16.10.2016 – Maxi Schafroth erhält den „Großen Kulturpreis“ der Rupert-Gabler-Stiftung
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Beschreibung
Der inzwischen bundesweit bekannte Kabarettist Maxi Schafroth wurde im Rahmen eines Festaktes im vollbesetzten Kaisersaal mit dem mit 10.000 € dotierten „Großen Kunstpreis“ der Rupert Gabler-Stiftung (Obergünzburg) geehrt. Abt Johannes Schaber persönlich hielt die Ladatio.
Die Rupert Gabler-Stiftung wurde 1990 errichtet, Stiftungszweck ist „die Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaften sowie die Familienforschung“. Jährlich stehen 50.000 € an Mitteln zur Verfügung.
Diplom-Kaufmann Rupert Gabler – die fünfte Generation der Gabler-Saliter-Bank – starb Ende 1997. Er war Heimat- und Kulturpfleger und langjähriger Vorsitzender des Heimatbundes Allgäu (1964 - 1980), Rupert Gabler wurde für sein Wirken 1982 mit dem „Ehrentaler“ des Heimatbundes ausgezeichnet. Eben diese Heimat- und Kulturpflege setzt sich mit den Mitteln der Stiftung fort. Nicht nur Maler, Bildhauer, Schriftsteller und Musiker wurden seither ausgezeichnet, auch Schulen, Kunstprojekte, Festivals, Museen oder Buchveröffentlichungen wurden und werden unterstützt.
Mit Maximilian Schafroth jun. (*1985) fiel die Entscheidung dabei erstmals auf einen Kabarettisten. Wie Stefan Gabler – er ist in sechster Generation in der Leitung der Bank tätig – in seiner Begrüßung erläuterte, wäre es vor 20 Jahren noch schwierig gewesen, „jemandem, der so eine Wortkultur hat und so toll im kabarettistischen, ironischen, feinsinnigen, hochgeistigen Metier tätig ist, einen Kulturpreis zu verleihen“. In Anspielung auf die jüngst erfolgte Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan meinte der Stiftungsvorsitzende: „Da schließt sich dann der Kreis zwischen Bob Dylan und Maxi Schafroth.“ Zur Begründung der Jury-Entscheidung führte Gabler aus:
„Maxi Schafroth repräsentiert eine moderne Kunstrichtung. Er ist geistreich und witzig. Es ist nicht plump und anstößig, und er ist in der Lage, das Positive des allgäuer Landlebens dem gesamten restlichen Deutschland näherzubringen. Und des is a Leistung (längerer Applaus)! Er ist in der Lage, eine Heimatverbundenheit und Identifikation sowohl bei Alt wie auch bei Jung auszustrahlen und bei der Bevölkerung hier auch in der Region eine Identifikation zu erzeugen, dass wir hier im Allgäu am schönsten Platz Deutschlands leben und die anderen eigentlich froh sein dürfen, wenn sie uns besuchen dürfen (Applaus).“
In der engeren Wahl waren 2016 eine ganze Reihe von Kandidaten, zwei Pluspunkte gaben für Maxi Schafroth (der „einzige Hutträger im Saal“) den Ausschlag: seine Banklehre in München und seine Herkunft aus einem Biobetrieb im Ottobeurer Ortsteil Stephansried, dem Ort seiner Kindheit und Jugend. Dr. Jörg Gabler stellte schon vor 25 Jahren „aus persönlichem Enthusiasmus und Idealismus“ als eine der ersten Landwirtschaften im Allgäu von konventionell auf bio um. Stefan Gabler: „Und zur damaligen Zeit war jetzt der Unterschied im Milchpreis zwischen konventionell und bio noch eher überhaupt keiner. Es hat damals eigentlich hauptsächlich mehr Kosten verursacht, aber des war meinem Vater eine Herzensangelegenheit“. Die Landwirte, die für Saliter (seit 1998 zur Ehrmann-Gruppe gehörig) Bio-Produkte liefern, arbeiten nach den Richtlinien des Bioland-Anbauverbandes, so die Homepage von Saliter über das „wachsende Bio-Sortiment“. Nicht ohne Grund war bei der Veranstaltung im Kaisersaal auch Christine Räder vom Bioring-Allgäu anwesend.
Stefan Gabler wörtlich: „Wir haben uns das mit der Auszeichnung schon lange überlegt. Als ich dann aber g'hört hab': „Der hat frei a Banklehre g'macht! (Lacher), hat er dann die anderen Kandidaten doch ganz enorm schnell hinter sich gelassen und als dann noch in die Waagschale geworfen wurde, dass er seine Wurzeln in einer Biolandwirtschaft hat, dann dachte ich schon: Der könnt' ja verwandt sein mit uns!“
Der Festakt wurde zu einer höchst vergnüglichen Veranstaltung, nicht nur wegen des Auftritts des Kabarettisten selbst, sondern auch die Begrüßung durch Stefan Gabler – dem Neffen des Stiftungsgründers –, der „Auftritt“ des Abtes der Benediktinerabtei Ottobeuren, Johannes Schaber sowie eines „Überraschungsgastes“ hatten viele komödiantische Elemente.
Herr Gabler generierte eine ganze Reihe von Lachern: wenn er z.B. seine Freude zum Ausdruck brachte, „hier oben stehen zu dürfen und so viele Freunde – Freunde der Stiftung, Kunst und Kulturliebhaber – unter mir zu sehen“ oder – in Anspielung auf die 16 Habsburger Kaiserplastiken – bekannte, er wäre selbst gerne Kaiser. „Der Kaisersaal, in dem wir uns jetzt befinden dürfen, wurde uns freundlichsterweise durch unseren höchstwürdigen Abt Johannes – zugegebenermaßen nicht entgeltlos – aber doch zur Verfügung gestellt.“
In der Begrüßung früherer Preisträger meinte Gabler: „Ich bin froh – und es zeigt die enge Verbundenheit unserer Preisträger der vergangenen Jahre – , dass sie doch immer so zahlreich zu unseren Veranstaltung freiwillig kommen.“ Anwesend waren der Klarinettist Klaus Hampl (seit Juli 1999 Kulturbotschafter Kaufbeurens; Kulturpreisträger der Gabler-Stiftung von 2004), das Ehepaar Klaus und Ortrun Bilgram von der Dampfsäg in Sontheim (2003), Steinmetz Peter Rudolph [ev. ist gemeint Hermann Rudolph aus Obergünzburg?], die Künstlerin Annemarie Augsten (2007, Kunstpreis) und die Malerin Maria Profanter (2004, Förderpreis).
An Vorstandsmitgliedern der Stiftung konnte Stefan Gabler begrüßen: seinen Sohn Willi Gabler, Herrn Hilmer sowie den Notar a.D. Werner Hofmann (letzterer entschuldigt). Seitens der Familie begrüßte er seine Eltern („Familienoberhaupt“ Elisabeth Gabler „mit dazugehörigem Ehemann“ Dr. Jörg Gabler) sowie seine Schwester Susanna Gabler (Fa. Töpfer aus Dietmannsried). Seine Ehefrau Charlotte Gabler („zweite Hauptperson“) lobte er zusammen mit Maxis Schwester – und Managerin – Heidi Schafroth für „die enorm viele Arbeit hinter den Kulissen und in der Gestaltung“, sie hätten alles „super organisiert“.
In Würdigung des Ehrenamtes meinte der Redner: „Veranstaltungen wie diese leben primär dann von den Leuten, die hinter den Kulissen sind und die hinter den Kulissen mit Fleiß und Engagement helfen, dass so was überhaupt möglich ist. Das sind eigentlich die wichtigen Stützen einer Gesellschaft, insbesondere einer Gesellschaft in einer ländlichen Struktur. (Pause) Jetzt können Sie klatschen (Applaus)!“
Die Presse („Normal mache ich das ungern!“) wurde für den „tollen Vorbericht“ gelobt (Allgäuer und Memminger Zeitung, 15.10.2016, „Geschichtenerzähler aus dem Paradies“ von Klaus-Peter Mayr; ein Bericht vom Festakt wurde am 18.10.2016 in der MMZ veröffentlicht: „Heiteres Treffen von Bankern und Bio-Bauern“ von Brigitte Unglert-Meyer). „TV-Allgäu hat erkannt, was wichtig ist und ist hier auch anwesend.“ Was „Ottobeuren macht Geschichte“ angeht, so freut uns natürlich, dass Herr Gabler das Projekt eigens lobend hervorhob: „Herr Scharpf als Vertreter – des find jetzt au a ganz a coole Sache – Vertreter des virtuellen Museums der Marktgemeinde Ottobeuren.“
Ernst wurde der Stiftungsvorsitzende, als er die schwierige Lage von Stiftungen ansprach:
„Für Stiftungen im Allgemeinen ist es derzeit äußerst schwierig, denn die meisten Stiftungen haben zwar Geld, das Geld befindet sich aber in einem sogenannten Deckungsstock und für Stiftungszwecke – seien es Veranstaltungen, sei es Soziales oder was auch immer, was dem Stiftungszweck dient, sollten die Erträge dienen. Bei der heutigen Konstellation ist es allerdings ziemlich schwierig, Erträge zu generieren, denn wir werden unserem Auftrag – jetzt muss ich vorsichtig sein, dass ich nicht zu strenge Worte finde –, aber solange die Europäische Zentralbank es nicht übers Herz bringt, dass für Geld Zinsen bezahlt werden, dann werden auch Stiftungen die nächsten Jahre über kaum in der Lage sein, ihre Stiftungszwecke ausführen zu können, denn es nützt nichts: Es ist fast egal, ob eine Stiftung eine Million Euro hat oder fünf, denn wenn Sie 0,1% Zins kriegen, dann können Sie davon gerade mal ihre Verwaltungskosten zahlen und selbst die müssen relativ niedrig sein. Darum wäre es nicht nur für den deutschen Sparer, sondern auch für die deutschen Stiftungen schön, wenn dieser Zustand irgendwann wieder einem Ende näher käme. Wir als Gabler-Stiftung haben das Glück, dass die Stiftung eine Beteiligung an der Gabler-Saliter-Bank hat und aus dem Grund regelmäßige Erträge durch die Bank erhält. Ich bin den Vorständen sehr dankbar, dass wir das vor vielen Jahren einvernehmlich in Gang gesetzt haben. Denn wenn wir das nicht hätten, dann könnten wir Veranstaltungen wie diese definitiv nicht durchführen. Dann könnten wir gerade unseren Steuerberater, unseren Wirtschaftsprüfer und – des wär's – zahlen.“
Als nächsten Programmpunkt kündigte Stefan Gabler „jetzt ein ganz besonderer Programmpunkt“ an: „Es ist mir eine besondere Ehre den Abt Johannes ankündigen zu dürfen, der – ähnlich wortgewaltig wie der Maxi – jetzt diesem Ausnahmekünstler lobhuldigen wird!“
Abt Johannes Schaber begann seine Geschichte mit dem 5. Dezember 1996:
Ich war frisch Kaplan in Ottobeuren – da gehört Stephansried dazu – und mit der Landjugend ging es darum, den Nikolaus zu machen. Es war klar, ich mach' den Nikolaus, bekomme zwei Klausen, des sind so wild Angezogene, mit Fellen, mit Hörnern und Masken, mit Schellen, mit Glocken. Der Manfred Schneider machte den Chauffeur und wir sind nach Stephansried hoch gefahren. In Stephansried gibt es keine Straßenbeleuchtung – jedenfalls damals nicht – es war stockfinster im Oberdorf und wir haben so weit gesehen wie meine Klausen ausg'stiegen sind, so ungefähr wie die Innenbeleuchtung vom Mercedes gereicht hat. Die Kinder von Stephansried haben uns an der langen Straße im Oberdorf bereits erwartet. Der Nikolaus kommt, die Klausen kommen, Angst ha'ms g'habt, die 10-Jährigen. Dann sind die Klausen nausg'standen – ich habe ein bisschen länger gebraucht mit dem ganzen G'wand und allem als heiliger Mann – und wie ich rauskomm' rennen meine zwei Klausen den Kindern nach und jagen die und verschwinden in der Dunkelheit. Es hat nicht lange gedauert, dann sind's wieder kommen. Da ham' die Kinder die Klausen g'jagt und sind in die andere Richtung g'laufen. Und dann wollte ich meine Klausen helfen, hab' meinen Bischofsstab g'nommen und wollte einen von den 10-Jährigen schnappen, am Hals, so. Und dann sagt der zu mir: „Du schlägscht mi net, du bischt der Gute!“ Das war meine erste Begegnung mit Stephansried.
Abt Johannes war mit dem Gedanken, eine Laudation halten zu müssen, nicht ganz wohl. Er ging zunächst auf den Aufbau einer Laudatio ein:
Eine Laudatio halten? Ich habe als erstes gelernt: Ich bin ja der Gute. Dass man nur Gutes sagen darf. Ich habe natürlich geguckt: Wie ist so eine Laudatio aufgebaut? Eine Laudatio judicalis – das hat man in der Antike gemacht – eine Lobrede. Der Rechtsanwalt in der Antike hielt eine Lobrede auf seinen Mandanten, um das Strafmaß zu verringern. Was er alles Gutes tut, damit das, was er Schlechtes getan hat, nicht so schwer wiegt. Aber das eignet sich ja nicht.
Die zweite Art von Laudatio wäre eine Laudatio funebris. Das ist eine Leichenrede (Lacher). Bei einer Beerdigung wird ja auch viel gelobt und gelogen, das lass' mer auch.
Und jetzt halte ich halt eine klassische Laudatio und das ist eben, dass mer Gutes berichtet und Gutes sagt und Gutes erzählt. Ich hab' in der Vorbereitung gegoogelt, hab' eingegeben: „Kabarett in Franken“. Bilder, und dann kamen 30 bekannte Kabarettisten, ein Bild neben dem anderen, wenn ich die Namen alle sagen würde, dann wären die sofort geläufig. Dann hab' ich eingegeben: „Kabarett im Allgäu“, dann kam ein Gesicht auf allen Bildern – das von Maxi Schafroth (Applaus). Es ist also klar, dass es höchste Zeit war, dass er hier im Allgäu die entsprechende Ehrung findet und von daher bin ich der Rupert-Gabler-Stiftung zu großem Dank verpflichtet, ihr „Alt-Allgäuer“, dass sie den Maxi entdeckt haben und ihn quasi als Botschafter der Allgäus heute Abend mit dem „Großen Kulturpreis“ auszeichnen (Applaus).
Mit der Lobrede tue ich mich schwer, predigen, das würde mir jetzt einfacher fallen. Wir beide arbeiten mit der Sprache. Wir beide haben nur ein einziges Mittel, und das ist die Sprache.
Der Hausherr stellte weiters Vergleiche zwischen einer Predigt im Gottesdienst und einem zweistündigen Auftritt („Höchstleistung“) eines Kabarettisten an. Auch die Rolle des Gitarristen Markus Schalk wurde von Abt Johannes beleuchtete:
Die klassische Predigtlehre sagt, dass eine Predigt drei Kriterien erfüllen muss. Als erstes muss sie bei den Zuhörern das Wissen erweitern, sie soll also unseren Erkenntnisstand erweitern. In vielen Dingen, die es gibt, aber natürlich auch in theologischen Glaubensdingen. Als zweites soll sie erbauen. Erbauen heißt, dass der Zuhörer für die Woche einen Gedanken mitnimmt, einen Gedanken, der einen trägt, der einem Orientierung gibt, der einem Halt gibt, der einen erfreut, der nachdenklich macht, das ist die zweite Funktion. Nicht nur, dass das Wissen mehr wird, sondern auch dass wir nachdenklicher werden. Und das dritte – dass man besser zuhört – soll eine Predigt auch erheitern. Also der Prediger wird immer wieder eine Pointe, etwas einbauen, damit man ihm auch aufmerksam zuhört. Man darf über alles predigen – nur nicht über 10 Minuten (Erheiterung)! Herr Pater, Sie haben wieder toll gepredigt – aber halt viel zu lang. Aber das sind wir schon bei 10 Minuten. Ich habe jetzt nicht mitg'stoppt, wie lange das Programm war, aber das ist der große Unterschied zu einem Kabarett:
Kabarett ist Wissenserweiterung? Na ja, vielleicht in Nordrhein-Westfalen – übers Allgäu. Ich würde sagen: Das setzt aus [fällt weg]. Erbauen – also Gedanken, den Sie für die Woche mitnehmen, der Ihnen Orientierung gibt, der Sie erbaut, nachdenklich macht? Wohl eher auch nicht. [Einwand aus dem Publikum: Ein Gedanke war dabei: Mehr Frauen in Führungspositionen!] Im Grundsatz: ein Programm von 45 Minuten, 90 Minuten, zwei Stunden; das ist eine Höchstleistung; eine Pointe nach der anderen! Das ist eine Höchstleistung, die man nicht hoch genug einschätzen mag (Applaus)!
Natürlich – ich sehe es Ihnen jetzt schon an – wenn man nur mit der Sprache arbeitet, ist es schwierig, den Hörer am Ball zu halten. Dass er dranbleibt. Das schlimmste ist, wenn mir der Hörer wegtaucht. Nicht mehr zuhört – man muss ja nicht gerade einschlafen. Und welches Stilmittel hat ein Kabarettist? Da hat der Maxi natürlich einen genialen Zugriff, um den Redefluss immer wieder zu unterbrechen, für Abwechslung zu sorgen, wendet er einen genialen Trick an, wenn er nämlich auf den Markus Schalk zurückgreift. Der Markus sitzt also immer da daneben, der sitzt auf diesem Barhocker, der strahlt, obwohl er das Programm schon seit fünf Jahren begleitet, er strahlt immer noch, bei jeder Pointe (Lacher). Und er kennt jedes Stichwort und setzt dann ein und macht mit und begleitet und dass Musik kommt ist eine tolle Abwechslung zur Sprache. Toll gemacht. Wie wichtig der Markus ist, ist mir eigentlich erst aufgefallen, wenn man die Sendung „Ditsche“ anschaut. Da sitzt ja daneben – „Schildkröte“ sagt man zu ihm –, der hat so 'ne Lederjacke an, der sitzt auch auf einem Barhocker an einem Tischchen beim Bier. Und wenn der Ditsche so philosophiert und dem Ingo sich so unterhält, dann wendet er sich immer mal wieder an die Schildkröte: „Was meinst denn du dazu?“ Und der will eigentlich nichts sagen, der will einfach nur so daneben sitzen, dabei sein: „Lass mich in Ruhe, ich hab' jetzt Feierabend!“ Ich glaube, dass der Ditsche nie den Grimme-Preis bekommen hätt', würde die Schildkröte nicht da auf der Seite sitzen. Und da ist mir klar geworden, welche Bedeutung der Markus hat, wenn er neben dem Maxi sitzt (Applaus).
Wir Prediger und wir – äh – die Kabarettisten (Lacher, Applaus), unterscheiden uns grundlegend: Beim Prediger ist klar, die Hälfte der Botschaft ist immer der Prediger. Was mein' ich damit? Da kommt jemand und hält eine Predigt. Wenn Sie den jetzt sympathisch finden oder hübsch oder gutaussehend, interessant oder wichtig – wenn der Abt selber kommt – dann hört man ganz gespannt und genau zu, wenn aber bloß der junge Kaplan kommt, der alte Pfarrer oder jemand, den Sie sowieso nicht mögen, da hören Sie ja gar nicht erst zu. „Ah, hoffentlich ist's bald rum und wie lang macht er jetzt noch? Also die Hälfte der Botschaft ist der Botschafter. Beim Kabarett ist des ganz anders: Da ist egal ob der Maxi Schafroth kommt oder der Ottfried Fischer; da ist es egal, ob die Conchita Wurst kommt oder die Lizzy Aumeier, es macht keinen Unterschied, egal wer da kommt: Entscheidend ist, was die sagen! Die Botschaft, die Pointen, das Programm, das sie da spielen. Auf den Botschafter kommt's nicht an. Apropos Conchita Wurst: Der Maxi ist als Vier- oder Fünfjähriger in den Kindergarten kommen, hat die Lackschühchen und die Spitzenstrümpfe seiner Schwester an und hat ein k... zu verkleiden. Was ich mich frag': Wie du's g'schafft hast, die Conchita Wurst dahin zu bringen und zu überreden, ihre Rolle zu spielen, damit du sie doublen kannst, weil du schon 25 Jahre auf diesen Auftritt hin geprobt hascht (Lacher, etwas Applaus).
Noch eine andere Beobachtung zum Prediger und Kabarettisten: Es geht immer um die Sprache. Sprache hat immer – das war unüberhörbar – eine Färbung, einen Dialekt. Dein Programm hieß „Faszination Allgäu“, OK, das zweite in der Trilogie hier „Faszination Bayern“, OK. Wie der dritte Teil heißen wird, habe ich nirgends gefunden, ich befürchte ja schon fast „Faszination Preußen“, weil da gibt es so einen Film, „Preußens Gloria“, gibt es da schon Pläne? [Maxi antwortet:] „Vielleicht machen wir einen Schritt zurück, „Oberweiler Stephansried“ [Wieder der Abt:] Gott sei Dank! Die von NRW mögen jetzt bitte weghören, weil es wurde mir von einem Mitbruder hier im Allgäu berichtet: Da kam ein Preuße zum Beichten. Und dann fing der im Beichtstuhl an. Ja, Herr Pfarrer, ich bin hier im Allgäu im Urlaub, ich bin ein Preuße. Der Pfarrer antwortete: Na ja, Sünd' ist's keine, aber bereuen tät' ich's trotzdem! (Lacher)
Danach ging der Abt noch auf „ein Stück Kirchengeschichte“ ein:
Die Kirchengeschichte ist mit zwei Namen verbunden: mit dem Namen Kneipp und mit dem Namen Schafroth. Von Sebastian Kneipp ist klar, der ist dort geboren, wurde weltberühmt und jeder kennt unsern Sebastian Kneipp. Was hat der Name Schafroth mit der Kirchengeschichte zu tun? Damit meine ich aber nicht den Max Schafroth, sondern die Heidi Schafroth. Warum? Weil in dieser Männer-dominierten Abtei Ottobeuren, in dieser Pfarrei gab es jahrhundertelang nur männliche Ministranten. Und als ich Kaplan wurde, da haben wir einen Ministrantenausflug gemacht. Und da fragte die Mesnerin von Stephansried, die Monika Degenhard, ob die Ministranten von den Dörfern und Weilern auch mitfahren dürften. Natürlich sollten die mitfahren. In Stephansried gab's die Heidi Schafroth. Dann fuhr die mit und wir haben in der Basilika einen Abendgottesdienst gefeiert, aber in der Basilika hat es nie Ministrantinnen gegeben. An diesem Abend hat die Heidi Schafroth Kirchengeschichte geschrieben: zum ersten Mal eine Ministrantin in der Basilika (Applaus)!
Es folgten Überlegungen zu einem Stephansrieder Brauch; Abt Johannes kokettierte dabei ein wenig mit seiner Leibesfülle:
Stephansried – wie der Name schon sagt – ist dem hl. Stephanus geweiht. Und die Stephansrieder kennen diesen herrlichen Brauch, dass man am Stephanus-Tag [am 26.12.] den Pfarrer einlädt. Der kommt dann morgens um 9 zum Gottesdienst, dann geht’s zum Frühschoppen, dabei geht man Reihum; wie viele sind's: 12 Häuser; da geht man Reihum und kommt also alle 12 Jahre ins selbe Haus; man ist zum Mittagessen eingeladen und geht dann um 14 Uhr zur Kindersegnung, anschließend zu Kaffee und Kuchen, ich habe also ein Arbeitsprogramm von 9 - 17 Uhr ungefähr. Aber die Hauptarbeit (blickt an sich herunter; Lacher) liegt auf dem Kulinarischen. Wenn dieser Tag alle 12 Jahre kommt, da will man sich ja nicht lumpen lassen. Da hat mir die Frau Frisch – vom „Steckerbäck“ – hat mir also folgende Begebenheit erzählt: Eine Bäuerin aus Stephansried kam in die Bäckerei und wusste nicht so recht, was sie nehmen sollte. Des ist ein Tag vor Weihnachten, die Schlange wird immer länger, die Bäuerein kann sich dennoch nicht entscheiden, was sie auswählen soll. Da will ihr die Frau Frisch eben helfen: Soll es vielleicht eine Sahnetorte sein oder ein Sandkuchen, was hätten's denn gerne? Jammert die Bäuerin: Wissen's wenn ich's wüsst', ob der Abt kommt, dann würd' ich a Sahnetorte nehmen und wenn ich wüsst', dass der Pfarrer kommt, dann tät's auch a Sandkuchen (Lacher). Nun bin ich beides: Abt und Pfarrer. Da stellt sich nicht die Frage: Sahnetorte oder Sandkuchen, sondern „eine Torte oder zwei“! (Applaus)
Abt Johannes erklärte am Beispiel einer allgäuer Wiese „irgendwo zwischen Dennenberg, Gumpratsried und Stephansried“ die „hermeneutischen Grundregel“ der Philosophie. Eine Wiese, aber jeder sieht etwas anderes in ihr: der Bürgermeister das zukünftige Baugebiet, die Touristen die Idylle, für den Lehrer mit seiner Schulklasse ist sie eine Art grünes Klassenzimmer, die Kuh wiederum hat nur das saftige grüne Gras im Blick.
Was verleitet eigentlich jemand, der dein Programm hört, heute Abend oder wenn du in Mainz bist oder in Köln, Frankfurt oder in Mettmann. Was hören die und was hören die über der Iller drüber, in Isny oder in Biberach? Na ja, ich habe deine Termine schon genauestens studiert! Was hören die und was hören die Stephansrieder, die sich hier auskennen? Jeder verbindet etwas eigenes damit. Die Stephansrieder: Ja, des kennen mer, den Maxi kennen mer. Mia ham zwar net g'wusst, dass der amal so a Karriere hinlegt, aber jetzt wo er's g'macht hat, wundert uns des nicht, des war uns immer scho klar, das aus dem amal was wird. (Applaus)
Am Ende seiner 27-minütigen Rede brachte der Laudator noch eine schöne Idee ein, indem er auf die zahlreichen Preise einging, die Maxi Schafroth schon einheimsen konnte. Es schloss mit dem Rat, ähnlich wie Bob Dylan „mit 74“ den Literatur-Nobelpreis im Blick zu haben und dankte der Rupert-Gabler-Stiftung für die gute Wahl:
Es wundert mich nicht, dass wenn man das Programm genau studiert und vieles über die Banklehre und die ganze Welt geht, dass Sie auf den Maxi Schafroth aufmerksam geworden sind. Die Figuren, die er zeichnet, die Beobachtungen, die er anstellt, die Zeitanalysen, die Gesellschaftskritik, die er übt. Das hat Sie hellhörig gemacht. Sie haben es selbst geschildert, das hat Sie dazu geführt, ihn mit dem „Großen Kulturpreis“ auszuzeichnen. Und mit dieser hohen Auszeichnung, ja, dazu meine herzliche Gratulation. Jetzt ist der Kerle 31 Jahre alt und man kann nachlesen, wie viele Preise der schon gewonnen hat. Wenn man das alles zusammenrechnet: Im Grunde könntest du dir ein Heim und eine Hobbywerkstatt einrichten. Auf den Fenstersims würde ich den „Münchner Kaktus“ [2009; Gastspiele als Preis] stellen, auf die Hobelbank das „Passauer Scharfrichterbeil“ [2009, 1.000 € und Gastspiel] legen, unten die Kiste Paulaner vom „Solo-Kabarett-Preis“ [2011, Publikumspreis; seit 2012 Paulaner Solo+] stellen, an Wand gegenüber die „Freiburger Leiter“ [2014, 1.000 €] hängen, in der Ecke hat vielleicht der „Stuttgarter Goldene Besen“ [2014, 3.000 €] einen Platz, eingerahmt der Bonner „Prix Pantheon“ [2013, 3.000 €] – ich habe mir sagen lassen, das sei der Geheimtipp unter den Kabarett-Preisen – den würd' ich einrahmen lassen. Ich würde mich für die Zukunft umsehen, welche Preise es noch gibt, damit deine Heimwerkerwerkstatt vollständig wird. Und – Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen –, das Nobel-Komitee hat den Literaturbegriff ausgeweitet. Neben Romanen und Lyrik ist es mittlerweile möglich, gute Texte zu schreiben und sie zu vertonen und Bob Dylan hat mit 75 Jahren den Literatur-Nobelpreis bekommen. Also wenn du Preise sammelst, du hast noch 44 Jahre Zeit. Dann hätte ich am Ende den Literatur-Nobelpreis im Blick und würde mir Mühe geben: Vielleicht erweitern die den Literaturbegriff von Romanen, von der Lyrik, jetzt von den Songs auch noch aufs Kabarett. Da bist du ein heißer Vertreter und ich wünsch dir, dass des dann der Höhepunkt deiner ganzen Laufbahn wird: mit 74 den Literatur-Nobelpreis!
(Applaus)
Auf diesem Weg dorthin ist der heutige Abend natürlich ein „Siebenmeilenstiefel“, das ist uns allen klar. Die Jury hat dich ausgewählt aufgrund deiner Beobachtungsgabe, deiner charmant vorgetragenen, aber treffsicheren Kritik und deiner – wir man immer wieder merkt – unbändigen Spielfreude, die bei allen Auftritten sympathisch rüberkommt. Dir und deinem Bühnenpartner Markus Schalk herzlichen Glückwunsch zu dieser hohen Auszeichnung, den „Großen Kulturpreis 2016 der Rupert-Gabler-Stiftung Obergünzburg“. Lieber Botschafter des Allgäus: Ich gratuliere von Herzen!
Wer jetzt dachte, der Zeitpunkt der Ehrung wäre gekommen, irrte. Stefan Gabler: „Eigentlich sollte jetzt die Preisverleihung kommen, aber wir haben's uns anders überlegt. Die muss jetzt no a bissle wate. Denn wir haben einen Überraschungsgast!“ Dieser Überraschungsgast – Maxis Lehrerin Cornelia Maier (*27.12.1952, †25.11.2023) von der Grundschule Ottobeuren – war dann das berühmt „I-Tüpfelchen“ der Veranstaltung, denn das waren nicht nur irgendwelche Erinnerungen an einen aufgeweckten Schüler. Ihre Erzählungen legten vielmehr Zeugnis ab von einem Siebenjährigen, dem der Beruf des Kabarettisten schon in die Wiege gelegt worden war. Frau Maier hatte noch eine Tonbandaufnahme aufbewahrt, mit der Beschriftung: „Maxi Schafroth, 1993, Klasse 2c, freie Rede“.
Conny Maier begann ihre Erzählung zunächst mit der Einschulung:
Im September 1991 betrat ein kleiner, schmaler, blondlockiger Bub in Begleitung seiner Mutter das Klassenzimmer der Klasse 1c der Grundschule Ottobeuren. Die Schultüte hielt er fest im Arm, sein Blick signalisierte, dass er mich als seine Lehrerin akzeptierte und nun nach seinem Platz Ausschau hielt. Der erste Schultag verlief harmonisch. Es folgten weitere Tage (Pause, Lacher). Der normale Schulalltag hatte begonnen. Der kleine Bub taute zunehmend auf und – Maxi, darf ich die Wahrheit sagen? – du nahmst nach allen Seiten Kontakt auf (Lacher), manchmal auch mit mir. Ich bemerkte, dass die Anzahl deiner und meiner Worte oft in Konkurrenz zueinander standen (Lacher). Genauer gesagt: Häufig unterlag ich in diesem Wettstreit.
Aus der „Konkurrenz der Worte“ wurden regelrechte Auftritte. Seiner Lehrerin gelang es, diesen Rededrang zu kanalisieren; Maxi schuf sich seine erste Bühne, seine Klasse war das Publikum.
In der folgenden Zeit hast du dich oft vor Unterrichtsbeginn vor die Klasse gestellt. Du sprachst vom Inhalt her nicht immer zusammenhängende Sätze, diese aber ohne Punkt und Komma und in unglaublichem Tempo. Die Schüler setzten sich vor dich hin und lachten aus vollem Halse. Danach ein Stuhl, du stelltest ihn umgedreht aufs Pult und das durch die Stuhlbeine entstandene Viereck war deine erste Bühne. Und deine Klassenkameraden dein erster Fanclub. Jeden Morgen hörten sie dir ca. 15 Minuten mit großer Faszination zu (Lacher), sie hingen förmlich an deinen Lippen. Das habe ich so in anderen Klassen später nie wieder erlebt. Das Erstaunliche war, dass du dann anschließend ganz entspannt und aufmerksam im Unterricht mitgearbeitet hast. Frau Maier schloss ihren Beitrag mit dem geflügelten Wort: „Hei nauf, Silo nah!“
Statt einer weiteren beredten Beschreibung wurde nun die digitalisierte Tonbandaufnahme eingespielt. Es wäre natürlich wunderbar, wenn wir sie auch im virtuellen Museum einstellen dürften! Das Transkript weist einige Lücken von Stellen auf, die akustisch nicht ganz verständlich waren, aber dennoch ergibt sich ein Bild, das den Weg von damals bis zur heutigen Karriere weist:
Radio: Auf der Autobahn A10 ist Verstopfung. Wir brauchen keine (?). Lacher. Autobahn 10 A, uh, ade. Zwei Autos sind zusammengebufft. Dieser Unfall war nicht so schlimm. Des war bloß a ?.
Sonne, bewölkt, Regen, Nebel, alles, was es so gibt. Und ein gewissen Vizebundesmeister hat eine Schraube in die Welt gesteckt, die drüben von Deutschland und China herauskommt, mit einer Bohrmaschine. Kkhh (macht Geräusche). Der hat einfach eine Schraube genommen, 2 cm lang und hat sie durch die Welt gebohrt. Bis sie wieder rauskam. Und er nahm – genau – einen Spax. Und drüben in China stand der Chinese Chingtschoho und dieser Chinese Ching... schraubte die Schraube wieder heraus. Sajonara! Er sagte Sajonara (wiederholt es 7 Mal). Auf Deutsch: „Hallo!“
Auch später – das sei ergänzt – wurde die Mischung aus Phantasie und Redefluss immer und überall öffentlich. Bei den Schulfesten übernahm Maxi Schafroth die Moderation, sogar bei einer Schülerfahrt nach Bryson City (North Carolina) 2003 übernahm er die Begrüßung in der Schule und brachte die amerikanischen Schüler – natürlich auf Englisch – zum Lachen. Noch heute hat er dorthin Kontakte, es zieht ihn regelmäßig in die USA.
Abt Johannes beauftrage ihn „mit vier weiteren jugendlichen Moderatoren aus der Region“ zur Moderation beim „Weltjugendtag“ (siehe Seite der Pfarrei; „Fest der Begegnung“ bzw. „Internationales Jugendfestival“ am 13.08.2005 zur Vorbereitung auf den Weltjugendtag in Köln).
Erst waren es dutzende Klassenkameraden, dann hunderte Mitschüler. Heute füllt Maxi Schafroth mühelos mehrmals die BigBox in Kempten oder unterhält im Fernsehen hunderttausende Zuschauer. Wir sehen: Der Weg war von Anfang an vorgezeichnet. Heute, nach Schauspielunterricht und Stimmtraining, spielt er mit allen Registern an Stimmvarianten und Dialekten. Sein Weg als Sänger reichte vom früheren Schulchor über den Chor96 bis zum tiefschwarzen schmutzigen Blues, den er heute mit seinem Bühnenpartner an der Gitarre, Markus Schalk, genauso überzeugend rüberbringt wie einen Jodler. Das alles sorgt – neben den unzähligen Pointen – für große Abwechslung und Kurzweiligkeit.
Beim Auftritt im Kaisersaal gaben Maxi und Markus in 45 Minuten ihr Programm „Faszination Bayern“ zum Besten. Bei so einem Heimspiel – eben vor heimischem Publikum – wird das Programm zusätzlich mit Lokalkolorit gespickt. Z.B. gleich zu Anfang, wenn er den bayerischen Landwirtschaftsminister a.D. Josef Miller im Duktus eines schwäbischen Politikers anspricht: „Es ist für mich ein besonderer Tag, Josef, du do unda, I do oba. Gell, mir trinkat nachat no a Bier mitanand!“ In der letzten Reihe sieht er „wie der Kopf vom Vorstand der Tierkörperverwertung Kraftisried rausglüht“. Oder wenn er den Redetext geschickt auf die Situation anpasst: „Ich erinnere mich noch gut: Seit den 70er Jahren, seit den Zeiten der Gebietsreform, haben wir Projekte vorangebracht – da möchte ich auch den Gablers danken, die immer spendabel waren, egal, ob es um Projekte ging wie die „Delfintherapie in der Güllegrube“; (…) dieser Geldpreis, der kommt mir sehr gelegen, mir sind wieder drei Kälble verreckt …
Mit seinen Erzählungen weckt Maxi Schafroth immer auch Sehnsüchte nach einer an sich schon untergegangenen Welt: Wenn er „1976 mit em Dieselross nach München neig'fahrer isch, Vollgas, mit 35 km/h auf dem Mittleren Ring, „di Leut hinda ham g'schriah, i hab vergessa, an Mähbalka einz'fahra“, dann weckt das bei älteren Zuhörern Erinnerungen, während sich das jüngere Publikum im Zeitalter einer globalisierten und industrialisierten Landwirtschaft an den verschrobenen Kuriositäten erfreut, die die heutige Zeit auf dem Land mit noch einigermaßen intaktem Vereinsleben zwar noch hergibt, aber eigentlich längst ein Abgesang ist. Das Gegenstück dazu sind die von Maxi angesprochenen „Mut-Seminare für ängstliche Innenstadt-Helikopter-Eltern“ in der „Gletscher-Hütte bei Eggisried“ oder seine Einsprengsel von aktuellen politischen Ereignissen, wenn er „gerade noch mit Horst Seehofer gesprochen“ habe, der sich aber „wegen einer Minarett-Einweihung am Tegernsee“ entschuldigen lässt. Auch bei Auftritten außerhalb Bayerns kann er auf ein Allgemeinwissen setzen, das sich mit Bayern assoziieren lässt; wenn er etwa über den zahlungskräftigen Landkreis Starnberg und einen dortigen „Brauch vom Starnberger Grattler-Scheuchen“ lästert: „Der mit dem niedrigsten Brutto-Jahreseinkommen wird nackt durchs Dorf getrieben und dann mit seiner Steuererklärung an den Maibaum gefesselt.“ Im Allgäu hätten wir – zumindest in Ortschaften bis 70, 80 Einwohnern – den Brauch vom „alemannischen Gruben-graben“: „Da wead a Gruab ausg'hoba, da schauflat jung und alt an einer Grube „und wenn dia Gruab groß g'nua isch, dass des G'lump neipasst, alte Kühlschränke, alte Fahrzeuge etc., (Lacher, Applaus) das ist ein schöner Brauch, da spielt die Kapelle das Lied „mein Heimatland“, dann wird das Ganze zuplaniert und kommt ein Feschtzelt drauf“. Zwischendurch kommt Maxis Rede dann immer wieder auch auf die Heimat seiner Kindheit zu sprechen: „Was ist 15 m lang und stinkt nach Silo? – Der Schulbus von Stephansried!“ Etwas Wahres wird wohl dran sein, am wichtigsten dürfte aber gewesen sein, dass die Kinder Freiräume hatten, die es heute nur noch selten gibt. Dafür bedankte sich Maxi bei seinen Eltern, Gaby und Max Schafroth. Bei der „anwesenden Geistlichkeit“ entschuldigte sich Maxi gleich prophylaktisch, wenn er vom Jesus spricht, der vom Holzkreuz abgebrochen ist „und dann hat der Markus die Barbie-Puppe aus der Hollywood-Schaukel mit Spax und Heißkleber da naufg'schraubt. Des tuat ma leid – aber handwerklich war's guat!“
Zum Thema Katzen sagte er: „Sie haben in Ballungszentren einen anderen Bezug: Sie haben nur eine [Katze] und die hat dann an Namen. Wir haben in Stephansried einen Bestand – und der variiert je nach Auslastung der Hauptstraße. Und schon lenkt Maxi die Situation auf den „Psychoanalytiker-Haushalt in München-Bogenhausen“ mit seinen beiden Katzen „Maria und Philippa“, die eine frisst nur Atlantik-Thunfisch, die andere nur Pazifik-Thunfisch „und wenn die Philippa in den falschen neibeißt, dann übersäuert sie.“ Die andere humpelt mit ihrer Titan-Hüfte herum; „so viel Geld haben wir net amal für mei Oma ausge'bm“.
„Schumpa-Ballade“ (der Feuerwehrkommandant kommt vorbei und brüllt aus Leibeskräften: „D' Schumpa sind ausbrocha!“) mit sehr kräftigen Bildern – und Markus Schalk, der nicht nur durch seinen schönen Gitarrenton erfreut, sondern beim Refrain mit in den Gesang einstimmt.
Die „Faszination Bayern“ kehrt sich um, wenn von „Mettmann bei Düsseldorf“ die Rede ist („Eine Wiesen-Mass sind die muskulär gar nicht in der Lage zu heben!“), wo er „zum Kultur-Coaching“ über die regionalen Besonderheiten Bayerisch-Schwabens aufklärt („Wir haben keine Premium-Automobilhersteller, wir haben Fendt, das reicht!“). Der Lech – der bayerische Ganges – teilt in arm und reich. Der Erkenntnis schließt sich das köstliche Lied von der „gottverlassenen Traktorentankstelle“ an, eine Deklamation mit Gitarre, die sich bis zum schwarzen Blues entwickelt („It's a poor regional, ladies and gentlemen, a poor region!“) mit allen möglichen kräftigen Bildern: die sehnsüchtigen Blicke ins „gelobte Land“ – den Landkreis Starnberg mit seinen „Gesichtschirurgen-Kindern“, während man auf den Feldern um Stephansried „24 Stunden g'schaffat hat“ („Ich war eine Ackergeburt, meine Mutter hat mich die ersten zwei Stunden für eine Kartoffel gehalten!“). „Die Münchner wollen alle zurück zur Natur und i da grad erst her!“
Das letzte Lied vor der Ehrung war „Mähen oder nicht mähen?“ – zum Mitsingen („Hier kommt's von der Basis!“), „d' Baura fahrat naus zum Mäha ...“
Den Auftritt von 2016: „Faszination Bayern“ – 30 Minuten bayerische Leitkultur – können Sie sich hier in der 3Sat-Mediathek anschauen. (Wobei es natürlich ungleich schwerer ist, sich mit einem Publikum in Mainz auseinanderzusetzen als bei einem Heimspiel.)
Dem Preisträger wurde ein symbolischer Scheck über 10.000 Euro überreicht. Die „familiäre Blumenfee“ Charlotte Gabler gab Heidi Schafroth einen großen Blumenstrauß, Maxi bat auch seinen Bühnenpartner aufs Podium: „Und dann möchte ich noch um einen tosenden Applaus für den Menschen bitten, ohne den ich nie den Mut gehabt hätte, so früh auf die Bühne zu gehen: Vielen Dank, Markus [Schalk], komm rauf!“ (Stefan Gabler: „Für den Markus haben wir natürlich auch ein Geschenk, ich hoffe, dass er gerne Käse isst.“)
Der offizielle Teil war mit der Ehrung vorbei, Maxi fragte rhetorisch, „ob wir noch eine Zugabe wünschen würden“ und erklärte außerdem: Das Tonband wollte Cornelia Maier erst rausrücken, wenn er mal 50 sei. Maxi wusste nicht, „dass Spax schon so früh eine Rolle in seinem Leben gespielt haben.“ Ergänzend zur Tonbandaufnahme las er noch aus sein Aufsatzheft der 2c – versehen mit Kommentaren von Conny Maier („So nicht, noch einmal!“ oder: „Max, bitte nicht die Fehler mit abschreiben!“). Man sollte über „das Haustier“ schreiben und nicht darüber, „wie ein Karnickel ins Starkstromkabel neibeißt“; das war eine „Themaverfehlung“.
Über die Bedeutung seiner Lehrerin in dieser frühen Zeit der Prägung: Bei Conny Maier müsse er sich „unfassbar bedanken“, weil sie eine frühe Unterstützerin gewesen wäre, die ihm die Schülerbühne gelassen habe. „Es war wohl immer schon ein innerer Antrieb, dass ich Erfüllung darin finde, wenn Leute lachen und glücklich sind, wenn ich mich äußere!“
Maxi liest einen seiner Aufsätze aus der „2c“ vor:
Zu uns kommen viele Tourischten. Viele von ihnen sind komisch angezogen und reden komisch. Sie haben überall Reißverschlüsse und immer Skistöcke dabei, auch wenn kein Schnee liegt. Meine Mama sagt: Da, wo die Touristen herkommen, gibt es keine Berge. Sie brauchen die Stöcke, damit sie beim Laufen nicht umfallen. Wenn man ihnen die Stöcke wegnimmt, fallen sie um und liegen wie umgedrehte Käfer am Boden. Bei uns ist das anderschter (das hat Frau Maier mir angestrichen). Wir leben ja schon so lange in den Bergen, wir haben uns an die schiefe Ebene gewöhnt. (...) Sie haben auch Peilsender in ihren Skijacken drin; wenn sie in ein Loch reinfallen. Dann kann man sie schneller finden und herausziehen. Das ist sehr teuer – aber was will man machen! Handschuhe brauchen sie auch, Touristen haben sehr weiche Hände. Wenn sie hinfallen, verbluten sie schnell. Mein Vater sagt: Viele von ihnen haben keine Hornhaut, weil sie nix arbeiten. Sie wollen aber gerne im Stall mitarbeiten. Manchmal bekommen sie dann rote Augen – von der Luft. Manche bekommen im Stall gar keine Luft. Dann muss man ihnen ein Deodorant in den Mund sprühen. (...)
Lied von den „Rosenkranzbeterinnen“
Ausschnitte:
Die Währung auf dem Pausenhof waren Glitzersticker, die Währung der Rosenkranzfrauen waren Sterbebildchen. Gespräche wie: „Des war a scheane Leich; als wär se grad in Sarg neig'falla. Und alldag häb sa g'schaffat. D' Luise hat ihr no zwei Strick in Sarg neig'legt, dass se weiterschaffat. Neuigkeiten verbreiteten sich rasend. Ich hab einmal die Zeit gemessen, wie lang mein Fünfer in Religion von Haus Nummer 1 bis 11 brauchte. Sie wussten, wann ich meinen 12 PS starken Aufsitzrasenmäher in Bewegung setzten wollte, um damit um die Kirche zu fahren. Ich habe das nur einmal gemacht – ohne Auspuff. Die Woche drauf wurde mir die Hostie verweigert. Das war kein schönes Gefühl: Judas, Luther, Berlusconi und ich. (...) Und so ziehen wir heute als heimatlose Gaukler durch die Lande. Ein liederliches, aber verlockendes Leben, sag' ich Ihnen. Dankeschön!
Abschließend: „Allgäu-Hymne“
Refrain: „Allgäu, um dich zu versteh'n, da muss man dich riechen, muss man dich seh'n! Wenn es dich einmal verführt hat, willst du nie wieder geh'n!“
Für alle Texte und Lieder von Maximilian Schafroth gilt: Man muss sie natürlich live erlebt haben!
Statt der von Maxi angekündigten „Romadur-Schnitten“ gab im Anschluss ein feines Buffet vom Wolfertschwendener Caterer Alexander Vögele mit Kässpatzen, Salat oder Lachsstrudel.
Zusammenstellung, Transkripte, Bilder: Helmut Scharpf, 11/2016