11.01.1611 - Überfall auf Abt Alexander Sauter im Otterwald
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Der Rechtsstreit darum, wem Ottobeuren von weltlicher Seite unterstellt ist (dem Kaiser oder dem Fürstbischof von Augsburg) begann 1592 noch unter Abt Gallus Memminger, zunächst mit Fürstbischof Johann Otto von Gemmingen, ab 1598 mit dessen Nachfolgen Heinrich dem V. von Knöringen. Vorwürfe des Bischofs nach einer falschen Verwaltung des Klosters etc. (Feyerabend bezeichnet den Abt zwar nicht als „Verschwender“, sondern als „einsichtlosen Ökonomen, welcher auf Rechnung seines Nachfolgers vieles ankaufte, vieles bauete, die jährlichen Renten durch viele Verpachtungen schwächte, und bei der Vertheidigung der Stiftsrechte eben so wenige Einsichten, als bei dem Verwaltungsgeschäfte verrieth.“) führten zum Rücktritt von Abt Gall bzw. Abt Gallus. Bei der auf den 25. „des Jäners“ [Jänners, Januars] festgesetzten Wahl fiel das Los schon im ersten Wahlgang auf den Abt von Andechs, Alexander Sauter.
Schon kurz nach Beginn seiner Amtszeit kam es wegen des Todes eines Mindelheimer Untertans zu einem weiteren heftigen Rechtsstreit: „... von dem benachbarten Mindelheim her stieg eine Gewitterwolke auf, die sich sehr gefahrvoll über das Stift herzog.“ Christoph von Fugger, damaliger Prätendent von Mindelheim, verwahrte sich gegen die Vorlage der Rechtssache vor dem Reichskammergericht zu Speyer, denn: „Ottenbeuren wäre als ein mittelbares Stift, einem jeweiligen Herrn Bischofe von Augspurg unterworfen, hätte folglich zu Augspurg, und nicht an den höchsten Reichsstellen seine Klage vorzubringen.“ Ab 1601 kam ein neuer Streit hinzu. Die benachbarte Reichsstadt Memmingen „fand wider das ottenbeurische Marktrecht eine Bedenklichkeit“. Der Fürstbischof von Augsburg ließ Ottobeuren zwar mittlerweile bei der Bestallung des Obervogtes freie Hand, verteidigte die Rechte des Stiftes allerdings nicht bei der reichsweiten Einführung der „Türkensteuer“, die Kaiser Rudolph auf dem allgemeinen Reichstag zur Finanzierung des Krieges gegen die Osmanen eingeführt hatte.
Der Rechtsstreit um die Reichsunmittelbarkeit fand erst 1617 nach einem glücklichen Fund einer Urkunde des Klosters Benediktbeuren durch den Ottobeurer Prior und Klosterchronisten Gallus Sandholzer ein Ende. Er konnte nachweisen, dass mit der „vorgeblichen Urkunde vom Jahre 1116, worinn Kaiser Heinrich V. Ottenbeuren an den Herrn Bischof von Augspurg angewiesen, und verschenkt haben sollte“ nicht „auf Otten- sondern ausdrücklich auf Benediktbeuren vermeint sey ...“
Neuer Ärger drohte von anderer Seiten, denn Abt Alexander fing ab 1609 an „grossen Aufwand zu machen, kostspielig zu leben, eine unnöthige, und zahlreiche Dienerschaft um sich zu haben.“ Seinem Kammerdiener, Andreas Hummel von Biberach, vertaute er „alle Einnahm und Ausgab der Abteigelder ohne auferlegte Pflicht sich darüber auszuweisen, blindhin an“, der Abt rief „eine Menge der Gäste in das Haus“, hielt „mit vielem Aufwande prächtige Gastereien (...) und mehreres andere (...), was einer guten Hauswirthschaft Wehe that“.
Wiederum war es Prior Sandholzer, der die Probleme lösen konnte. An der Spitze einer Abordnung des Konvents warf er sich dem Abt zu Füßen und flehte darum, dem „Drange der Zeitumstände“ nachzugeben – und Abt Alexander lenkte ein. Eingespart wurde vor allem beim Personal; sogar der Hofnarr musste gehen. Eine Fußnote gibt Aufschluss über die Entlassungswelle:
„Man entließ ihrer Dienste den Kammerdiener Andreas Humel, den Tonsetzer oder Komponisten Albert Recher, den Schulmeister Jo. Georg Alzinger, von sieben vier Choralschüler, den Schreiber Balthasar Rothweil, den Kellerer Bustlin, einen gewissen Vogler, und Weidmann Ottermann, den Christian Zettler Jäger auf dem Lerchenberg, und den Narren Balthas. Jeder Regent hielt sich damals, und schon vorher, ein, oder mehrere solche Geschöpfe zum Unterhalte.“
1610 führte eine Bestätigung der Rechte Ottobeurens durch Kaiser Rudolph zu einem erneuten Ausbruch der Spannungen. Das „sehnlichst erwartete allergnädigste kaiserliche Reskript, (...), für welches der Abt Alexander schon länger angesucht hatte, und Kraft wessen Kaiser Rudolph das ohnehin nur lehenweise an Augspurg gekommene Schutzvogteirecht wieder an sich zog, und von Augspurg hinweg nahm“ hatte seitens des Fürstbischofs letztlich den Plan zur Folge, Abt Alexander verhaften zu lassen. Die Geschichte könnte als Krimi verfilmt werden. Im Detail können Sie unten alles ab Seite 314 nachlesen. „Einige Truppen des Freiherrn von Mörsperg“ von der katholischen Liga bekamen den Auftrag zur Umsetzung des Vorhabens. Feyerabend schrieb: Was Augspurg wider Ottenbeuern im Schilde führte, und wirklich auszuführen begann, war weniger nicht, als den Hrn Abt Alexander durch die mörspurgischen Truppen gefangen zu nehmen, den Gefangenen nach Dillingen abzuführen, und das Stift selbst mit bewaffneter Mannschaft zu besetzen.
Am 11. Januar 1611 war es soweit: Unter Führung des Pflegers von Schöneck [Oberschönegg], Diepold von Gemmingen, wurde der Plan umgesetzt. Abt Alexander Sauter war um 19 Uhr von Niederrieden ins Nachtquartier in Egg an der Günz aufgebrochen, als an der Ottersteige der Überfall begann. Das Angebot der Gemeinde Niederrieden, auf „die aus 24 Musquetierern bestehende Ehrenbegleitung“ zurückzugreifen, hatte er ausgeschlagen. Von Gemmingen war Dank seines „Ausspähungsgeistes kein Zeit- und Gelegenheitsumstand verborgen“ geblieben. Mehr als 100 Bauern waren am Überfall beteiligt, bewaffnet „mit zahlreichen, theils mit pulverleeren Musqueten und Standrohren, theils mit Spießen und Hellebarden“. Zu den „Kampfhandlungen“ äußerte sich Feyerabend wie folgt:
„Zum Morden und Abfeuren kam es aus Mangel des Pulvers nicht; Rippenstöße aber, Maulschellen [Ohrfeigen] und wechselseitige Hiebe gab es nicht wenige.“ Der gefangene Abt wurde über mehrere Stationen „unter großem Zulaufe des Landes- und Stadtvolkes“ nach Dillingen verbracht – es kam sogar zu einer Bootsfahrt auf der Donau, die wegen eines Hochwassers ein Fortkommen an Land offensichtlich unmöglich gemacht hatte. Am 13.01.1611 in Dillingen angekommen, blieb Abt Alexander immerhin acht Wochen inhaftiert.
Nach Ottobeuren „kam die erste Nachricht von der Gefangennehmung des Hrn. Abtes schon in der ersten Nacht vom eilften auf den zwölften Jäner durch zwei eigens abgeordnete Eilboten, welche die Dorfgemeinde Eck abgeschickt hatte.“ Prior Sandholzer ließ die Glocken läuten, im Nu hatten sich etwa 200 Ottobeurer versammelt. Man bewaffnete sich und besetzte die Ortseingänge. Letztlich suchte man sich mehrere Verbündete und trat in Verhandlung. Nach einer Reihe von Zugeständnissen trat der Abt am 6. März „in Begleitung der reichsständischen Abgeordneten die Rückreise nach Hause an, wo man ihn, als einen unerschütterlichen Vertheidiger der theuersten Stiftsrechte mit aller Ehrfurcht eben so, wiemit aller Freude empfieng.“
Der Text auf dem Denkmal lautet:
Hier an der Ottersteig wurde am 11. Januar 1611 auf dem Weg von Niederrieden nach Egg der Ottobeurer Reichsabt Alexander Sauter gefangen genommen vom Fürstbischof v. Augsburg nach Dillingen. Dies führte durch Ottobeuren zur Gründung der Benediktineruniversität von Schwaben, Schweiz und Österreich in Salzburg 1617 - 1622.
Links unten findet sich das Wappen des Abtes Alexander (mit den Buchstaben „F A S“ für Frater Alexander Sauter – auch der Abt bezeichnete sich früher demütig als „Bruder“), rechts das der Universität. Links oben ist das Wappen der Gemeinde Niederrieden abgebildet, rechts oben das der Gemeinde Egg (der Abtsstab steht für Ottobeuren, das Dreieck für den aus Egg an der Günz stammenden Theologieprofessor Eckius / Johannes Eck, den Gegner Martin Luthers).
Auf der Rückseite des hohen Gedenksteins sieht man das Wappen und den Schriftzug des Landkreises Unterallgäu sowie die Jahreszahl A.D. 1982.
Warum das Denkmal (gestaltet vom Mindelheimer Bildhauer Georg Bayer, finanziert von den Freunden der Benediktinerabtei) einen Zusammenhang zur Eröffnung der Benediktineruniversität Salzburg (ab 1617) herstellt, erklärt Günther Städele – er war bei der Einweihung durch Abt Vitalis Maier selbst dabei – folgendermaßen: Bis zum feindlichen Akt von 1611 hatten die Ottobeurer Konventualen im Jesuiten-Collegium St. Hieronymi in Dillingen studiert, nachdem man sich nach dem Überfall aber nicht mehr vorstellen konnte – immerhin hatte auch der Fürstbischof von Augsburg seine Residenz in Dillingen –, die Studenten just an den Ort zu schicken, an dem der Abt gefangen gehalten worden war, wurde die Anfrage aus Salzburg auf Mitwirkung bei der Gründung einer eigenen Benediktineruniversität umso positiver aufgenommen. (Nichtsdestotrotz wurden lt. Klosterarchivar Pater Rupert Prusinovsky auch später noch vereinzelt Konventuale zum Studieren nach Dillingen geschickt.)
Wer übrigens erklären kann, was mit „einem Seitenstück des ersten Apostels“ gemeint ist – vermutlich ein Schlag ins Gesäß – bitte melden. Christian Arnold vom Käseladen sei für den Tipp zum Denkmal herzlich gedankt!
Hier nun die Abschrift des Originaltextes von Pater Maurus Feyerabend aus seinem dritten Band der Jahrbücher (von 1815). Zur Worterklärung der damals üblichen Monatsbegriffe:
Jäner [Jänner, Januar], Hornung [Februar], Brachmonat [Juni], Heumonat [Juli], Herbstmonat [September], Weinmonat [Oktober], Wintermonat [November], Christmonat [Dezember]. Weitere Erläuterungen sind im Text in eckigen Klammern angegeben.
Abschrift, Zusammenstellung und Foto: Helmut Scharpf, 10/2016
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(...)
J. 1592.
Zu Augspurg starb am 28ten Tage des Jäners nach einer fünfzehnjährigen Regierung der Herr Fürstbischof von Augspurg Marquard von Berg, auf welchen durch eine einstimmige Wahl des Domkapitels der Herr Johann Otto von Gemmingen folgte. Unserm Stifte stund unter dem neuen Herrn Bischöfe, und Schutzherrn eine neue Bedrükung, und Rechtskränkung bevor, welche sogleich nach dem erfolgten Tode des um das hiesige Stift beßtens verdienten Obervogtes
J. 1593.
Adam von Stein ** begann. Bis dahin wäh-
18 *
* Idem ibidem.
** Dessen bei der Umstaltung der hiesigen Pfarrkirche in ein Schulhaus vorgefundene Grabschrift lautet, wie folgt: „Auf den den 11ten Tag des Apriliß a. 1593. starb der edel und vest Adam v. Stain Obervogt zue Ottebeyrn auch der schwebischen Reichsprelaten bestellter Hauptmann Kriegsrath dessen Seelen Gott gnadt.“ Zur Rechten sieht man einem Arm mit aufgehobener Hand, und der Aufschrift : Weitingen ; wie auch ei-
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wählte sich das Stift nach Belieben seinen Obervogt, als einen der ersten Beamten, und Augspurg kam nicht zu Sinne, hierinnfalls sich einmischen zu wollen ; nun aber schien man die wenigen Rechtskenntnisse des Abtes Gall [Gallus Memminger, Abt von 1584 - 1599], und den gefälligen Diensteifer des damaligen Konventpriors Philipp Resch benutzen zu wollen ; plötzlich erschien hier der von dem Herrn Bischofe Johann Otto [Johann Otto von Gemmingen] widerrechtlich aufgestellte Christoph Bernard Truchseß * von Höfingen mit einem bischöflichen Präsentationsschreiben als ottenbeurischer Obervogt, huldigte sogleich dem Herrn Fürstbischofe, als einem Eigenthumsherrn des Stiftes eidlich, und als ein Mann, welcher sich verpflichtete, zweien Herrn mit gleicher Treue zu dienen, fertigte er zwei Reversschreiben aus, eines an den Herrn Bischof, worinn er denselben eine Obrigkeit des Gotteshauses Ottenbeuren in geistlichen, und weltlichen Sachen, sich aber Seinen, und Seines Gotteshauses gnädig
nen Leoparden mit einer Helleparte, und der Aufschrift : Zimbern ; auf der linken abgestossenen Seite muß das Wappen vom Landstrost gestanden haben ; weil er sich Adam von Stain zu Landstrost schrieb. Landstrost gieng im folgenden Jahre an die von Schellenberg über.
* Höfingen, welches in dem würtembergischen Amte Leonberg liegt, hatte ehedem an den Truchsessen von Höfingen einen eigenen Adel. Schwäb. Lexikon Wort : Höfingen.
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aufgenommenen Obervogt nennet ; das andere an den Herrn Abt Gall, worin er verspricht. „Seiner Gnaden ein getrewer Vogt und Diener gewärtig, und zu dienen willig und gehorsamb zu seyn, wann, und wohin Ihr Gnaden das begehren wirdt.“
Einige Tage hierauf unternahm der Herr Johann Diepold von Gemmingen, Bruder des Herrn Bischofes, damaliger Pfleger zu Schöneck [Oberschönegg] in Gegenwart des Abtes Gall, des Konventpriors, und anderer weltlichen Zeugen hier die feierliche Installirung vor, wobei er in einer für den hiesigen Ort ganz fremden und neuen Sprache sich erklärte : ,,Sein gnädigster Fürst und Herr hätte als Schutz- und Eigenthumsherr Ottenbeurens nach dem Hinscheiden des Herrn Adam von Stein den edlen Christoph Bernard Truchseß von Höfingen als neuen Obervogt erkiesen, bestellt, und auf- und angenommen mit dem Befehle, demselben, wie auch dem Herrn Abte Gall, und dem Konvent allen billigen, schuldigen, und willigen Gehorsam zu leisten“ **. Man schien anfangs nichts
Nach-
* Beide Reversschreiben sind mit ihren eigenen Worten bei dem Hauschronographen Albert
Kretz Annal. Ottenb. pag. 1204 zu finden.
** Relation des Herrn Diepold von Gemmingen an den Herrn Bischof Johann Otto. Kretz Annal. Ottenb. pag. 1210.
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Nachtheiliges geahndet zu haben ; weil man dem neuen Herrn Obervogte das Handgelübd ablegte, und Demselben sehr willig, und frohe zu dem neuen Amte Glück wünschte. Allein nach einigen Tagen öffnete man allmälig auf Erinnerung der hierüber aufmerksam gewordenen Nachbarschaft, und selbst der eigenen Amtleute, und Unterthanen die groben aus blinder Nachgiebigkeit wider die unveräusserlichen Stiftsrechte begangenen Fehler ; die vernachlässigte Amtspflicht ließ selbst den Herrn Abt nicht länger schweigen ; er schrieb deßwegen an den Herrn Fürstbischof, „das hiesige Stift wäre zwar in geistlicher Hinsicht einem jeweiligen Herrn Bischofe zu Augspurg allerdings unterworfen : in weltlicher Hinsicht aber dem römischen Reiche unmittelbar untergeben. Übrigens hätten seine Vorfahren alle vorige Obervögte des Stiftes mit Einstimmung der Klostergemeinde allein, ohne alle bischöfliche Einrede, oder Hinderung, an- und aufgenommen, er bäte also, alles bei den wohlhergebrachten Gebräuchen, und Gewohnheiten bewenden zu lassen“ *.
Dieß hieß wohl gezielt ; aber übel getroffen. Nicht nur wurde das Schreiben in sehr harten Ausdrücken beantwortet, sondern bald darauf erschienen hier der Herr Georg Wilhelm
von
* Datum Ottenbeyrn den 28ten August 1593.
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von Stadion Statthalter, und der Herr Albert Fabri Kanzler zu Dilingen, legten einige alte Urkunden ** vor, und sprachen darüber mit so vieler Beredsamkeit, daß die Unserigen alle darüber aus der Fassung kamen, und allebeßtens begründete Rechte im Stiche liessen. Besonders der gefällige Prior, Philipp Resch ; spielte die nachteiligste Rolle, setzte an den Herrn Bischof ein lateinisches Schreiben auf, ** welches ein förmlicher Widerruf des obigen von dem Abte Gall verfertigten Schreibens war, dem Herrn Bischofe offenbar nicht nur alle geistliche, sondern auch alle weltliche Oberherrlichkeit einräumte, und am Ende die unüberlegte Bitte enthielt, im Falle der neuerdings erledigten Vogteistelle drei Subjekte in Vorschlag bringen zu dürfen, welches, wie es sich leicht von selbst versteht, gegen ein so grosses Opfer ganz gerne bewilliget wurde ; man gieng so gar in der Blindheit des Geistes von Seite des Stiftes so weit, daß man sich für die gnädigst übernommene Oberherrlichkeit über Ottenbeuren in jeder so wohl geistlichen, als weltlichen Hinsicht allerdehmüthigst bedankte, und der Herr Fürstbischof
* Diese, wie man nachher erfuhr, betrafen nicht Ottenbeuren, sondern Benediktbeuren.
** E nostro ottenburensi monasterio, SS. Alexandro & Theodoro martiribus sacro, 18. Septembris A. 1593.
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vergaß nicht in der Rückantwort auf das Dankschreiben den Herrn Abt, und die gesammte Klostergemeinde doch zu beloben, daß sie doch einmal auf bessere Belehrung, und gründlichere Überzeugung seine volle Oberherrlichkeit anerkannt hätten *. Weiter konnte man sich beim hellen Tage, und bei einer gesunden Vernunft nicht verirren !
§. VIII.
J. 1594.
Um die Haushaltung stund es um kein Haar besser. Nachdem der hinterlassene Geldvorrath des Herrn Vorfahrs dahin war, nahm man seine Zuflucht zum Verkaufe, und zu grossen Verpachtungen so wohl der Hölzer, als der Zehenten, und anderer liegenden Gründe,* * welche Verkauf- und Pachtgelder nicht, wie es hätte geschehen sollen, zur Erhaltung der alten, sondern zu einem sehr kostspieligen Ankaufe neuer Besitzungen aus einer mehr religiösen, als weltlichklugen Absicht, verwendet wurden.
Der
* Datum Dillingen den 12. Ok[t]obris A. 1593.
** So verkaufte man schon im J. 1592 eine ziemliche Strecke Holzbodens an der so genannten Mückhalde, und 72 Jauchert desselben an der so genannten Heppe für 2300 fl. an die Bürger von Ulm. Von den grossen Verpachtungen hienächst.
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Der edle und veste Konrad Vöhlin, ehemaliger Bürgermeister der Reichsstadt Augspurg *, bot in diesem Jahre das beträchtliche Dorf Ungerhausen, dessen Eigenthumsherren schon von längerer Zeit dessen Vorfahren, die Edlen von Vöhlin waren, sammt allen Rechten, Zinsen, Gülten, und überhaupt, und besonders mit allen Zugehörden, bloß mit Ausnahm der in der daselbstigen Schloßkapelle ** befindlichen von Vöhlischen Grabsteine, Denkmäler, und des Begräbnißrechtes, welches der edlen Familie katholischen Religionsantheils noch offen blieb, dem hiesigen Stifte für 65000 fl. käuflich an. Man schloß den Kauf wirklich in den ersten Monaten des laufenden
Jahrs
* Konrad Vöhlin, ein Sohn des Hans von Vöhlin, welcher im J. 1538 der Erste aus der Familie in das Patriziat kam, und unter die Geschlechter gezählt wurde, war der augspurgischen Konfession sammt dem Dorfe Ungerhausen zugethan, legte im J. 1563 den 31. August aus Verdruß das Stadtbürgermeisteramt nieder, zog auf sein Gebiet Ungerhausen und begab sich unter die freie schwäbische Ritterschaft. Von Stetten Augspurgische Chronik. S. 252. etc.
** Diese Schloßkapelle ward spater die Pfarrkirche, und die alte Pfarrkirche zu St. Johann blieb spater eine Kapell.
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Jahrs *, und in drei Jahrsfristen wurde die Kaufsumme erlegt. Daß man nun während dieser drei Zahlungsjahre die ergiebigsten Nutzungen und Renten des Stiftes auf mehrere Jahre verpfändete, versetzte, und, einige auch verkaufte **, war aus Mangel der Baarschaft
bloß
* Kaufbrief des Schlosses und des Dorfes Ungerhausen geben, und beschehen zu Ungerhausen den 18ten Februar 1594. Item Versicherung und Schadlosbrief der Bezahlung halber. Datum auf Montag den 27ten Juni A. 1594.
** Hieher gehören die Verpachtungen des Waldes bei Niederrieden, Roßmoos genannt, mit 104 Jaucherten, und eines andern, Brand genannt, von 72 Jauchert an die Bürger von Ulm auf 24 Jahre ; item des Holzes im Köferberg auf 5 Jahre – – des Oberwieder Holzes zu 40 Jchrt an die Memminger Bürger auf 12 Jahre für 3000 fl. Der Verkauf zweier Höfe zu Mußbach [Moosbach?] an das untere Spital zu Memmingen für 3200, und zwei anderer im nämlichen Kaufpreise auf dem Memmingerberg – der Höfe des Baltasar Schiessen sammt den hiltebrandischen Gülten, und erblichen Gütern zu Niebers, jetzt Liebes an den Herrn Philipp von Pappenheim zu Rotenstein – an die Gemeinde zu Eck [Egg an der Günz?] eines Holzbodens von 53 Jaucherten für 1700 fl. – Des Großzehnten zu Eck für 1200 fl. an den Herrn
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bloß eine Nothfolge dieses zur Unzeit, und für einen allzuhohen, und überspannten Kaufpreis geschlossenen Kaufvertrages * : jedoch wurde der zeitliche Nachtheil auf einer andern Seite durch die Rückkehr der ebenbenannten Dorfgemeinde zur alten katholischen Religion reichlich ersetzt. Denn noch in diesem Jahre den 10ten des Weinmonats [= Oktober] weihet der Herr Weihbischof von Augspurg Sebastian Breuning [20.01.1552 - 14.02.1618], den grössern Altar der ehedem protestantischen Schloßkapell zur Ehre der seligsten Jungfrau, und der Heiligen Sebastian, und Skotostika [Scholastika] ein, und auf dessen Geheiß segnete der damalige Konventprior, Philipp Resch, die alte Pfarrkirche zu St. Johann sammt dem anliegenden Gottesacker neuerdings ein, und befähigte dieselbe zu den Verrichtungen des ka-
tho-
Diepold von Gemmingen zu Schöneck ; und so noch anderer Renten, und Güter, welche der ungerhausische Kauf veranlaßte. Sandholzer auf das J. 1594, und die folgenden.
* Unsere Chronographen, der gleichzeitige Sandolzer, Albert Kretz, und Theodor Schülz halten den benannten Kaufschilling für weniger nicht, als 24000 fl. zu hoch gespannt. Gewiß kein geringes Opfer auf den Altar der Religion. Ungerhausen war schon von den ältesten Zeiten ein ottenbeurischer Stiftungsort.
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tholischen Gottesdienstes *. Einige Monate vorher ließ Herr Abt Gall die uralte damals sehr baufällige Kapell zu St. Marx [westlich von Klosterwald] abtragen und neu erbauen. In dem Altarsteine befand sich ein kleines Geschirr, welches einige in Staub zerfallene Reliquien verschloß, und mit einem altbischöflichen Siegel, und einer unleserlichen Umschrift versehen war ; man legte sie abermal in den neuen Altarstein. Der Einweihung, welche um einen Tag jener der Schloßkapelle zu Ungerhausen voran gieng, und durch den obenbemeldten Herrn Weihbischof den XlXten Sonntag nach Pfingsten geschah, wohnten der Herr Abt, Prior, und noch mehrere Klostergeistliche, welche unter der Hauptmesse, die statt des sehr ermüdeten Hr. Weihbischofes unser Georg Baumhauer las, einige Motteten aufführten, sammt einem zahlreichen Volke bei. Auch der hiesige Pfarrvikar, und damaliger Kämmerer des ottenbeurischen Landkapitels, Jakob Hueber, fand sich dabei ein, und las auf einem der zwei neuen Seitenaltäre die erste Messe. Der jährliche Erinnerungstag wurde auf den Sonntag vor St. Gallentag festgesetzt ; die Kapell selbst aber als ein Filialort der Pfarrei Hawangen, wie ehedem, betrachtet.
In
* Man findet die ausführliche Beschreibung bei Sandholzer Chronologia Ottenburana pag. 967.
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J. 1596.
In Baiern zu Andechs starb im 51gsten Jahre seines Alters unser würdige, und verdienstvolle David Aicheler, als Abt desselbigen Klosters. Aicheler ward in dem Städtchen Mindelheim im J. 1544 geboren, erlernte alle Vorbereitungsklassen zu den höhern Wissenschaften auf der hiesigen Pflanzschule, von welcher er in den Orden übergieng. Der einsichtvolle Abt Kaspar Kindelmann schickte die Meisten seiner jungen Ordensgeistlichen zur höhern literarischen Bildung auf verschiedene hohe Schulen, und achtete auf die Widersprüche derjenigen wenig, welche die Versendungen auf Akademien als ein Nahrungsmittel des jugendlichen Stolzes, und Übermuthes betrachteten * ; unsern Aicheler traf die Sendung nach Dilingen [Dillingen], wo er mehrere Jahre auf die Weltweisheit, und Gottesgelehrtheit verwendete. Von dannen im J. 1570
zurück
* Non curavit susurrationes sycophantarum, qui - - propterea monachos ad publica Gymnasia non
mittendos autumant : ne , si doctiores ceteris evadant in elationem ferantur, quasi vero idiotæ, quia proprii muneris ignari, sint humiliores quietiores, & devotiores - - - sed nos fere omnes ad academias ablegavit, & inibi ut nulla quam pietatis erga Deum, & in literis progressus cura angetemur, per aliquot annos liberalissime sustentavit. Aichler in præfat. ad Catal. Bibliotheca ottenb., apud Reichbeck analect, pag. 210.
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zurück berufen versah er, damals 25 Jahr alt, die hiesige weitschichtige Pfarrei zum heiligen Peter, als Regulairpriester und Pfarrer zugleich *, fünf Jahre mit einem beispielvollen Eifer, und Emsigkeit ; ließ aber auch diese geschäftvolle Zeit für die Wissenschaften, und für eine auserlesene Büchersammlung, worinn alle seine irdische Freude bestand, wo sich ihm je eine leere Stunde anbot, als zugleich ernannter Bibliothekar nicht unbenutzt. Plötzlich unterbrach diesen schönen Geschäftskreis ein Bischöflicher Ruf, welcher ihn zur Verwaltung des sehr erarmten Klosters zu St. Mang in Füssen bestimmte. Sehr ungerne unterzog er sich den 7ten Hornung des J. 1575 dieser Last, welche ihn, aller angewandten Mühe, Sorgfalt, und gesammelter wichtiger Verdienste ungeachtet, blos deßwegen, weil er bei einem geistlichen Fürsten die Bezahlung der an St. Mang schuldigen Gelder ernsthafter, als man wünschte, betrieb, und auf die
Her-
* Aicheler loc. cit. pag. 211. Es waren also schon am Ende des 16ten Jahrhunderts Ordensgeistliche an der hiesigen Pfarrkirche zum Hl. Peter angestellt, wie es auch im folgenden Jahrhunderte mehrere Beispiele giebt. Die ältesten Pfarrbücher sind eine Arbeit dieses Mannes.
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Herstellung der schadhaften Stiftskirche eine beträchtliche Summe verwendete, noch in dem nämlichen Jahre bis in ein unverschuldetes Gefängniß herabdrückte. Daraus nach 14 Tagen entlassen nahm Ottenbeuren den ganz unschuldig befundenen Mann mit Freude wiederum auf *, und Aicheler widmete sich neuerdings dem Wissenschaftlichen, den Geistesübungen, und besonders einer neuen Einrichtung des Büchersaals, welchen in einer längern Zwischenzeit einigem der Literatur weniger erfahrene Klosterwitzlinge gegen den Ellenbogianischen Plan in Unordnung gebracht **, und wozu er schon im J. 1574 einen sehr wohl eingerichteten Katalog sammt einer musterhaften Vorrede, die nachmals von mehrern Gelehrten Deutschlands zur Abschrift begehrt wurde, geliefert hatte ***. Eilf Jahre blieb di-
ses
* Ipse David Aicheler in sua chronologia miscellanea pag. 218 & seqq.
** Codices omnes de novo in certas classes, certam que methodum redegi, atque ordinavi, non,
quod ordo A. R. P. F. Nicolao Ellenbogen observatus mihi minus placuerit, sed quod ordinem a tam docto patre constitutum per sciolos absque tatione cum dolore animi mei inveniebam confusum. Aicheler in eadem præfatione.
*** Catalogus studio, & labore F. Davidis Aicheler collectus a. 1574 cum præfatione elegantissima
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ses Licht wie im Verborgenen, erst im Jahre 1588 ward es wieder auf den Leuchter gesetzt. Von dem Herzoge Wilhelm in Baiern, und dem Herrn Fürstbischofe Marquard von Berg, welcher hiedurch öffentlich dessen Unschuld erklärte, nach Andechs begehrt, stund er jenem Stifte acht Jahre löblichst als Abt vor, ward von dem höchstbemeldten Landesherrn, und Herzoge mit dem Ehrenamte eines Steuereinnehmers durch danz [ganz] Baiern, von dem Herrn Fürstbischofe Johann Otto von Gemmingen aber mit jenem eines Visitators, und Reformators der Klöster Benediktbeuren, Pollingen, Wessenbrunn, Diessen, Bernried, und St. Ulrich in Augspurg beehrt, und benahm sich während seiner achtjährigen Regierung so schön, daß nicht nur Andechs das Andenken des Verstorbenen mit einer zwar kurzen, aber sinnvollen Grabschrift * verewigte, sondern
auch
ab exteris expetita. Ita catalog. Mss. De illa uberius agunt Oliverius Legipontius histor. literar. O.S.B. parte I. pag. 562. & Schelhornius Hist. literar. eccles. Tom. II. verbo : Ottenbura
* Diese lautet, wie folgt:
Ottenbura virum dat nomine, & omine David ; Hic annis octo rexit ut octo bene !
Von dessen Reformationsarbeiten schreibet
Hun-
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auch die Herzoge von Baiern nach dessen Tode keinen andern Nachfolger, als aus dem nämlichen Ordenshause begehrten, nämlich unsern damaligen Hausökonom Alexander Sautter [Sauter], welcher den 15ten Mai mit einer ehrenvollen Begleitung in einem Wagen nach Andechs abgeführt, und Tages darauf einstimmig als Abt desselbigen Stiftes erwählt wurde *. In der Zwischenzeit verwaltete unser Christan Franz, welcher einige merkwürdige Schriften zurück ließ **, als Prior in
J. III. B. 19 An-
Hundius in metropoli Salisburg. Tom. 2. pag. 152 „David Abbas in Andechs, & Hieronymus Stor vicarius augustanus præpositum & conventum in Bernried redegerunt in meliorem vivendi modum, quibus Chartas reformationis præscripserunt.“ De ceteris memorat ipse Aichlerus ad. A. 1592. in Chronol. miscell. pag. 334.
* Schreiben des Abtes Alexander zu Andechs an unsern Abt Gall vom 18. Mai 1596.
** Christian Franz, im J. 1531 zu Ottenbeuren geboren, trat im J. 1545 hier in das Kloster, war unter dem ersten Rektor aus der Gesellschaft Jesu, dem Julius Priseianensis, als Religios Einer der ersten Schüler, diente dem Kloster St. Mang drei Jahre als Ökonom, und dem Kloster Andechs 8 Jahre als Prior ; lieferte in einem Ban-
de
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Andechs jene erledigte Abtei. Unter der hinterlassenen Arbeiten, und Schriften unsers David Aicheler ist neben der obenbelobten Vorrede zu dem grossen Bücherkatalog das merkwürdigste Werk dessen Welt- und Hausgeschichte, Chronologia miscellanea betitelt, welche von einer ungemeinen Belesenheit zeugt, und vom Anfange der Welt bis auf den 2ten September des J. 1595 mit einer eben so guten Auswahl, als Ordnung, und Reinigkeit der Sprache fortgesetzt ist. Die andern Schriften sind solche, die entweder verschiedene Amtspflichten veranlaßten *, oder welche die freie Stunden zu einem guten Gebrauche der Zeit anriethen **. Müssig traf
man
de wichtige Bemerkungen zur Hausgeschichte, und starb hier im J. 1599 seines Alters im 69. Jahre.
* Nämlich die zwei schön geschriebenen Pfarrbücher, und das erste sehr merkwürdige Buch der neu errichteten Rosenkranzbruderschaft, welcher Aicheler als Procurator, und Promotor der Erste vorstund.
** Hieher gehören 1. das wunderschöne im grossen Regalformat geschriebene Choralbuch, das seine fertige Hand in zehn Monaten verfertigte, wie die am Ende gesetzten Distichen beweisen :
Hoc David decimo conscripsit mense volumen Aichlerus celeri dexteritate manus &c.
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man ihn niemals, und da er mit grossen Verstandesgaben viele Frömmigkeit, mit der Frömigkeit eine unverdrossene Neigung zur Arbeitsamkeit, und mit derselben eine ungemeine Geschicklichkeit so wohl im Schön- als Fertigschreiben verband, so lieferte dessen Feder in kurzer Zeit mehr, als die andern in einem längern Zeiträume zu liefern vermochten.
§. IX.
J. 1597.
Zu Hause gewann es auch nach der Entlassung des ehedem eingeschobenen Konventpriors Philipp Resch * mit der Haushal-
19* tung
2. Consultatio de calice laicis porrigendo per Alphonsum Pisanum de A. 1568. 3. Explicatio can. apostolorum per R. P. Casparum de anno eodem, 4. Annotationes in M. T. Ciceronis partitiones per M. Jo. Holonium de A. 1565. 5. Abbreviaturæ reccessuum Patrum O.S.B. Provinc. Mog. 6. Card. de Turrecremata exposit. in regulam S. Bened. ltem teste Stadelhofer chron. Roth. vol. II. pag. 239 vita S. Norberti in gratiam amici sui Georgii Kurz elegantissime scripta.
* Er ward nachmals auf Verwendung des Herrn Bischofes von Augspurg Stadtpfarrer zu Sigmaringen, wirthschaftete aber so übel, daß er auch diese Pfarrei verlassen mußte ; zog einige Zeit im Lande herum, und kam zu letzt auf Fultenbach, wo ihm
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tung unter dem Herrn Abte Gall keinen gedeihlichen Fortgang. Man lebte unzufrieden mit einem Abte, der sich in Hinsicht auf die Verpachtung, und Veräusserung verschiedener Stiftsgüter die Hände nicht binden ließ, und man wünschte selbst mit vollem Ernste die Einführung einer bessern Hausordnung ; weßwegen auch nicht nur unter dem Herrn Fürstbischofe Johann Otto von Gemmingen, welcher in diesem Jahre den 6ten Oktober das sterbliche Leben verließ, sondern auch unter
J. 1598.
dessen Nachfolgen Heinrich dem V. von Knöringen [05.02.1570 – 25.06.1646; Bischof von Augsburg vom 19.04.1599 (gewählt 29.11.1598) bis zu seinem Tode] eine bischöfliche Kommission nach der andern eintraf, bis endlich nach mehrern fruchtlosen Verfügungen der Herr Fürstbischof Heinrich um das Ende des folgenden Jahres
J. 1599.
den bemeldten Herrn Abt, von dem damaligen Stiftssubprior Jakob Petri, und dem hiesigen alten Landdekan Jakob Huber begleitet, nach Dilingen rief, demselben die während seiner Klosterverwaltung begangenen Fehler vorhielt, und anfangs mit sehr gelinden Worten die Niederlegung seiner Amtswürde anrieth ; als aber der Herr Abt hierüber eine Bedenkzeit sich ausbat, einen ernsthaftern, und
droh-
eine Ader am Fusse sprang, ehe er die Kanzel in der Kirche besteigen wollte, an welcher Verblutung er starb im J. 1596.
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drohenden Ton annahm, worüber derselbe so sehr ausser aller Fassung gerieth, daß er sich nicht nur durch seinen Begleiter Jakob Petri für die Niederlegung seiner Amtswürde erklärte, sondern auch aus Mangel aller Geistesgegenwart auf alles Weitere so sehr vergaß, daß ihn selbst der Herr Bischof auf die Bestimmung seines künftigen Lebensunterhaltes erinnern mußte. Übrigens war Abt Gall keinem Sine ein Verschwender, wohl aber ein einsichtloser Ökonom, welcher auf Rechnung seines Nachfolgers vieles ankaufte, vieles bauete, die jährlichen Renten durch viele Verpachtungen schwächte, und bei der Vertheidigung der Stiftsrechte eben so wenige Einsichten, als bei dem Verwaltungsgeschäfte verrieth. Er vollendete die von seinem Herrn Vorfahr Kaspar angefangenen St. Niklas- und St. Sebastianskapellen, bauete die Kapell zu St. Marx, das Rath- und Kornhaus im hiesigen Marktorte, die Mühle im Gotteshause, und jene zu Niederdorf vom Grunde, zierte den Kreutzgang, das Kapitelhaus mit Mahlereien, und Schnitzarbeiten *, und lebte
nach
* Der Maler hieß M. Georg von Dilingen. Man hat von ihm noch in mehrern grossen Stücken das Leben des heiligen Benedikts, wofür man 190 Pf. Häller bezahlte. Von dem Bildhauer meldet L. I. Archicon-
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nach der Niederlegung seiner Amtswürde noch sechs Jahre. Bis zur neuen Wahl verwaltete der würdige Prior Benedikt Geßwein, welcher die alte Abtei dem resignirten Herrn Abte einräumte, die neue aber gemeinschaftlich mit dem bischöflichen Hofjunker Philipp Puppelin von Jahrsdorf versiegelte, und die Schlüssel zu sich nahm.
J. 1600.
Bei der auf den 25ten des Jäners [Jänners, Januars] festgesetzten Wahl * fiel das Loos sogleich bei der ersten Abstimmung auf unsern Alexander Sauter, damaligen Abt zu Andechs, einen Mann
voll Thätigkeit, Klugheit, Einsicht, und Stand-
haf-
frat. S. Rosarii : Caspar Scham per annos 35 Sculptor artificiosus tam in ligno, quam in lapidibus obiit 12. Decemb. 1597. Dieser erreichte jedoch die hohe Kunst des Thomas Heidelberger, eines Memmingischen Bürgers, nicht, welcher um das J. 1581 mit mehrern Gesellen eilf Jahre hier arbeitete, und von dessen Kunsthand man noch mehrere Basreliefs, und einige Zierkästen in der alten Sakristei besitzt.
* Der Herr Weihbischof Sebastian Breuning, der Herr Generalvikar Zacharias Furtenbach, der Herr Probst zu Wettenhausen, der Herr Sebastian, Abt von Irrsee [Irsee] sammt dem augspurgischen Herrn Siegler Michael Schmiedner waren bei der Wahl zugegen.
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Haftigkeit, den der durchlauchtigste Herzog von Baiern, und die Klostergemeinde zu Andechs eben so ungerne entliessen, als ungerne er sich selbst allhier der abteilichen Würde unterzog. Nach der feierlichen Einsegnung, und Wahlbestättigung suchte Abt Alexander allererst bei Sr. Majestät, dem Kaiser Rudolph II. nicht nur über die alten Besitzungen und Rechte des Stiftes die gewöhnliche Belehnung, sondern auch über das neu angekaufte Dorf Ungerhausen * die allerhöchste Bestättigung mit dem beßten Erfolge nach, und in dem nämlichen Jahre wendete er sich auch an den Herrn Diepold von Gemmingen Pfleger von Schöneck, von welchem er den letzthin veräusserten Großzehend an das Stift wieder zurück brachte **. Alles dieses hielt eben nicht schwer ; aber von dem benachbarten Mindelheim her stieg eine Gewitterwolke auf, die sich sehr gefahrvoll über das Stift herzog. Die tödtliche Verwundung eines mindelheimischen Unterthans veranlaßte wegen der ottenbeurischen unmittelbaren Landesherrlichkeit einen heftigen Rechtsstreit. Abt Alexander machte
die
* Die Oberherrlichkeit gebührte damals noch der kaiserliche[n] Landvogtei in Schwaben.
** Bei Kretz Chronol. ottenb. Tom. IV. pag. 4.
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Rechtsklage an dem kaiserlichen Reichskammergericht zu Speier [Speyer] anhängig ; dagegen wendete der Herr Christoph von Fugger, damaliger Prätendent * von Mindelheim, ein : „Ottenbeuren wäre als ein mittelbares Stift, einem jeweiligen Herrn Bischofe von Augspurg unterworfen, hätte folglich zu Augspurg, und nicht an den höchsten Reichsstellen seine Klage vorzubringen.“ Jetzt, da man mit allem Grunde besorgte, Augspurg würde sich nicht säumen, mit dem Herrn von Fugger gemeinschaftliche Sache zu machen, war es hohe Zeit, die unter den zwei vorigen Äbten öfter sehr befährdete Stiftsunmittelbarkeit gegen alle weitere Eingriffe standhaftest zu schützen ; und hiezu war Abt Alexander der Mann.
Es
*Georg von Frundsperg [Frundsberg], der Letzte dieser Familie, setzte im J. 1528 in seinem Testament sein Schwesterkind Anna, die an den Christoph Fugger vermählt war, zur Erbinn, und seinen Vetter Wolf Maxelrein unter gewissen Bedingnissen zum Miterben ein. Hieraus das Recht des Christoph Fuggers auf Mindelheim, welcher der erste sich wagte, die mindelheimische Gränze ganz widerrechtlich bis an die Günzbrücke im Dorfe Suntheim [Sontheim] auszudehnen. Doch man wies den neuen Nachbarn zurück.
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Es verstrichen auch noch zwei Jahre bis zum heftigsten Rechtskampfe ; weil der Herr Christoph Fugger erst im J. 1603 zu dem wirklichen Besitze der Herrschaft Mindelheim kam.
J. 1601.
Auch die benachbarte Reichsstadt fand wider das ottenbeurische Marktrecht eine Bedenklichkeit. Abt Alexander nämlich hatte nicht bloß bei seiner Majestät, dem Kaiser Rudolph II. die Bestättigung der ältern Freiheit, neben dem gewöhnlichen Wochenmarkte alljährlich zwei feierlichere Märkte zu halten nachgesucht, sondern auch selbst für Käufer, und Verkäufer eine neue Marktordnung fest gesetzt. Nun zog Memmingen mit einer Urkunde dagegen auf, vermöge welcher sich die Stadt für berechtiget hielt, in einem Bezirke, und Umfange von zwei Stunden alle Jahr- und Wochenmärkte abzustellen. Jedoch man pflog Rücksprache mit dem Herrn Fürstabte zu Kempten, Johann Adam von Amendingen, und der umliegenden Nachbarschaft, und so blieb die Einwendung gegen einen unvergleichältern Marktort ohne allen Erfolg *.
J. 1602.
Von dem anmaßlichen Rechte, aus drei in Vorschlag gebrachten Subjekten Eines für
das
* Kretz Tom. IV annal. pag. 8. Man erinnert sich auf die karolingische Bestättigungsurkunde vom J. 769.
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das hiesige Stift als Obervogt eigenmächtig aufzustellen, welches Augspurg von einigen Jahren her ausübte, gieng der Herr Fürstbischof Heinrich von Knöringen auf eine gewissenhafte Gegenvorstellung zweier Jesuiten von Dilingen * von selbst ab, und beließ das hiesige Stift laut eines ausgefertigten Schreibens hierinnfalls bei der freiesten Ausübung seines ihm ausschließlich gebührenden Rechtes **. Weit anders benahm man sich von Seite Augspurgs in Hinsicht zwei anderer wichtiger Rechtspunkte, welche man von hiesiger Seite
J. 1603.
weder zugeben konnte, noch wollte. Da die Türken neuerdings Miene machten, in die österreichischen Staaten einzufallen, und den Greuel ihrer alten Verheerungen fortzusetzen, so schrieb Kaiser Rudolph auf dem allgemeinen Reichstage eine so genannte Türkensteuer aus. Aus obliegender Pflicht des Schutzamtes hätte Augspurg das hiesige Stift bei seiner uralten Freiheit gegen allen derlei Reichsabgaben vertheidigen sollen ; es geschah aber gerade das Gegentheil. Plötzlich erschienen der Hr. Generalvikar Furtenbach, und der Herr Kanz-
ler
* Diese waren der Hr. Rektor zu Dilingen Julius Prisciannensis, und der Gewissensrath des Herrn Bischofes P. Salbius.
** Man sehe das Schreiben vom 29 März 1602 in den Beilagen.
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ler Leonard Götz, als bischöfliche Kommissarien foderten [forderten] allererst jene Steuer, nicht, wie ehedem als einen gutwilligen, sondern als einen pflichtschuldigen Beitrag, riethen nachmals um den höchsten Reichsgerichten auszuweichen, in der vorbemeldten Rechtssache des hiesigen Stiftes wider den Herrn Christoph Fugger zu einem Kompromiß, und zuletzt erklärten sie sich, daß der Herr Fürstbisch[of] die Landesherrlichkeit über Ottenbeuren, als ein vorgeblich mitbares Stift, nimmer aus Handen lassen würde. Die erste Foderung [Forderung] schlug der Herr Abt Alexander rund ab ; zu dem angerathenen Wege des Kompromisses, oder vielmehr eines Vergleiches kam es gleichwohl in der fuggerschen Sache nach einiger Zeit ; die hart angefochtene Reichsunmittelbarkeit aber des hiesigen Stiftes betreffend, worauf sich der Herr Abt in der fuggerschen Rechtssache sehr oft berief, und worein sich der Herr Fürstbischof absichtlich mengte *, stritt man sich sechs Tage lang mit vieler Ereiferung, und nicht nur vertheidigte Abt Alexander mit seinem gewählten Rechts-
* Schon einige Monate vorher verlangte der Herr Bischof, welcher mit den zwischen Ottenbeuren, und dem Hrn Christoph Fugger gewechselten Rechtsschriften sehr bekannt war, an den Abt Alexander eine kategorische Antwort auf die Frage : Ob er sich für einen mittelbaren Stand, oder für einen unmittelbaren Reichsstand halte ? Kretz loc. cit.
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J. 1604.
freunde Niklas Varnbiller * die Unabhängigkeit seines Gebietes gründlichst, und standhaftest, sondern er wendete sich durch eine sehr weitläuftige Bittschrift selbst unmittelbar an Se. Majestät den Kaiser, worauf an den Hrn Fürstbischof die allerhöchste Weisung ergieng, auf Billigkeit nicht zu vergessen, und dem Rechtsgange zwischen dem Abte zu Ottenbeuren, und dem Freiherrn von Mindelheim nicht entgegen zu seyn **.
Wider die Reichsstadt Memmingen, welche die hiesige Marktgerechtigkeit vor drei Jahren widersprach, erlaubte sich Abt Alexander Repressalien, und verboth allen seinen Unterthanen, Getreid, Holz, oder welch immer andere Bedürfnisse dahin abzuführen ; jedoch die Stadt erwirkte zu Speier dagegen ein so genanntes Mandat[um] sine clausula, und die
Sper-
* Varnbiller war vorher öffentlicher Rechtslehrer zu Tübingen, und wurde im J. 1600 zu Memmingen als Advokat, und Stadtsyndikus mit dem Doktor Jakob Jenisch auf genommen. Für Ottenbeuren schrieb er eine rechtliche Abhandlung, worinn er die Reichsunmittelbarkeit des Stiftes aus 17 unwiderleglichen Gründen bewies. Man findet sie bei Kretz loc. cit. pag. 24.
** Datum Prag den 10ten April A. 1604.
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J. 1605.
Sperre mußte somit aufgehoben werden.
§. X.
J. 1606.
Erst jetzt nach sechs Jahren starb der Herr resignirte Abt Gall Memminger im 72gsten Jahre seines Alters. Er bewohnte in der Zwischenzeit die alte Abtei, lebte von einer geringen Pension, die in jährlichen zwei hundert Gulden bestand, und wovon er noch einen beträchtlichen Theil unter die armen Verwandten vertheilte, erlaubte sich nichts Sonderheitliches, gab Beispiele einer strengen Tugend und Frömmigkeit, litt zuletzt an einem sehr schmerzlichen Brustgeschwür, vertraute sich, als ihm die Vorschriften der Herren Mediziner keine genügliche Hilfe leisteten, einem ungarischen Landstreicher und Soldaten an, welcher bei eintretender Verschlimmerung der Krankheitsumstände zeitlich entfloh, und den guten Abt einige Zeit früher zum Grabe beförderte. Der Sterbtag war der 27te Tag des Herbstmonats. Die seinem Leichname beigelegte bleierne Platte, und der ihm errichtete Grabstein zeigen dessen bestimmte Lebensepochen an **.
* Infinuatum per Cameræ nuntium die sabbathi intra romam & undecimam horam ante prandium 8vs decembris stilo veteri 1604.
** Die Innschrift der bleiernen Platte ist folgende : Reverendus & pius Pater, ac Dnus
Gal-
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Zu Memmingen wurde ein Schritt zu einer in etwas rückgängigen Kirchenordnung gemacht, vermöge welcher alle, besonders aber junge Leute vor dem Genusse des Abendmahls sich bei einem Prediger anzeigen, und beichten sollten, wozu ein Formular, welches verschiedene Beichten, und Beichtfragen enthielt, verfaßt, und zum Druke [Drucke] befördert wurde *.
Übrigens fiengen sich schon mit dem vierten Tage des eingegangenen Jahres die recht-
lichen
Gallus, Abbas ecclesiæ hujus Ottenburensis nascitur in Ochsenhausen a. Xti 1535. Professionem facit hic 1555. Consecratur Sacerdos 1559, Eligitur abbas 1584. Resignavit abbatiam 1599 die S. Sylvestri papæ & confessoris, Meritur V. Cal. Octobris 1606 circa horam primam matutinam, cujus antima in sanctissima pace requiescat.
Auf den Grabsteine liest man folgendes : Anno Domini MDCVI. VI. Kal. octobris (dies sepulturæ) religiose & sancte obiit admodum reverendu D. D. Gallos Memminger abbas hujos monasterii ætat. 72. regiminis 16.
Unter den Füssen der steinernen Abbildung : Hoc sita sunt tumulo mea membra, atque ossa, viatorAd tumulum sacri spargito roris aquam. Addito odoratos ignes, simul addito vota ; Dicito & : Abbati detur amata quies [:?] Sandholzer.
* Schorers memmingische Stadtchronik S. 11
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lichen Debatten mit Augspurg wiederum an, und, nachdem man sich zwei Tage auf der fürstlichen Burg zu Dilingen über die Reichsunmittelbarkeit, und Unsteurbarkeit Ottenbeurens gegen einander ereifert hatte, kam es am Ende zu einem Kompromiß, worüber zwei Rezesse [Vergleiche] gefertigt wurden. Abt Alexander wollte bei der vorwaltenden Rechtssache lediglich nicht als Kläger, sondern als Beklagter behandelt werden, und verlangte nebenzu, daß die Frage über die Reichsunmittelbarkeit mit jener über die Unsteurbarkeit zugleich sollte erörtert, und abgethan werden *.
J. 1607.
Bei allen diesen Rechtskämpfen von aussen erhielt sich unter dem würdigen, und um die Hausgeschichte beßtens verdienten Prior Gall Sandholzer eine so erbauliche, und ruhige Ordnung im Innern, daß sich der Ruf davon auch in die Feme verbreitete. „Wir haben aus sehr glaubwürdigen Nachrichten vernommen, schrieb der Herr Fürstbischof Konrad von Eichstädt an den Abt Alexander **,
* Kretz Chronol. ottenb. Part I. Fol. 253 usque 299.
** Fide digna relatione accepimus, monasterium ottenburanum præ ceteris in Suevia ord. S. Benedicti regulari disciplina, oeconomia, frugalitate, perfonarum industria, ac reliqua bene instituti,
ac
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als derselbe für das benediktiner Stift Blankstetten [Plankstetten] um einen schicklichen Reformator, und Geistesmann ansuchte, „daß das Kloster Ottenbeuren in Hinsicht auf die Klosterzucht, auf ökonomische gute Verwaltung, Fleiß, und Emsigkeit seiner Bewohner, und andere Vorzüge eines wohl bestellten, und eingerichteten Ordenshauses sich vor den übrigen Klöstern benediktiner Ordens in Schwaben auszeichne“. Das Loos in dem bemeldten Stifte einen Reformator zu machen traf unsern Jakob Petri, einen Mann von vieler Einsicht und Thätigkeit, welcher den 17ten des Heumonats [= Juli] zu Blankstetten ankam, und das Werk der allseitigen Erneuerung mit Beihilfe noch mehrerer andern aus der hiesigen Klostergemeinde nicht ohne den besten Erfolg begann, und vollführte *.
Um diese Zeit, und schon einige Jahre früher, geriethen in diesen Gegenden mehrere
Ju-
ac reformati monastici ordinisobservantia vigere. Epistola Conradi episcopi Eichstetensis ad abbatem Alexandrum de a. 1607.
* Dessen hiesige Reformationsgehilfen waren nach einiger Zeit Hieronymus Linder, den er zum Prior, Vital Schmiedner, den er zum Subprior, und Felix Rothweil von Überlingen, den er zum Kustos und Kellermeister in Blankstetten ernannte. Auch Sandholzer machte einige Zeit den Prior daselbst.
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Jugendfreunde auf den Gedanken, für Studirende einen sogenannten Stipendienfond für immerwährende Zeiten anzulegen, und somit der ärmern Klasse die schweren Auslagen auf der mühesamen Bahne zur höhern Wissenschaft zu erleichtern. Der Erste inner dem hiesigen kleinen Gebiete zeichnete sich hierinnfalls im J. 1600 der Herr Wolfgang Beringer damaliger Pfarrer zu Frechenrieden, und Dekan des ottenbeurischen Landkapitels durch Wohlthätigkeit aus * ; welchem Beispiele in diesem Jahre auch die Jungfrau M. Geislerin, von Babenhausen gebürtig, und zu München bürgerlich ansässig mit einer noch wohlthätigern Freigebigkeit als Stifterinn von zwei Stipendien folgte **.
J. III. B. 20 Zu
* Der Fond des beringischen Stipendiums war zu 1000 fl. angelegt, wovon dem Stipendiaten aus der Verwandschaft alljährlich die Zinse zu 50 Gulden zu gut kamen.
** Den Fond zu beiden Stipendien machten 1600 fl., wovon das Grössere, welches dem studierenden Anverwandten erst in der fünften Klasse, die Humanitär genannt, den Genuß zusicherte, warf jährlich 50 — und das Kleinere, welches in einem Alter von 7 Jahren durfte bezogen werden, 30 G. [Gulden] ab. Die Abkömmlinge der Geislerischen, und Wagnerischen Freundschaft waren wechsel-
wei-
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J. 1608.
Zu Donauwörth, wo damals die sogenannten Protestanten die Oberhand hatten, hielt der Herr Abt des benediktiner Stiftes zum heiligen Kreuze einen feierlichen Bittgang durch die Stadt über den Markt, wie es ehedem gebräuchlich, und üblich war. Dieses sahen die unduldsamen der augspurgischen Konfession Verwandten mit keinem gleichgiltigen Auge an, fielen über die katholischen Bittgänger her, störten die Reihen, und Ordnung, und unterstellten der Andacht Zwietracht, und Aufruhr. Dieses alles blieb nicht ohne wichtige Folgen für die Stadt. Die Klage ward an den Kaiser Rudolph gebracht, dem Kurfürsten Maximilian von Baiern die Untersuchung mit Vollmacht überlassen, und, als selbst die baiersche Kommission bei ihrem Einzuge von dem Stadtpöbel eine grobe Mißhandlung erfuhr, und Baiern mit 10000 Mann zu Fuß, und 700 zu Pferd die schon in die Reichsacht erklärte Stadt erobert hatten, entwaffnete man die Bürger, besetzte die Thore,
räum-
weise zum Genusse derselben, doch jederzeit länger nicht, als sechs Jahre, berechtiget. Ein
jeweiliger Herr Abt zu Ottenbeuren machte den ordentlichen Kollator so wohl des Beringischen, als der ebenbemeldten zwei Stipendien.
Kretz. ad. A. 1607.
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räumte die Hauptkirche der Stadt den Jesuiten ein, behandelte Donauwörth, welches den grossen Aufwand der baierschen Kommissions- und Belagerungskösten nicht zu bezahlen vermochte, wie eine andere baiersche Landstadt, und so verblieb der Ort, obgleich es in der Zwischenzeit manchen Wechsel, und manche Veränderung gab, auf Veranlassung der obenberührten Geschichte stets bis auf den heutigen Tag unter baierscher Landeshoheit *.
J. 1609.
In dem eigenen Hause, wo in der augspurgischen Rechtssache ein Kompromiß beinahe eingeleitet war, und wo man von aussen heftige Anfälle zu besorgen hatte, wäre es beinahe zum Vergnügen auswärtiger Feinde zu einer innern gefahrvollen Zerrüttung gekommen, wenn nicht die ganz ausnehmende Klugheit des damaligen Konventpriors Gall Sandholzer die treffendsten Gegenmittel wider den Ausbruch des Übels mit aller Hurtigkeit, und allem Nachdrucke angewandt hätte. Der sonst so ehrwürdige und beliebte Abt Alexander fieng allmälig an, grossen Aufwand zu machen, kostspielig zu leben, eine unnöthige, und zahlreiche Dienerschaft um sich zu haben, seinem Kammerdiener, Andreas Hummel von Bibe-
20 * rach
* Schwäbisches Lexikon Wort : Donauwörth.
Von Stetten Reichstadt Augspurgische Geschichte II. Band S. 790. Kretz ad Annum eundem.
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[r]ach, alle Einnahm, and Ausgab der Abteigelder, ohne auferlegte Pflicht sich darüber auszuweisen, blindhin anzuvertrauen, eine Menge der Gäste in das Haus zu rufen, mit vielem Aufwande prächtige Gastereien zu halten, und mehreres andere zu thun, was einer guten Hauswirthschaft Wehe that. Bald verbreitete sich, und zwar selbst, wie es bei Klöstern öfter geschah, durch die geladenen, und niedlich gesättigten Gäste ein übler Ruf hievon bis in die Ferne, und schon brachen während des Reichstags zu Würzburg die fürstbischöflichen Gesandte von Augspurg bei einem freundschaftlichen Schmausse mit den kemptischen, und weingärtischen Abgeordneten in laute Drohungen aus : „Es würde nächstens zu Ottenbeuren eine scharfe Untersuchungskommission einrücken, und die fürstbischöflichen Ansprüche auf jenes Stift durch einen entscheidenden Schlag geltend machen.“
Kaum hatte alles dieses der kluge Prior Sandholzer bei einer unternommenen Geschäftsreise nach Weingarten erfahren, und kaum war er von dannen zurück gekommen, so berief er in aller Stille die Klostergemeinde zusammen, schilderte die gefahrvolle Lage mit allen Farben seiner ihm eigenen Beredsamkeit, sprach jetzt von der Annäherung einer strengen bischöflichen Untersuchung, jetzt von der allen bewuß-
ten
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ten Zerrüttung der innern Hausverwaltung, jetzt von den unübersehbaren schlimmen Folgen, welche bei einer so bedenklichen Lage des Stiftes von zwei Seiten her entspringen könnten, und ließ eher nicht ab, als bis ihm die Klostergemeinde aus ihrer Mitte, und in ihrem Namen einige Männer, als Deputirte, zur Ausführung seiner gemeinsam überlegten, und genehmigten Absicht an die Seite gab. Nun stellte sich der Prior an die Spitze der Konventdeputation, eilte der Abtei zu, warf sich dem Herrn Abte mit weinenden Augen zu Füssen, und bat ihn im Namen der gesammten Gemeinde, dem Drange der Zeitumstände nachzugeben, alle zeitliche Verwaltung an einen andern gemeinschäftlich gewählten Klostergeistlichen mit Beibehaltung alles äussern Glanzes, und Ansehens seiner Würde zu überlassen, mit jährlichen 230 Gulden, welche zur Deckung seiner Amtswürde von aussen bewilliget wären, sich zu begnügen, und so mit der Wiederherstellung einer untadelichen Hauswirtschaft geneigtest selbst mitzuwirken. So unerwartet ein Vortrag von dieser Art einem regierenden Herrn je fallen mag, so war es doch Abt Alexander, der denselben nach einem sehr kurzen Bedenken großmüthig begnehmigte, und sich von aller weitern Verwaltung plötzlich zurück zog. Jetzt schritt man zum Werke, und ehe der neu gewählte Stiftsökonom, Gregor Reubi, der
nach-
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nachmalige Abt, sein Verwaltungsamt antrat, war die Gastfreiheit schon in engere Schranken zurück gesetzt, die überflüssigen Gastereien ganz abgeschafft, die übertriebenen Besoldungen der höhern, und niedrigern Dienerschaft nach den Verhältnissen der Diensbarkeit herab gestimmt *, die unnöthigen Diener entlassen **, und alles, was zu einem löblichen
Haus-
* Diese Reduktion betraf die Jahrsbesoldungen des Herrn Obervogts, des Herrn Kanzlers Mosmiller, des Sekretairs Georg Luider, und anderer. Und noch nach der Reduktion bezog der bemeldte Kanzler alljährlich im Baaren 500 fl. 6 Mltr [Malter] Kern, 2 Zentner Fische, ein gemästetes Schwein, ein Fuder Wein, und etwas an Haber. Man vergleiche diese Besoldung mit jener ältern eines Kanzlers vom Anfange des 16ten Jahrhundert.
** Man entließ ihrer Dienste den Kammerdiener Andreas Humel, den Tonsetzer, oder Komponisten Albert Recher, den Schulmeister Jo. Georg Alzinger, von sieben vier Choralschüler, den Schreiber Balthasar Rothweil, den Kellerer Bustlin, einen gewissen Vogler, und Weidmann Ottermann, den Christian Zettler Jäger auf dem Lerchenberg, und den Narren Balthas. Jeder Regent hielt sich damals, und schon vorher, ein, oder mehrere solche Geschöpfe zum unterhalte. Jetzt stehen die Narren hie und da
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Hauswirthschaft dienlich ist, so angeordnet, und eingerichtet, daß gewiß mehrere bischöfliche Visitationen keine bessere, und dauerhaftere Ordnung hergestellt hätten. Was aber diese schöne Handlung noch weit mehr verschönerte, war die allerstrengste, und allerseltenste Stille, womit alles inner den Mauern vollzogen wurde. Das untergebene Landvolk erfuhr nicht das Geringste von der dem Herrn Abte entzogenen Verwaltung, nichts von dessen Pensionsstande, und auch nichts von alle dem, was das Vertrauen, Liebe, Hochachtung, und die schuldige Ehrfurcht der Unterthanschaft gegen ihren Regenten herunter stimmen, und schwächen konnte. Gewiß von dieser Art sind der Geschichte wenige Reformen bekannt.
J. 1610.
Nachdem nun die innere Hausordnung nach Wunsche hergestellt war, und dem Eindringen einer angedroheten Visitation durch die genommenen klugen Maßregeln vorgebeugt war, trug es sich beinebens auch zu, daß das sehnlichst erwartete allergnädigste kaiserliche Re-
script
mit Charakter in Diensten, und befinden sich wohl, ohne ihre Vorgänger, wie sie der ältere Zeitgeist, begünstigte, beneiden zu dürfen. Kretz Tom. I. Chronol. ottenb. ad A 1610. aus Sandholzerischen Handschriften.
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skript hier anlangte, für welches der Abt Alexander schon länger angesucht hatte, und Kraft wessen Kaiser Rudolph das ohnehin nur lehenweise an Augspurg gekommene Schutzvogteirecht wieder an sich zog, und von Augspurg hinweg nahm. Das kaiserliche Schreiben, welches den Hauptknoten aller bisherigen Verwickelung entzwei schnitt, überreichte man von hiesiger Seite dem Herrn Fürstbischofe am heiligen Pfingsttage, ehe das feierliche Pontifikalamt in der Stadtpfarrkirche zu Dilingen begann. Jetzt eilten beide Partheien durch Abgeordnete an das kaiserliche Hoflager nach Prag, und zwar im Namen Augspurgs der fürstbischöfliche Rath Johann Heinrich Moser, welcher für die Kassation des bemeldten allerhöchsten Reskripts, und für stete Beibehaltung des bischöflichen Schutzrechtes über das hiesige Stift einkam ; von Seite Ottenbeurens aber der damalige Stiftskanzer Bernard Mosmiller, welcher sich dem zweifachen Ansuchen seiner Gegners standhaftest entgegen setzte, und sogar für Ottenbeuren eine allerhöchste kaiserliche Kommission bewirkte, welche aus dem Herrn Fürstabte zu Kempten, Heinrich von Ulm, dem Herrn Georg Reichsprälaten zu Weingarten, und dem Herrn Froben, Reichsgrafen von Waldburg bestand, durch Augspurg aber rückstellig gemacht wurde. Nun
war
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war die Spannung von beiden Sekten aufs Höchste gestiegen, und man ahndete [ahnte] nicht ohne Grund bald einen ernsthaftern Auftritt, der auch bald erfolgte.
Zu Halle in Schwaben schlossen die protestantischen Stände auf Veranlassung der böhmischen Utraquisten [Kalixtiner, Hussiten]*, die sich in ihrer freien Religionsübung wider den erhaltenen so genannten Majestätsbrief gekränkt glaubten, unter sich eine Union, welcher bald darauf die katholische Stände zu Würzburg die so genannte katholische Lige ** entgegen setzten. Eine Anstalt voll des beiderseitigen Mißtrauens, die sich am Horizonte Deutschlands so lange ruhig hielt, bis sich durch beiderseitiges Reiben eine Menge des elektrischen Feuers sammelte, das sich durch den nachmaligen schwedischen Krieg mit der Zerstörung des gesammten Vaterlandes unter entsetzlichen Schlägen entlud. Von der ebenbemeldten katholischen Lige lagen einige Truppen des Freiherrn von Mörsperg, wovon das Regiment den Namen hatte, zu
Schwab-
[*] So nannte man diejenigen in Böhmen, welche neben andern Hussitischen Irrthümern den Genuß beider Gestalten bei dem heiligen Abendmahle als zur Seligkeit nothwendig behaupteten.
*[*] Freiherrn von Wollstatt chronologischer Abriß der deutschen Geschichte. S. 70.
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Schwabmünchen, und in andern theils hochfürstlichen, theils domkapitelschen Ortschaften der sogenannten Hochstrasse, welche sich in ihren Quartieren sehr übel benahmen, und auch bald wider Ottenbeuren angeführt wurden.
§. XI.
J. 1611.
Was Augspurg wider Ottenbeuern im Schilde führte, und wirklich auszuführen begann, war weniger nicht, als den Hrn Abt Alexander durch die mörspurgischen Truppen gefangen zu nehmen, den Gefangenen nach Dilingen abzuführen, und das Stift selbst mit bewaffneter Mannschaft zu besetzen. Die Ausführung dieses Planes sollte anfangs der benachbarte Herr Pfleger zu Schöneck, Diepold von Gemmingen, nachmals der Herr Marx von Freiberg auf Mathsies [Mattsies], und zuletzt der Herr Wolfgang von und zum Stein übernehmen ; jedoch alle drei weigerten sich dessen ; als aber die Reihe das zweitemal an den Hrn Diepold von Gemmingen kam, ließ er sich gleichwohl zu diesem höchstunnachbarlichen Unternehmen gegen seine Herrensstimmung, wie er nachmals sich äusserte, verleiten ; verbat sich aber beinebens ausdrücklich hiebei alle militäri[ri]sche Einwirkung und Mithilfe, und versprach seinen Auftrag unter der Leitung des
fürst-
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fürstbischöflichen Hauptmanns Kohler durch die Bauern der zwei bischöflichen Pflegeien Schöneck, und Pfaffenhausen allein durchzusetzen.
Es war der eilfte Tag des Jäners, als der Herr Abt Alexander, welcher noch vor einigen Monaten ganz ruhig, und ahndungslos [ahnunglos] der bischöflichen Synode zu Augspurg beigewohnt hatte *, sein kleines Gebiet, wie gewöhnlich, durchreisete, in Begleitung des nothwendigen Personals ** in dem Dorfe Niderrieden [Niederrieden] anlangte, dort die sogenannten Baudingsgefälle bezog ***, und Nachts sieben
Uhr
* Khamm Hierarch. August, pag. 400.
** Die Begleitung bestand aus unserm Johann Herkommer, damaligen Kastenherrn, dem
Herrn Kanzler Mosmiller, und dessen Sekretair, dem ottenbeurischen Markt- und Gerichtsammann Joh. Georg Miller, dem Untervogte, zwei Kämmerlingen, dem Baumeister, dem Marstaller, und Kutscher.
** Die Baudinge waren von altersher die festgesetzten Zahlungstäge, an welchen der Herr Abt im Monate Jäner in den Gebietsdorfschaften die Gewerb- Küchen- und mehrere andere Gefälle durch die Seinigen einfordern, und sich neuerdings theils huldigen ließ, theils die Beobachtung der alten Ver-
ord-
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Uhr, ohne die aus 24 Musquetierern bestehende Ehrenbegleitung anzunehmen, welche die Dorfgemeinde Rieden [Niederrieden] nach dem damaligen Gebrauche aller übrigen Gebietsdorfschaften ihrem regierenden Herrn bis an den nächsten Ort anbot, von dort aufbrach, und sich durch den sogenannten Otterwald sammt seiner Begleitung in das vorbestimmte Nachtquartier nach Eck [Egg] an der Günz begab. Durch den ebenbemeldten Wald führten zwei Wege dahin. Einer derselben hielt der Hr. Pfleger Diepold von Gemmingen, dessen Ausspähungsgeiste kein Zeit- und Gelegenheitsumstand verborgen war, mit einer zahlreichen, theils mit pulverleeren Musqueten, und Standrohren, theils mit Spiesen [Spießen], und Helleparten [Hellebarden] bewaffneten Truppe von Bauern — den andern der Hauptmann Kohler, ein feiger Maulritter, welcher bei der Attaque der Erste davon rann, mit
ordnungen betrieb, theils neue zur getreuen Nachachtung empfahl, worauf auf Kosten jeder einzelnen Dorfschaft gespeiset wurde. Nachmals litt dieser alte Gebrauch einige Änderung. Die Bereisung des Gebietes unterblieb, die Dorfgemeinden wurden an die Kanzlei des Regierungsortes einberufen, anstatt der kostspieligern auswärtigen Mahlzeiten die sogenannten Tafelgelder eingeführt, und ein jeweiliger Herr Pfarrer, Amman, und Meier des Dorfes hier bei Tische gespeiset.
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einer theils berittenen, theils unberittenen kleinen Mannschaft besetzt.
Der ottenbeurische Marstaller, welcher dem Reisewagen seines Herrn Abtes voranritt, stieß der Erste auf eine verdächtige Truppe bewaffneter Bauern, kehrte spornstreiches an den Wagen zurück, und erstattete hierüber Bericht. Vergebens rieth die Begleitung einstimmig dem Hrn Prälaten, sich auf ein Reitpferd zu setzen, andere Wege einzuschlagen und so wohl sich, als die Begleitung aller Gefahr, und Unannehmlichkeit zu entziehen ; Abt Alexander erschrack nicht ; als er aber kaum eine Feldesstrecke voran rückte, sah er den Herrn Diepold von Gemmingen zu Pferde mit zwei Bauern am Schlag seines Wagens, welcher mit raschem Tone hinein rief : Herr Abt, Sie sind mein Gefangener. Plötzlich rissen die zwei Bauern den Kutscher von den Zugpferden herab, setzten sich selbst darauf, und galloppirten, nachdem auch die aus dem nahen Waldgebüsche hervor gerufenen Bauern, mehr als hundert an der Zahl, die gesammte Begleitung umgeben hatten, so, wie sie konnten, über Engishausen [heute zu Egg an der Günz gehörig] nach Schöneck [Oberschönegg], wo ein kurzes Abendessen bereit war, mit dem Gefangenen fort. So eine Behandlung auf welche mehrere Mißhandlungen folgten, widerfuhr dem schuldlosen Abte in seinem un-
mit-
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mittelbaren Gebiete ! Zum Morden und Abfeuren kam es aus Mangel des Pulvers nicht ; Rippenstösse aber, Maulschellen [Ohrfeigen], und wechselseitige Hiebe gab es nicht wenige ; unter andern machte der ottenbeurische Gerichtsamman, Joh. Georg Miller, bei der Gefangennehmung seines Herrn ein Seitenstück des ersten Apostels, und versetzte dem von Gemmingen mit seinem Rappier [Rapier; degenartige Fechtwaffe] einen so heftigen Stoß auf die Brust, daß der Herr Pfleger, und Hauptanführer die schmerzlichen Folgen desselben mehrere Monate fühlte. Auch der Hauptmann Kohler, welcher den andem Weg besetzt hielt, eilte auf den nicht gar fernen Lärm mit seinem mörspergischen Detaschement herbei ; verschwand aber, als er einigt Gefahr ahndete, eben so schnell. Die übrigen in dem Otterwalde versteckten Bauern scheinen unter der verabredeten Leitung des damaligen Obervogtes zu Oberroth, Edmunds Schaler von Helmanshofen gestanden zu haben, den sich der von Gemmingen zu einem Mitgehilfen zur Ausführung des angelegten Plans gewählt hatte.
Unser gute[r] Abt Alexander sehnte sich zu Schöneck weder nach Speise, noch Trank ; sondern bloß nach der nächtlichen Ruhe, die aber dem Gefangenen verweigert wurde. Denn, da es dem von Gemmingen nicht wohl um
das
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das Herz war aus Besorgniß, die nahen Stiftsunterthanen, welche ihrem Herrn, wie er wußte, treuherzigst ergeben waren, möchten Schöneck überfallen, und denselben befreien wollen, brach man von Schöneck [Oberschönegg] Nachts 10 Uhr über Babenhausen, Kettershausen und Mohrnhausen [nördlich von Kettershausen; heute zu K. gehörig] nach Nattenhausen [seit 1.5.1978 nach Breitenthal, Lkr. Günzburg, eingemeindet] auf, wo man auf eine vorläufige Anstalt das gesammte Dorf schon allarmirt, und das Wirthshaus von innen, und aussen mit bewaffneten Bauern besetzt fand. Auf dieser Fluchtreise setzte sich der von Gemmingen zu dem gefangenen Abte in den vierspännigen Wagen ; der Herr Hauptmann Kohler, und der von Helmannshofen waren zu Pferde, und eine mörspergische Mannschaft begleitete von allen Seiten den Wagen des Hrn Abtes, worauf ein anderer einspänniger mit dem obenbemeldten Kastenherrn, und dem Kanzler Mosmiller folgte. Hier gönnte man dem Hrn Abte auf einige Stunden einige Nachtruhe, und am 12ten Jäner, an welchem einige der Dienerschaft von Schöneck nach Hause entlassen wurden, gieng die Reise bis Grundrinningen [vermutlich Gundremmingen] ; von dortaus aber wo man sich wegen ausgetretener Donau eines Schiffbotes bedienen mußte, den 13ten Jäner unter einem grossen Zulaufe des Landes- und Stadtvolkes nach Dilingen. In dem fürstlichen Schlosse waren für die Aufnahme
der
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der Gefangenen zwei Zimmer, eines für den Abt, und dessen Kammerdiener, welches mit einer Militairwache besetzt war, und das andere für den geistlichen Kastenherrn, und den Stiftskanzler bestimmt ; für beide ward durch die Absonderung jede gemeinschaftliche Unterredung unmöglich gemacht, beiden wurden alle Schreibmaterialien versagt, in der alltäglichen kurzen Verpflegung der Kanzler leidentlicher, als der Herr Abt gehalten, den man beinebens ungestraft beschimpfen, und demselben sogar den seiner Amtswürde gebührenden Titel entziehen durfte *. Hieher [nach Ottobeuren] kam die erste Nachricht von der Gefangennehmung des Hrn. Abtes schon in der ersten Nacht vom eilften auf den zwölften Jäner durch zwei eigens abgeordnete Eilboten, welche die Dorfgemeinde Eck abgeschickt hatte. Der von dem Schlafe geweckte Prior, Gall Sandholzer, verlor über die traurige Anzeige seine Geistesgegenwart nicht, berieth sich kurz mit dem Subprior, und dem Großkeller des Stiftes **, und hieß
aus
* Aus den am Hoflager zu Prag ; und am Reichskammergerichte zu Speier den 13ten Jäner eingereichten ottenbeurischen Klagschriften wider Augspurg, und aus Sandholzerschen Handschriften bei Krezt Annal. Ottenb. Tom, IV S. 60.
** Subprior war Sylvan Herzog, Ökonom Gregor Reubi.
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aus Besorgniß eines feindlichen Urberfalls vonSeite der mörsbergischen Truppen um Mitternacht die Sturmglocke anziehen, auf welches Zeichen sich im Nu beinahe 200 Menschen versammelten. Gall Sandholzer belehrte so gleich das Volk über die wichtigen Ursachen seiner Allarmirung, und nun hätte man sehen sollen, wie weit man es bei dem gemeinen Mann durch Herablassung, Liebe, Wohlthätigkeit, Mässigung, und besonders durch eine drucklose Regierung zu bringen vermag. Jeder Einzelne, und alle zusammen boten sich an, Blut und Leben für ihren Herrn zu geben, dem sie mit so vieler Anhänglichkeit zugethan waren, alle waffneten sich ; die Musquetier besetzten alle Eingänge des Stifts, die andern vertheilten sich auf alle Posten, und Wege, von woher sich etwas Feindliches ahnden ließ, alle waren entschlossen Gewalt mit Gegengewalt zu vertreiben. Auch die benachbarten Herrschaften Kempten, Zeil, Weingarten, Pappenheim zu Grönnenbach [Grönenbach], und andere, an welche Berichtschreiben ergangen waren, nahmen sich des unschuldig Gedrückten an ; besonders schickten der Herr Fürstabt zu Kempten, Heinrich von Ulm, seinen Stiftskanzler Johann Philipp Kabelltus und der Herr Reichsgraf Froben von Waldburg den Herrn Braun von Zeil, welche ge-
J. III. B. 21 mein-
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meinschäftlich zu einem Bitt- und Klagschreiben so wohl an das kaiserliche Reichskammergericht zu Speier, als an das kaiserliche Hoflager zu Prag anriethen, und auch beide Schreiben verfertigten. Nur von fürstbischöflicher Seite her folgte ein Schlag auf den andern. Wenige Tage nach der Gefangnehmung rückte sogleich eine weltliche Kommission ein, welche aus dem Herrn Doktor beider Rechte, Heinrich Moser, dem Hauptmann Kohler, dem Diepold von Gemmingen, und einem gewissen Schrall, Spitalpfleger zu Dilingen [Dillingen], bestand. Diese führten den freigelassenen Kastenherrn, unsern Johann Herkommer, mit sich, welcher die Ankunft der Kommission vorhinein schriftlich meldete *; foderte [forderte] nach abgelesener bischöflicher Vollmacht alle Abtei- und Klosterschlüssel für sich, und zwang die Klosterbeamten zu einer förmlichen Huldigung, und zum Eide der Treue, obgleich man sich längere Zeit gegen beide Foderungen standhaft erklärte. Mit dieser Nachgiebigkeit der Unserigen waren die anwesenden Abgeordneten
der
* Ohne diese Vorsorge wäre die Kommission durch die ausgestellten bewaffneten Posten allerdings zurück gewiesen worden. Die Unserigen benutzten den kurzen Zeitraum zur Verheimlichung der wichtigsten Papiere, und Urkunden.
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J. 1617. [1611!]
der benachbarten Mitreichsstände * sehr übel zufrieden, und man hätte Ottenbeuren im Stiche gelassen, wenn nicht der beredsame Prior Sandholzer zur Fortsetzung ihrer nachbarlichen Hilfleistung neuerdings aufgemuntert hätte. Nun waren die Herren Abgeordnete fest entschlossen, im Namen ihrer hohen Prinzipalen nach Dilingen zu reisen, und die Freilassung des Abtes Alexander zu betreiben. An die Abgeordneten der Stände, welche am 23. Jäner die Reise dahin antraten, schlossen sich nicht nur die Deputirten des ottenbeurischen Landkapitels, sondern auch jene der gesammten Unterthanschaft ** an, unter welchen sich Joh. Georg Miller, der ottenbeurische Gerichtsamann, vorzüglich auszeichnete, welcher im Namen aller ottenbeurischen Unterthanen
21 * vor
* Nämlich des Herrn Heinrich von Stein, Großdekan des fürstlichen Stiftes Kempten, HerrnAlban von Jannenberg erbtruchsessischen Hofmeisters zu Zeil, Herrn Obervogts zu Grönenbach im Namen des Herrn Erbmarschalls von Pappenheim, und der Weingartischen Herrn Abgeordneten.
** Der Vormann derselben war Jo. Georg Miller von hier ; die Übrigen Balthas Lindle Amman zu Suntheim [Sontheim], Kaspar Moser Amman zu Schlegelsperg [Schlegelsberg], Hans Wagner Amman zu Attenhausen.
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vor dem Herrn Fürstbischofe freimüthigst erklärte: „Sie hätten sambt und sonders dem Herrn Abt, und Konvent des würdigen Gotteshauses Ottenbeyren gelobt und geschworen, wären auch keinen andern Herrn zu erkennen gesinnt, sondern würden jederzeit so thun, wie sie es heute, oder Morgen vor Gott, und der Welt würden verantworten können.“
Noch war die weltliche Kommission im Hause, als auch die geistliche unter dem Namen einer bischöflichen Visitation eintraf *. Da der einsichtvolle Prior Sandholzer dieser angedroheten, und wirklich eingerückten Visitation, wie wir weiter oben meldeten, durch vorläufige Beseitigung aller fehlerhaften Ansichten, schon vor zwei Jahren zuvor gekommen war, so hätte sich allerdings diese Kommission ganz untadelich am nächsten Tage nach ihrer Ankunft wieder zurückziehen können, wenn sie nicht den geheimen Auftrag gehabt hätte, der weltlichen Kommission in die Hände zu arbeiten. Sie blieb also neben jener einige Tage, und da sie wohl einsah,
daß
* Diese bestand dem Herrn Generalvikar Zacharias Furtenbach, dem Herrn Melchior Abte zu Neresheim, und dem bischöflichen Siegler von Augspurg.
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daß die standhafte Klostergemeinde unter ihrem Prior nicht aus der rechtlichen Fassung zu bringen sey, zeigte sie sich am Ende so gar geneigt, selbst zur Befreiung des Herrn Abtes das Ihrige beizutragen *.
Zu Dilingen nahm zwar der Herr Fürstbischof die reichsständischen Abgeordneten, wie die Landesdeputirten sehr gütig, und gnädig auf ; die nachgesuchte Freilassung des Herrn Abtes aber forderte eine längere Zeit, und die Unterhandlungen dehnten sich bis auf den Monat März aus. Während derselben wurden sechs Bedingnisse folgenden Inhalts voraus gesetzt, nämlich a. das schon einmal eingeleitete Kompromiß sollte beiderseitig beliebt, und begnehmiget, b. Die Reichsstadt Augspurg als unpartheiischer Richter gewählt **, c. dem Stifte Ottenbeuren die Fertigung eines summarischen und artikulirten Libells aller seiner Gründe für die Reichsunmittelbarkeit, und Steurfreiheit binnen vier, oder sechs Monaten
auf
* Vicarius Generalis ingemiscendo subjiciebat : Utinam huic me rei nunquam implicuissem!
Kretz chronol. Ottenb. pag. 559. Item pag. 558.
** Die Stadtrichter unterzeichneten sich in den beiderseitigen Akten, und Schriften als Auditores & directores processus compromissarii.
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aufgetragen*, d. die Zeit, während welcher die gerichtlichen Schriften, Exceptionen, Repliken etc. gewechselt, und beendiget würden, fest und genau bestimmt, e. nach Umfluß des bestimmten Termins die Einrotulirung und die Übersendung der gerichtlichen Akten von Augspurg nach Speier beschlossen, und, f. alsdenn die Reichskammergerichtliche Entscheidung in allen Punkten von beiden Seiten genauest befolgt werden **. Erst nach der Begnehmigung dieser Bedingnisse, welchen noch ein anderer Receß voran gieng, wurde der Herr Abt seines achtwochentlichen Arrestes entlassen, und trat am 6ten März in Begleitung der reichsständischen Abgeordneten die Rückreise nach Hause an, wo man ihn, als einen unerschütterlichen Vertheidiger der theuersten Stiftsrechte mit aller Ehrfurcht eben so, wiemit aller Freude empfieng.
J. 1612.
Indeß hatten einerseits die viele Kümmernisse, Sorgen, Arbeiten, und Leiden auf die Gesundheit des geplagten Abtes sehr nachtheilig gewirkt, anderseits nährte er wenige
Hoff-
* Ottenbeuren schickte dieses Libell, aus 112Rechtsgründen bestehend, den 1ten September 1611 nach Speier ein.
** Geschehen und geben zu Dilingen den 3ten März im Jahre nach Christi Geburth 1611.
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Hoffnung bei anharrender Ungnade des Herrn Bischofs Heinrich von Knöringen seinem geliebten Stifte vieles nutzen zu können ; gleichwie er nun ehedem großmüthig genug war, aus Liebe zur Herstellung per innern Hausordnung sich aller zeitlichen Verwaltung zu begeben, so faßte er nun auch den edelmüthigen Entschluß, selbst seine Amtswürde von freien Stücken niederzulegen, und legte dieselbe auch wirklich den 29ten März nieder. Die Klostergemeinde, welche dessen grosse Verdienste dankbarest berücksichtigte, bestimmte ihm neben einer abteilichen Wohnung und Tische, freier Equipage, und freier Verpflegung des Kammerdieners alljährlich 400 fl. Abt Alexander kaufte von dem Junker Eustach von Lantfried den guten Hof Lerchenberg für 5500 fl. an das Stift, ließ zu Immenstad [Immenstadt] einen neuen Keller, zu Sipplingen eine neue Gartenmauer bauen, in der Stiftskirche eine grosse Monstranz, auf der eldernschen Wallfarthskirche die zwei Altäre St. Magdalena, und St. Anna errichten, die er mit schönen Gemälden * versah, und erlebte noch zwei
Amts-
* Das Altarblatt St. Magdalena, welches jetzt in der Pfarrkirche zu Probstried aufgestellt ist, verfertigte der berühmte Kunstmaler Bartholomä von Esch. Herz von Augspurg füllte nur den Aussenraum aus, welchen die Ver-
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J. 1612.
Amtsnachfolger in seiner Würde. Von seinem Tode auf das Jahr 1631.
Auch Kaiser Rudolph der II. endeteden 12ten des ersten Jahrmonats seine ruhmvolle Regierung im 50sten Jahre, und sechsten Monate seines Alters. *
Nach dem Hinscheiden des Kaisers Rudolph lI. bemerkte man kein hitziges Streben nach der Kaiserkrone. Der Erzherzog Albrecht von Österreich, auf welchen die mehreren Churfürstlichen Wahlstimmen zielten, verbath sich dieselbe sogar, um die in Österreich ausgebrochenen Unruhen desto schneller zu beendigen, und erst nach fünf Monaten ward der österreichische Erzherzog Mathias, ein Sohn Maximilian II. den 3ten Junius einmüthig als Kaiser gewählt, und den 14ten desselben zu Frankfurt gekrönt. Bei den protestantischen Ständen, welche von der Zeit ihrer errichteten Union stets etwas wegen der vermeintlichen Kränkung ihrer freien Religionsühung zu klagen fanden, machte sich Kaiser Mathias anfangs seiner Regierung nicht sehr beliebt : denn anstatt ihre eingereichte Beschwerden auf dem
an-
grösserung des Bildes zu einem nachmals grössern Altarblatt noch forderte.
* Rhevenbiller Tom. VII. pag. 439.
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Reichstage zu Nürnberg zu erörtern, und zu erledigen, setzte man sich darüber hinweg, und begnügte sich bloß mit dem, daß man 30 Römermonate, als Kriegsbeiträge wider die Türken festsetzte, und von Reichswegen begnehmigte *. Zu Hause schritt man den 28ten Tag des Aprilmonats zur Wahl eines neuen Abtes, welche den damaligen würdigen Prior, Gregor Reubi, zur abteilichen Würde erhob. ** Abt Gregor war im J. 1572 zu Sonthofen gebohren, legte die feierlichen Gelübde im J. 1592 ab, durchwanderte mit einem löblichen Schritte mehrere Jahre mit grossem Nutzen die hiesige Klosterökonomie, und ward in diesem Jahre anstatt des würdigen Priors Sandholzer, welchen, als Verwalter des uralten Stiftes zu St. Mang in Füssen, der bischöfliche Ruf nachmals dahin bestimmte, Prior der Klostergememde, ein Mann, wel-
cher
* Goldafts politische Rechtshändel, und des Freiherrn von Senkenberg Sammlung rarer, und ungedruckter Schriften II. B. Seit. 107.
** Dieser Wahl, welcher der Hr. Weihbischof Sebastian Breuning, der Hr. Generalvikar Zacharias Furtenbach, und die zwei Herren Äbte Thomas von Elchingen, und Sebastian von Irrsee [Irsee] beiwohnten, schickte die hiesige Klostergemeinde das erstemal eine aus 19 Punkten bestehende Kapitulation voran.
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cher an Einsichten, Thätigkeit, Beförderung der Wissenschaften, Eifer für das Beßte des Stiftes, Frömmigkeit, und wahrer Seelengröße mehrere seiner würdigen Vorfahren noch übertraf.
§. XII.
J. 1613.
Nachdem der neugewählte Abt Gregor beidem Kaiser Mathias die Bestätigung aller ottenbeurischen Gerechtsame allererst nachgesucht, und nach Wunsche erhalten hatte, bot sich ihm von selbst eine Gelegenheit an, denvierten Theil eines adelichen Gutes zu Erkheim, welches der damalige Junker Hans Thomas Keller von seinen Eltern theils ererbt, theils von seinen Miterben an sich gelößt hatte, an das Stift käuflich zu bringen, die er nicht unbenutzt ließ, und 12000 fl. dafür erlegte *. Übrigens war von ältern Zeiten her sowohl diese Kellerische Besitzung, als selbst der Ort Erkheim ein fürstlich kemptisches Lehen ; um sich nun für die Zukunft gegen alle
J. 1614.
etwaige Mißhelligkeiten zu sichern, ward die
Leh-
* Der von dem Hans Thomas Keller, und seiner Ehegattin Ursula Ziegelhuberinn ausgestellte Verkaufbrief ist gegeben vom 17ten Monatstag Augusti im J. 1613.
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Lehensache mit Kempten verglichen, und darüber von hieraus ein Revers ausgestellt *.
J. 1615.
Zu Salzburg begann unter dem Herrn Erzbischofe Markus Sittikus, und Begnehmigung des hohen Erzdomkapitels eine neue wissenschaftliche Anstalt, welche sich nicht lange hernach zu einer berühmten hohen Schule erschwang, und wozu Ottenbeuren vorzüglich vieles beitrug. Dem Anfange stunden mehrere Hindernisse entgegen, und bei drei Ordensfamilien versuchte man es vergeblich, ein beharrliches Lehramt für die salzburgische Schule zu gründen. Die zahlreiche Klostergemeinde der Väter Franziskaner, welcher man das Schulamt allererst anvertrauete, fand sogleich im ersten Jahre viele, und grosse Hindernisse in Hinsicht auf ihre Ordens- und Berufsgeschäfte dabei ; die Väter Augustiner, an welche nachmals das nämliche Anerbieten geschah, schützten sogar eine Unvermögenheit vor, und selbst die Väter der Gesellschaft Jesu, Kraft ihres Institutes zum Jugendunterrichte, und zum Schulamte bestimmt liessen sich zwar in Unterhandlungen ein ; fanden aber die vorgelegten Foderungen, und Be-
ding-
* Ottenbeurischer Revers geben den 22ten Monatstag Septembris nach der Geburth Christi gezählt 1614.
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J. 1616.
dingnisse nicht allerdings annehmbar, und wiesen das Anerbieten von sich. Endlich wendete sich der Herr Erzbischof an den damaligen Hrn Abt Joachim zu St. Peter in Salzburg, und dieser, von den zwei Domherren Marquard von Schwendi, und dem Herrn von Freyberg dazu ermuntert, versprach nicht nur, hierüber einen Briefwechsel mit den schwäbischen Herren Reichsprälaten einzuleiten, sondern unterzog sich selbst einer sehr beschwerliche Reise nach Schwaben, und ersuchte, mit einem erzbischöflichen Schreiben versehen, verschiedene Äbte der schwäbischen Klöster zur kräftigen Beiwirkung mit dem eröffneten Vorhaben. Allein die Meisten gaben entweder nur gute Worte, oder nur leere, und ferne Verheißungen. „Der Erste, schreibt der Verfasser der salzburgischen Chronikauszüge *, welcher die fast verlorne Hoffnung unseres Abtes Joachim wieder ausrichtete, war der Herr Abt Gregor des freien Reichsstiftes Ottenbeuren, ein Mann, dessen Andenken nie erlöschen soll. Dieser einsichtsvolle Herr glaubte, diese Gelegenheit, die sich etwa nicht mehr ergeben dürfte, wäre
zum
* Der Titel des Buches ist : Auszug der neuesten Chronik des alten benediktiner Klosters zu St. Peter in Salzburg 1782. Seite 105, und folgende.
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zum Ruhme des ganzen Ordens nicht aus den Händen zu lassen, und machte sich alsbald anheischig, so wohl von seinem eigenen Kloster einige Lehrer nach Salzburg zu schicken, als auch andere Äbte im Reiche zu einem Verbündnisse aufzumuntern!“
Herzensfrohe über so eine Willfährigkeit tratnun der Herr Abt Joachim seine Rückreise nach Salzburg an, erstattete über seinen vollzogenen Auftrag Bericht, und der Herr Erzbischof Marx von Hohenems, welcher öfters betheuerte, keinen frohern Tag jemals ausser diesem erlebt zu haben, ließ noch in diesem Jahre unter Seinem, des hohen Domkapitels, und des Herrn Abtes zu St. Peter Insiegeln den Stiftungsbrief des neuen Gymnasiums fertigen *.
J. 1617.
Im folgenden Jahr langten wirklich zur allgemeinen Freude der Stadt Salzburg den 25ten Oktober die für die neuangehende Schule bestimmten Lehrer, sechs an der Zahl, in dem uralten benediktiner Stifte zu St. Peter an, wo sie die zärtlichste, und freudenvolleste Aufnahm erfuhren. Fünf derselben waren aus der hiesigen Klostergemeinde, nämlich Silvan
Her-
* Gegeben zu Salzburg den 20ten Sept. im J. 1616. Cfr. die bemeldten Auszüge.
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Herzog, der erste Regent an dem Gymnasium, Albert Käuslin, nachmals postulirter Abt zu St. Peter, Andreas Vogt, nachmals erwählter Abt zu Ottenbeuren, Christoph Kustos, und Benedikt Höß ; Ferdinand Pröbstle aber aus der Reichsabtei Irrsee. Die gesammte Kolonie dieser Lehrer versah unser Abt Gregor mit zwei Empfehlungsschreiben, wovon eines an den Herrn Fürsten, und Erzbischof Marx *, das andere an den Herrn Abt Joachim zu St. Peter ** gerichtet war. Sogleich am nächfolgenden Tage nach ihrer
An-
* In diesem schreibt unser Abt Gregor Folgendes : Hos patres, & filios meos, P. Priorem præter alios quinque ad suscipiendam istam provinciam destinavi, literis & moribus religios, mea opinione ita imbutos, & exercitatos, ut bene de illis sperare liceat. Omnes in sinu meo fovi, & nutrivi, præter unum, qui ipse tamen quasi unus ex gremio nostro est propter confœderationem, quæ ejus monasterio cum nostro ottenburano intercedit. Epist. ad celsiss. Princip. & Archiep. Salisburgensem 18. Octobris 1617.
** In diesem heißt es : Omnes viri sunt religiosi, probi, morati in scolis exercitati. Nolo esse
multos in commendatione, ipsi se facto, ut spero, omnibus probabunt. Ad Abbatem Joachimum Sanctpetrensem literæ data Ottenbura eodem, quo supra, die & anno.
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Ankunft, zu dem Herrn Erzbischofe einberufen, erschienen alle die obenbemeldten Lehrer in ihrem Ordenskleide ; unser Silvan Herzog überreichte das Empfehlungsschreiben seines Abtes Gregor ; der Herr Erzbischof äusserte die lebhaftste Freude, küßte sogar das Schreiben des Abtes, versprach alle Huld, Gnade, Unterstützung, und Beistand, und entließ alle unter den höchsten, und unverkennbarsten Bezeugungen seiner Landesherrlichen Huld, und Gnade. Den 6ten des Wintermonats begann die feierliche Eröffnung der Schulanstalt. Unser Andreas Vogt hielt in Gegenwart des Hochwürdigsten Herrn Erzbischofes, des Hochwürdigen Domkapitels, aller Ordensobern, der Vornehmsten der Stadt, und eines zahlreichen Volkes eine der Feierlichkeit anpassende Rede, und der Herr Abt Joachim sang das feierliche Hochamt. Den 7ten begann der öffentliche Unterricht ; unser Albert Kaüslin [Käuslin] fieng die Vorlesungen über die Moralphilssophie, unser Joseph * Burger jene über die Moraltheologie an. Andreas Vogt lehrte die Wohlredenheit, Christoph
Ku-
* Dieser rückte erst zwischen dem 18ten Oktober und 6ten November in die abgeschickte Schulkolonie ein ; vermuthlich, weil ein anderer Herr Abt sein gegebenes Wort nicht hielt, oder nicht halten konnte.
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Kustos die Dichkunst [Dichtkunst], Benedikt Höß die Anfangsgründe der lateinischen Sprache, Ferdinand Pröbstle von Irrse [Irsee] die Syntaktische Wortfügung, und Silvan Herzog machte an dem Gymnasium, welches damals noch inner den Klostermauern zu St. Peter bestand, den Regenten **.
Indeß, obgleich zwei würdige Männer das geistliche, und zeitliche Beßte des Klosters Blankstetten [Plankstetten] besorgten, und sechs andere an der Schule zu Salzburg öffentlichen Unterricht gaben, so mangelte es doch dem hiesigen Ordenshause an noch mehrern tauglichen Männern nicht, welche theils in der Klostergemeinde bestanden, theils durch die unermüdete Verwendung des Abtes Gregor, und des würdigen Gall Sandholzer, welcher nach zwei Jahren die Verwaltung des Klosters zu St. Mang wieder niedergelegt **, und nach Hau-
se
* Auszüge bei salzburger Chronik 1. cit. Kretz Chronol. Ottenb. & Reichbek in Analectis.
** Sandholzer unterzog sich auf Befehl des Herrn Bischofes dem Verwaltungsamte zu Füssen im J. 1612 den 3ten des Heumonats : als sich aber einer nützlichen Stiftsverwaltung mehrere Hindernisse in Weg legten, verließ er im J. 1614 den 21ten des Weinmonats Füssen, und kehrte nach Hause zurück.
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se zurück gekehrt war, als junge Ordensgeistliche eine höhere Geistesbildung erhielten. Gewiß Abt Gregor schonte hierinnfalls keinem Aufwande, und selbst von Rom her erhielt er hiezu durch ein apostolisches Breve, worinn Pabst Paul V. dessen frommen Eifer für eine vollkommenere Ausbildung der Seinigen durch die Mittheilung aller Kassinensischen Privilegien belohnte *, einen mächtigen Antrieb.
Unserer unvergeßliche Gall Sandholzer machte in eben diesem Jahre eine Entdeckung zum Beßten des Stiftes, die bei der damaligen Lage alle Werthschätzung weit übertraf. Aug-
J. III. B . 22 spurg
* Cum ipsi religiofi non solum in monasticæ disciplinæ observantia iuxta majorum suorum institutum pie, ac religiose persistant, sed etiam nuperrime perfectioris vitæ affectu ducti pias &
laudabiles constitutiones & regulas Congregationis Cassinensis spontanea voluntate receperint,
jamque sub illis conformiter vivere, & assiduis piorum operum exercitiis, cum catholicæ religionis conservandæ & propagandæ zelo conjunctis magnam illarum partium populis ædificationem
afferre inceperint &c. Datum Tusculi Anno Incarnat. Dom. 1617 VII. Idus octob. Pontificatus
nostri A. XII. Diese Kassinensische Reformation hielt nicht lange an, und veranlaßte nachmals Verwirrungen.
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spurg gründete bis dahin seine heftige Rechtsfehde wider die Reichsunmittelbarkeit, und Steuerfreiheit Ottenbeurens vorzüglichst auf eine vorgebliche Urkunde vom J. 1116, worinn Kaiser Heinrich V. Ottenbeuren an den Herrn Bischof von Augspurg angewiesen, und verschenkt haben sollte. Auf Befehl seines Abtes reisete Sandholzer nach Benediktbeuren [Benediktbeuern] in Baiern [Bayern], wo ihm der freie Zutritt in das Archiv gestattet wurde; dort zeigte sich nun augenfällig aus dem Originalbuchstabe sowohl der ebenbemeldten, als noch anderer zu Hilfe genommenen Urkunden, daß jene heinricianische Schankungsurkunde [Schenkungsurkunde] nicht auf Otten- sondern ausdrücklich auf Benediktbeuren vermeint sey, und selbst die dahin zur Miteinsicht der Originalien abgeordneten bischöflichen Kommissairs, und Rechtsgegner fanden dagegen nichts einzuwenden. So verstrichen von der Zeit, als man jene Urkunde wider Ottenbeuren anwendete, beiläufig anderthalb hundert Jahre bis zur wahren Entzifferung ihrer Bedeutung. Unser alte[r] Archivar Sandholzer hüpfte, gleich einem Jungen von 20 Jahren, darüber vor Freude, nahm eilends seinen Rückweg, und, da er seine Freude nicht länger verschliessen konnte, schickte er so gar von Mindelheim aus, wo er Abends spat ankam, und übernachtete, einen Eilboten sammt der Haupturkunde, und einem herzlich frohen Schreiben an seinen Abt Gregor [Reubi] hieher. Ich kann nicht umhin, in der
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untersetzten Note von diesem sehr artigen Schreiben einen Auszug zu liefern *. Daß der Herr Abt von dieser Entdeckung wider Augspurg den entscheidensten Gebrauch gemacht habe, versteht sich von selbst.
Zu Memmingen hielt man den 2ten November, obgleich um mehrere Jahre zu fruhe **,
22 * man
* Hosanna filio David, Benedictus, qui venit in nomine Domini! Hosanna in excelsis! Vere benedictus, & benedicendus in fæcula ; quoniam bonus, quoniam in æternum misericordia ejus ... Eccur hoc? Quia mitissimus Dominus Deus Ottenburanis antiquam libertatem per Heinricum juniorem, romanorum regem, hodie restituit, quam senior olim Beurensibus iniquis modis abstulerat. Sane visa primum, & inspecta hac litera præ gaudio vix me continueram, quin saltum unum, vel alterum Capriolicum ederem. Præmitto itaque reverendissimæ paternitati vestræ fortissimum hunc belli nostri juridici ducem, ac defensorem, mecum ipsemet aliam similium heroum turbam adducturus, quorum adminiulo partis adversæ vires debilitentur, penitusque frangantur. Intra mensem sequetur totus exercitus plane validus, & ad manas cum hoste conferendas imperterritus. Fruatur Revdma Patenitas vestra hoc efficaci, sapido, & omni melle, favo que dulciori ferculo, quod loco placentæ paschalis humiliter offero, eidem hodie, vel cras non
absimiles lautitias oblaturus. Mindelbeimii Dominica palmarum A. 1617.
** Luther dachte im J. 1517, wie Melanchton
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mit vielen Lustbarkeiten, und Freudensergiessungen die hundertjährige Feier von dem Aufgange , wie man zu sagen beliebte, des rein evangelischen Lichtes ; zu Vahingen [Vaihingen] im Würtenbergischen [Württembergischen] verbrannte über die Lustbarkeiten einer solchen Feier, leider ! die halbe Stadt *.