. Sein Szepter hat eine Frucht an der Spitze. Das Tier gleicht einem Bären.

Fresko 3: das makedonisch-griechische Weltreich, 3743 Jahre nach Erschaffung der Welt. Dargestellt ist Alexander der Große. Er trägt einen Harnisch und hält ein Schwert. Das Fabeltier hat in der Prophezeiung vier Flügel und vier Köpfe, zu sehen sind hier nur drei Köpfe.

Fresko 4: das römische Weltreich, 4006 Jahre nach Erschaffung der Welt. der römische Kaiser Augustus mit einem Lorbeerkranz auf seinem Haupt sützt sich auf seinen Feldherrnstab. Das Tier hat in der Prophezeiung 10 Hörner; hier sind es neun.

Die insgesamt vier Weltmonarchien bereiten auf den im zweiten OG liegenden Kaisersaal vor, der die Übertragung des Römischen Reichs auf das Imperium Karls des Großen und seine Nachfolger zum Thema hat. (Quelle: Gabriele Dischinger et al., 2014: Ottobeuren. Barocke Bildwelt, Bd. 2, S. 405 ff.)

Vom ausführenden Künstler, Jacopo Bellandelli, sind keine Lebensdaten bekannt. Im Gang des Erdgeschosses des Hofgebäudes wurde 1719 von Franz Joseph Hermann [Hörmann] mit der Ausmalung begonnen, Abt Rupert Ness erwähnt sie erstmals am 30.10.1719. Bis zur Fertigstellung 1725 war neben Bellandelli auch Franz Joseph Spiegler beteiligt. Die gleichzeitig arbeitenden Stuckatoren standen unter der Leitung von Andrea Maini.
Der Einsatz von Jacopo Bellandelli war laut Dischinger (S. 397) „nur ein Gastspiel. In den Rechnungen von 1723 sind seine Ankunft am 16. April und eine Zahlung am 9. Juli vermerkt.“ Dem Abt gefiel seine Arbeit nicht, Bellandelli wurde entlassen. „Er war später in St. Peter im Schwarzwald und anschließend im Bodenseeraum tätig.“
Anfang der 1970er Jahre wurden die vier Fresken von Hans Müller, der damals beim Kirchenmaler Ludwig Dreyer angestellt war, restauriert.

Literaturzitate:
Dischinger, Gabriele et al: Ottobeuren – Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage 1672-1802: Bd. 1 Kommentar, Bd. 2 Planzeichnungen, Bd. 3 Quellen und Register: Kommentar, EOS Verlag St. Ottilien, 26.10.2011,  ISBN-13: ‎978-3830674672, Format 25.8 x 8.6 x 34.2 cm, 248 Euro

Benediktinerabtei Ottobeuren (Hrsg.), Dischinger, Gabriele, Böhm, Cordula, Bauer-Wild, Anna, Prusinovsky, Rupert, Nielsen, Kai-Uwe: Ottobeuren. Barocke Bilderwelt des Klostergebäudes in Malerei und Plastik, EOS-Verlag, St. Ottilien, 11.05.2014, Bd. 1 (Konventgebäude mit Benediktus- und Abtskapelle, 235 S.), Bd. 2 (Abtei und Hofgebäude, 596 S.), zs. 831 S., Auflage: 500, ISBN: 978-3-8306-7658-4, 148 Euro

Satzinger, Georg (Hrsg): Die benediktinische Reichsabtei Ottobeuren 1672-1803: Materialien zu Vorgeschichte, Planung, Bau und Ausstattung der neuen Klosteranlage sowie anderer Bauten des Ottobeurer Einflußbereichs von Klaus Schwager, Rhema-Verlag Münster, 2017, 968 S., ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3868870350, 70 Euro

Die Fotos der Fresken wurden am 18.7. bzw. 30.7.2021 gemacht (Helmut Scharpf). Hinwies: Sollte sie jemand kommerziell nutzen wollen, dann ist vorab die Genehmigung der Abtei Ottobeuren einzuholen.

Urheber

Jacopo Bellandelli, Helmut Scharpf (Fotos)

Quelle

Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1723-11-01

Rechte

Fotos gemeinfrei, Abbildungen: Abtei Ottobeuren