20.10.1853 – Grabrede für Bürgermeister Fahrenschon aus Babenhausen
Titel
20.10.1853 – Grabrede für Bürgermeister Fahrenschon aus Babenhausen
Beschreibung
Joseph Anton Fahrenschon (24.02.1792 - 18.10.1853) war Bäckermeister, daneben aber auch 11 Jahre lang Bürgermeister („Vorsteher“) der Marktgemeinde Babenhausen mit ihren damals 1828 Einwohnern.
Der Frühmeßbenefiziums-Vikar Franz Xaver Beyrer (lt. Schematismus *07.10.1821, Thannhausen, Priesterweihe 29.03.1846) hielt zwei Tage nach dem Tode Fahrenschons eine Grabrede, die aus mehreren Gründen bemerkenswert ist. Zum einen blicken wir im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte des Bürgermeisters zurück in die Zeit der Napoleonischen Kriege, zum anderen kommt eine starke Wertschätzung zum Ausdruck, über die sich so manch ein moderner Ortsvorsteher glücklich schätzen würde. Eine lange schwere Krankheit ertrug Fahrenschon mit Gottvertrauen.
Dass die Grabrede ins virtuelle Museum Eingang fand, liegt in erster Linie an der Druckerei, denn es handelt sich um die Ottobeurer Druckerei von Johann Baptist Ganser, der ab März 1820 u.a. das „Ottobeurer Wochenblatt“ herausgab. Das vorliegende Dokument zeigt, in welch weitem Umkreis sich die Geschäftskunden befanden. Werke aus dieser Druckerei wurden sogar für Autoren bis aus München verlegt.
Es war damals übrigens nicht unüblich, Trauerreden oder auch Predigten von Gottesdiensten in gedruckter Form zu veröffentlichen.
Literaturzitat:
Beyrer, Franz Xaver: Rede am Grabe des wohlgebornen Herrn Joseph Anton Fahrenschon, Bäckermeisters und Vorstehers der Marktgemeinde Babenhausen, Ganser, Ottobeuren, 1853, 11 S.
Hier nun die Abschrift (siehe auch docx und pdf):
Meine theuren in christlicher Trauer versammelte Zuhörer!
Wir haben soeben die sterbliche Hülle des wohlgebornen Herrn Joseph Anton Fahrenschon, Bäckermeisters und Vorstehers der hiesigen Marktgemeinde, beerdiget, welcher im 62ten Jahre seines Lebens, versehen mit den hl. Sterbsakramenten, in ein beßeres Jenseits hinübergegangen ist. Wenn ich auch nur oberflächlich einen Blick auf das Leben dieses Mannes werfe, welches die Gewöhnlichkeit weit hinter sich läßt, so kann ich nicht umhin, ihm einige Worte des Andenkens zu widmen.
Joseph Anton Fahrenschon war der Sohn des hiesigen Gastgebers zum Rößle. Im elterlichen Hause brachte er seine erste Jugendzeit zu, welche aber der talentvolle Knabe durch fleißigen Schulbesuch zur Erwerbung jener Eigenschaften benützte, die ihn zu seiner spätern Stellung so sehr befähigten. Zum Jünglinge herangewachsen, sollte er bald das väterliche Haus verlassen und das Feld des Kampfes und der Ehre betreten. Denn es war damals jene ewig merkwürdige Zeit, in welcher furchtbare und anhaltende Kriegs Gewitter von Frankreich her ganz Europa durchtobten; jene
Außer England war nur noch Ein Monarch Europas, der Kaiser von Rußland, der den Anmaßungen Napoleons sich beharrlich entgegenstemmte; weßhalb der Krieg an ihn erklärt wurde. Unser Vaterland Bayern, als Verbündeter Frankreichs, mußte seine bestimmten Hülfstruppen zu diesem denkwürdigen rußischen Feldzuge vom Jahre 1812 stellen. Bei diesen nun befand sich auch unser Fahrenschon, für seinen ältern Bruder freiwillig eingetreten, als Soldat des 3ten Infanterie Regiments, welches wie damals, so auch jetzt noch in Augsburg garnisonirt. Dort nun in den Schnee- und Eisfeldern Rußlands fand der Kern der damaligen herrlichen und großen Armee Frankreichs und Deutschlands sein kaltes Grab. Jene immer siegreichen Krieger, die nicht die rußischen Schwerter und Kanonen vernichten konnten, wurden allein von den zürnenden Elementen überwunden. Was dem tiefen Schnee und der wüthenden Kälte, dem Hunger und den Lanzen der verfolgenden Kosaken entronnen, rafften die Krankheiten in den Spitälern hinweg, Mit all' diesem
Damit war seine Kriegszeit noch nicht vorüber. Nur einige Tage in die Arme seiner bekümmerten Eltern zurückgekehrt, mußte er sich sogleich wieder auf das Schlachtfeld stellen. Napoleon war zwar in Rußland geschlagen, aber noch nicht vernichtet. Es galt jetzt nun die Sklavenketten, welche Napoleon um die Hände der Völker Europas geschmiedet hatte, zu zerreißen, und das Schwert zur Erkämpfung der Freiheit Deutschlands vom französischen Joche zu ergreifen. Halb Europa erhob sich gegen Frankreich; Napoleon bei Leipzig geschlagen, floh dem Rheine zu. Die tapfern Bayern suchten ihm nun den Rückzug abzuschneiden und warfen sich bei Hanau 1813 auf die französische Armee. Auch in dieser blutigen Schlacht kämpfte Fahrenschon mit, und als die Heere der Verbündeten in Frankreich eingedrungen waren, um Napoleon des Thrones zu entsetzen, so stand er in den Kampfesreihen in den Schlachten bei Trojas, Arcis sur Aube und Bar sur Aube 1814.
Nach geschloßenem Frieden bekam er als treuer und tapferer Soldat den Abschied. Unser geliebter Landesvater hatte darum seine Brust zur
Zurückgekehrt in seinen Vaterort verehelichte er sich und lebte als Gatte und Vater im stillen häuslichen Kreise, fern vom Kriegsschauplatze. Da er der Gemeinde Babenhausen stets seinen wohlgemeinten Rath ertheilte, so konnte es nicht fehlen, daß seine Mitbürger ihre Augen auf ihn richteten, und ihn zum Vorsteher der hiesigen Marktgemeinde erwählten, welches Amt er 11 Jahre in einer so bewegten Zeit mit großem Fleiße und Eifer bekleidete. Seine Leistungen hierin zu beurtheilen steht mir nicht zu, sondern werden seine Mitbürger zu würdigen wißen. Allein das kann und darf ich offen sagen, daß er seinem Amte entsprochen haben müße; denn Beweis davon ist einerseits die allgemeine Zufriedenheit und Anerkennung seiner Tüchtigkeit von Seite seiner bisherigen Herren königlichen Gerichtsvorstände, andererseits der Umstand, daß ihn seine Mitbürger durch viermalige Wahl mit dieser Würde betrauten, wodurch sie an den Tag legten, daß er ihr Vertrauen, das sie in ihn setzten, vollkommen rechtfertigte. Es ist zwar allerdings eine ehrenvolle, aber schwierige und darum keineswegs be-
Freilich wird, wie überhaupt kein Staats- und Kirchendiener, so auch kein Vorsteher einer Gemeinde Allen genügen und gefallen können; denn die verschiedenen Köpfe mit den verschiedensten Ansichten unter Einen Hut zu bringen, gehört in den Bereich der Unmöglichkeit.
Allein den Mann von Ehren hebt und trägt mitten in den Stürmen der Verfolgung und der Mißkennung wohlgemeinter Schritte das schöne und erhabene Bewußtsein, nach bestem Wißen und Gewißen gehandelt und die Interessen der Gemeine nach besten Kräften vertreten zu haben. Das mag der Trost Fahrenschons in den Stunden der Verkennung gewesen sein! –
Was er als Gatte und Vater seiner Gattin und seinen vier Kindern war, das zeigte die Pflege und Sorgfalt, welche dieselben ihm während seiner langen Krankheit erwiesen, wodurch sie die schönsten Beweise kindlicher Liebe gegen ihren Vater beurkundeten. Wie rührend und ergreifend war es, als er seine Kinder ans Sterbebett kommen ließ,
Was er endlich als Christ war, bewies er besonders in der letzten Zeit seines Lebens. Der Herr hatte ihn mit einer langwierigen Krankheit heimgesucht; allein mit größter Geduld unterwarf er sich dem unerforschlichen Willen Gottes. Oft sagte er mit gerührter Stimme und mit Dankesthränen in den Augen, daß ihm der liebe Gott so gnädig sei, indem er ihn vor größern Schmerzen bewahre, was er nicht verdient habe, und wofür er Gott nie genug danken könne. Sein einziger Trost und seine Zuflucht aber war ihm Jesus der Gekreuzigte; darum hielt er das Bild des Gekreuzigten, als die Waffe des Christen im Kampfe, gegen Teufel, Fleisch, Welt und Tod, stets in der Hand, wobei er es oft küßte und flehentlich bat: „O Herr, sei mir armen Sünder gnädig und barmherzig!“ Den Tod, dem er auf dem Schlachtfelde kühn ins Angesicht geschaut hatte, fürchtete er nicht, weil er mit Christus bewaffnet war, den
Wir aber, denen das nämliche Loos des Todes einst beschieden ist, wollen auf dieser Stätte der Sterblichkeit den hl. Entschluß faßen, unsere
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Ende der Abschrift, Helmut Scharpf, 14.04.2025
Die damalige Orthografie wurde unverändert übernommen.
Der Frühmeßbenefiziums-Vikar Franz Xaver Beyrer (lt. Schematismus *07.10.1821, Thannhausen, Priesterweihe 29.03.1846) hielt zwei Tage nach dem Tode Fahrenschons eine Grabrede, die aus mehreren Gründen bemerkenswert ist. Zum einen blicken wir im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte des Bürgermeisters zurück in die Zeit der Napoleonischen Kriege, zum anderen kommt eine starke Wertschätzung zum Ausdruck, über die sich so manch ein moderner Ortsvorsteher glücklich schätzen würde. Eine lange schwere Krankheit ertrug Fahrenschon mit Gottvertrauen.
Dass die Grabrede ins virtuelle Museum Eingang fand, liegt in erster Linie an der Druckerei, denn es handelt sich um die Ottobeurer Druckerei von Johann Baptist Ganser, der ab März 1820 u.a. das „Ottobeurer Wochenblatt“ herausgab. Das vorliegende Dokument zeigt, in welch weitem Umkreis sich die Geschäftskunden befanden. Werke aus dieser Druckerei wurden sogar für Autoren bis aus München verlegt.
Es war damals übrigens nicht unüblich, Trauerreden oder auch Predigten von Gottesdiensten in gedruckter Form zu veröffentlichen.
Literaturzitat:
Beyrer, Franz Xaver: Rede am Grabe des wohlgebornen Herrn Joseph Anton Fahrenschon, Bäckermeisters und Vorstehers der Marktgemeinde Babenhausen, Ganser, Ottobeuren, 1853, 11 S.
Hier nun die Abschrift (siehe auch docx und pdf):
Rede am Grabe des wohlgebornen Herrn
Joseph Anton Fahrenschon,
Bäckermeisters und Vorstehers
der Marktgemeinde Babenhausen
geb. den 24. Febr. 1792; gest. den 18. Oktbr. 1853,
gehalten den 20ten Oktober 1853
von
Fr. Xaver Beyrer,
Frühmeßbenefiziums-Vikar in Babenhausen,
[Grafik]
Auf Verlangen gedruckt.
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Ottobeuren, gedruckt bei Joh. Baptist Ganser 1853.
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Meine theuren in christlicher Trauer versammelte Zuhörer!
Wir haben soeben die sterbliche Hülle des wohlgebornen Herrn Joseph Anton Fahrenschon, Bäckermeisters und Vorstehers der hiesigen Marktgemeinde, beerdiget, welcher im 62ten Jahre seines Lebens, versehen mit den hl. Sterbsakramenten, in ein beßeres Jenseits hinübergegangen ist. Wenn ich auch nur oberflächlich einen Blick auf das Leben dieses Mannes werfe, welches die Gewöhnlichkeit weit hinter sich läßt, so kann ich nicht umhin, ihm einige Worte des Andenkens zu widmen.
Joseph Anton Fahrenschon war der Sohn des hiesigen Gastgebers zum Rößle. Im elterlichen Hause brachte er seine erste Jugendzeit zu, welche aber der talentvolle Knabe durch fleißigen Schulbesuch zur Erwerbung jener Eigenschaften benützte, die ihn zu seiner spätern Stellung so sehr befähigten. Zum Jünglinge herangewachsen, sollte er bald das väterliche Haus verlassen und das Feld des Kampfes und der Ehre betreten. Denn es war damals jene ewig merkwürdige Zeit, in welcher furchtbare und anhaltende Kriegs Gewitter von Frankreich her ganz Europa durchtobten; jene
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Zeit, in welcher der kühne und mächtige französische Kaiser Napoleon „die tausendjährige deutsche Eiche – das deutsche Reich – zersplittert und aus deren Trümmern Fürstenstühle geschnitzt hatte.“Außer England war nur noch Ein Monarch Europas, der Kaiser von Rußland, der den Anmaßungen Napoleons sich beharrlich entgegenstemmte; weßhalb der Krieg an ihn erklärt wurde. Unser Vaterland Bayern, als Verbündeter Frankreichs, mußte seine bestimmten Hülfstruppen zu diesem denkwürdigen rußischen Feldzuge vom Jahre 1812 stellen. Bei diesen nun befand sich auch unser Fahrenschon, für seinen ältern Bruder freiwillig eingetreten, als Soldat des 3ten Infanterie Regiments, welches wie damals, so auch jetzt noch in Augsburg garnisonirt. Dort nun in den Schnee- und Eisfeldern Rußlands fand der Kern der damaligen herrlichen und großen Armee Frankreichs und Deutschlands sein kaltes Grab. Jene immer siegreichen Krieger, die nicht die rußischen Schwerter und Kanonen vernichten konnten, wurden allein von den zürnenden Elementen überwunden. Was dem tiefen Schnee und der wüthenden Kälte, dem Hunger und den Lanzen der verfolgenden Kosaken entronnen, rafften die Krankheiten in den Spitälern hinweg, Mit all' diesem
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Ungemach kämpfte auch unser beerdigter Mitbruder. Was er damals in Rußland ausgestanden habe, das könne er, wie er öfters sich darüber äußerte, keinem Menschen begreiflich genug erzählen. Während die Hauptarmee über Smolensk und Borodino auf Moskau losging, drangen die Bayern bis Polotsk vor, wo Fahrenschon die Schlacht daselbst mitschlug; mußten aber aus Mangel an Lebensmittel sich bis an die Weichsel unter unsäglichen Strapazen zurückziehen und die Festung Thorn besetzen, in welcher die innern Feinde, Hunger und Krankheiten, ärger wütheten, als die von Außen stürmenden Rußen. Nach der Übergabe der Festung an die Rußen durften nun die Bayern, und somit auch unser Fahrenschon nach dem lange ersehnten heimathlichen Herde zurückkehren. Mit großer Ergriffenheit erzählte er den rührenden Einzug und den schönen Empfang, welchen Augsburg den Trümmern dieses einst so starken Regimentes bereitete. Denn Tausende waren kampfbereit mit klingendem Spiele aus den Thoren Augsburgs in den Krieg gezogen und nur Wenige kehrten wieder heim. Alle, welche Söhne oder Brüder dabei hatten, fanden sich ein, um ihre Geliebten wieder zu sehen. Das sei nun ein herzzerreißendes Jammern und Weinen gewesen, erzählte er, als Väter 6
und Mütter ihre theuren Söhne nicht mehr erblickten, der Bruder und die Schwester vergebens nach ihren geliebten Brüdern fragten. – Damit war seine Kriegszeit noch nicht vorüber. Nur einige Tage in die Arme seiner bekümmerten Eltern zurückgekehrt, mußte er sich sogleich wieder auf das Schlachtfeld stellen. Napoleon war zwar in Rußland geschlagen, aber noch nicht vernichtet. Es galt jetzt nun die Sklavenketten, welche Napoleon um die Hände der Völker Europas geschmiedet hatte, zu zerreißen, und das Schwert zur Erkämpfung der Freiheit Deutschlands vom französischen Joche zu ergreifen. Halb Europa erhob sich gegen Frankreich; Napoleon bei Leipzig geschlagen, floh dem Rheine zu. Die tapfern Bayern suchten ihm nun den Rückzug abzuschneiden und warfen sich bei Hanau 1813 auf die französische Armee. Auch in dieser blutigen Schlacht kämpfte Fahrenschon mit, und als die Heere der Verbündeten in Frankreich eingedrungen waren, um Napoleon des Thrones zu entsetzen, so stand er in den Kampfesreihen in den Schlachten bei Trojas, Arcis sur Aube und Bar sur Aube 1814.
Nach geschloßenem Frieden bekam er als treuer und tapferer Soldat den Abschied. Unser geliebter Landesvater hatte darum seine Brust zur
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Anerkennung seiner Verdienste für König und Vaterland mit dem rußischen und französischen Kriegs-Denkzeichen geschmückt. – Zurückgekehrt in seinen Vaterort verehelichte er sich und lebte als Gatte und Vater im stillen häuslichen Kreise, fern vom Kriegsschauplatze. Da er der Gemeinde Babenhausen stets seinen wohlgemeinten Rath ertheilte, so konnte es nicht fehlen, daß seine Mitbürger ihre Augen auf ihn richteten, und ihn zum Vorsteher der hiesigen Marktgemeinde erwählten, welches Amt er 11 Jahre in einer so bewegten Zeit mit großem Fleiße und Eifer bekleidete. Seine Leistungen hierin zu beurtheilen steht mir nicht zu, sondern werden seine Mitbürger zu würdigen wißen. Allein das kann und darf ich offen sagen, daß er seinem Amte entsprochen haben müße; denn Beweis davon ist einerseits die allgemeine Zufriedenheit und Anerkennung seiner Tüchtigkeit von Seite seiner bisherigen Herren königlichen Gerichtsvorstände, andererseits der Umstand, daß ihn seine Mitbürger durch viermalige Wahl mit dieser Würde betrauten, wodurch sie an den Tag legten, daß er ihr Vertrauen, das sie in ihn setzten, vollkommen rechtfertigte. Es ist zwar allerdings eine ehrenvolle, aber schwierige und darum keineswegs be-
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neidenswerthe Stellung, Vorsteher einer Gemeinde, das vermittelnde Organ zwischen Gemeinde und der königl. Gerichtsbehörde zu sein; allein die Opfer, welche man an Zeit und Gesundheit bringen muß, werden nie vollkommen anerkannt und nie gehörig gewürdigt. Freilich wird, wie überhaupt kein Staats- und Kirchendiener, so auch kein Vorsteher einer Gemeinde Allen genügen und gefallen können; denn die verschiedenen Köpfe mit den verschiedensten Ansichten unter Einen Hut zu bringen, gehört in den Bereich der Unmöglichkeit.
Allein den Mann von Ehren hebt und trägt mitten in den Stürmen der Verfolgung und der Mißkennung wohlgemeinter Schritte das schöne und erhabene Bewußtsein, nach bestem Wißen und Gewißen gehandelt und die Interessen der Gemeine nach besten Kräften vertreten zu haben. Das mag der Trost Fahrenschons in den Stunden der Verkennung gewesen sein! –
Was er als Gatte und Vater seiner Gattin und seinen vier Kindern war, das zeigte die Pflege und Sorgfalt, welche dieselben ihm während seiner langen Krankheit erwiesen, wodurch sie die schönsten Beweise kindlicher Liebe gegen ihren Vater beurkundeten. Wie rührend und ergreifend war es, als er seine Kinder ans Sterbebett kommen ließ,
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als er sie zur Tugend, Frömmigkeit, und zur Ehrfurcht und Folgsamkeit gegen ihre Mutter ermahnte, als er mit der Bitte, seiner stets im Gebete eingedenk zu sein, von seiner trostlosen Gattin und seinen schluchzenden Kindern Abschied nahm und sie mit zitternder Hand segnete! –Was er endlich als Christ war, bewies er besonders in der letzten Zeit seines Lebens. Der Herr hatte ihn mit einer langwierigen Krankheit heimgesucht; allein mit größter Geduld unterwarf er sich dem unerforschlichen Willen Gottes. Oft sagte er mit gerührter Stimme und mit Dankesthränen in den Augen, daß ihm der liebe Gott so gnädig sei, indem er ihn vor größern Schmerzen bewahre, was er nicht verdient habe, und wofür er Gott nie genug danken könne. Sein einziger Trost und seine Zuflucht aber war ihm Jesus der Gekreuzigte; darum hielt er das Bild des Gekreuzigten, als die Waffe des Christen im Kampfe, gegen Teufel, Fleisch, Welt und Tod, stets in der Hand, wobei er es oft küßte und flehentlich bat: „O Herr, sei mir armen Sünder gnädig und barmherzig!“ Den Tod, dem er auf dem Schlachtfelde kühn ins Angesicht geschaut hatte, fürchtete er nicht, weil er mit Christus bewaffnet war, den
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er zweimal während seiner Krankheit im allerheiligsten Sakramente mit größter Andacht empfangen hatte. Viele Stunden betete er mit den Seinen laut und deutlich; oft forderte er sie zum Gebete auf, indem er sprach: „Kommt, laßt das Zeitliche und stehet mir mit eurem Gebete bei, denn ich muß fort in die Ewigkeit!“ Kurz vor seinem Tode betete er noch laut mit größter Rührung und gläubigem Herzen zu den hl. fünf Wunden unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, um in ihnen Ruhe für seine Seele zu finden. Noch einmal faltete er krampfhaft seine Hände zum Gebete und mit den Worten: „Komm, o komm mein Gott!“ – brachen seine himmelwärts gerichteten Augen, sanken seine Hände kalt und regungslos auf das Bett zurück; – noch ein tief ausgeholter Athemzug – und sein Geist stand vor dem ewigen Richter, der ihm gnädig und barmherzig gewesen sein wird. So lebte, wirkte und starb Fahrenschon! An ihm verliert das Vaterland einen würdigen Veteranen, seine Familie einen braven Vater und Gatten und der Markt Babenhausen einen Ehrenmann und tüchtigen Vorsteher. –Wir aber, denen das nämliche Loos des Todes einst beschieden ist, wollen auf dieser Stätte der Sterblichkeit den hl. Entschluß faßen, unsere
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Berufs- und Standespflichten nach bestem Wißen und Gewißen nach der Lehre Jesu zu erfüllen, und unser Vertrauen und Hoffnung in allen Lagen und Verhältnißen des Lebens auf Christum den Gekreuzigten zu setzen. Wie dann die Brust des tapfern Soldaten zur Anerkennung seiner Verdienste mit den Ordens- und Denkzeichen decorirt wird, so werden auch wir als tapfere Soldaten Gottes mit den Waffen des Gebetes und des Vertrauens auf Christus, im Leiden, in der Krankheit und selbst im Todesröcheln siegreich kämpfen, die Engel des Himmels werden uns die Krone bringen, und der himmlische König zur Anerkennung unserer Thaten unsere Seelen decoriren, nicht mit irdischen Ordens- und Denkzeichen, die wir an der Schwelle des Todes ablegen müßen; sondern mit ewigen, die immer an unserer Seele schimmern werden, nämlich mit der ewigen Verherrlichung, der ewigen Anschauung Gottes und seiner Heiligen, was er uns und unserm Mitbruder gnädigst verleihen möge! Amen !______________________
Ende der Abschrift, Helmut Scharpf, 14.04.2025
Die damalige Orthografie wurde unverändert übernommen.
Urheber
Xaver Beyrer
Quelle
Sammlung Helmut Scharpf
Verleger
Helmut Scharpf
Datum
1853-10-20
Rechte
gemeinfrei