23.08.1959 - Der „Wasserdoktor“ ist erstmals in den „Post-Lichtspielen“ zu sehen. Vortrag am 9.11.2017
Titel
Beschreibung
„Sebastian Kneipp - Ein grosses Leben“ lautete der ursprüngliche Titel des Kneipp-Films. Unter diesem Titel hatte er am 27.11.1958 in Würzburg Premiere. Es folgten „Festaufführungen“ am 28.11. in Wiesbaden und am 29.11. in Stuttgart; bundesweit gingen 50 Kopien an den Start.
Die Wörishofener Erstaufführung fand acht Tage später, am 5.12.1958, in den Lichtspielen in der Bahnhofstraße, statt. Die Nachfrage in der Kneippstadt war derart groß, dass eine zweite Woche angehängt wurde - bis 14.12.1958. An anderen Orten avancierte der Film an den Kinokassen allerdings nicht zum Kassenschlager, er wurde deshalb nur drei Wochen nach der Premiere kurzerhand wieder aus dem Vertrieb genommen. Ende der 1950er Jahre zeichnete sich davon ganz abgesehen eine handfeste Krise des Kinos ab; in immer mehr Haushalten hielt das Fernsehen Einzug. Der Spiegel berichtete z.B. in seiner Ausgabe vom 31.05.1961 über den Filmverleiher NF: „Allein im vergangenen Jahr mußten 250 Kinos schließen, gegenüber 1956 sind die Besucherzahlen um mehr als ein Viertel zurückgegangen. (...) Hinzu kam freilich, daß der Großteil seines Verleihprogramms dem Publikum keineswegs so mundete, wie er aufgrund früherer Erfolge erhofft hatte. (...) Der Nadja-Tiller-Film 'Die Botschafterin' brachte gerade die nackten Unkosten wieder herein, und das Hans-Joachim-Kulenkampff-Lustspiel 'Mit mir nicht, meine Damen' lockte noch weniger Zuschauer an (Horn: 'Mindestens 500.000 Mark Verlust') als das Lebensbild des Wassertreters Kneipp.“
Nach Vergabe eines neuen Titels, einigen Umschnitten, einem gefälligeren Plakat und der stärkeren Hervorhebung der Liebesgeschichte ging er im März 1959 erneut an den bundesweiten Start. In Süddeutschland als „Der Wasserdoktor“, in Nord- und Westdeutschland unter „Arzt ohne Examen“.
Am 10.01.1959 hieß es in der MNZ unter der Überschrift „Wunderdoktor hilf!“: „Der Titel zieht nicht, meint man heute zu wissen. Was bedeute für Lieschen Müller schon Sebastian Kneipp und was vielmehr erst 'ein großes Leben'?! Hätten die Wörishofer gleich auf uns gehört: 'Pfarrer Kneipp - der Wasserdoktor' wäre besser gewesen. Möglicherweise aber wird 'Der Wasserdoktor von ...', nein, 'Der Wunderdoktor von Wörishofen' erst richtig einschlagen. So sagen die Experten des Filmgeschäfts mit einem Blick nach Österreich, wo angeblich der Kneipp-Film von Anfang an unter der Flagge 'Der Wasserdoktor' gelaufen ist und sein Geld einspielt.“
In Kneipps näherer Geburtsheimat kam es erst im Juni 59 zu einigen Vorführungen: vom 12. - 14.06. im Kur-Film-Theater Grönenbach und vom 12. - 18.06.1959 in den Stadttheater-Lichtspielen Memmingen. In Ottobeuren gab es zu der Zeit zwei Kinos: die 1916 von Georg Braun (31.08.1869 - 11.01.1962) gegründeten „Lichtspiele“ in der Rupertstraße und die „Post-Lichtspiele“ in der Luitpoldstraße (heute: Feneberg-Parkplatz). Letztere zeigten den Wasserdoktor an zwei Tagen (zweimal am 23. und ein weiteres Mal am 24. August 1959). Lösten die Vorführungen im Juni in der Memminger Zeitung noch ein Presseecho aus, gab es Ende August keine weitere öffentliche Resonanz mehr.
In der Mindelheimer Zeitung war das Vorhaben schon vor Beginn der Dreharbeiten intensiv medial begleitet worden. Hier nun zunächst die „Wörishofener Seite“:
„Filmprominenz in der Kneippstadt“, „Dominikanerinnenkloster wird Filmhauptquartier“, „Tausende von Wörishofern vergaßen zu Bett zu gehen“
Das sind nur einige der Schlagzeilen aus der Mindelheimer Zeitung, als Anfang Oktober 1958 Bad Wörishofen Schauplatz der Dreharbeiten zum Wasserdoktor war. Der ganze Ort stand Kopf. Kurgäste wie Einheimische blieben häufig nicht nur Zaungäste am Set, sondern fanden sich in großer Zahl auch als Komparsen mitten drin im Geschehen, so z.B. ein kompletter Kneipp-Bademeisterkurs (s. Aufnahme im Klosterhof in histor. Kostümen) oder der Senior am Set, Johann Kraus, der im Kostüm eines Bauern eigens Postkarten bei Fotograf Fritz Grebmer jun. (25.01.1903 - 19.10.1979) von sich anfertigen ließ. Über ihn schrieb die Mindelheimer Zeitung:
„Die älteste, aber keinesfalls morscheste Stütze der Komparserie soll nicht unerwähnt bleiben: Der 84 Jahre alte Johann Kraus, der vergangene Woche in jener denkwürdigen Drehnacht bis 4.00 Uhr in der Früh aushielt und auch sonst pflichtbewußt und mit sichtbarem Bürgerstolz zur Verfügung stand, wenn immer er auch gebraucht wurde.“
Pro Drehtag gabs 5 Mark, bei den Damen aber nur, wenn die aufgeklebten falschen Wimpern am Ende des Tages auch ordnungsgemäß zurückgegeben wurden!
Zu diesem Zeitpunkt waren die größten Sorgen und Bedenken im Ort, ob die Filmleute dem Ansehen und Werk Pfarrer Kneipps gerecht werden würden, bereits verflogen. Schon war eine Postkarte eines geschäftstüchtigen Wörishofer Fotografen mit Szenen von den Dreharbeiten im Handel. Und die lokale Presse überschlug sich mit täglichen Berichten und netten Anekdoten, wie über den Kette rauchenden Carl Wery.
Auch der Laie konnte sehen, mit welch großem Aufwand man bei dem 2 Millionen Mark teuren Projekt zu Werke ging. Wenn z.B. alle mitgebrachten Scheinwerfer auf Voll-Last geschaltet wurden, verbrauchten sie exakt so viel Strom, wie damals der ganze Kurort benötigte. (Man darf nicht vergessen, dass damals kaum jemand einen Kühlschrank, Fernseher, eine Waschmaschine oder einen Elektroherd hatte. Strom wurde überwiegend zur Beleuchtung verwendet.) Daher musste zusätzlich ein eigener Stromgenerator aufgestellt werden, der das Netz stabilisierte. Die vielen Scheinwerfer waren vor allem deshalb nötig, weil man auf Farbfilm drehte, der bei Weitem noch nicht so lichtempfindlich war wie heute. Übrigens war Farbfilm 1958 noch immer sehr teuer und die Verwendung damals keine Selbstverständlichkeit: Man denke beispielsweise an die unzähligen Edgar-Wallace-Krimis, die vor allem aus Kostengründen bis Mitte der 60er Jahre ausschließlich in schwarz-weiß in die Kinos kamen.
Im Zusammenhang mit der Beleuchtung wäre es beinah zu einer Katastrophe gekommen: Beim nächtlichen Dreh im Klosterhof lehnte sich morgens um 3.00 Uhr ein Statist gegen ein Beleuchtungsgestänge, woraufhin aus 3 Meter Höhe ein schwerer Scheinwerfer herunterstürzte und einen jungen Kirchdorfer traf. Der fiel bewusstlos um und wurde nach Erstversorgung durch einen zufällig anwesenden Arzt sofort ins Krankenhaus gebracht. Zum Glück hatte eine Beule am Kopf und ein Bluterguss an der Schulter keine dauerhaften Schäden zur Folge. Das ganze hätte für den jungen Mann auch tödlich enden können.
Mit Professor Wolfgang Liebeneiner konnte die Schönbrunnfilm AG einen renommierten Regisseur vorweisen (die Professur war ihm 1943 von Goebbels verliehen worden). Liebeneiner, der seine Karriere bereits in den 30er Jahren als Schauspieler begann, inszenierte einige der populärsten Unterhaltungsfilme der Adenauer-Ära, unter anderem „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ (1954) mit Heinz Rühmann und Hans Albers oder den Kassenhit „Die Trapp-Familie“ (1956) mit der Ende 2015 verstorbenen Ruth Leuwerik.
Liebeneiner galt als Garant für Qualität. Das drückt sich auch in seinem Regievertrag aus, der im Archiv der Akademie der Künste in Berlin liegt; die Akademie verwaltet den Nachlass Liebeneiners. Der Vertrag bestand damals aus ganzen drei Seiten, was heute ein von Juristen mehrfach gegengelesenes Konvolut darstellen würde. Sein Honorar betrug 67.500 DM. Festgelegt wurde, dass sein Name in der selben Größe erscheint wie der des Hauptdarstellers. Es wurde ein „Wolfgang-Liebeneiner-Film“, quasi als Qualitätssiegel. Die bereits feststehende Besetzung musste er akzeptieren.
Für den Kneippfilm wurde eine durchweg hochkarätige Schauspielerriege aufgeboten, allen voran Carl Wery. Der Mann mit dem unverwechselbaren zerfurchten Gesicht war die Idealbesetzung für schwierige oder tiefgründige Charaktere, so auch 1949 als „Brandner Kaspar“ oder 1956 als „Meineidbauer“. Selbst als griechischer Bauer (in „Am Galgen hängt die Liebe“) wusste er ebenso zu überzeugen wie im Drama „Kriegsgericht“ als verzweifelter Vater des blutjungen Christian Wolff. Ein Bild zeigt Wery als „Grandseigneur“ als Herren im weißen Sommeranzug mit eleganten Lederschuhen in schwarz-und weiß und Manschettenknöpfen an den Ärmeln.
An seiner Seite stand Paul Hörbiger als Erzherzog Joseph von Österreich. Heute würde man sagen ein „Workaholic“ mit geradezu atemberaubender Karriere, der ab den 30er Jahren zu den populärsten deutschsprachigen Schauspielern zählte: Er drehte unglaubliche 250 Filme, von den unzähligen Bühnenengagements und den späteren Fernsehrollen ganz zu schweigen.
In weiteren Rollen sind zu sehen:
Gerlinde Locker als Tochter Aglaya (ein reiner Phantasiename) des Erzherzogs von Österreich
Michael Cramer als Medizinstudent von Faber; er war nicht nur ein gefragter Schauspieler, sondern lieh als Synchronsprecher auch vielen internationalen Stars seine Stimme, umschwärmt vor allem von den jungen Damen am Set (s. Bild)
Paul Klinger („Die Mädels vom Immenhof“) als Dr. Baumgarten; auch er ein gefragter Synchronsprecher
Anita Gutwell als Lupus-kranke Italienerin; sie erreichte vor allem mit Heimatfilmen wie „Der Förster aus dem Silberwald“ große Popularität (Die Zeitung schrieb: „Die Naive aus dem Silberwald-Milieu“, da sie bis dato nur in Heimatfilmen mitgespielt hatte.)
und die damals nicht unbekannte Ellinor Jensen als Schwester Sebastiana. (Nach einem gemeinsamen Film mit den Wiener Sängerknaben bekam sie waschkörbeweise Fanpost - bis aus Japan.)
Um sich schon im Vorfeld auf das Thema Kneipp einzustimmen, kamen die Hauptakteure im Sommer 1958 eigens nach Bad Wörishofen und ließen sich den Ort sowie einige Kureinrichtungen zeigen. Dabei entstanden auch eine Reihe von Presseaufnahmen, um schon frühzeitig das Interesse des kinobegeisterten Publikums zu wecken. Paul Hörbiger hat lt. Memminger Zeitung vom 13.10.1958 auch Ottobeuren besucht!
Heraus kam schließlich kein Film für Mediziner, Kneippverbände oder Filmclubs, aber trotz der ein oder anderen Retusche am Historischen auch kein seichter Heimatfilm, wie sie in den 50er Jahren stark verbreitet waren. „Wenn Liebeneiner gewollt hätte, wäre ihm ohne weiteres eine echte Schnulze nach dem Rezept: Für eins fünfzig von allem etwas, möglich gewesen“, so der spätere Kurdirektor Ludwig Burghardt in seinen Betrachtungen im „Kur-Spiegel“ (aus dem Verlag von Michael Gschrei). Er schließt mit dem Urteil: „Man kann unter Beiseitstellung einiger vorsichtiger Vorbehalte von Bad Wörishofen aus zu dem Kneippfilm ehrlich „Ja“ sagen. Er ist ein zeitgemäßes Denkmal für einen unbestritten verdienstvollen Wohltäter der Menschheit.“
Dennoch hätte man sich gewünscht, dass Erna Fentsch, die Ehefrau von Carl Wery, ihr Drehbuch mit Kennern der Kneippbewegung besser abgestimmt hätte. Dann wäre der Film vielleicht nicht ganz so österreichisch geworden und hätte mehr schwäbisches Kolorit vorzuweisen, wie Ludwig Burghardt noch kritisch anmerkt. Zitat: „Wer unser Heilbad kennt, wird sagen: Etwas mehr Wörishofener Atmosphäre hätte nicht schaden können. Streckenweise muss man den Eindruck gewinnen, als wäre Wörishofen ein Vorort Wiens.“ Immerhin muss erwähnt werden, dass Wörishofen zur Zeit Kneipps Dank des Erzherzogs Joseph von Österreich, einem Freund und großen Förderer Kneipps, eine stattliche österreichische „Community“ hatte, das Hauptklientel der ausländischen Gäste kam von dort. Man feierte „Réunions“ sowie den Geburtstag von Kaiser Franz Joseph I.
Das „österreichische Schwäbisch“ im Dialog sorgt freilich für unfreiwillige Komik und dreht einem echten Schwaben tatsächlich den Magen um, aber das ist auch kein Wunder, denn schließlich wurde überwiegend mit österreichischen Darstellern gedreht. Fast alle Innenaufnahmen entstanden im Salzburger Atelier der Filmgesellschaft und auch eine Reihe von Außenaufnahmen, wie z.B. die Szenen im Biergarten oder in Hartenthal, entstanden nicht etwa im Unterallgäu, sondern tatsächlich im Salzkammergut. Aber auch bei Szenen in Wörishofen wurde hie und da getrickst, beispielsweise beim Wassertreten im Bach: Weil das Wasser schlammig und zu tief war, hat man einfach einen Bohlenweg dicht unter die Wasseroberfläche gelegt und schon konnten die „hochwohlgeborenen Kurgäste“ filmgerecht kneippen. Ein Jahr später hätte man die Szene so nicht mehr drehen können, denn der Wörthbach wurde im Bereich der Unteren Mühlstraße vertieft und begradigt und in ein Betonkorsett gezwängt, aber 1958 gab es noch den alten „Wettbach“ (= der Name, den die Einheimischen überwiegend gebrauchen).
Andere in Wörishofen gedrehte Einstellungen fanden leider keine Verwendung. So fiel die im Festsaal der Dominikanerinnen aufgenommene Begegnung Kneipps mit dem Papst nicht prächtig genug aus und wurde andernorts nachgedreht. Das Kloster ist halt nicht der Vatikan. Geworben wurde immer damit, dass auch in Rom gefilmt worden wäre; statt dem Vatikan musste die „neue Wiener Burg“ (in der Nähe der Wiener Hofburg) herhalten.
Woher das herrlich funkelnde, brillantenbesetzte Kreuz auf der Brust des Papstes stammte, ist der Mindelheimer Zeitung vom 15.10.1958 zu entnehmen: aus der Neu-Gablonzer Modeschmuckherstellung („ein Meisterwerk aus der berühmten Gablonzer Glas- und Schmuckwarenindustrie“).
Insgesamt wurden sagenhafte 20.000 Meter Zelluloid belichtet, wovon nur rund 3.200 Meter in der Endfassung Verwendung fanden. Gänzlich der Schere zum Opfer gefallen ist beispielsweise eine Morgenmesse, die Carl Wery in der Klosterkirche in Anwesenheit der Dominikanerinnen zelebrierte. Und wegen des zunehmend schlechteren Wetters Anfang Oktober wurde die Einstellung mit Paul Hörbiger beim Holzhacken erst gar nicht hier, sondern ebenfalls im Salzburger Umland realisiert.
Wie schlimm es mit dem Kneippfilm bei einem weniger ernsthaften Unternehmen hätte kommen können, verraten alternative Titel, wie sie zeitweilig öffentlich im Umlauf waren: „Wasser, Weiber, warme Wickel“ oder „Heiße Küsse, kalte Güsse“ oder auch „Wo die Wellen rauschen bis zum Knie“
Dass der Film alles in allem auch bei kritischen Kneippianern gut ankam, hat viel mit der künstlerischen Leistung der Hauptdarsteller zu tun. Voran steht der überragende Carl Wery in der Titelrolle. Ist schon das Konterfei überraschend echt, so gelingt es ihm, den Menschen Kneipp in allen seinen Eigenschaften und Wesenszügen so typisch zu gestalten, dass ihm das Hauptverdienst an der nachhaltigen Wirkung des Filmerlebnisses zukommt.
Daneben aber kann vor allem EINE höchst eindrucksvolle Leistung bestehen: Anita Gutwell in der Rolle der lupuskranken Anna Rivetti. Die Schauspielerin gestaltet das mitleiderweckende, historisch wahre Schicksal des italienischen Mädchens wirklich ergreifend, wobei sich hier der Film sogar Mäßigung auferlegt. Die echte Anna Rivetti nahm nämlich aus Dankbarkeit für ihre wundergleiche Heilung den Schleier, ging also ins Kloster. Der Film verzichtet löblich auf diesen Effekt.
Mit der 1931 in Klagenfurt geborenen Anita Gutwell, die heute in Wien lebt, konnte Michael Scharpf 2013 ein nettes, längeres Telefonat führen (um sie nach Bad Wörishofen einzuladen). In ihrem sehr charmanten Wienerisch meinte sie nur: „Wissen’s, da sitzen dann alle im Kino, und dann komm ich und dann sagn’s bloß: „Mei is die oid wordn!“ Die Dreharbeiten unter ihrem Lieblingsregisseur hat sie noch in sehr guter Erinnerung und ein eigenes Album dazu aufbewahrt. Nur die Pressefotos beim Wassertreten und in der Kneippschule beim Knieguss waren ihr arg. Am Telefon erklärte sie dazu: „Ich hasse ja kaltes Wasser. Eine Kneippkur wäre die Hölle für mich!“
Zur großen Enttäuschung der Wörishofer fand am 27.11.1958 die Premiere von „Sebastian Kneipp – ein großes Leben“, so der ursprüngliche Titel, nicht hier, sondern (im Bavaria-Kino) in Würzburg statt, wo der Hauptsponsor, die Kneipp-Heilmittelwerke, seinen Sitz hat. Die Mindelheimer Zeitung reagierte im folgenden Kommentar vom 27.11.1959 (Überschrift: „Kneipp in Würzburg“) ziemlich beleidigt:
„Der Kneippfilm soll inzwischen rund 50 mal vervielfältigt und in Umlauf gesetzt worden sein. Aber EINE Kopie fehlt, nämlich ausgerechnet jene, die man für eine Sonderaufführung in Bad Wörishofen gebraucht hätte. Angesichts der ganzen Kalamität könnte man sich ja auf den Standpunkt stellen: Ach, was macht das schon, ob wir den Film eine Woche früher oder später zu sehen bekommen. Das aber ist bestimmt nicht die Ansicht derer, die mit ganzem Herzen bei der Sache waren und als Komparsen oder Berater tagein, tagaus bei Nacht und jedem Wetter mithalfen, den Filmaufnahmen an der Ursprungsstätte des Kneippens Glanz und Gelingen zu geben. Mindestens DIESE Idealisten hätten ein Anrecht darauf gehabt, den Film hier uraufgeführt zu sehen.“
Und jetzt kommts noch säuerlicher: „Wir hätten von den Repräsentanten unseres Heilbades gewünscht, wenn schon ihre Bemühungen um die Uraufführung nicht fruchteten, dass sie einmal nicht nach Würzburg gefahren wären, um dort in einer Stadt, der der Bocksbeutel näher liegt, als die Heilkraft des Wassers, das Dekor abzugeben.“
Auch am 29.11.1958 gab nach sich noch nicht versöhnlicher (Überschrift: „Wir hörten alles und glaubten wenig“). Soweit die zürnende MNZ.
Im Bavaria-Kino, dem mit 1100 Sitzplätzen größten Kino in Würzburg, wurde die Premiere glanzvoll inszeniert. Mit allen Stars, mit dem Regisseur und der Presse.
Erst eine Woche später, am 5. Dezember 1958, konnte die Wörishofener Premiere in der Kneippstadt in unserem schönen Kino in der Bahnhofstraße abgehalten werden. Carl Wery, Anita Gutwell und Paul Klinger waren persönlich anwesend und wurden stürmisch bejubelt. Für jeden Ehrengast gabs neben einem Strauß Blumen auch ein handgefertigtes Paar echte Kneippsandalen. Natürlich mussten unzählige Autogrammwünsche erfüllt werden (s. Bilder), bevorzugt auf den damals üblichen Filmprogrammen, die man für 10 Pfennig an der Kinokasse zu jedem Film kaufen konnte. Im virtuellen Museum von Ottobeuren sind sowohl das Programm von 1958 (Download hier als pdf, ca. 6 MB) als auch die Fassung von 1959 (s. oben) abrufbar – allerdings nur für private Zwecke.
In den folgenden zwei Wochen waren nahezu sämtliche Vorstellungen ausverkauft, dabei wurde teilweise bis zu vier mal täglich gespielt und das Kino hatte damals mit 400 Plätzen fast doppelt so viele wie heute (230). Schon bald zeigte sich aber, dass der Film außerhalb Wörishofens nicht auf den erhofften Zuspruch stieß, so dass er bereits nach rund drei Wochen vom Verleih vollständig zurückgezogen wurde. Die Mindelheimer Zeitung titelte: „Kneipp-Film kein Kassenmagnet“ Man änderte den Titel in „Der Wasserdoktor“, ersetzte das Filmplakat mit dem geisterhaften Kopf Kneipps durch eine fröhlichere Darstellung, tauschte den Vorspann komplett gegen eine Version mit heiteren Kur-Szenen aus und nahm einzelne Schnittänderungen vor.
Nach positiven Testvorführungen in Marktoberdorf und Bamberg gelang im Frühjahr 1959 der nun deutlich erfolgreichere Neustart, teils auch unter dem Titel „Arzt ohne Examen“. Mit den zahlreichen Ausstrahlungen im Fernsehen erreichte und erreicht „Der Wasserdoktor“ endgültig und immer wieder ein Millionenpublikum, eine unbezahlbare Werbewirkung seit bald 60 Jahren, zuletzt im Bayerischen Fernsehen mit über 1 Million Zuschauern. Dabei hatte die Stadt Bad Wörishofen nur eine vergleichsweise bescheidene Summe von gerade einmal 7.340,-- DM beisteuern müssen. Schon vor der Premiere kam es im Zusammenhang mit dem Kinofilm zu einer weiteren werbewirksamen Aktion: Am 15.10.1958 schrieb die Mindelheimer Zeitung: „Eine große Werbung für den Film und die Kneippstadt dürfte bedeuten, daß das Fernsehen in einer Gemeinschaftsreportage deutscher, österreichischer und schweizer Sender auf die Dreharbeiten eingehen will und aller Voraussicht nach in diese Halb-Stunden-Sendung auch Interessantes vom heutigen Bad Wörishofen einblenden wird. Vorbereitende Besprechungen haben bereits stattgefunden.“ Daraus wurde zwar nichts, aber der Bayerische Rundfunk sendete am 26.11.1958 unter dem Titel „Ein Pfarrer hilft Millionen“ einen Film über das Leben und Wirken Kneipps und über Wörishofen, wie es damals war. Verwendet wurden dabei Szenen aus dem Wasserdoktor-Film, ergänzt um Fimaufnahmen des modernen Kurorts (Sprecher: Michael Cramer). Der Film ist leider verschlollen und in den Archiven des BR nicht mehr aufzufinden.
Die Bad Wörishofener hatten lange Bedenken gegen die Idee einer Kino-Verfilmung gehegt, nun hoffte man über den Spielfilm auf satte Steigerungen im Kurwesen.
Die Dreharbeiten wurden vom anhaltend schlechten Wetter behindert (MNZ, 17.10.1958: „Der Sturm hat die Filmatmosphäre aus der Stadt gefegt“), man wich auch aufgrund des Wetters auf das Salzkammergut oder das Studio aus, sodass nur relativ wenig von Bad Wörishofen zu sehen ist. Der ganze Film wurde in sage und schreibe 33 Drehtagen (mit bis zu 60 Komparsen) aufgenommen (siehe eines der weiteren Privatfotos mit der Filmklappe). Drei Jahre lang hatte Erna Fentsch für das Drehbuch recherchiert, einige Wochen war sie dabei auch in Wörishofen. Für das Projekt – und dessen finanzielle Grundlage – war sicherlich mit ausschlaggebend, dass die meisten der vielen Kneipp-Anhänger einen Film über ihr Idol anschauen würden. Das originale Drehbuch liegt in der Monacensia in München. Erna (bzw. Ernestine) Fentsch schrieb in Bad Wörishofen nicht nur das Drehbuch, sondern laut Memminger Zeitung vom April 1959 gleich noch ein Buch über Kneipp (Der Wasserdoktor. Kneipp. Lebensbild eines Priesters und Arztes), das Richard Rennert (Pseudonym oder ggf. Ghostwriter?) 1958 beim „Vier Falken Verlag Berchtesgaden“ (Lizenzausgabe Bertelsmann-Verlag Gütersloh, Erstauflage 60.000, 199 S.) herausbrachte. Der Buchtext entspricht weitgehend den Drehbuch-Dialogen.
Bis ca. 1985 lief der Wasserdoktor im „Kurfilmtheater“ jeden Donnerstag um 20 Uhr. In der MNZ vom 21.02.1985 wird Betreiber Erich Siebzehnrübl wie folgt zitiert: „Die Kopie sei in einem sehr schlechten Zustand, einzelne Passagen fehlen bereits. Nach jeder Aufführung muß der Vorführer erst wieder eine Stunde lang den Film neu zusammenkleben. Die Plakate sind uralt, sodaß sich die Kurgäste bereits beschweren, daß es eine Schande sei. Neue läßt die Knipp-Film nicht nachdrucken. Auch Fotos gibt es nicht. Ich würde den Film wieder herrichten lassen, aber das kostet ein paar tausend Mark, die ich nicht alleine tragen kann: wenn Knipp-Film sich beteiligt, wird der 'Wasserdoktor' repariert.“
Bis heute zeigt der Kur- und Tourismusbetrieb Bad Wörishofen („Kurverwaltung“) eine restaurierte Fassung des Films etwa 20 Mal jährlich und verfügt darüber hinaus über eine Lizenz zur Herausgabe des Films als DVD.
Nun zur Aufnahme des Films im Altlandkreis Memmingen:
Es gab damals auch in den kleinen Orten Kinos wie in Markt Rettenbach oder in Erkheim. Ottobeuren hatte gar zwei Lichtspielhäuser. Die Memminger Zeitung berichtete am 8.12.1958 zwar über die Premiere in Bad Wörishofen, der Film selbst war bei uns allerdings nirgends zu sehen – auch nicht in Memmingen.
Als wäre Pfarrer Kneipp zurückgekehrt
Bad Wörishofen feiert Erstaufführung des großen Kneipp-Films
Der Gedanke einer Verfilmung des großartigen Leben und Wirkens des Wasserdoktors Sebastian Kneipp reicht Jahre zurück, doch standen die Wörishofener diesem Plan immer recht skeptisch gegenüber. Es leben dort heute noch etwa 70 Personen, die Kneipp noch selbst gekannt haben und an einer sehr bestimmten Vorstellung von der Persönlichkeit dieses Arztpriesters gewissermaßen aus Tradition festhalten. So konnte die Badestadt nur mit sehr kritischen Vorbehalten einer Verfilmung zustimmen. Daß Wolfgang Liebeneiner sich des zweifellos heiklen Themas annahm, daß die Drehbuchautorin Erna Fentsch, die Gattin des Schauspielers Carl Wery, jahrelang um ein historisch möglichst echtes Bild Sebastian Kneipps sich bemühte, daß die Oefa-Schönbrunn-Film und der NF-Verleih mit aller Sorgfalt in die Filmarbeit einstiegen und daß schließlich Carl Wery für die Rolle des großen Menschenfreundes gewonnen wurde – das alles hat Wörishofen schließlich veranlaßt, zu dem Film ja zu sagen, und ein Teil des Films wurde denn auch in Wörishofen selbst gedreht, unter Mitwirkung von Einheimischen und Kurgästen als Komparsen.
Dies alles erfuhren wir auf einer Pressekonferenz, zu der der NF-Verleih am Tage der Erstaufführung dieses Films nach Wörishofen eingeladen hatte. An Mitwirkenden waren auch Carl Wery, Paul Klinger und Anita Gutwell anwesend. Im Gespräch mit diesen Künstlern zeigte sich, daß sie alle wie auch die übrigen Mitwirkenden mit einer seelischen Anteilnahme dabeiwaren, die dem Film selbst zu einer so eindrucksvollen Gesamtleistung verhalfen. Carl Wery, ein liebenswerter Künstler und Mensch, erzählte uns, wie hervorragend die Zusammenarbeit aller bei der Gestaltung dieses Films gewesen sei. Die eigentliche Uraufführung fand gleichzeitig in Würzburg, Wiesbaden und Stuttgart statt: In Wien, wo ein Teil des Films in der Hofburg gedreht wurde, läuft er augenblicklich in vier Kinos mit großem Erfolg. Daß er in der Filmbewertung das Prädikat „Wertvoll“ erhielt und die Katholische Filmprüfstelle ihm die Einstufung 1 E gegeben hat, dürfte seinen Erfolg von vornherein sicherstellen.
Der Film selbst beschränkt sich glücklicherweise in seiner Handlung auf die Jahre 1890 - 1893, als Pfarrer Kneipp bereits auf dem Höhepunkt seines erfolgreichen Wirkens im Dienste der Armen und Kranken stand, als aber auch der Anfeindungen von außen so viele wurden, daß er drauf und dran war, seine Heiltätigkeit einzustellen und nur als Priester zu wirken. Bis in den Gerichtssaal wurde er gezerrt und nur dem Eingreifen des damaligen Papstes Leo XIII. war es zu verdanken, daß eine menschliche Tragödie vermieden wurde. Dies alles ist mit Behutsamkeit und gebührender Filmspannung dargestellt. Wo und wie immer Carl Wery die Gestalt des Wasserdoktors personifiziert, hat man das Empfinden, als wäre Pfarrer Kneipp selbst zurückgekehrt. Niemand wird sagen, so ist es gewesen – denn der Film hat ja seine eigenen Gesetze –, aber man kann nichts Besseres zu seinem Lob sagen als dies: So kann es gewesen sein. Neben Carl Wery, einer geradezu idealen Besetzung der Hauptrolle, sind auch alle anderen Rollen wirklich sorgfältig besetzt. Paul Klinger als Dr. Baumgarten haben wir schon rühmend erwähnt, Anita Gutwell als italienisches Mädchen, dessen Gesicht vom Lupus befallen ist, gab eine sehr eindrucksvolle Charakterstudie. Paul Hörbiger als Erzherzog Joseph bringt die heitere Note in den Film, doch hätte man ihn wenigstens nicht auch hier ein Heurigenlied singen lassen sollen. Die zarte Liebesgeschichte zwischen der Prinzessin Aglaya (Gerlinde Locker) und dem jungen Doktoranden und Kneipp-Anhänger Hans von Faber (Michael Cramer) stört in keiner Weise. Aus der Gegnerschaft der damaligen Schulmedizin ist ein Spannungsmoment gebildet, das zu einer echten Filmhandlung hingeführt hat. Alles in allem: ein Film, der imstande ist, das heroische Leben und Wirken des schwäbischen Wasserdoktors womöglich in noch breiteren Kreisen populär zu machen und der Kneippbewegung selbst neue Impulse zuzuführen.
Vor der Erstaufführung sprachen Bürgermeister Ledermann, Bad Wörishofen, und Carl Geyer, der Vorsitzende des Deutschen Kneippbundes, Augsburg. Nach dem Film zeigten sich Carl Wery, Paul Klinger und Anita Gutwell, die einen großen, warmherzigen Beifall entgegennehmen durften.
Im Juni 1959 war es dann auch im Altlandkreis Memmingen so weit. In der Ausgabe der Memminger Zeitung vom 12.06.1959 hieß es in der kleinen Werbung der „Stadttheater-Lichtspiele Memmingen“: „Ab heute 15.00 und 20.00 Uhr. Die Geschichte eines prächtigen Bauerndickschädels, der den Ruf Wörishofens begründete.“
Am Samstag, den 13.06.1959, warben die „Stadttheater-Lichtspiele Memmingen“ (Stadt-Th.-Li.) für die Vorstellungen am
Samstag, 15.00, 17.30 u. 20.15 Uhr
Sonntag, 13.15, 15.15, 17.30 und 20.15 Uhr
mit dem Text: Ein köstlich heiterer und besinnlicher Film um Pfarrer Sebastian Kneipp der Wasserdoktor. Die Geschichte dieses prächtigen Bauerndickschädels ist eine ideale Medizin gegen Trübsal und andere Leiden. Mit herrlichen Farbaufnahmen aus Bad Wörishofen, dem erzherzoglichen Palais in Wien, dem Vatikan in Rom und dem engl. Garten in München. Darsteller: Carl Wery, Paul Hörbiger, Gerlinde Locker, Paul Klinger u. a. Prädikat: „Wertvoll – ab 6 Jahren“
In den „Stadt-Th.-Li.“ lief der Film vom 12. - 18. Juni 1959, im „Kur-Film-Theater Grönenbach“ vom 12. - 14. Juni 1959.
Die kleinen Werbetexte („prächtiger Bauerndickschädel“) wurden nicht von den Kinobetreibern selbst erstellt, sondern waren genauestens vorgegeben, einschließlich der Formate. Dies ist alles in der Broschüre „Werberatschlag“ der „Neue Film Verleih G.m.b.H. (NF)“ nachzulesen. Für die Werbung der „Post-Lichtspiele Ottobeuren“ kam der „Anzeigenmater Nr. 9“ samt Mini-Grafik zum Einsatz.
Damals wie heute gab es eine „Kinoseite“; die Samstagsausgabe enthielt immer die Rubrik „Unsere Filmtheater kündigen an“. Der Wasserdoktor musste sich gegen folgende Filme durchsetzen:
(vermutlich Regina Filmpalast) „Der eiserne Gustav“ mit Heinz Rühmann
Union: „Hart am Wind“, amerikanischer Abenteuerfilm mit Rock Hudson
Rex: Den „flott inszenierte farbige Abenteuerfilm“ „Der Sohn von Robin Wood“
Schauburg: „Der Gefangene“ – „eines der großartigsten Filmwerke der letzten Jahre“ mit Alec Guiness.
Capitol: „Das Wunder von Lourdes“ – ein „erschütternder Tatsachenbericht“
Stadttheater-Lichtspiele: Zum „Wasserdoktor“ schrieb die MMZ: „Das Leben Sebastian Kneipps, des großen Menschen und Arztes, der ja ein Sohn unserer Heimat ist, gibt den Vorwurf für diesen heiter-besinnlichen Film, der besonders mit Carl Wery in der Hauptrolle eine sehr gute Besetzung gefunden hat. Näheres siehe 'unserer Filmkritik'.“
In der besagten „Filmkritik“ am 13.06.1959 wurde als Überschrift der ursprüngliche Filmtitel gewählt:
Sebastian Kneipp – Ein großes Leben
Wolfgang Liebeneiner, der zuletzt mit den Trapp-Filmen überaus erfolgreich war, hat eine bemerkenswerte Fertigkeit entwickelt, die Realität des Lebens so geschickt zu verkleiden, daß die Wahrheit weder abwesend noch anwesend ist. Auf ein Drehbuch gestützt, das solchen Absichten willig entgegenkam, verarbeitete er in einer Folge von freundlich-heiteren und phantasievollen Episoden biographisches Material über Sebastian Kneipp, dessen Werk und Name bekannter sind als sein Leben. Der erfolgreiche „Wasserdoktor“ von Wörishofen begegnet uns zunächst zur Zeit seiner Anfeindung durch die Amtsmedizin (etwa 1890) und seiner Anschwärzung bei der bischöflichen Behörde in Augsburg, die dann zum schmerzhaften Verzicht auf seine Heiltätigkeit führt. Dieser Teil des Films enthält einige der ernsthaftesten und gelungensten (z. B. die Erzählung am Krankenbett), aber auch mehrere fast lustspielhafte Passagen (Paul Hörbiger als trotteliger Erzherzog). Anschließend wird der nach Rom Geeilte zu nächtlicher Stunde in schloßartigen Räumen, die den Vatikan repräsentieren sollen, zu einem geheimnisvollen Unbekannten gerufen, der über Schlaflosigkeit klagt und den Kneipp erst anderntags bei der ehrenvollen Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer als Leo XIII. erkennt. – Beglaubigtes und Erfundenes, Wahres und Unwahres, dramatisch-optische Effekte und biographische Informationen stehen nebeneinander. Carl Wery, dieser achtungsgebietende Alte mit dem zerklüfteten Gesicht eines Bergbauern, macht uns den Pfarrer und Doktor in einem Maße glaubhaft, daß der Film durch ihn wieder jene kräftig-lebendige Note erhält, auf die der weiche Stil Liebeneiners verzichtete. Offen zu bedauern ist der Mißgriff der Regie in der Szene des Versehganges, in der Wery sichtlich zu wenig Gefühl für die rechte Ehrfurcht vor dem Allerheiligsten vermittelt wurde.
In Ottobeuren dauerte es vermutlich aus Kostengründen meist deutlich länger, bis ein Film anlief. Der Filmverleih war günstiger, je später man nach der Premiere an die Reihe kam – Geburtsheimat hin oder her. Die „Post-Lichtspiele“ wurden (wahrscheinlich ab 1952) von Regine Vogt betrieben, die in Memmingen den „Regina Filmpalast“ (heute Erweiterungsbau der Sparkasse gegenüber St- Josef) und die „Stadttheater-Lichtspielen“ führte. Die Post-Lichtpiele waren in einem großen Saal im Erdgeschloss des Gebäudes untergebracht. Waren Hochzeitsgesellschaften oder andere große Veranstaltungen, dann entfielen die Vorführungen und der Saal wurde abgestuhlt. Eingänge gab es von Norden und von Süden. Das Kino schloss laut Frau Gerle – die dort selbst Filme vorführte – Anfang der 1960er Jahre.
Werbung auf der Kino-Seite in der WE-Ausgabe vom 22.08.1959
Die „Post-Lichtspiele Ottobeuren“ kündigten den Film „Der Wasserdoktor“ für Sonntag [23.08.1959] 14 und 20 Uhr sowie für den Tag darauf an, insgesamt also lediglich drei Vorführungen an zwei Tagen. „Ein köstlich-heiterer und besinnlicher Farbfilm um Pfarrer Sebastian Kneipp.“
In den „Lichtspielen Ottobeuren“ – 1916 [mit einzelnen Vorführungen im Theatersaal des Klosters; um 1918 in der Post; stationäres Kino ggf. um 1920; 1950 neu eröffnet] von Georg Braun (31.08.1869 - 11.01.1962) gegründet – lief an dem Wochenende übrigen die Klamotte „Mikosch im Geheimdienst“
Der Filmdienst „Cinema“ urteilte zu „Mikosch“: „Die übliche Aneinanderreihung abgedroschener Witzchen, plump und geschmacklos.“
Auf Youtube kann man ihn in voller Länge ansehen:
Wann der Film erstmals im Fernsehen lief, konnte noch nicht ermittelt werden. Er wird jedoch noch immer mehr oder weniger regelmäßig gezeigt; zuletzt unter dem alten Titel „Sebastian Kneipp - Ein grosses Leben“, D, 1958, im Heimatkanal (Pay-TV): 22.10.2017, 15:20 Uhr - 17:10 Uhr
Im Bayerischen Fernsehen lief er am 1. November 2014, wurde als „österreichischer Film“ angekündigt – und wiederum mit dem alten Titel:
20:15 Uhr Sebastian Kneipp - Ein großes Leben Spielfilm Österreich 1958 | BR Fernsehen
Samstag, 01.11.14, 20:15 - 22:05 Uhr, 110 Min., BR Fernsehen
In Ottobeuren können Sie zu den Entstehungshintergründen einen mit vielen weiteren Bilder garnierten Vortrag von Michael Scharpf im „Museum für zeitgenössische Kunst Diether Kunerth“ hören (Do, 9. November 2017, 19 Uhr). Im Anschluss an den Vortrag (gegen 19.45 Uhr) wird der Film von der Kurverwaltung Bad Wörishofen gezeigt (und kann als DVD auch erworben werden). Vortrag und Filmvorführung sind frei.
Die Eintragungen auf dieser Seite beruhen zu weiten Teilen auf dem Vortragstext. Das Plakat zum Wasserdoktor (Sammlung Helmut Scharpf) hat im Original eine Größe von 116 x 83 cm. In voller Größe können Sie es hier herunterladen (ca. 27 MB). Die Autogrammkarten und Privatbilder wurden von Michael Scharpf zusammengetragen. Das Foto von Ellinor Jensen – sie lebt heute in München – zeigt sie als Stargast bei einem Festvortrag von Michael Scharpf 59 Jahre nach den Dreharbeiten in Bad Wörishofen in den Lichtspielen am 17.06.2017 (Foto: Helmut Scharpf).
Hinweis: Die beiden Filmprogramme dürfen nur zum privaten Gebrauch heruntergeladen werden!
Den Inhalt des Films lesen Sie am besten bei Wikipedia nach.
Abschließend noch eine relativ vollständige Besetzungsliste der mitwirkenden Schauspieler und weiteren Verantwortlichen:
Paul Hörbiger (Erzherzog Joseph), Carl Wery (Sebastian Kneipp), Gerlinde Locker (Aglaya, Tochter des Erzherzogs), Michael Cramer (Hans von Faber), Ellinor Jensen (Schwester Sebastiana), Paul Klinger (Dr. Baumgarten), Anita Gutwell (Anna Rivetti), Heinz Moog (Prof. von Ziemssen), Ernst Deutsch (Papst Leo XIII.), Egon von Jordan (Fr. Hoferer), Hans Thimig (der Kardinal), Horst Beck (Dr. Schmidt), Wilhelm Hufnagel (Apotheker Semmelbauer), Peter Lühr (Bischof Pankratius), Willy Schäfer (Vittorio), Felix Czerny (Kammerdiener Ledl), Hilde Jaeger (Frau Breda aus Hartenthal), Otto Bolesch (Herr Breda aus Hartenthal), Alfred Czerny (Heini), Teddy Martell (der kleine Gaston), Norbert Scharnagel (Amtsrichter), in weiteren Rollen: Fritz Hinz-Fabricius, Lola Urban-Kneidinger, Hildegard Schuchbauer, Heinz Rohn, Manuele Urban, Toni von Bukovics
Regie: Wolfgang Liebeneiner
Drehbuch: Erna Fentsch
Musik: Heinz Sandauer
Produktionsfirma: Schönbrunn-Film-GmbH, Österreichische-Deutsche Gemeinschaft
Produktionsleitung: Ernest Müller
Szenenbild: Wolf Witzemann
Kamera: Walter Partsch
Schnitt: Heinz Haber