01.12.2017 - Ausstellungseröffnung „Bali“ mit Helmut Kand und Diether Kunerth

Titel

01.12.2017 - Ausstellungseröffnung „Bali“ mit Helmut Kand und Diether Kunerth

Beschreibung

Die Vernissage zur neuen Gemeinschaftsausstellung Bali“ des Wiener Künstlers Helmut Kand mit dem Ottobeurer Maler Diether Kunerth im „Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth“ in Ottobeuren fand am 2. Dezember 2017 statt. Sie können sich hier 39 Fotos von den Bildern und der Veranstaltung ansehen und auch die beiden Redebeiträge von Bernd Schäfer und Helmut Kand nachlesen. Die Ausstellung läuft noch bis 8. April 2018 (immer donnerstags und freitags von 11 - 16 und samstags und sonntags von 12 - 17 Uhr). Die Begrüßung oblag dem Museumsleiter, Markus Albrecht. Zur Umrahmung der Veranstaltung waren durch Christine Knoflicek etliche Tanzschulen im Raum Memmingen angefragt worden, aber nur eine Tänzerin sagte letztlich zu, Tänze aus Bali zu zeigen: Raheemah, alias Sabine Groeschel aus Benningen. An sich ist sie auf Bauchtanz spezialisiert (sie ist „ORIENTAL DANCE ART“ - Teacher/ CODATT-Tanzpädagogin und unterrichtet als Tanzpädagogin, Choreographin und Dozentin wöchentlich mehrere Kurse auch in Ottobeuren). Auf ihrer Homepage erklärt sie:
Der Name Raheemah kommt aus dem arabischen und bedeutet „von gütiger Art“. Durch den orientalischen Tanz mit seinen vielen Facetten bietet sich mit die Möglichkeit meinen Körper besser kennen zu lernen und meinen Gefühlen, Leidenschaft und Freude an der Bewegung auf eine ästhetische und sinnliche Art Ausdruck zu verleihen.

Frau Goeschel arbeitete sich hervorragend in die neue Materie des Balinesischen Tanzes ein, gab der Veranstaltung durch ihre Kostüme und dem ausdrucksstarken Tanz weitere „Farbtupfer“ – und scherzte hinterher mit den beiden Künstlern.

Hier nun die Laudatio:

Bernd Schäfer

Ich freue mich, dass Sie in so großer Zahl zur Eröffnung dieser beeindruckenden Ausstellungen vor der Kühle der Jahreszeit geflohen und ins Museum gepilgert sind. Ich kann mir gut vorstellen, wie das phantastische Bali, die Insel der Götter, Künstler beim Erkunden berührt und ihre begnadete hellwache Wahrnehmung zu Schöpfungskaskaden peitscht. Die Insel beschenkt ja schon Durchschnittsgestalten, wie mich und meine Frau mit fast wahnhaften Glücksmomenten der Sinnesempfindung. Wobei sie allerdings momentan mit Katastrophenmeldungen aufgrund der Aktivitäten ihres Muttervulkans Gunung Agung durch unsere Medien geistert.
Wir bereisten 1986 als jung verheiratetes, gerade berufstätig gewordenes Pärchen, 6 Wochen lang Indonesien, Java, Bali, Lombok, Gilitrawangan und Sulawesi. Wenn ich die Bilder der Künstler sehe, erinnere ich mich noch – als wär's gestern – an unsere finale Fahrt mit einem 125ccm Leihmotorrad von Ubud nach Denpasar zum Flughafen. Wir machten allen Einheimischen Konkurrenz in der Überladung unseres Mopeds auf dem wir zu Zweit mit Jumborucksäcken und jeder Menge Kunstgegenständen saßen. Sigrid hatte auch noch zwei große, geschnitzte und gefasste Holzrahmen um den Hals gehängt bekommen und moserte die ganze Fahrt, statt sich richtig in die Kurven zu legen. Es war eine Traumreise, die unser weiteres Leben prägte. So können Sie sicher verstehen, wie mich diese Schauen hier begeistern.
Unsere lokale Künstlerin Helga Hornung zitiert auf Ihrer Facebookseite den deutschen Bildhauer Max Klinger (gestorben 1920), der Folgendes verlautbarte: „Zu empfinden, was er sieht, zu geben, was er empfindet, macht das Leben des Künstlers aus“. Übertragen auf uns Betrachter heißt dies: Wenn in uns die Gabe der Künstler frei schwingt und Gleichklänge anstößt, gefallen Kunstwerke. Wenn wir viel mit dem Verstand ergründen müssen, um Zugang zu einem Werk zu finden, stellt sich nach Klinger die Frage, was es denn dann ist. Ich bin überzeugt, dass wir uns bei den beiden Künstlern, die ich heute vorstellen darf, diese Frage nicht stellen müssen. Ich wende mich als erstes unserem Gast aus Österreich zu, den ich kurz, so dies überhaupt aufgrund seines multitalentierten, vielschichtigen Lebens kurz möglich ist, vorstellen möchte und mich dann über eine Werkbetrachtung dem Stammherrn unseres Museums zuwende, den die meisten von Ihnen persönlich kennen.

Helmut Kand wurde von seinem Vater Willibald, ebenfalls ein Künstler und Meditationsliterat, in einem persönlichen Brief eindringlich vor so Typen wie mir gewarnt: Pseudokunstpäpste, schillernd beflissene Kunstkritiker und deren Trabanten können einer Kunst wie sie Helmut Kand schafft, die nicht in gängige Muster von Säulenheiligen der Kunst eingeortet werden kann, niemals gerecht werden. Ich nehme mir diese Warnung des Vaters zu Herzen und beschränke mich deshalb bei meiner Vorstellung fast nur auf autochthone Quellen des Künstlers Helmut Kand, der am 13.12.1946 in Bruck an der Mur in der Steiermark geboren wurde. Zumal ich ein Typ Gestalt bin, die im einzigen – nach Helmut Kands persönlicher Einschätzung – unverwirklichten Traum seines Lebens eine entscheidende Rolle spielt. Um Ihre Aufmerksamkeit zu erheischen, erlauben Sie mir, diesen Aspekt erst später zu erläutern.
Helmut Kand selbst berichtet von den einschneidenden Meilensteinen auf seinem Entwicklungsweg zu einem sehr bekannten und renommierten Künstler Österreichs und Indonesiens mit großem internationalen Renommee:
- Im Alter von vier Jahren übermalt er ein Bild seines Vaters
- 1966 nach dem Abitur pilgert er nach Port Lligat in Spanien zu Salvator Dali, dem Übergott der bildschaffenden Surrealisten
- Dann studiert Kand an der „Akademie der bildenden Künste“ in Wien in der Meisterklasse von A.P. Gütersloh und Rudolf Hausner, die wie Arik Brauer und Ernst Fuchs zu den bekanntesten Vertretern des phantastischen Realismus gehören
- 1968 trifft er in Venedig Friedensreich Hundertwasser und stellt 1970 gleichzeitig mit ihm in Rom aus
- 1969 sieht er seinen internationalen Durchbruch, als er in London seine Bilder öffentlich verbrennt und die Asche ausstellt
- Es folgen bis heute Ausstellungen in den renommiertesten Kunsttempeln aller Kontinente
- Er bemalt neben Leinwänden, Häuser, Flugzeuge, entwirft Schmuck, schafft Kunstprojekte im öffentlichen Raum, erobert die dritte Dimension mit Skulpturen
- 2006 ehrt Präsident Fischer im Namen der Republik Österreich ihn mit der Verleihung des Titels „Professor“
- 2010 bringt die österreichische Post eine Briefmarke mit dem Bild „Jahresringe von Glück und Duft“ von Helmut Kand heraus
- Kand ist Ehrenbürger und malender Botschafter der griechischen Insel Ios in der südlichen Ägäis, wo er 40 Sommer verbrachte
- Vom Inselstaat Indonesien wird er mit dem Ehrentitel „Foreign born Indonesian artist“ ausgezeichnet

Helmut Kand ist ein weltreisender, künstlerischer Tausendsassa und nicht eindeutig ganzheitlich einer existierenden Kunstrichtung zuordenbar. Von Laudatoren und Besprechern seines Werkes bekommt er analog seiner Poesie, die durch die Bildfülle von Metaphern wirkt, viele Beschreibungen verpasst, wie z.B. (ich zitiere) „Visueller Alchemist“, „Traumverkäufer“ oder „Sonntagskind der Malerei“. Er selbst bezeichnet sich und seinen Werkstil treffend als „Poetischen Surealismus“. Dabei bleibt es Ihnen als Betrachter frei, die Poesie in den Bildtiteln, den Bildern selbst und da in den Gestalten oder Farben zu finden. Im Gegensatz zu puren Surrealisten ist Kands Anliegen das Sichtbarmachen der Eigendynamik der Träume in all ihrer Freiheit. Dabei gibt er sehr viel von und aus sich selbst preis, was den Wiener Autor Thomas Moog bewegt, Helmut Kand als „einen der exhibitionistischsten Selbstdarsteller unserer Zeit“ zu bezeichnen.

Hier wage ich den Sprung zu Diether Kunerth, da ich meine, hier den Antipoden in Person und im Werkschaffen der beiden Künstler erreicht zu haben. Diether Kunerth geht als Schauender in und durch die Welt. Er reflektiert das Empfundene wie ein Zentrier-Spiegel, lässt den Betrachter Dinge sehen, die er allein bei reiner Betrachtung des natürlichen Objekts sicher übersehen hätte, gibt dabei aber nur kleinste Materialteilchen seiner selbst mit. Nackte Tatsachen können bei Kunerths Spiegelung erotische Ausstrahlung gewinnen, bei Kand werden sie bis zum Jung'schen Archetypus des kollektiven Unterbewusstseins ausgezogen und dargestellt.
Das ungemein Spannende an dieser Präsentation in unserem Museum ist der Vergleich, was die beiden großartigen Künstler aus dem gleichen Objekt schaffen: Da ist eine von Farbe Sonne, Meer, Exotik überbordende Insel, auf der die bizarrsten Göttergestalten in den Köpfen der Menschen und Tempeln leben. Dort werden aber auch am Batur-See Leichen auf einer Insel der freien Verwesung überlassen und in fast 1000 m Höhe am Hang des gerade wieder aktiven „Gunung Agung“ liegt seit dem Jahr 850 der Muttertempel „Pura Besakih“, durch Vulkanasche grau und gruselig mystisch. Nun kommt Helmut Kand, der bis dato seine Sommer auf der äußerst kargen Insel Ios in Griechenland verbrachte 1990 zum ersten Mal nach Bali und kehrt im weiteren Leben noch oft hierher zurück. Er verliert sein Herz in Bali, sein Kopf bleibt in Wien.
Diether Kunerth kommt 1996 aus dem Allgäu im Rahmen einer Indonesienreise einmalig für einen Monat auf die Insel und lässt außer verwehten Spuren am Strand nichts dort, nimmt aber soviel Empfindung auf und mit, dass sich Bali bis heute durch sein Oeuvre und seine Stilperioden zieht; noch immer entstehen neue Werke zu dem Sujet. Neben der prallen Farbigkeit fasziniert Kunerth die grazile Bewegtheit der tropischen Inselflora und was die Insulaner über Jahrtausende daraus an Kultur geschaffen haben. Er findet im Nachgang Möglichkeiten Bewegung, wie Tanz bildnerisch umzusetzen. Sein Farbtubenstil erreicht bei den Tanzbildern von Bali Perfektion und Höhepunkt, wir können diese Werke hier auf verschiedenen Untergründen bewundern
Kunerth zeigt uns seine Interpretation des Inselparadieses, lässt Schauriges in seiner positiven Weltsicht weg, geht auch auf die Götterwelt nur am Rande seines Werkes ein. Dies entspricht seiner persönlichen Haltung zu übernatürlichen Kräften, die ihn eher suspekt ängstigen, als faszinieren. Wir sehen erfrischende, perfekte Farbschöpfungen in seinen Werken, die charakteristischen Merkmale der Insulaner, Mandelaugen und die mehr dreieckigen Kopfformen tauchen in den Bildern auf. Die Empfindungen des Malers werden im typischen Kunerth-Stil perfekt verarbeitet und wir finden in der Werkfülle, die aus der Reise entstand, viele Juwele des Kunerth'schen Ouevres. Wobei diese sich aufgrund der sehr dichten Hängung bei dieser Ausstellung für den normalen Betrachter oft gegenseitig überstrahlen und ihre phänomenale Wirkung nicht voll zur Geltung bringen können. Dennoch lässt sich unheimlich viel Bali beim Wandeln durch die Kunerth'sche Hängung erspüren. Um es aktuell auszudrücken: Diether Kunerth ist für mich ein „Gunung Agung der Produktivität“, dessen Schöpfungskraft 21 Jahre nach der Zündung noch immer ungebremst eruptiert.
Helmut Kand nähert sich der Insel stufenweise. Zuerst nimmt er intensiven Kontakt mit den Insulanern auf. Er scheut sich nicht, den balinesischen Malstil gekonnt zu adaptieren. Professor Kand geht dabei auch auf die Götterwelt, wie z.B. auf den König der guten Geister, den löwenköpfigen „Barong“ ein, bevor er sich in seinen Bildinhalten den Träumen zuwendet, die aus seiner intensiven Beschäftigung mit Bali entstehen. In meiner Interpretation zeigt er neben dem Bild im Bild-Effekt, wo der poetische Surrealist Traum und Landschaft klar trennt, auch induzierte Träume versteckt in seinen Bildinhalten. In den Werken „Bali Kuningan“ (auf der mir gegenüber liegenden Seite) stellt er die Insulaner erwartungsfroh behütet von langstieligen Sonnenschirmen in der Form von Magic Mushrooms dar und gleich nebenan ist mit „Kuta, ein Strand mit vermeintlich viereckiger Sonne“ ein psychedelisches Bild von solcher Güte platziert, dass es beim geneigten Betrachter – auch ohne eigene „Tüte“ – canabäische Tagträume oder Flashbacks auslösen kann.
Auch Prof. Kand grenzt bei seinem Werk Alpträume, sprich die dunklen Flecken der Insel, aus. Seinem „Gunung Agung“ (der von mir aus rechts im Seitengang hängt) traut man nicht zu, dass er Massenfluchten und Flugverbote auslöst. Kands polychrome Farbenwelt passt wie angegossen zu Bali und man versteht sofort den Ehrentitel der indonesischen Regierung: „Foreign born Indonesian artist“. Bei den Skulpturen kommt die Synthese des Kand'schen Kosmos mit der Götterinsel deutlichst zum Ausdruck, da Form und Farbe in jedem Werk gepaart werden. Professor Helmut Kand ist für mich ein Gunung Agung, der ungebändigten Phantasie.
Zum Schluss meiner Ausführung erlaube ich mir noch drei Anmerkungen zu den – aus meiner Sicht – Gemeinsamkeiten der beiden Künstler in Werk und Lebenslauf:
1. Sehr interessant fand ich bei Helmut Kand Bilder in der ähnlichen Technik wie das „Landlight Painting“ von Diether Kunerth zu entdecken. Die Ausführung ist zwar verschieden, bei Kunerth entsteht das Bild im Bild auf durchsichtiger Folie und lässt eine Interferenz zwischen Hintergrund, Umgebung und Folienbild zu. Nach der Fixierung des Projekts im Foto wird die Komposition dem Verfall preisgegeben. Bei Kand findet keine vom Maler gewollte freie Interferenz des Bildes im Bild statt. Umgebung und Bild im Bild sind genau aufeinander abgestimmt komponiert. Der Wirkmechanismus seiner Bilder lehnt sich etwas am Stil von Windows auf dem Bildschirm an, bricht aber mit diesem, weil die realen Inhalte mit der Gefühls- und tieferen Bewusstseinsebene kunstvoll verknüpft sind.
2. Die erste Kunstfahrt unseres Fördervereins führte uns zu einer großartigen Rousseau Ausstellung in der „Fondation Beyeler“ in Riehern bei Basel. Sehr erstaunt war ich, als ich bei meiner Recherche las, dass Helmut Kand mit dem Gründer der Fondation, Ernst Beyeler, den er auf Ios kennenlernte, befreundet war und auch Aquarelle von diesem zur Fertigstellung überlassen bekam.
3. Professor Helmut Kand ist ein Mensch, der sich intensiv mit dem Unterbewusstsein beschäftigt und auch damit kokettiert; ich zitiere ihn: „Mein Jahresrhythmus ist so, dass ich mich nicht wohin sehne, sondern dass ich immer schon dort bin“; dazu im Widerspruch: „Umso mehr liebe ich die geheimen Verstecke der Kompassnadeln“, oder: „Ich habe keine unerfüllten Träume“; dazu im Widerspruch „Jetzt fällt mir doch ein Traum ein, den ich gerne verwirklichen würde: Ich hätte gerne ein eigenes Museum!“ Hier ist der Bezug zu meiner Anspielung zuvor. Auch Diether Kunerth hatte diesen Traum und äußerte ihn in einem Künstlerporträt, ausgestrahlt vom Bayerischen Fernsehen. Und dann gibt's so Gestalten wie mich, die mit hohem persönlichen Risiko alles überhaupt Mögliche in Bewegung setzen, um den Traum eines Künstlers wahr zu machen. Diether Kunerth hat sein Museum bekommen, ob er damit aber glücklicher geworden ist? Es gab Zeiten, da hatte ich Gewissensbisse, dass ich dem Künstler, der zuvor kreativ in seinem Wolkenkuckucksheim lebte und der nun plötzlich wegen der Verwirklichung seines Traumes in eine krasse, anstrengende und teilweise missgünstige Realität und Öffentlichkeit gezerrt wurde, eigentlich Schlimmes angetan habe.
Glänzende Abende wie dieser und die Tatsache, dass dieses Haus Künstler von der Güte eines Professor Helmut Kand nach Ottobeuren bringt, wirken wie ein sehr guter Schnaps bei verkorkstem Magen auf meine Gewissensbisse. Ich wünsche Ihnen einen beschaulichen Abend -  Prost!
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Und hier der anschließende Redebeitrag von Prof. Helmut Kand:

Ausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst Diether Kunerth, Ottobeuren, Dezember 2017 – April 2018

BALI
Zuerst möchte ich mich für die Einladung, hier in diesem schönen Museum zusammen mit dem hochgeschätzten Kollegen Diether Kunerth meine Werke zu zeigen, herzlich bedanken. Und zwar bei Diether Kunerth selbst und bei Museumsdirektor Markus Albrecht und seinem Team und allen, die an der Realisierung mitgeholfen haben.

Liebe Freunde der Kunst!

Es geht mir jedesmal anstrengend, sollte ich zu meinen Bildem für den Betrachter etwas sagen, denn dieses Etwas soll ein luftiger Lockvogel sein, der aufmuntert, in meine Bilder hineinzuschauen. Es erklärt zu wenig, wenn man nur über Formales, Stil und Komposition und zurechtgebogene Vergleiche mit Werken säulenheiliger Maler anstellt. Kritiker unterliegen der Versuchung, die bildende Kunst nur bereits vorhandenen Kategorien zuzuordnen. Dieser Punzierungsmanie soll keine Bedeutung zugemessen werden. Nicht selten haben sich unfehlbare  Pseudo-Kunstpäpste und ihre Trabanten als fehlbar erwiesen. Dies alles ficht mich nicht an, heute nicht mehr.

Mein Leben gilt der Malerei, dem poetischen Surrealismus. Und dieses Mal geht es um BALI. Als ich 1990 zum ersten Mal nach Indonesien kam, war ich bereits ein etablierter österreichischer Maler, der viel in die Welt reiste und sich inspirieren ließ. Damals ahnte ich noch nicht, welchen tiefgreifenden Einfluss Indonesien und besonders Bali auf meine Arbeit haben werden. In meinen Bildern tauchen indonesische Themen und Motive auf wie Tempel, Götter, Dämonen, Tänzerinnen, Lotusteiche, Reisterrassen und quirrlige Märkte. Und es erwachen unzählige Nuancen von Grün, Gelb, Rot und Orange und das feuchte Grün des Dschungels am Morgen, das helle Grün der Bananenblätter, das dunkle Grün der Reisfelder in der Ferne.

Wie werden Bilder zu Skulpturen?
Seit vielen Jahren besteht eine Zusammenarbeit mit dem berühmten indonesischen Holzkünstler Ketut Radio aus dem Dorf Kenderan in der Nähe von Ubud. Jener vermag es, meine sorgfältig ausgewälhlten Motive in die dritte Dimension umzusetzen. Von Hand geschnitzt aus Albasiaholz, werden sie dann von mir und meinen balineschen Assistenten bemalt und auf der ganzen Welt  ausgestellt. Vielleicht haben Sie sich die Bilder schon genauer angesehen, dann haben Sie auch die Bildtitel gelesen. Wäre nicht meine Palette typisch genug, allein an den Titeln wäre ich schon zu erkennen. Zum Beispiel:

Der Regen ist ein singender Trommler  
Mein gelenkiges Silbermädchen
Nach Minze duftende Rückblicke  
Im Traum trinke ich deine Seele  
Scheinbare Verlangsamung der Vergänglichkeit  
Tanzplatz für Augenspiele
Ertappt beim Träumen von den Jahreszeiten
Tokhää — Tokhää (das ist lautmalerisch für den Geko)  
Dich fress‘ ich zur nassen Dämmerung  
Von kühlen Seewinden gemildeter Hitzedampfgarten  
Geborgenheit im Labyrinth der Träume  
Im Lachen erstickter Tanzschritt  
Aus Versehen eingeatmeter Mädchenschatten  
Mit Traumbeschleunigern in Zeitnot schlittern.  

Der Titel eines Bildes spielt für mich eine ganz wichtige Rolle. Das ist ein eigener Schaffensprozess, an dem ich lange herumfeile. Darüber hinaus möchte ich keine Bildbeschreibung abliefern.  Auffallend ist, dass die meisten Themen schlummernd überwirklich und Phantasie-beladen sind. Sichtbar gemachte Innenweltlandschaften, in denen Harmonien und Widersprüchlichkeiten in verschieden starken Dosierungen vorkommen. Gedankenblitze und Meditatives, von zahlreichen Reisen nach Bali exotisch angereichert. Viel  Platz ist für Vieles, Stimmungen, Erwünschtes, Ausgedachtes, Dahergesagtes.  

Es war immer das Anliegen der Surrealisten, die Grenzen zwischen Ding- und Traumwelt aufzuheben. Mein Malstil ist der „poetische Surrealismus“. Das Sichtbarmachen der Eigendynamik der Träume bei konsequenter Nichteinhaltung von strengen Farbklanggesetzen und beabsichtigter  Nichtberücksichtigung von bestehenden Sehgewohnheiten. Plausibel machen des Undenkbaren, poetisch-malerisch-erzählerisch.
Es sind Bilder, gesehen auf einer Hochgeschwindigkeitsreise mit doppelten Blick auf Innen und Drüber, von verschiedenen Blickpunkten aus, auf mehrere Horizonte verteilt. Kunst entbehrt des wichtigsten und stolzesten Zeichens unserer Zeit: Sie kennt den Fortschritt nicht.

In der Malerei gibt es keine anerkennbaren allgemeingültigen Gesetze. Die Vorzüge des einen Malers sind die Schwächen des anderen. Die Kunst des Malens kann nicht gestohlen werden. Das künstlerische Gold wird zum Pech in den Händen des Diebes. „Dies gilt auch für den Maler, der von  seinen eigenen Bildern stiehlt“, sagt der Maler Arik Brauer.

Kunst muss nichts — Kunst darf alles!  

Die 3 am öftesten gestellten Fragen beantworte ich auch heute nicht:
Herr Kand, sind die Farben wasserfest?
Herr Kand, wo lassen Sie rahmen?
Herr Kand, wie lange brauchen Sie für ein Bild?   
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Diether Kunerth hielt am Eröffnungsabend zwar keine Rede, hat aber auf der Museumsseite einen schriftlichen Beitrag hinterlegt; Link hier.

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Herrn Bürgermeister a.D. Bernd Schäfer und Herrn Professor Helmut Kand sei für die Zurverfügungstellung ihrer Redemanuskripte herzlich gedankt.
Die Fotos (Repros) wurden von Helmut Scharpf gemacht, die Rechte an den Abbildungen liegen bei den Künstlern (im Falle Diether Kunerths teils auch beim Markt Ottobeuren).

Brigitte Hefele-Beitlich berichtete am 02.12.2017 in einem ausführlichen Artikel („Explodierende Farben“) für die Memminger Zeitung. Der Beitrag schließt mit den Worten: „Wie mit einem unsichtbaren Band verbunden scheinen diese beiden sehenswerten Präsentationen, jede ergründet auf eigene Weise eine faszinierende Kultur, beide sind von ungeheurer gestalterischer Kraft durchdrungen.“

Die (meisten) Titel der Bilder erfahren Sie mit einem Wisch mit der Mouse über das jeweilige (kleine) Vorschaubild.
Zur Ausstellung gab das Museum einen Ausstellungskatalog heraus, den sich viele Besucher von den beiden Künstlern signieren ließen.
Literaturzitat:
Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth (Hrsg.): Helmut Kand. Diether Kunerth, Memmingen, 01.12.2017, 80 S., Auflage: 500, ISBN-13: 978-3-927003-69-9, 20 €
Er ist im Museumsshop erhältlich.

Im virtuellen Museum finden Sie noch weitere Ausstellungen, u.a.:
12.05.2017, Wilhelm Holderied, Diether Kunerth, „Mythen - Orte - Signale“ (Dieter Cöllen, „Palmyra“)
01.04.2017, Sabina Bockemühl: „Starke Wesen, zarte Seelen“, Diether Kunerth: „Indien“
04.12.2015, Elvira Bach, Diether Kunerth, „Frauenbildnisse“

Recherche, Zusammenstellung, Repros: Helmut Scharpf (01/2018)

 

Urheber

Helmut Kand, Diether Kunerth, Helmut Scharpf

Quelle

Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

2017-12-01

Rechte

Werke urheberrechtlich geschuetzt