1878 - Pater Kaspar Kuhn schreibt Historienroman über die Bauernkriege von 1525

Titel

1878 - Pater Kaspar Kuhn schreibt Historienroman über die Bauernkriege von 1525

Beschreibung

Kuhn, Kaspar: Die Zigeunerhütte am Rohrsee oder Die zwei Freunde. Eine Erzählung aus der Zeit der Bauernkriege. Für die reifere Jugend geschrieben, Kranzfelder'sche Buchhandlung, Augsburg, 1878, 148 S., Format 12,5 x 19,5 cm
Das Digitalisat des Gesamtbuches können Sie hier herunterladen (ca. 67 MB).

Pater Kaspar Kuhn hat mehrere Historienromane veröffentlicht: „Silach oder die Gründung des Klosters Ottobeuren“ (1875), – ist bereits im virtuellen Museum aufgenommen –,

einen „Geschichtskalender“ (1857), ebenfalls bei OMG abrufbar 

oder einen Roman über das Leben des Pater Jeremias Mayr, der für das Kloster Ottobeuren im 30-jährigen Krieg eine zentrale Rolle spielte: Pater Jeremias. Ein Zeitgemälde aus dem Schwedenkriege. Für das Volk geschrieben, B. Schmid'sche Verlagsbuchhandlung (A. Manz), Augsburg, 1879, 134 S. (Noch nicht im virtuellen Museum, aber über die Unibibliothek Eichstätt als Digitalisat erhältlich)

Mit der „Zigeunerhütte am Rohrsee“ nahm er sich das Thema der Bauernkriege von 1525 vor. Grob gesehen spielt sich die Handlung zwischen 1510 und 1548 ab; mehr im Detail zwischen 1519 und 1529. Auf die Ereignisse bei Leubas, Aitrang und Füssen geht der Verfasser leider nicht ein und erwähnt auch die Verwüstungen im Kloster Ottobeuren von 1525 nicht.

Wie es der Zufall will, liegt nicht nur das antiquarisch nirgends mehr erhältliche Buch vor, sondern sogar eine Postkarte, auf der Kuhn am 8. März 1878 in seiner Mitteilung an die „Windprecht‘schen Antiquariatsbuchhandlung“ in Augsburg zwei Werke mit Bezug zu den Ereignissen erwähnt. Er schrieb: Geehrter Herr Windprecht! Zimmermann’s Geschichte des Bauernkrieges kann ich nicht mehr brauchen; die Biographie des Truchsessen Georg schicken Sie mir, so bald Sie können!
Bei OMG sind diese und weitere Postkarten Kuhns abrufbar.

Freundschaft als Seitenthema
Schon aus dem Titel geht hervor, dass nicht allein der geschichtliche Aspekt im Vordergrund steht, sondern auch die freundschaftlichen Bande zwischen einigen der Hauptprotagonisten: Joseph, Konrad, Miglantha, Adelgundis, Emma, Pater Gerwig Blarer. Auch die Buchwidmung enthält neben einem Bezug zum Ort des Romangeschehens einen Freundschaftsbezug: „Seinem Freunde, dem Herrn Konrad Lerner, Schultheiß in Ziegelbach, in Liebe gewidmet vom Verfasser.“
 
Im virtuellen Mueum ist darüber hinaus folgender Freundschaftsbeweis abrufbar: ein Kondolenzschreiben Kuhns an seine „Freundin Pauline“ Preitz in Ochsenhausen.

Als Historienroman orientiert sich Kuhn an wahren Begebenheiten, die Namen von verantwortlichen Führern und Protagonisten der Bauerkriege („Baltringer Haufen“, „Truchseß Georg von Waldburg“) sind nicht fiktiv. Mit biografischen Details – z.B. zum Abt von Weingarten und Ochsenhauen, Blarer – wird aus dem Roman gelegentlich auch ein Lehr- oder Geschichtsbuch, Beispiel S. 77f:
„... besonders des Gerwig Blarer. Doch dieser war nur ein einziges Jahr sein Professor gewesen; denn im Jahr 1520 war Abt Hartmann von Knötingen gestorben, und Pater Gerwig, der jüngste Priester des Klosters, fast einstimmig zu dessen Nachfolger erwählt worden. Pater Gerwig Blarer hatte einige Jahre auf den Universitäten zu Freiburg, Paris und Bologna studirt, war äußerst begabt und beredt und tüchtig in jeder Beziehung, so daß er später von Papst Julius III. zum Legaten, von Kaiser Karl V. zum Rath, Hofkaplan und Commissär beim Reichskammergerichte ernannt, und von dessen Nachfolger Ferdinand I. in allen wichtigen Angelegenheiten zu Rath gezogen wurde. Blarer, vom Jahre 1547 an auch Abt von Ochsenhausen, starb erst 1567, nachdem er 47 Jahre Reichsprälat von Weingarten gewesen.“
Oder auf S. 112: „Damals stand [in Weingarten] freilich noch nicht der jetzige herrliche Riesentempel mit seiner himmelanstrebenden Kuppel und mit seinem großartigen Orgelwerke, dieser wurde erst 200 Jahre später unter Abt Sebastian Hiller erbaut.“

Ottobeuren wird übrigens nur auf einer Seite (zweimal) erwähnt, auf S. 113, als Joseph in Weingarten seine Primiz feiert: „Die Festpredigt hielt der gelehrte und weitberühmte Freund des Prälaten, Pater Nikolaus Ellenbog, aus dem Kloster Ottobeuren, der zur Verherrlichung des Festes eigens eingeladen worden war.“
Die Liebe von Pater Kaspar Kuhn zur Natur sowie sein Wisssen um Pflanzen und Tierwelt geht deutlich aus dem Buch hervor. Eine Publikation Kuhns dokumentiert die Pflanzenwelt um Ottobeuren „Einiges über die Flora um Ottobeuren“ (1875); nicht von ungefähr finden sich in der „Zigeunerhütte“ mehrmals auch Angaben der lateinischen Pflanzennamen.

Auf S. 12 (pdf-S. 18) beschreibt Kuhn die  Wasservogelwelt des Rohrsees. Seine Aussage, dasss die „Lachmöve“ [Lachmöwe] „hier Alabock genannt“ wird, fand sogar Eingang in einen ornithologischen Führer (Heine, Bommer, Hölzinger, Lang, Ortlieb: Die Vogelwelt des Rohrsees. Naturschutzgebiet „Vogelfreistätte Rohrsee. Landkreis Ravensburg, Remeck/Neckar, 2001, 215 S.; Digitalisat siehe Link hier)
Auf S. 141 wird darin auf Pater Kaspar Kuhn Bezug genommen:
Pater K. KUHN (1878) geht in seinem Roman „Die Zigeunerhütte am Rohrsee“ wiederholt auf die großen Vorkommen der „Lachmöve“, die in dieser Gegend „Alabock“ genannt wird“ ein (vgl. SUOLAHTI 2000 zur Erklärung des Vogelnamens). Das Verhalten der Vögel wird von Kuhn treffend beschrieben.
Im Literaturverzeichnis auf S. 208 wird das Werk Kuhns wie folgt zititert:
KUHN, K. (1878): Die Zigeunerhütte am Rohrsee oder die zwei Freunde. - Eine Erzählung aus der Zeit des Bauernkrieges von Pater Kaspar Kuhn, Benediktiner in Ottobeuren. - Paderborn (Schöningh).
Der Hinweis auf den Schöningh-Verlag zeigt, dass das Werk nachgedruckt wurde. Antiquarisch heißt es bei buchfreund.de zu einem älteren, bereits verkauften Angebot: Die Zigeunerhütte am Rohrsee … 3. Auflage, Paderborn, Schöningh, o. J.. 163 S., 19 cm, sehr selten. Schlagworte: Literatur, Kinder- und Jugendbücher

Auf der Bookmap-Seite wird das Buch zweimal zititert:

Die Zigeunerhütte am Rohrsee oder Die zwei Freunde: eine Erzählung aus der Zeit des Bauernkrieges ; für die reifere Jugend geschrieben Kuhn, Kaspar
Augsburg. Kranzfelder. 1878. 147 S.

Die Zigeunerhütte am Rohrsee oder Die zwei Freunde: eine Erzählung aus der Zeit des Bauernkrieges ; für die reifere Jugend geschrieben Kuhn, Kaspar
Paderborn u.a. Schöningh. [1896]. 156 S. 

Erwähnt wird Kuhns Buch auch in einer nach Zeitabschnitten geordneten Literaturliste zu „Zigeunerfiguren“ („Bibliografie Zigeunerfiguren, Sinti und Roma in der – Julim“; hier S. 16f: „1871 - 1918, Kaiserzeit“); darin enthalten sind nähere Angaben zu den Schöningh-Nachdrucken:
1878; Augsburg: Kranzfelder, NA 1896 (2. Paderborn: Schöningh), 1907 (3.)

Schlussfolgerung: Im Schöningh-Verlag wurde Kuhns Roman zum Bauernkrieg zwischen 1896 und 1907 in drei Auflagen nachgedruckt. Es ist momentan (2017) aber weder im Original noch im Nachdruck antiquarisch erhältlich.

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Wer das Werk unvoreingenommen lesen möchte, soll die nachfolgenden Zusammenfassungen einfach übergehen. In der pdf-Datei können Sie das textdurchsuchbar gecannte Buch (ca. 67 MB) im Original abrufen und lesen oder Sie lesen die in Word geschriebene Abschrift, die insbesondere auf den Anfangsseiten zwar etliche Passagen auslässt, aber doch zumindest etwa zwei Drittel des Buches abbildet (und mit moderner Schrift leichter lesbar ist). In dieser Fassung sind zu auf den Seiten vorkommenden Personen oder Ereignissen außerdem Links und manche Zusammenfassungen eingefügt.

Das Buch beginnt mit einer sehr idyllischen Beschreibung der Gegend um die Krattenburg. Auf der einen Seite sind brave Bauersfamilien mit den Kindern Joseph und Konrad beschrieben, gesellschaftlich gegenüber steht die Familie des Ritters Braunhold von Krattenburg mit der Burgfrau Adelgundis sowie deren Tochter Emma. Auch diese werden in den lieblichsten Farben gezeichnet (z.B. S. 6: „… des tapfern Ritters und der sanften Burgfrau (...) mit der lieblichen und herzensguten Emma (...) aber er wollte seiner Herrschaft weder lästig sein, noch für weitere Begünstigungen sich verpflichten lassen, da seine kranke Frau ohnehin schon von Adelgundis viele Unterstützung erhielt.“

Kuhn wendet sich an Teenager („reifere Jugend“), es entsprach sicherlich auch seiner Idealvorstellung einer wohlerzogenen Jugend, wie er auf S. 7 Konrads ersten Besuch auf der Krattenburg beschreibt:
„Schon als er beim Thore hineinging, nahm er, obschon er Niemand im Hofe sah, vor Respect seine Mütze ab. Als er dann die Stiege hinauf stieg, klopfte ihm doch vor Bangigkeit das Herz, aber auch vor Erwartung. Oben angekommen, sah er verschiedene Thüren, aber welche war wohl die rechte, die in’s Wohnzimmer der Rittersfamilie führte? Da er wußte, daß es zum Anstand gehöre, an der Thüre anzuklopfen, so entschloß er sich, gleich bei der nächsten Thüre dieß zu thun.“

Als Seitenthema eingestreut (ab S. 13f.) ist die Geschichte der „Zigeunerin Miglantha“, die „einst mit asiatischen Horden, gewöhnlich Zigeuner genannt, zum erstenmal nach Deutschland gekommen war, ein Volksstamm, von dem man weder Vaterland noch Religion genauer kennt, und man am sichersten annehmen kann, daß sie weder das Eine noch das Andere haben. Auch in diese Gegend war vor einigen Jahren eine Gesellschaft dieses geheimnißvollen Volkes gekommen und hatte sich in jener einsamen Bodenvertiefung niedergelassen und in schnellester Zeit sich eine bequeme Hütte gebaut, woraus man schließen konnte, daß sie längere Zeit die Gegend mit ihrem Aufenthalte beehren wollen. Und wirklich, Wochen und Monate lang wirbelte der Rauch aus dieser Grube empor, wo sie hausten und kochten und von dem, was sie von den umliegenden Bauern, mit oder ohne deren Wissen, bekamen, in aller Gemüthlichkeit lebten.“

Es sind dies ziemlich vorurteilsbehaftete Urteile. Darüber hinaus wird Miglantha als finstere Hexe Nahe dem Wahsinn dargestellt, dass es dem jugendlichen Leser von 1878 in einer von stark vom Aberglauben geprägten Zeit sicherlich Schauer über den Rücken jagte:
(S. 15): „... plötzlich ein solcher Sturm entstanden sei, daß der Kahn umschlug, und der Fischer sammt seinem Knaben in den Wellen den Tod fand. Den an’s Ufer geschwemmten Leichnam des Knaben habe sie dann in ihre Hütte getragen und wahrscheinlich zu Zaubermitteln verarbeitet. Gegen Jedermann war Miglantha kalt und verschlossen, selbst gegen Solche, welche ihr Wohlthaten erwiesen.“
Erst später erfahren wir, dass der ach so gute Ritter ihren einzigen Sohn hatte aufhängen lassen, obwohl dieser unschuldig war. Miglantha hatte eine Rechnung mit Braunhold offen. Mit Konrad und mit Joseph – den sie wie einen Sohn liebte – verband sie eine enge Freundchaft. Auch die aufständischen Bauern hatten eine Rechnung offen und ermordeten Miglantha.

Die Bauerfamilien von Joseph und Konrad standen in Diensten des Ritters und verteidigten dessen Rechte. Die aufständischen Bauern hingegen kommen im Buch sehr schlecht weg: ständig betrunken, brüllen andauernd, gehen nicht in die Kirche, sind feige (z.B. S. 120: „Den aufrührerischen Bauern muß man überhaupt nachsagen, daß sie in den Treffen nie Muth und Tapferkeit bewiesen; Muth hatten sie nur beim Ausrauben der Klöster und beim Niederbrennen der Schlösser.“).
Die vier namentlich erwähnten Aufrührer werden auf S. 51ff. so beschrieben: „... ein dicker und äußerst roh aussehender Bauer, indem er mit seiner massiven Faust auf den Tisch schlug, (…) eine schmächtige und blasse Figur, (...) jeden Satz, den er sprach, mit einem kräftigen Fluch begleitete, und der jedesmal hinzuzudenken ist ...“
„wie gewöhnlich ein wieherndes Gelächter aufschlagend. (...) sein sinnlich ausgeschämtes Gesicht durch ein teuflisches Lächeln noch mehr entwürdigend. (…), lallte der Schweinschneider, welcher schon wieder betrunken.“
„Als sie noch lange solch saftige Gespräche geführt, sich gegenseitig erhitzt und dabei viel Bier und Schnaps vertilgt hatten, trat ein großer und stämmiger Mann zur Thüre herein, aus dessen Blick und Miene der roheste Trotz und die brutalste Gewaltthätigkeit herausblickte. Sein Gewand bestand aus ledernen Beinkleidern, die von ihrer ursprünglichen Farbe nur noch undeutliche Spuren zeigten, und in einem abgetragenen Kittel von grobem Wollentuche, der etwas weniger baufällig war, als seine Hosen. Den sehr verwitterten, mit einer rothen Feder verzierten Filzhut hatte er schief und herausfordernd auf seine buschigen schwarzen Locken gedrückt. „Himmel! wo kommst Du her, Fimmelmayer?“ rief Motzinger.
Geradenwegs aus dem Zuchthaus“, gab dieser mit trotziger Stimme zur Antwort. „Wirth, bring’ mir eine Maß!“
Unter den Bauern wurden – obwohl sie nicht betrunken waren – „nur rohe und gottlose Gespräche geführt.“
Sie gingen auch nicht in die Kirche: „... dass der Schweinschneider heut’ auch nicht in der Kirche war; hat wahrscheinlich bei der Roß-Aderlaß das Blut rühren müssen.“ „Ich habe was Besseres zu  thun gehabt“, stammelte dieser, als das Gesalbader des Pfaffen anzuhören.“ „Was denn?“ fragte Motzinger.
„Den gestrigen Heiligtagrausch hab’ ich ausgeschlafen, um einem andern Platz zu machen.“
S. 97: „Wie bei all ihren Versammlungen, ging es wieder sehr derb zu, und Nichts weniger als Einigkeit herrschte unter ihnen; der Eine schrie dieß und der Andere etwas Anderes, und Mancher, der einen Vorschlag machen oder Etwas sagen wollte, wurde von Anderen überschrieen und konnte nicht zum Worte kommen; wie es überhaupt rohen und ungebildeten Leuten eigen ist, daß sie, statt nacheinander, alle miteinander reden.“
S. 79: Im Wirthshause zu Ziegelbach waren eines Nachmittags im Herbste 1524 wieder viele dieser rabiaten Bauern beisammen und erhitzten durch Bier und Schnaps und Räsoniren ihre hohlen Köpfe von Stunde zu Stunde noch mehr. Daß unsere bekannten Persönlichkeiten bei dieser Versammlung nicht fehlten, können wir uns denken.

So niederträchtig das Leben dieser Bauern war – sie zerstörten die Krattenburg, vertrieben den Ortspfarrer, sie brachten die „Zigeunerin“ Miglantha um – so konsequent war ihr Ende:
Zitat S. 120f: „Unsere vier Hauptschreier hatten bei diesem Treffen nicht gefehlt; sie hatten in demselben gekämpft, und drei von ihnen auch für immer ausgekämpft. Motzinger fiel, von einer Kugel getroffen, nicht weit von der Stadt, und der Schweinschneider wurde am Osterfeste bei Diepoldshofen aus der Aitrach gezogen, in welcher er, wahrscheinlich in seinem Normalzustände, das heißt betrunken, seinen Tod gefunden. Der Sattelbauer von Rohrbach hatte, schuftig, wie immer, in ein Gebüsch versteckt, auf die Bundestruppen geschossen und einige von ihnen getödtet. Diese zogen ihn dann heraus und knüpften ihn, ohne dem Truchsessen die Sache anzuzeigen, ohne viele Umstände an die große Linde auf, welche noch heut zu Tage am Fuße des Leprosenberges steht. Müllerhans aber, der roheste von Allen, kam mit dem Leben davon und flüchtete sich nach Gaisbeuren; er war noch nicht am Ziele seiner edeln Laufbahn angelangt.
Durch dieses für die Bauern so unglückliche Treffen war in gar vielen Familien Trauer und Elend eingekehrt; viele Väter und Söhne waren gefallen oder schwer verwundet. Doch keine Familie war schlimmer daran, als die des liederlichen Schweinschneiders, der bei seinem Leben Alles vertrunken, und bei seinem unseligen Tode Frau und Kinder in der größten Armuth zurückgelassen hatte. Doch Pfarrer Penthaler, dieser würdige Prieser, nahm sich der Familie jenes unglücklichen Mannes, der einer seiner gehäßigsten Feinde gewesen, liebevoll an und sorgte für sie, so lange er noch lebte, auf jede Weise.
Das Ende von Müllerhans wird erst auf S. 144 eingefügt: „Als sie [Joseph und Konrad] nach Bregenz zurückkamen, wurde gerade ein Verurtheilter an den Hinrichtungsplatz hinausgeführt, und da der Zug nahe an ihnen vorbei kam, erkannten sie zu ihrem größten Entsetzen den Müllerhans, der auch in der Seegegend Umtriebe geinacht hatte, von Grafen Montfort aber gefangen genommen und zum Tode verurtheilt wurde.“

Die eigentlichen Kriegsereignise kommen übrigens erst ab S. 88 zum Tragen.

Der Kontrast zu den Familien des Joseph und Konrad könnte nicht größer sein. Auf S. 59 beschreibt Kuhn gleich nach den ungehobelten Bauern eine Familienszene:
„Während diese verwilderten Bauern sich zu einer Gewaltthat anschickten, die mit der heiligen Weihnachtszeit im grellsten Gegensatze stand, wollen nur uns in die friedliche Nachbarswohnung begeben, um bei der Ankunft jener rohen Gesellen schon an Ort und Stelle zu sein.
Beim trüben Scheine eines Oel-Lichtes saß Joseph am Tische und las gerade in einer Hauspostille vom Leben und Martertode des heiligen Stephanus. Links von ihm schlief seine graue Lieblingskatze, und zu seiner Rechten saß seine Mutter und horchte voll Mitleid und in der gespanntesten Aufmerksamkeit auf die fromme Lesung ...“
Da war der Lebensweg fast schon vorgezeichnet: Nach vielen Anläufen (Schussenried, Ochsenhausen, Appenzell) gelang Joseph schließlich die Aufnahme ins Kloster Weingarten.

Die „Guten“ finden ihre Erfüllung – Joseph, Adelgundis und Emma sind am Ende im Kloster, Konrad ist Schlossverwalter auf der Waldburg –,  die vier Bauern sterben alle eine gewaltsamen Todes. Kuhn zeichnet hier schwarz-weiß.

Kuhn unterbricht die Handlung zwischendurch immer wieder und gibt sich als Erzähler zu erkennen: (S. 16: „Nur ein lebendes Wesen war es, dem sie wirklich wohlgewogen zu sein schien, und dieses müssen wir jetzt kennen lernen.“, S. 51: „Doch wir wollen einige von diesen Leuten selbst kennen lernen und reden hören!“, S. 77: „... und so Manches hatte sich unterdessen zugetragen, wovon wir noch Einiges vernehmen wollen.“ / „Und wie war es diesem seitdem beim Studium ergangen? Wir können sagen: sehr gut.“ oder S. 110: „auch wir wollen ihn hier jetzt ruhen lassen“; S. 111: „Das liebliche Schussenthal, in welches wir uns nun versetzen, zeigte jetzt schon, welch einen Reiz zu entfalten es im Stande sei.“)
Auf Seite 112 lässt sich Kuhn in seiner Durchbrechung der Erzählung sogar zu einer politischen Äußerung hinreißen: „Denn bereits hatte im nahen Gaisbeuren eine große Versammlung von drei verschiedenen Bauernhaufen Schwaben’s stattgefunden, und ihre gefährlichen Umtriebe und Bestrebungen erregten damals die nämlichen Befürchtungen, wie heut zu Tage die Bewegung der Socialdemokraten.“

Militärische Ratgeber der Bauern waren oft Pfarrer (s. Abschnitt Günzburg oder Rede des Pfarrers Florian Greisel beim Angriff auf die Krattenburg), was – neben schlechter Bewaffnung und Ausbildung der Bauern – zum Misserfolg auf den Schlachtfeldern beitrug; die moralische Motivation sahen die Bauern als Überlegenheit; Beispiel S. 98: „Was uns [den Bauern] an Waffen abgeht, wird zehnfach ersetzt durch unsern Muth und dadurch, daß wir wissen, für was wir kämpfen, durch das Bewußtsein, die Freiheit und das Wohl unserer Kinder anzustreben. Woher sollen die Soldaten des Bauernjörg Muth oder Begeisterung hernehmen? Sie, die für keine höhere Idee kämpfen, sondern nur für ihren Monat-Sold von 4 Gulden, damit sie Schnaps kaufen können.“

Pfarrer Greisel erklärt auf S. 99 seine Strategie und agiert als Aufpeitscher: „Bauer, das verstehst Du nicht“, fuhr Pfarrer Florian Greisel ihn an. „Schloß Waldsee hat eine starke Besatzung; Bauernjörg’s beste Soldaten vertheidigen es. Und zudem will ich es nicht mit Sturm nehmen, kann es nicht in Brand stecken, nur durch Hunger soll es zur Uebergabe gezwungen werden, damit ich des Truchsessen Frau und Kinder in meine Gewalt bekomme; habe ich diese als Geisel, so wird der Bauernjörg es schon wohlfeiler geben. Ich brauche aber noch mehr Leute, um das Schloß besser ein-, und von aller Zufuhr an Lebensmitteln abschließen zu können. Ihr müßt mich also unterstützen, und dieß kann erst geschehen, wenn ihr mit Euerem Tyrannen fertig seid. Das muß aber bald geschehen; denn ich habe erfahren, daß er an den Bauernjörg einen Boten gesandt hat, um Soldaten von ihm zu bekommen, und diese kann Jener, da er an der Donau fertig ist, ihm vielleicht schon morgen schicken. Also höret, was ich sage: Heute noch muß die Krattenburg abgethan werden! Wollt Ihr, oder wollt Ihr nicht?“ rief er am Schluß mit gewaltiger Stimme.

Der Roman richtet sich freilich auch gegen Luther und die Reformation. Auf S. 50 wird Luther erstmals erwähnt: „... der Augustiner-Mönch Luther Grundsätze zu verbreiten angefangen, die mit der Lehre der katholischen Kirche nicht mehr harmonirten. Und seitdem gingen, da er im Streite mit seinen Gegnern sich stets mehr erhitzte, seine Behauptungen immer weiter, seine Ansichten wurden immer schroffer, seine Lehren immer irrthümlicher. Diese waren freilich von der Kirche noch nicht verworfen, drangen aber jetzt schon unter das Volk und fingen das bisher unerschütterte Ansehen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit zu untergraben, den Glauben wankend zu machen an. Die Unbotmäßigkeit eines Bettelmönchs gegen den Papst selbst war dem Volke eine erwünschte Aufmunterung, auch ihren adeligen Gutsbesitzern und ihren Pfarrern, so gut es ging, den Gehorsam zu versagen. Zwar jetzt ging es noch nicht sogleich, aber der Grund dazu wurde einstweilen gelegt und auf diesem gelegentlich weiter gebaut.
Und wahrlich, der Boden für diesen verderblichen Grundstein konnte nie günstiger sein, als er damals gerade war! Das Volk war unwissend und roh, seine Religion großentheils nur eine ganz unerbauliche, mechanische Aeußerlichkeit;“

Die Reformation war mit dem Ende des Bauernkrieges ja nicht zu Ende. Kuhn schreibt über die Situation des Jahres 1528 (S. 122): „Immer mehr breitete sich die neue Lehre aus, und immer heftiger entbrannte der Kampf zwischen Rom und den Anhängern Luther’s, und es war vorauszusehen, daß der Kampf der Geister früher oder später neuerdings einen blutigen Kampf der Waffen zur Folge haben müsse. Doch an manchen Orten, besonders in geordneten Klöstern, wo der Geist der Neuerung und die Idee einer falschen Freiheit noch nicht eingedrungen war, herrschte Ruhe und Friede, und Alles ging in der gehörigen Ordnung fort. Auch im Kloster Weingarten unter der milden und umsichtigen Regierung des weisen und eifrigen Abtes Gerwig Blarer war dieses der Fall.“

Argumente pro Luther finden sich keine bzw. werden verdreht. So unterhalten sich die Bauern über den Papst und einen von ihm verkündeten Ablaß: „Vom Gewinnen ist auch keine Rede mehr“, bemerkte spottend der Sattelbauer; „jetzt werden sie ja verkauft.“
„Ja so!“ sagte Motzinger; „jetzt begreife ich, warum Luther so dagegen aufbegehrt hat; denn als  Bettelmönch hat er kein Geld und würde somit leer ausgehen! Hi hi hi.“
„Auf diesen Brief hin“, lallte der Schweinschneider, „wird Luther den Papst ordentlich heimschicken, und ich stimme ihm vollkommen bei.“
„Wem? dem Papste, oder dem Luther?“ brüllt Müllerhans.
„Du Rindvieh!“ rief der Schweinschneider, „kannst Du so dumm fragen? Jetzt ist eine neue Zeit angebrochen, wir brauchen keinen Papst und keinen Teufel mehr, Luther ist unser Mann!“

Abtrünnige Pfarrer werden namentlich genannt, auch einige der uns heute noch geläufigen Hauptprotagonisten (S 78f.): Prediger der neuen Lehre, wie z. B. Schappeler von Memmingen, und hauptsächlich die Wiedertäufer durchzogen häufig die Gegend und hetzten die unklugen Bauern gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit allerorts auf, so daß die Priester es kaum mehr wagen durften, in ihrem schwarzen Talar an einem Haufen dieser fanatisirten Bauern vorüberzugehen. Den schlimmsten Einfluß auf diese Gegend übte aber offenbar Pfarrer Florian von Aichstetten, der sich an die Spitze des rabiaten Landvolkes stellte. Einen solchen studirten Herrn konnten die Bauern, von denen kaum einige wenige lesen konnten, zu ihren Bestrebungen sehr gut brauchen.
S. 80: „Pfarrer Warmer von Haldenwang, Vicar Strohmayer von Oberndorf, die beiden Hilfspriester Riedle und Hafenmayr zu Obergünzburg, ferner die Vicare Röt zu Memhölz, Schwarz zu Martinszell, Batzer zu Buchenberg, Höring zu Legau, Hans Unsinn zu Oberthingau und noch mehrere sind auf unserer Seite, auf Seite der Bauern.“

Pater Kaspar Kuhn stellt einen direkten Zusammenhang her zwischen den Verfehlungen des Volkes und dem Ausbruch der Kriege. Luther wird dabei indirekt für den 30-jährigen Krieg verantwortlich gemacht. Auf S. 135 heißt es über die Zeit nach 1525:
„Ich kann es meinem Truchsessen nicht verargen, wenn er sie [die Bauern] mit aller Strenge behandelt.“ (…) „Luther’s neue Lehre“, sagte Ildephons, „hat ihnen die Köpfe ganz verrückt, ober vielmehr, sie ziehen den ganz richtigen Schluß: Wenn man der Kirche und der geistlichen Obrigkeit nicht mehr zu gehorchen hat, warum dann noch der weltlichen? Und von dieser Seite werden die Bauern, man kann es nicht leugnen, wirklich hart gedrückt. Aber mit Gewalt und mit Verübung aller möglichen Frevel sich die Freiheit verschaffen wollen, das geht nicht.
„Das sind traurige Zustände“, sagte Ildephons, „welche gegenwärtig nicht nur in unserer Heimath, sondern überall herrschen! Da muß Gott nothwendig schwere Strafen und außerordentliche Züchtigungen über so ein Volk schicken, mit es wieder zur Besinnung zu bringen.“
Diese kamen dann auch wirklich, aber erst 100 Jahre später; so lang ließ, wie ehemals bei der Sündfluth, Gott ihnen Zeit zur Bekehrung. Im 30jährigen Kriege wurde durch Mord, Hunger und Pest fast die ganze Bevölkerung hinweggerafft, und dann erst konnte Religion und Sittlichkeit wieder festen Fuß fassen. Nachdem Ziegelbach 35 Jahre (von 1628 bis 1663) keinen Pfarrer mehr gehabt, lernte es die Priester wieder schätzen und leistete ihnen willig Gehorsam und ist heutzutage eine brave Pfarrgemeinde.

Immerhin ist mit der Aussage „Und von dieser [=der weltlichen] Seite werden die Bauern, man kann es nicht leugnen, wirklich hart gedrückt“ eine Ursache der Aufstände angesprochen. Sonst kommt von der Motivation der Bauern in den Krieg zu ziehen nicht viel rüber. Die 12 Artikel werden mit keinem Wort erwähnt. Das Aufbegehren gegen die Obrigkeit entspricht mehr deren Mordlust. Ritters Braunhold hat wenig Bedenken: „… ich sehe, daß es gefährlich steht; doch hoffe ich noch immer, daß meine Leute mich in Ruhe lassen, da ich sie nie stark gedrückt, ja ihnen sogar noch Zugeständnisse gemacht und Erleichterungen versprochen habe. Wenigstens glaube ich, daß ich für mein und der Meinigen Leben Nichts zu befürchten habe.“

Zur Krattenburg – es gab sie wirklich – finden sich im Internet auch 2017 Hinweise mit Bezug zu Kuhns Buch, z.B. die Seite von Georg Albrecht aus Altusried, der uns den Abdruck des nachfolgenden Textauszuges von seiner Webseite freundlicherweie gestattete:

Die Krattenburg bei Bad Wurzach
Auf einer flachen Anhöhe am östlichen Talrand über dem Wurzacher Becken befindet sich oberhalb von Ziegelbach die Krattenburg. In aussichtsreicher Lage ist sie eine rechteckige Befestigungsanlage. An Süd- und Ostseite sind jeweils Wall und Graben erhalten, die geradlinig in einer Länge von 80m und 120 m verlaufen. Der Graben ist noch bis 3 m tief, der Wall bis gut 1,50 m aufgeschüttet. An der Nordseite führt ein tiefer und breiter Hohlweg, bergwärts die Kante durchschneidend, auf die Anhöhe. Wall und Graben sind hier bis auf eine flache Senke abgetragen. Die nach Westen weisende Talseite fällt mit einem 15 m hohen Steilhang ab. Der natürliche Schutz machte hier einen Wall überflüssig.
Geschichtliche Infos: Die Anlage wird erstmals von Rudolf Rauh 1962 als spätkeltische Viereckschanze bezeichnet. In der älteren Schweizer Burgenkarte ist sie als Burgstelle eingetragen, die TK bezeichnet sie als ehemalige Krattenburg. In einer phantasievollen Erzählung aus den Zeiten des Bauernkriegs schildert Kaspar Kuhn die Zerstörung der Krattenburg durch einheimische Bauernscharen.
Form und Erhaltung der Wallanlage weisen klar auf mittelalterliche Erbauung hin; auch Umbauten einer älteren Anlage sind nirgends erkennbar. Eine Adelsburg scheidet wohl ebenso wie eine keltische Viereckschanze aus. Denkbar wäre aber ein Militärlager in strategisch günstiger, aussichtsreicher Lage mit Blick über das gesamte Wurzacher Becken. Der Name Krattenburg dürfte sich auf die im 17. Jahrhundert abgegangene Siedlung Krattenweiler beziehen, die offenbar nördlich davon lag. 1568 zählte sie noch 6 Höfe, 1651 brannte offenbar der letzte Hof ab.
Für Krattenweiler, bzw. Oberziegelbach wird zwar ein Ortsadel genannt, jedoch ohne Quellenbelege. Krattenweiler; es gab einen Kratt von Weiler; Oberziegelbach, abgegangene Burg mit Ortsadel 1290. Sicher ist, dass Georg Kratt von Weiler ein Wohltäter der Ziegelbacher Kirche war, denn noch im 18. Jahrhundert wurde in der Kirche ein Jahrtag für ihn abgehalten.

Ein Besuch der Krattenburg lohnt sich, schon allein wegen der Aussicht.

(Ende der Zusammenstellung; Helmut Scharpf, 04/2017)
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Beginn der Abschrift (unter Beibehaltung der damals üblichen orthografischen Eigenheiten)

S. 2 (pdf-S. 8):

Aus einer Berges-Ecke, welche die östliche, plötzlich nach Osten sich wendende Hügelreihe bildet, lag zu jener Zeit die Krattenburg, welche stolz und romantisch auf das Thal herabschaute und durch einen düstern Fichtenwald, der ihren Hintergrund bildete, ganz malerisch hervorgehoben wurde. An einen regelmäßigen Bau war, wie bei den meisten Burgen der damaligen Zeit, nicht zu denken, eben so wenig an guten Geschmack und Bequemlichkeit. Die fast klafterdicken Mauern mit den schmalen gothischen Fenstern sorgten nicht sowohl für Licht, als für Sicherheit. Zu letzterem Zwecke dienten auch die tiefen Gräben im Süden und Osten der Burg, während auf den beiden anderen Seiten die Natur selbst durch den steilen Abhang einen plötzlichen Ueberfall sehr schwer machte. In der äußersten Ecke wurde die Burg von einem noch festeren Wartthurme überragt, der die Stürme von Jahrhunderten schon hatte vorüberbrausen lassen, ja vielleicht noch den Römern seinen Ursprung verdankte.
In dieser Burg herrschte nach Beginn des sechzehnten Jahrhunderts Ritter Braunhold mit seiner Gemahlin Adelgundis, die er nach einem Turniere zu Ulm als Braut heimgeführt hatte. Nur ein einziges Kind war die Frucht dieser Ehe, eine lieblich blühende Tochter, Namens Emma, welche beim Beginn unserer Erzählung etwa 9 Jahre oder etwas darüber alt sein mochte.
Der tapfere und kampflustige Ritter war oft lange Zeit nicht zu Hause; treu und kräftig stand er dem deutschen Kaiser Maximilian I., so wie später dessen Nachfolger Karl V. mit Rath und Schwert helfend zur Seite. So blieb denn die Erziehung der Tochter der Mutter fast allein überlassen; aber sie war auch die geeignete Frau dazu. Von dem alten

S. 3 (pdf-S. 9):

und edeln Geschlechte der Bodmann abstammend, war sie in all dem, was damals einer Rittersfrau zu wissen nothwendig war, oder zur Zierde gereichte, gut unterrichtet, besonders im Gesange und im Lautenspiele, und konnte somit auch ihrer Emma eine standesgemäße Erziehung geben. Sie gab ihr aber nicht eine Erziehung, die bloß in nützlichen Kenntnissen, artigem Benehmen und seinen Redensarten allein bestand, sondern auf acht christlichen Grundsätzen beruhte. Da zur Zeit kein Burgkaplan da war, so unterwies sie die für alles Gute sehr empfängliche Tochter selbst in der Religion und nahm sie oft mit die Kirche nach Ziegelbach, das nur eine Viertelstunde entfernt, unten in der Ebene liegt. Dort im ehrwürdigen Gotteshause, wo das sehr alte und schöngeschnitzte Bild der Himmelskönigin damals von vielen frommen Pilgern besucht wurde, empfahl sie ihr liebes Kind dem Schutze Gottes und der Mutter der Barmherzigkeit und gab dabei dem Volke und ihren Unterthanen durch ihre Andacht das schönste Beispiel. Wenn Mutter und Tochter dann so recht innig gebetet hatten, kehrten sie trosterfüllt und geistig gestärkt nach ihrer Burg zurück, so daß selbst die Beschwerden, welche das Besteigen des Berges für sie hatte, von ihnen nur wenig gefühlt wurden. Oftmals nahm sie ihre Tochter auch mit sich in die Wohnungen des Elendes, nahm sie mit zu Kranken und Nothleidenden, denen sie Hilfe und Linderung brachte und Unterstützung reichte.
Zu Zeiten, da der Ritter zu Hause war, ging es oft laut und lebhaft zu in der Burg. Braunhold war ein Freund des Vergnügens und der Gesellschaft, der Spiele und des Gesanges; und so gab es häufig Besuche von benachbarten Rittern und adeligen Herren, von Freunden und Waffengefährten und Minnesängern. Laut wiederhallten dann die alten und sonst so stillen Gemächer von Gesang und Becherklang. Adelgunde jedoch hatte daran wenig Freude; am liebsten war es dieser sanften und zartbesaiteten Frau, wenn

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sie und Emma mit ihrem Gemahl allein sein konnte, und er in seiner heiteren Weise von seinen Erlebnissen, oder von schönen Gegenden und Städten, die er gesehen, und edeln Familien, die er kennen gelernt, ihnen erzählte. Was hatte er da alles zu erzählen, als er später einmal, nämlich im Jahre 1519, von der Krönung Kaiser Karl’s V. von Aachen zurückkam! von der glänzenden Versammlung aller deutschen Fürsten und des ganzen Adels, von den prunkvollen Gesandtschaften der fremden Höfe, von der nie gesehenen Pracht und der erhebenden Feierlichkeit bei der Krönung selbst! Mit Begeisterung rühmte er, daß Deutschland jetzt unter einem Kaiser stehe, in dessen Reich die Sonne nie untergehe. Denn Karl V. herrschte ja nicht nur über Deutschland, Burgund, die Niederlande, Mailand, Neapel und Spanien, sondern auch über all die unermeßlichen Länder, welche von den Spaniern in Süd- und Nord-Amerika erobert worden waren. Doch seine Regierung war nicht glücklich. Denn schon in den nächsten Jahren sollten wilde Revolutionen und unheilbare Spaltungen Deutschland verheeren und für immer zerreißen.

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(…) Nahe bei der Quelle, am Fuße der steilen, mit Buschwerk bewachsenen Bergwand, lag aber auch eine ärmliche Söldnerwohnung. Der Besitzer war ein Waffenmann, ein Reisiger des Ritters Braunhold, und war oft mit ihm im Felde, in Fehden und Gefahren, und mußte fern sein von seiner kranken Gattin, fern auch von einem anderen Wesen, das ihn: theuer war, ja ihm noch mehr am Herzen lag. Er hatte einen lieben Sohn, einen muntern, reich begabten Knaben. Wie mußte es den Vater Arnold schmerzen, wenn er oft lange Zeit seinen lebhaften Konrad nicht beaufsichtigen, nicht heranbilden konnte, ihn sich selbst überlassen mußte! Denn was konnte von der kranken Mutter verlangt werden? Die Sorge für seine kranke Mutter, der Dienst am Altare in Ziegelbach als Ministrant, das Hüten seiner Kühe auf hochgelegener Bergeshalde ließen immerhin ihm noch Zeit, verschiedene nützliche Dinge zu lernen und besonders sich recht innig mit der schönen Natur zu befreunden.

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(…) und wie gern hätte er in der Nähe des tapfern Ritters und der sanften Burgfrau weilen, wie gern mit der lieblichen und herzensguten Emma reden mögen! Aber wie sollte ein armer Knabe an so was denken dürfen? Und doch sollte es noch geschehen! Sein Vater, der oft in die Burg kam, hätte den Jungen, von dem er oft darum gebeten wurde, wohl einmal mitnehmen können; aber er wollte seiner Herrschaft weder lästig sein, noch für weitere Begünstigungen sich verpflichten lassen, da seine kranke Frau ohnehin schon von Adelgundis viele Unterstützung erhielt.
Es war an einem schönen Sommerabende des Jahres 1512, am Feste des Kirchenpatrons Kilian, als Konrad am Berge seine Kühe hütete und oft wieder sehnsüchtig zur erhabenen Burg emporschaute; da er einige Schritte von sich auf dem Fußwege, der über sein Feld führte, Etwas, von der schon tief stehenden Sonne beschienen, lebhaft glänzen sah. Er glaubte anfangs, es könnte eine Glasscherbe sein, ging aber dann doch hinzu und sah zu seiner großen Ueberraschung, daß es ein goldener Fingerring sei. Wer anders sollte ihn wohl verloren haben, als die gnädige Frau, welche erst vor ein paar Stunden, mit Emma von der Kirche zurückkehrend, hier vorübergegangen war? Er verwahrte den schönen Ring sorgfältig, trieb bald ein und zeigte, der Vater war nicht zu Hause, ihn seiner Mutter. Diese erlaubte ihm dann, den Ring sogleich in die Burg zu tragen, wo man ihn wahrscheinlich schon lange vermissen werde.

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Niemand war froher, als Konrad, daß er nun Gelegenheit erhielt, einmal in’s Schloß zu kommen. Sein Feiertagsgewand hatte er ohnehin noch an, und so ging er sogleich, um der Burgfrau den verlorenen Ring zu bringen. Schon als er beim Thore hineinging, nahm er, obschon er Niemand im Hofe sah, vor Respect seine Mütze ab. Als er dann die Stiege hinauf stieg, klopfte ihm doch vor Bangigkeit das Herz, aber auch vor Erwartung. Oben angekommen, sah er verschiedene Thüren, aber welche war wohl die rechte, die in’s Wohnzimmer der Rittersfamilie führte? Da er wußte, daß es zum Anstand gehöre, an der Thüre anzuklopfen, so entschloß er sich, gleich bei der nächsten Thüre dieß zu thun.
(…)

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(…) Konrad wurde nun in das Wohnzimmer geführt, wo der Ritter und die Burgfrau recht freundlich mit ihm sprachen, seine Redlichkeit lobten und ihm ein kleines Geschenk gaben, was ihn so ermuthigte, daß er den Wunsch auszusprechen wagte, einmal die Waffenhalle ansehen und den Wartthurm besteigen zu dürfen. Da die Sonne schon untergegangen war, und es in der Burg düster zu werden anfing, wurde ihm erlaubt, morgen um 10 Uhr wieder kommen zu dürfen, da könne er dann Alles sehen. Ganz selig ging er nun heim und erzählte der Mutter sowohl von der Verlegenheit, in die er gekommen, als auch von dem großen Glücke, das ihm schließlich widerfahren war.
Die kurze Sommernacht war für Konrad viel zu lang, und auch der Morgen ging an ihm mit bleischweren Füßen vorüber. Die große Glocke von Ziegelbach, welche mehr als vierthalbhundert Jahre lang den Sterblichen die Zeit angekündigt und die Gläubigen zur Andacht gerufen, hat gewiß nie einem menschlichen Ohr freudiger geklungen, als heute, da sie 10 Uhr schlug.
(…)

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(…) Er trat also ein und wurde von Adelgunde und Emma gar herzlich empfangen; der Ritter war nicht zu Hause, er war auf der Jagd. Emma wurde nun beauftragt, ihm Alles zu zeigen und zu erklären. Was es da nun Alles zu schauen gab für den wißbegierigen Knaben, der noch nie so etwas gesehen hatte! Der Waffensaal mit den mannigfaltigen Geschossen der früheren Zeiten, mit all den verschiedenen Schieß- und Stichwaffen! Der Rittersaal mit seiner himmelblauen, von goldenen Sternchen verzierten Decke! Die vielen schönen Wappen in ihm und die lange Reihe der Ahnenbilder, welche mit trotziger Miene auf ihn herniederblickten, so daß er sich fast hätte fürchten können! Wie viel gab es da zu fragen! Die Lebensgeschichte eines jeden dieser Ritter hätte er wissen mögen; und der freundlichen Emma machte es Freude, ihm von den berühmtesten etwas berichten zu können; denn obschon sie 2 Jahre jünger, erst 12 Jahre alt war, hatte sie von dem, was ihr Vater von diesen seinen Vorfahren erzählte, sich Vieles gemerkt.
(…)
In der Bibliothek waren nach unseren Begriffen freilich nicht gar viele Bücher, doch für Konrad, welcher außer

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seinem Gebetbüchlein und ein paar Büchern in der Kirche nie ein anderes Buch gesehen hatte, war es eine ganz bewunderungswürdige Büchersammlung, die ihn ganz zur Begeisterung hinriß. „O wie glücklich“, rief er aus, „wer so viele Bücher hat und sie alle zu lesen versteht!“
„Kannst Du denn nicht lesen?“ fragte ihn Emma. „Nicht gut“, gab Konrad traurig zur Antwort; „ich habe ja Niemand, der es mich lehrt.“
„Nun dann will ich mit meiner Mutter reden“, sagte Emma freundlich, „ob Du, wenn sie mir Unterricht ertheilt, nicht auch manchmal an demselben Theil nehmen darfst.“
„O gutes Mädchen!“ rief der Knabe entzückt aus; „wenn Du das zu Wege brächtest, wie dankbar würde ich Dir sein!“
In der Burgkapelle, in welche der sonnige Tag durch die farbigen Glasscheiben nur ein feierliches Dämmerlicht verbreitete, kniete er dann nieder und dankte Gott recht innig für das Glück des heutigen Tages, und beim Scheiden der Emma für ihre liebevolle Bemühung.

Im Stübchen seiner Mutter angekommen, dachte er kaum an das Mittagsesseu, so viel hatte er jetzt zu erzählen von all dem, was er gesehen. Mit welch freudiger Liebe und wie oftmals schaute er heute Abend beim Hüten zu der Burg hinauf und zu den Fenstern, wo die brave Burgfrau wohnte und die engelgleiche Emma! und wie nahm er, wenn eine von ihnen unter dem offenen Fenster sich sehen ließ, so schnell seinen Strohhut ab und winkte ihnen freundlich einen Gruß zu!
Einige Tage später wurde Konrad wirklich in’s Schloß genesen und durfte nun oftmals am Unterrichte Theil nehmen; und er machte auch in kurzer Zeit bewunderungswürdige Fortschritte, nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern auch im Anstande und feinen Benehmen, so daß Alle im Schlosse ihn von Tag zu Tag  lieber gewannen und ihn fast wie einen Sohn des Hauses betrachteten. Da Adelgunde seine

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große Vorliebe für die Natur kannte, so machte sie ihn auch mit manchen Arzneikräutern bekannt und lehrte ihn, sie bei dieser oder jener Krankheit mit Erfolg anwenden. Denn es ist bekannt, daß die adeligen Frauen der früheren Jahrhunderte nicht unbedeutende medicinische Kenntnisse besaßen, und besonders Verwundungen, wie sie in  jener kampflustigen Zeit häufig vorkamen, glücklich zu heilen verstanden. Oftmals suchte Konrad nun auf Heiden und Hügeln, in Feldern und Wiesen und Wäldern nutzbare Heilpflanzen und sammelte Bibernell und Haselwurz, Meisterwurz und Heilkraut und andere brauchbare Pflänzchen. Hätte er aber auch eines finden können, um seine liebe Mutter wieder gesund zu machen.
Für Konrad hatte jetzt ein neues Leben begonnen, oder vielmehr, jetzt fing er erst an zu leben. Jetzt war selbst seine ärmliche Wohnung und sein abschüssiges Ackerfeld am Fuß des Burgfelsens ihm viel theurer geworden; denn was die kranke Mutter und der strenge und ernste Vater ihm nicht zu bieten vermochten, Bildung nämlich und eine recht zärtliche Liebe, das fand er jetzt bei der edeln Burgfrau und noch mehr in  Emma’s kindlichem und unschuldigen Gemüthe, die, obgleich jünger als er, den besten Einfluß auf ihn ausübte und ihn vor manchen Jugendstreichen bewahrte.

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3. „Die alte Hexe.“
(Beschreibung des Rohrsees und seiner Wasservogelwelt. Lachmöve [Lachmöwe], die hier „Alabock“ genannt wird. Diese Aussage fand sogar Eingang in einen ornithologischen Führer. Auf S. 141 wird darin auf Pater Kaspar Kuhn Bezug genommen:
Pater K. KUHN (1878) geht in seinem Roman „Die Zigeunerhütte am Rohrsee“ wiederholt auf die großen Vorkommen der „Lachmöve“, die in dieser Gegend „Alabock“ genannt wird“ ein (vgl. SUOLAHTI 2000 zur Erklärung des Vogelnamens). Das Verhalten der Vögel wird von Kuhn treffend beschrieben.)

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(Thema „Zigeuner“)

(…) Etwa 100 Jahre vor Beginn unserer Begebenheit waren asiatische Horden, gewöhnlich Zigeuner genannt, zum erstenmal nach Deutschland gekommen, ein Volksstamm, von dem man weder Vaterland noch Religion genauer kennt, und man

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am sichersten annehmen kann, daß sie weder das Eine noch das Andere haben. Auch in diese Gegend war vor einigen Jahren eine Gesellschaft dieses geheimnißvollen Volkes gekommen und hatte sich in jener einsamen Bodenvertiefung niedergelassen und in schnellester Zeit sich eine bequeme Hütte gebaut, woraus man schließen konnte, daß sie längere Zeit die Gegend mit ihrem Aufenthalte beehren wollen. Und wirklich, Wochen und Monate lang wirbelte der Rauch aus dieser Grube empor, wo sie hausten und kochten und von dem, was sie von den umliegenden Bauern, mit oder ohne deren Wissen, bekamen, in aller Gemüthlichkeit lebten. Endlich aber waren sie plötzlich aus der Gegend verschwunden; Niemand hatte ihren Abzug bemerkt. Eine alte Zigeunerin jedoch war zurückgeblieben und machte auch nicht Miene, die Hütte sobald verlassen zu wollen. Es war eine große und kräftige Gestalt. Ihr Leib war in ein gelbliches Gewand von orientalischem Schnitte gekleidet, und um ihr Haupt ein scharlachrothes Tuch gewunden, das mit seinen Enden phantastisch im Winde flatterte. Ihr von pechschwarzen Locken umwalltes Gesicht war ernst und ausdrucksvoll und von Sturm und Wetter geschädigt, von Leidenschaften und Schicksalsschlägen gezeichnet, zeigte aber jetzt noch Spuren der früheren Schönheit und der verlorenen Reize. Ihre feurigen schwarzen Augen rollten wild in den Höhlen und schienen sogar auf zeitweiligen Wahnsinn hinzudeuten.

Wochen lang sah man sie nicht mehr, plötzlich aber war sie wieder sichtbar; am ehesten erblickte man sie auf der Höhe neben der Grube, wenn es furchtbar stürmte und wetterte, und ihr Kopftuch dann, wie eine Flamme, im Winde flatterte, und sie ihre mageren Hände krampfhaft gegen die krachenden Gewitterwolken emporstreckte. Oder sie stand auch unten am See und sang in  höchster Aufregung unverständliche Gesänge über die brausenden Gewässer hin. Kein Wunder also, wenn die Leute der Gegend diese sonderbare und unheimliche Frau

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mit einer gewissen Scheu betrachteten und für eine Zauberin hielten, weßhalb sie auch fast allgemein nur „die alte Hexe“ genannt wurde.
Jenes Zeitalter, das am Wunderbaren und Abenteuerlichen sein Wohlgefallen hatte, schmückte das Leben und Treiben der fremden Miglantha, wie sie sich nannte, in Bälde mit verschiedenen Sagen und schauerlichen Vorkommnissen aus. Bei Vielen herrschte besonders die Ansicht, daß sie eine große Gewalt über die Gewitter habe und selbe nach Gutdünken leiten und zum Schaden oder Nutzen der Leute beherrschen könne. Es wird behauptet, daß, als einmal bei schönstem Wetter ein Kahn über den Rohrsee fuhr, bei Miglantha’s Erscheinen auf dem Hügel plötzlich ein solcher Sturm entstanden sei, daß der Kahn umschlug, und der Fischer sammt seinem Knaben in den Wellen den Tod fand. Den an’s Ufer geschwemmten Leichnam des Knaben habe sie dann in ihre Hütte getragen und wahrscheinlich zu Zaubermitteln verarbeitet. Gegen Jedermann war Miglantha kalt und verschlossen, selbst gegen Solche, welche ihr Wohlthaten erwiesen. Sie nahm diese zwar an, aber ohne das geringste Zeichen von freudiger Dankbarkeit; ja es kam sogar vor, daß sie selbe geradezu zurückwies, nie jedoch auf eine so unfreundliche Weise, als wie Ritter Braunhold von Krattenburg es einmal erfuhr. Nach einer Entenjagd auf dem Rohrsee hatte er den Hügel, auf welchem Miglantha’s  Hütte lag, bestiegen und die freundliche Aussicht genossen, und wollte nun auch die „alte Hexe“, von welcher er schon so viel und so Sonderbares gehört hatte, selbst sehen und sprechen. Sobald er aber ihrer Hütte sich näherte, fuhr sie, wie eine giftige Schlange, welche man in ihrer Ruhe gestört, heraus,  trat ihm entgegen und rief in höchster Aufregung: „Halt und betritt nicht meine Wohnung! Ich hasse Deine Gegenwart, wie das Almosen, welches Du mir zu geben gedenkst. Willst Du mir eine

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Wohlthat erweisen, so entferne Dich auf der Stelle von der Unglücklichen, die es durch Dich ist!“ Mit diesen Worten ging sie in die Hütte und verschloß die Thüre und öffnete sie nicht eher wieder, als bis der Ritter die Grube und den Hügel verlassen hatte.
Da man ihr eine fast übernatürliche Gewalt zuschrieb, und sie in der That die Kräfte der Natur und jedes Heilkräutlein kannte, so wurde sie bei Erkrankungen des Viehes und selbst der Menschen oftmals zu Rathe gezogen und um ihre Hilfe angegangen. Ja, sie erschien häufig sogar ganz unerwartet und ungerufen, ohne daß man wußte, wie sie Nachricht von dem Unglück haben konnte, an Ort und Stelle, mitunter selbst zum Verdruß und Schrecken der Leute; denn geliebt wurde sie von Niemanden, gefürchtet aber von Allen; einige Wenige auch bemitleideten sie. Denn daß sie unglücklich und gestörten Geistes sei, sah Jedermann, und daß ihr der Trost der Religion fehle, wußte man auch. Man hatte sie zwar schon in der Kirche zu Ziegelbach gesehen, aber ganz theilnahmslos; besonders aber fiel es auf, daß sie nie das Kreuz machte und überhaupt das Kreuz zu verabscheuen schien. Sie selbst war auch dann, wenn sie Hilfe leistete, gegen Jedermann kalt und verschlossen und schien fast mehr am Unglücke, als am Glücke der Menschen ihre Freude zu haben. Nur ein lebendes Wesen war es, dem sie wirklich wohlgewogen zu sein schien, und dieses müssen wir jetzt kennen lernen.

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4. Ein eigener Knabe.
(Freundschaft Joseph – Konrad; Ausflug ins Wurzacher Ried; Joseph will Mönch werden, wird in Schussenried jedoch nicht aufgenommen. Auf dem Weg nach Ochsenhausen trifft er auf Pater Gerwig Blarer vom Kloster Weingarten, der beim Abt ein gutes Wort für ihn einlegt.
Auch in Ochsenhausen wird er trotzdem eingelassen (S. 49, pdf 55), bekommt aber den Tipp, sich bei den Franziskanern in Appenzell zu bewerben. Aber als „Ausländer“ waren die Bedingungen dort schwierig und Joseph begrub seine Pläne.

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(Luther)
9. Eine andere Zeit bricht an.

Unterdessen waren Ereignisse ganz ernster und weitgreifender Natur in Deutschland vor sich gegangen. Schon im Spätherbste des vorigen Jahres 1517 hatte der Augustiner-Mönch Luther Grundsätze zu verbreiten angefangen, die mit der Lehre der katholischen Kirche nicht mehr harmonirten. Und seitdem gingen, da er im Streite mit seinen Gegnern sich stets mehr erhitzte, seine Behauptungen immer weiter, seine Ansichten wurden immer schroffer, seine Lehren immer irrthümlicher. Diese waren freilich von der Kirche noch nicht verworfen, drangen aber jetzt schon unter das Volk und fingen das bisher unerschütterte Ansehen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit zu untergraben, den Glauben wankend zu machen an. Die Unbotmäßigkeit eines Bettelmönchs gegen den Papst selbst war dem Volke eine erwünschte Aufmunterung, auch ihren adeligen Gutsbesitzern und ihren Pfarrern, so gut es ging, den Gehorsam zu versagen. Zwar jetzt ging es noch nicht sogleich, aber der Grund dazu wurde einstweilen gelegt und auf diesem gelegentlich weiter gebaut.
Und wahrlich, der Boden für diesen verderblichen Grundstein konnte nie günstiger sein, als er damals gerade war! Das Volk war unwissend und roh, seine Religion großentheils nur eine ganz unerbauliche, mechanische Aeußerlichkeit;

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von richtiger und geistiger Auffassung der Heilswahrheiten oft keine Spur, und was der Lebendigkeit des Glaubens abging, mußte der Aberglaube ersetzen. Und an diesem traurigen Zustande war die Lauheit und Unwissenheit vieler Priester und Bischöfe der damaligen Zeit nicht die geringste Ursache. Die Bauern waren Leibeigene und waren gedrückt und verachtet, was nur Haß gegen den oft übermüthigen Adel und die reichen Klöster hervorrufen konnte. Kein Wunder also, wenn diese neuen Ideen und die etwas später erfolgten wirklichen Aufforderungen von Seiten einiger Reformatoren, diesem Druck ein Ende zu machen und das harte Joch abzuschütteln, von den Bauern gierig aufgefaßt und zu ihrem Vortheil verwerthet wurden. Doch wir wollen einige von diesen Leuten selbst kennen lernen und reden hören!
An einem kalten Dezembertage des Jahres 1518 saßen im Wirthshause zu Heidgau mehrere Männer beisammen, deren ganzes Wesen schon zeigte, wessen Geistes Kinder sie waren, noch mehr wurde es klar aus ihren Reden.
„Eine verfluchte Calamität!“ rief ein dicker und äußerst roh aussehender Bauer, indem er mit seiner massiven Faust aus den Tisch schlug, „daß man fortwährend in Geldnoth ist! man könnte sonst diesen Winter so gemüthlich mit einander im Wirthshause zubringen. Hi hi hi.“
„Hast Recht, Motzinger“, rief eine schmächtige und blasse Figur, der Schweinschneider von Heidgau, welcher jeden Satz, den er sprach, mit einem kräftigen Fluch begleitete, und der jedesmal hinzuzudenken ist; „hast ganz Recht! Aber woher kommt es, daß wir kein Geld haben? —  Daher, weil wir immer für Andere arbeiten müssen.“
„Ja, für den Kerl dort droben“, ergänzte der Sattelbauer von Rohrbach des Andern Antwort, indem er gegen die Krattenburg seinen musculösen Arm ausstreckte.
„Ich meine“, schrie Motzinger, „es kommt bald eine

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Zeit, da es anders wird, es muß anders werden! hi hi“, wie gewöhnlich ein wieherndes Gelächter aufschlagend.
„Ja, Hagel und Donner! es muß anders werden!“ respondirte der Schweinschneider. „Aber wie soll’s anders werden?“
„Wenn wir all die vornehmen Blutsauger todtschlagen“, sagte Motzinger. „Hab’ ich nicht Recht? Hi hi hi.“
„Ja, das wird das Beste sein“, bestätigte der Sattelbauer, sein sinnlich ausgeschämtes Gesicht durch ein teuflisches Lächeln noch mehr entwürdigend. „Denn daß man diesem Lumpen dort droben mit seinen Blechhosen nur den rothen Hahn auf das Haus setzt, wie ich schon oft im Sinn gehabt, damit ist nicht geholfen."
„Nein, nicht geholfen“, lallte der Schweinschneider, welcher schon wieder betrunken war; „wir müßten ihm selbst sein Nest wieder aufbauen; das sag’ ich.“
„Warum redest denn Du gar nicht, Müllerhans?“ rief Motzinger; „Du hockst ja da, ob Du den stummen Teufel im Magen liegen habest, von welchem der Pfarrer schon einmal gepredigt hat. Hi hi.“
Zornflammenden Blickes brüllte dieser: „Schweig’ mir von den Pfaffen, oder ich werde noch fuchtiger! —  Ja, einer gefällt mir, der nämlich, welcher gegenwärtig in Sachsen Freiheit predigt und selbst dem Papst den Gehorsam aufkündigt; dieser Luther, oder wie er heißt, der ist mein Mann!“
„Ja, der ist unser Mann!“ schrieen die Anderen, „der soll leben!“ und leerten dabei ihre großen Bierkrüge.
„Wer ist denn dieser Papst?“ schrie der Sattelbauer; „ist er auch so ein Blechritter?“
„Da kennst Du dich schlecht aus in diesem Zeug, Alter!“ rief der Schweinschneider lachend, „er ist ja der oberste Bischof, und was ein Bischof ist, wirst Du doch wissen?“

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„Das mein’ ich“, sagte der Sattelbauer; „hab’ ja als Bub’ eine Ohrfeige von einem bekommen.“
„Hattest aber“, sagte Motzinger, „wahrscheinlich schon damals zwei verdient; hi hi hi.“
„Wir brauchen keinen Papst und keinen Bischof“, lärmte der besoffene Schweinschneider.
„Und unsern Pfaffen da drüben in Ziegelbach“, brüllte der Müllerhans, „werden wir hoffentlich auch bald wegbringen; wir machen diesem kranken Herrn Aerger bis es ihn verreißt.“
Als sie noch lange solch saftige Gespräche geführt, sich gegenseitig erhitzt und dabei viel Bier und Schnaps vertilgt hatten, trat ein großer und stämmiger Mann zur Thüre herein, aus dessen Blick und Miene der roheste Trotz und die brutalste Gewaltthätigkeit herausblickte. Sein Gewand bestand aus ledernen Beinkleidern, die von ihrer ursprünglichen Farbe nur noch undeutliche Spuren zeigten, und in einem abgetragenen Kittel von grobem Wollentuche, der etwas weniger baufällig war, als seine Hosen. Den sehr verwitterten, mit einer rothen Feder verzierten Filzhut hatte er schief und herausfordernd auf seine buschigen schwarzen Locken gedrückt.
„Himmel! wo kommst Du her, Fimmelmayer?“ rief Motzinger.
„Geradenwegs aus dem Zuchthaus“, gab dieser mit trotziger Stimme zur Antwort. „Wirth, bring’ mir eine Maß!“
„Ja, Saperment! und die bezahl’ ich", lallte der Schweinschneider.
„Also deßhalb“, sagte Motzinger, „daß Du einige Reh und Haasen geschossen, die unsere Saatfelder verwüsten, hat Dich der Krattenburger einsperren lassen? Hi hi hi.“
„Ja, 2 Jahre lang, wofür ihn Gott ewig verdammen

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möge“, brummte Fimmelmayer und schoß feurige Blicke der Rache aus seinen rollenden Augen.
„Hab’ nur Geduld, es muß bald anders werden!“ meinte der Sattelbauer; „wir müssen allmälig daran denken, uns selbst zu helfen.“
„Wenn alle gleich gesinnt wären, dann wären wir mit diesen Blechhosen und Prälatenbäuchen bald fertig“, sagte der Wirth mit seinem blasirten Biergesichte. „Wir in Heidgau stehen alle wie ein Mann. Dächten alle Bauern der Herrschaft so wie wir, so würden wir dem Krattenburger bald den Daumen auf den Nabel setzen.“
„So einig sind wir in Rohrbach noch nicht“, sagte der Sattelbauer; „wir haben ein paar so bigotte Pfaffenfreunde, denen man gar nicht trauen darf, wenn man nicht verrathen werden will.“
„Sie sollen’s nur probiren“, brüllte Müllerhans, „dann sehen sie das Tageslicht nicht mehr gar lang; mit solchen Schuften mach’ ich wenig Federlesens.“
„Dafür bin ich nicht“, sagte Motzinger, „daß man sie gleich aus der Welt schafft, aber bei jeder Gelegenheit muß man sie so behandeln und so drangsaliren, daß sie selbst gehen und uns Männern des Fortschritts und der Freiheit das Feld räumen.“
„Recht so!“ stammelte der Schweinschneider, welchem der Schnaps immer mehr in den Kopf stieg. „Diese Kerls, welche sich von den geistlichen und weltlichen Tyrannen Alles gefallen lassen, müssen wir unmöglich machen; sie müssen unterdrückt, um Ehre und Reparation gebracht werden!“
„Um Reputation meinst Du? Hi hi hi.“
„Mag sein“, sagte der Schweinschneider; „ich weiß nur, daß es mit Re anfängt.“
„Ich habe“, sagte der Sattelbauer lachend, „auch mit einem Reh angefangen und mit einem Fuchs, oder vielmehr mit

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dem Zuchthaus’ aufgehört; es ist mir gegangen wie dem Fimmelmayer.“
„Was? wie mir gegangen?“ brummte dieser. „Ja, in’s Zuchthaus bin ich gekommen, aber deßhalb hör’ ich mit Wildschießen nicht auf; heute Nacht schon gehe ich wieder auf die Jagd, und lieber als der schönste Rehbock, käme mir der Ritter selbst schußgerecht, damit ich ihn zum Teufel schicken könnte!“
„Was ihr da schwätzt“, rief jetzt der Wirth, „hat keine Bedeutung und führt zu gar nichts! Bleibt bei dem, was auf unsere Bestrebungen Bezug hat! Werbet Anhänger, verbreitet unsere Grundsätze, räumet mit den letzten Ueberresten der Ritter- und Pfaffenfreunde auf und schaut besonders, daß wir eine tüchtige Jugend bekommen, und da rathe ich euch, euere Kinder nicht mehr in die Christenlehre zu schicken, sonst wird das, was wir ihnen beibringen, gleich wieder verdorben!“
„Der unsrige in Ziegelbach“, sagte Motzinger, „ist ein kranker und lebensmüder Mann, der verdirbt nicht viel; der liebe Gott möge ihn noch lange erhalten! Hi hi hi.“
„Also, um noch einmal darauf zu kommen“, schrie der rohe Müllerhans, „diesen Betbrüdern und Herrenfreunden müssen wir von jetzt an fest auf’s Genick steigen, damit wir sie auf unsere Seite, oder weiter bringen! Wie wäre es, wenn wir gleich nächster Tage mit dein Friedbauer in Rohrbach den ersten Versuch machten, wenn Mehrere von uns ihm und seinem überspannten Sohne und seinem gar so gottseligen Weibe einen unlieben Besuch abstatteten und diese heilige Familie schändlich bearbeiteten?
„Ich bin dabei“, rief Motzinger.
„Ich auch“, lallte der besoffene Schweinschneider, fiel aber im nämlichen Augenblicke über den Stuhl hinab und blieb unter dem Tische liegen.

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„Wenn ich meinem frommen Nachbar bisher Etwas zufügen konnte“, sagte der Sattelbauer, „war ich noch immer dabei, bin also damit einverstanden.“
„Mit solchen Memmen“, brüllte Müllerhans, „müssen wir gründlich aufräumen, dann werden jene vornehmen Faulenzer auch bald unter unseren Füssen liegen, wie jetzt gerade der Schweinschneider. He, lebst noch?“
„Allerdings“, brummte dieser unter dem Tische, „hab'“ jedoch einen verfluchten Durst.“
Nun ergriff Fimmelmayer seinen Maßkrug und schrie: „Es lebe die Freiheit, alles Andere ist nur Schwindel!“
„Ja“, riefen die Anderen, „die Freiheit lebe, aber nur für uns!“

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10. Eine Gewaltthat.

Weihnachten war herangekommen, die liebliche Zeit des Friedens für Die, welche eines guten Willens sind. Eine dicke Schneedecke lag über der ganzen Gegend, und die Bäume und Gesträuche waren feenhaft mit Duft verziert. Wer nicht genöthigt war, der Kälte sich preiszugeben, blieb in der warmen Stube, im Kreise der Seinigen oder gleichgesinnter Freunde.
Auch im Hause des Sattelbauern zu Rohrbach saß am Abende des zweiten Weihnachtsfeiertages eine Gesellschaft Gleichgesinnter beisammen; es waren die Nämlichen, welche wir im Wirthshause zu Heidgau bereits kennen gelernt haben. Obschon sie heute, mit Ausnahme des Schweinschneiders, noch nicht berauscht waren, wurden doch nur rohe und gottlose Gespräche geführt.
„Du, Schweinschneider!“ rief Motzinger mit wieherndem Gelächter und im Tone des Spottes, „am vierten Adventsonntage warst Du auch nicht in der Kirche? Hi hi.“
„Nein“, antwortete dieser; sehe auch nicht ein, warum. Hat’s etwas Interessantes gegeben?“
„Das will ich meinen, hi hi“, lachte Motzinger; „etwas verflucht Interessantes für unser einen. Der Pfaff hat einen Brief von Papst Leo, ich glaub’ dem X., wie sie ihn numeriren, vorgelesen über den Ablaß, aber so, daß kein Mensch

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Etwas davon verstanden hat, wenigstens ich nicht. Denn ich bin, wie ihr wisset, kein Pharisäer, der sich vordrängt, sondern ich bleibe hinten beim Weihkessel stehen, damit ich fort kann, wenn ich mag. Und so hab’ ich’s auch da gemacht, als mir die Sache zu langweilig wurde. Denn es war ja doch Nichts für mich, da ich keine starke Passion in mir verspüre, so einen Ablaß zu gewinnen. Hi hi hi.“
„Vom Gewinnen ist auch keine Rede mehr“, bemerkte spottend der Sattelbauer; „jetzt werden sie ja verkauft.“
„Ja so!“ sagte Motzinger; „jetzt begreife ich, warum Luther so dagegen aufbegehrt hat; denn als  Bettelmönch hat er kein Geld und würde somit leer ausgehen! Hi hi hi.“
„Auf diesen Brief hin“, lallte der Schweinschneider, „wird Luther den Papst ordentlich heimschicken, und ich stimme ihm vollkommen bei.“
„Wem? dem Papste, oder dem Luther?“ brüllt Müllerhans.
„Du Rindvieh!“ rief der Schweinschneider, „kannst Du so dumm fragen? Jetzt ist eine neue Zeit angebrochen, wir brauchen keinen Papst und keinen Teufel mehr, Luther ist unser Mann!“
„Damit ihr sehet“, sagte Müllerhans, „daß auch ich auf die Frömmigkeit schaue, muß ich bemerken, daß der
Schweinschneider heut’ auch nicht in der Kirche war; hat wahrscheinlich bei der Roß-Aderlaß das Blut rühren müssen.“
„Ich habe was Besseres zu  thun gehabt“, stammelte dieser, als das Gesalbader des Pfaffen anzuhören.“
„Was denn?“ fragte Motzinger.
„Den gestrigen Heiligtagrausch hab’ ich ausgeschlafen, um einem andern Platz zu machen.“
Auf solche Weise machten sie noch lange fort, bis endlich Müllerhans sagte: „Jetzt ist’s aber Zeit, dein Friedbauer unseren Besuch abzustatten, sonst geht der Kerl in’s Bett, bevor wir kommen!“

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„Dann muß er wieder heraus“, rief der Schweinschneider, „sonst stecken wir ihm seine Hütte in Brand.“
„Das geht nicht“, sagte der Sattelbauer, „denn da würde die meinige auch zusammenbrennen; und da jetzt alles Wasser zusammengefroren ist, könnte man nicht löschen, wenn der heilige Florian selbst mit seinem Feuerkübel daherkäme.“
„Ja, jetzt gehen wir!“ schrie Müllerhans; „ich muß den Beweis ablegen, wie fein ich sein kann. Denn sein gescheidter Seppel hat schon einmal gesagt, daß ich ein roher Lümmel sei. Also voran!“

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Während diese verwilderten Bauern sich zu einer Gewaltthat anschickten, die mit der heiligen Weihnachtszeit im grellsten Gegensatze stand, wollen nur uns in die friedliche Nachbarswohnung begeben, um bei der Ankunft jener rohen Gesellen schon an Ort und Stelle zu sein.
Beim trüben Scheine eines Oel-Lichtes saß Joseph am Tische und las gerade in einer Hauspostille vom Leben und Martertode des heiligen Stephanus. Links von ihm schlief seine graue Lieblingskatze, und zu seiner Rechten saß seine Mutter und horchte voll Mitleid und in der gespanntesten Aufmerksamkeit auf die fromme Lesung und rief einigemal, wenn sie meinte, der Vater, welcher am Ofen saß, könnte eingeschlafen sein: „Mann, hörst Du, was für einen festen Glauben der heilige Stephan hatte?“
Plötzlich, ohne daß man Etwas hörte, erhob sich die Katze und gab eine große Angst zu erkennen; ihr feines Gehör hatte Tritte vernommen, und ihr Instinkt mochte ihr sagen, daß es keine von wohlgesinnten Menschen seien. Bald darauf hörte man auch Stimmen und sah einen Mann durch das Fenster hereinschauen, dessen Laden noch nicht geschlossen

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war. Gleich nachher wurde heftig an die Thüre geklopft; und während der Vater, sie zu öffnen, hinausging, sagte die Mutter: „Ei, daß wir noch gestört werden müssen!“
„Dieser Besuch“, meinte Joseph, „wird schwerlich lange bleiben, ich werde dann mit Lesen schon noch fertig.“
Jetzt ging die Thüre auf, und wer kam mit dem Vater herein? Motzinger, der Sattelbauer und Müllerhans, und hinten nach wankte noch der besoffene Schweinschneider, also die rohesten und verkommensten Menschen der ganzen Gegend; und so spät noch! Was konnten sie wollen? „Gewiß nichts Gutes“, dachten Joseph und seine Mutter und erschracken heftig.
„So, Seppel!“ sagte Motzinger mit teuflischem Spotte, „liest man gerade fromme Sachen?“
„Er liest“, antwortete die Mutter, „Das, was im Evangelienbuche eben jeden Tag trifft; er wäre bald fertig gewesen.“
„Nun, vom Uebrigen“, rief der Sattelbauer lachend und mit boshafter Miene, „wollen wir ihn heute dispensiren; wir wollen das schöne Krippelein dieses Faulenzers jetzt ein wenig sehen. Wo ist denn dieser Plunder? — Ah, dort im Tischwinkel!“
„Ihr hättet es“, sagte Joseph, „aber bei Tag ansehen sollen, nicht erst bei der Nacht.“
„Beim Teufel!“ rief der Schweinschneider, „auf das kommt’s nicht an; wir nehmen’s halt zum Licht.“ Er wankte dann hin zum Krippelein, ergriff mehrere Figuren und trug sie zur Oel-Lampe und schrie: „Das ist ein schöner Schund! Wer sich an so Etwas erbauen kann, muß einen gewaltigen Leibschaden im Hirn haben. Solcher Zeug gehört hinter den Ofen!“ wohin er die Figuren auch wirklich schleuderte.
Die Mutter schlug über dieses rohe Benehmen die Hände zusammen, der Vater aber sagte mit ernster Ruhe: „Euer später Besuch und euer Betragen sind mir ganz unerklärlich!

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Da weder ich, noch die Meinigen euch je ein Leid zugefügt haben, so hoffe ich, daß ihr nicht in der Absicht gekommen sein werdet, uns zu beleidigen.“
„Gerade das ist unsere Absicht“, lallte der Schweinschneider, „Du alter . . . wobei er einen schrecklichen Fluch ausstieß, um wie gewöhnlich, seinen gehaltlosen Worten Kraft zu verleihen.
„O ich bitte“, rief die Mutter, „nicht zu sacramentiren [fluchen]! das mag ich in meinem Hanse gar nicht hören.“
„Jetzt sind wir Herr im Haus,“ brüllte Müllerhans, „und so thun wir was wir wollen und fluchen, so lang’s uns freut. Ihr könnt, wenn wir fort sind, mit euerem faulen Buben wieder Gebete schnappeln Tage lang.“
„Und mit Dir, du alter Strohkopf“, schrie Motzinger den Friedbauer an, „haben wir ganz besonders ein Wort zu reden. Du bist so ziemlich der Einzige in Rohrbach, der den Sonderling macht, den Verräther spielt, den Rittern und Pfaffen Alles, was wir zur Erlangung unserer Freiheit thun, zuträgt. Dich können wir nicht mehr in  unserem Dorfe brauchen; wir werden Dir das Leben so entleiben, daß Du gern auswanderst.“
„Ich habe“, sagte der Friedbauer, „noch nie den Verräther gespielt und stehe weder mit einem Geistlichen, noch mit einem Adeligen in näherer Beziehung, habe auch gegen Euer unchristliches Treiben noch nie Etwas gethan, obgleich ich es von ganzer Seele verabscheue.“
„Was?“ schrie jetzt der Schweinschneider, „es ist Dir nicht recht, was wir thun? Bei Gott! Dein dummer Schädel ist eben noch 100 Jahre zurück; wart’,  ich will ihn aufwecken!“ und gab dem Friedbauer einen gewaltigen Faustschlag ans den Kopf. Das war dem guten Sohne doch zu viel; die gefährlichen Folgen nicht bedenkend, welche es haben konnte, stürzte er mit Blitzesschnelle auf den Schweinschneider los, ergriff ihn bei der Halsbinde, drehte diese zu und drückte ihn so an die Wand, daß er lahm und blau wurde. Die

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Schnelligkeit, womit dieses geschah, und die Ueberraschung, den schüchternen und friedsamen Jüngling so energisch auftreten zu sehen, hatte die Anderen für den ersten Augenblick thatlos gemacht. Jetzt aber kam der robuste Müllerhans herbei, riß Joseph weg und warf ihn mit solcher Heftigkeit ans den Boden, daß er nicht auf der Stelle sich erheben konnte. Der Vater stand blaß und entrüstet da, die Mutter aber weinte und rief: „O Jesus, sie bringen meinen Joseph ums Leben!“
„Nein, sie bringen ihn nicht um’s Leben, so lang ich das meinige noch habe!“ rief Miglantha, die plötzlich im Zimmer stand, mit entsetzlicher Stimme. Ihre wild rollenden Augen schienen Feuer zu sprühen, und ihre ausgelösten pechschwarzen Locken wallten wild um ihr Gesicht, das dem der Rachegöttin selbst glich. Nachdem sie Joseph, der unterdessen sich erhoben hatte, betrachtet und gesehen hatte, daß er keinen bedeutenden Schaden genommen habe, wandte sie sich an diese rohe Bande mit den Worten: „So handelt ihr mit einem Nachbar, ihr, die ihr nach Freiheit strebt, von Freiheit aber gar keinen Begriff habt, wohl aber Solche, die euere schlechte Gesinnung nicht theilen, zu tyrannisiren versteht.“
„Was geht das Dich an, Du alte Hexe?“ polterte Motzinger; „sei froh, daß wir Dich in Deiner Zigeunerhütte in Ruhe lassen und nicht am nächsten besten Baume aufknüpfen!“
„Meine Hütte“, sagte Miglantha, „steht auf Friedbauer’s Eigenthume, und sein Sohn unter meinem Schutze; an meinem elenden Leben liegt mir nichts, viel aber an dem seinigen. Erst vor 3 Tagen hat er zu meiner zugeschneiten Hütte einen Weg gebahnt, nicht Ihr, die ihr nicht einmal für euere eigenen Kinder Sorge traget.“
„Mich geht das Nichts an, da ich keine habe“, sagte der Sattelbauer, „sonst würde ich der alten Hexe den Schädel einschlagen.“

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„Wozu freilich weniger Muth gehörte“, sagte Miglantha mit höhnischem Lachen, als zu jenem Wagniß vor ein paar Jahren, wißt Ihr wohl? Ich wollte nur sehen, wie weit Euer Muth und Euere Schlechtigkeit gehe. Sattelbauer und Müllerhans, Ihr werdet Euch noch erinnern, daß ich Euch austrug, mir in der Nacht die Leiche des alten Simerle, da er todt im Hause lag, zu einem Zaubermittel zu verschaffen; Ihr brachtet sie aber nicht. Müllerhans hätte auch zu dieser Unthat den Höllenmuth gehabt, nicht aber der feige Sattelbauer; beide aber hatten den guten Willen, und somit seid Ihr, obgleich es nicht geschah, dennoch gemeine Leichenräuber.“
„Das ist zu viel!“ schrie Müllerhans wüthend und zog sein gewaltiges Messer.
„Halt!“ rief Miglantha, ohne eine Spur von Furcht zu verrathen; „ hört, bevor Ihr handelt! Da ihr schon längere Zeit keinen von meinen Landsleuten, die Ihr Zigeuner nennt, mehr gesehen habet, so glaubt Ihr, ich stehe allein. O ihr dummen Christen! Von euerem heutigen Vorhaben wußte ich schon lange, und so stehen Mehrere der Meinigen in  Bereitschaft, Einer in der Nähe dieses Hauses. Gebe ich ein Zeichen, oder bin ich nach Verlauf einer halben Stunde nicht bei ihm, so gibt auch er ein Zeichen, und in wenigen Minuten lodern die Flammen aus deiner einsam stehenden Mühle zum nächtlichen Himmel empor, Du verwilderter Hans, und vielleicht noch aus mehreren menschlichen Wohnstätten. Also verlasset auf der Stelle dieses friedliche Haus, wenn ihr kein Unglück wollt, und geht heim!“    Alle waren verstummt und nicht ohne Furcht und entfernten sie sich; Müllerhans aber brummte der Zigeunerin mit Ingrimm noch zu:   „Deine heutigen Enthüllungen werde ich nie vergessen; wir sehen uns noch einmal, alte Hexe!“
Auch Miglantha verabschiedete sich sogleich von Friedbauer’s Familie, welche ihr herzlich Dank sagte, und kurz darauf hörte man drei schrille Pfiffe durch die Nacht hin;

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es war das Zeichen, daß Miglantha ihren Zweck ohne gewaltsame Mittel erreicht habe, und ihren Leuten Nichts zu thun übrig bleibe.
Wie innig dankten die drei guten Leute Gott, daß sie dieser rohen Bande los geworden! aber mit schmerzlichen und für die Zukunft besorgten Gefühlen gingen sie, nachdem die Mutter Alle noch dem Schutze des Höchsten und der heiligen Jungfrau empfohlen, diesmal zur nächtlichen Ruhe, und noch lange dachten sie mit Schrecken an den Stephanstag des Jahres 1518.

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11. Endlich ein Schritt vorwärts!

Der Winter war vorüber, und der herrlichste Frühling hatte seine Stelle eingenommen. Joseph befand sich aus dem Felde und pflügte den Acker, während nicht weit von ihm sein Vater mit anderer Arbeit beschäftigt war. Die dampfenden Furchen schienen dem Höchsten den Weihrauch des innigsten Dankes für das Erwachen der Natur, die auch den Menschen zur Andacht stimmte und sein Gemüth so wonnig durchzog, emporzusenden. Josephs Geist war heute so heiter, um das Herz wars ihm so leicht, und all das Herbe, das er erlebt, und so manches Mißgeschick, das ihn getroffen, war vergessen, und er jubelte mit jugendlicher Seele: „O Gott, wie gut bist Du!“ und als er in Ziegeldach zur Wandlung läuten horte, hielt er stille, kniete nieder auf die Erde und betete an mit Inbrunst.
Nachdem er etwa anderthalb Stunden geackert hatte, kam der Vater herbei und sagte so freundlich, wie sonst nie, zu ihm: „Laß die Kühe jetzt ein wenig ausruhen und setze Dich zu mir auf den Pflug!“ Joseph gehorchte, obgleich ihm dieses etwas sonderbar vorkam.
„Ich habe, mein Sohn“, fing der Vater an, „in letzterer Zeit viel nachgedacht und auch mit der Mutter darüber gesprochen, daß du deinen Entschluß, geistlich zu werden, nicht hast aufgeben sollen.“

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„Vater“, erwiederte Joseph, „da ich nirgends Hilfe und Aufnahme fand, gab der Entschluß sich von selbst aus; meine Schuld war es nicht.“
„Das weiß ich“, sagte der Vater; „du hast das Deinige gethan. Aber ich meine, Du solltest es noch einmal probiren, und dabei recht beten, damit das Unternehmen gelinge; und ich werde Dich unterstützen, so viel mein geringes Vermögen es erlaubt. Denn daß Du unter solchen Leuten Dein Leben zubringen sollst, wie wir sie am Stephanstage haben kennen gelernt, kann ich nicht verlangen, ja nicht einmal gestatten. Lieber unter guten Menschen arm, als unter gottlosen glücklich sein. Und zudem gestalten sich die Dinge in unserer Gegend so, daß es bald zu einer offenen Empörung und vielleicht auch zum Abfall vom Glauben kommt; denn die Gottlosigkeit und Verwilderung ist fortwährend im Wachsen begriffen.“
Joseph sagte nun gerührt: „Vater, das freut mich, daß Ihr einmal meine Gesinnung theilet und mein Vorhaben
gutheißet!“
Der Vater aber fuhr fort: „ Ich glaube, Du solltest, sobald die meiste Feldarbeit vorüber, nach Einsiedeln wallfahren und dort in jenem großen Kloster um Aufnahme bitten; vielleicht, daß es Dir einmal gelingt.“
„Ich will“, sagte der Sohn, „da Ihr selbst mich dazu ermuntert, es noch einmal versuchen, mache aber, da ich schon öfters erfahren, wie es geht, mir keine große Hoffnungen, zumal das bisherige Haupthindernis größer ist, ich noch älter geworden bin.“
Nachdem sie noch eine Zeit lang gearbeitet, und Joseph die Miglantha auf einige Minuten besucht hatte, was er, ohne sie zu beleidigen, nie unterlassen durfte, kehrten sie mit einander zum Mittagessen heim.

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(Weg nach Einsiedeln; am Abend in Constanz; keine Aufnahme im Benediktinerkloster Fischingen, um dort zu übernachten)

Dadurch schon bedeutend herabgestimmt, setzte Joseph seine Reise fort und fing das „Hörnli“, diesen freistehenden und weitschauenden Bergkegel zu besteigen an; da aber mit jedem Schritt die Fernsicht größer wurde, machte auch Joseph’s Schwermuth bei jedem Schritte mehr der Freudigkeit Platz, und auf dem Gipfel angelangt, war er fast außer sich vor Entzücken, noch überraschter als gestern, da er zum erstenmal an dem Ufer des Bodensee’s gestanden. So etwas Herrliches hatte er noch nie gesehen. Der größere Theil der deutschen Schweiz lag unter ihm ausgebreitet, wie eine Landkarte, mit all ihrer Abwechslung von Berg und Thal, mit dem ganzen Sommerschmucke ihrer Fluren und Obstgärten, mit den in der Morgensonne spiegelnden Seen und den, wie ein Silberband, die Landschaft durchziehenden Flüssen. Aber welch einen Anblick erst bot von hier aus die Alpenkette mit all ihren Gipfeln und Schneefeldern und Gletschern und Farbentönen und mit ihrer ganzen Großartigkeit dar! (…)

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(…) Als sie diesem Gnadenorte näher kamen, und Hunderte von Lichtern ihnen durch die finstere Nacht entgegenflimmerten, fingen dort alle Glocken auf einmal zu läuten und ihre himmlischen Töne erschallen zu lassen an; es war der feierliche Gruß an das morgige Pfingstfest. Von diesen herrlichen Tönen, welche in so majestätischer Harmonie durch die Nacht hin erklangen, hingerissen, rief Joseph ganz begeistert aus: Prächtig, prächtig, daß ich unter solch unvergleichlichen Klängen mich zum erstenmal dem Orte meiner Bestimmung nähere!“ Denn in  seiner Begeisterung dachte er gar nicht daran, daß es auch diesesmal fehlschlagen könne. (…)

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(…) Die nächtlichen Andachten der Wallfahrer in dieser Kirche haben etwas ganz eigenthümlich Erhebendes und Ergreifendes. Hier betet eine Gruppe laut in  deutscher, dort eine andere in französischer Sprache, und wieder an einem anderen Platze der Kirche ertönen romanische oder italienische Gebete oder Gesänge, oft Mehreres zu gleicher Zeit. Wie erhebend war der Gottesdienst am heiligen Pfingstfeste! wie schön die Ceremonien! wie wundervoll die Musik! Wie ergreifend war es, hier Katholiken aus der ganzen Schweiz, aus Deutschland, aus Frankreich und Italien, in ihren verschiedenen Dialekten und Trachten, zum nämlichen Zwecke vereinigt und in tiefer Andacht versammelt zu sehen!
Am zweiten Feiertage entschloß sich Joseph, die Haupt-Angelegenheit in’s Reine zu bringen und im Kloster seine Bitte um Ausnahme vorzutragen. Es läßt sich denken, daß der einundzwanzigjährige ausländische Bauernbursche, der nicht einmal ein Empfehlungsschreiben von irgend Jemanden vorzeigen konnte, auch diesesmal abgewiesen wurde. Schmerzlich berührt, wie noch nie, eilte er nun der Kirche zu und kniete in der hintersten und dunkelsten Ecke auf den Boden nieder, um da unbeachtet seinen Gefühlen sich hingeben und— weinen zu können; er sah sich als den verlassensten aller Menschen au. Den folgenden Tag trat er mit seinen Gefährten beim schlechtesten Wetter die Rückreise an. (…)

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Als er Weingarten näher kam und mit einer gewissen Sehnsucht auf dieser größten und reichsten Benediktiner-Abtei Schwabens, welche ihm stets zu vornehm geschienen hatte, um in ihr das Glück zu versuchen, seinen Blick ruhen ließ; sah er 2 Geistliche auf der Straße daher kommen, und bald erkannte er sie als Benediktiner, und zwar in dem einen seinen früheren Reisegefährten, den Pater Gerwig Blarer. Der zu seiner Rechten war ein alter ehrwürdiger Herr mit einem goldenen Kreuze auf der Brust, das an einer ebenfalls goldenen Halskette hing. „ Das muß der Reichsprälat von Weingarten sein!“ dachte Joseph; und er wollte, ohne den bekannten Pater anzureden, nur grüßend vorübergehen. Aber Pater Gerwig rief, als er näher kam, sogleich ganz freundlich: „Ah! mein Reisegefährte Joseph von Rohrbach! Wo kommst Du denn gerade her?“
„Von Einsiedeln“, war Joseph’s kleinlaute Antwort.
„Dieß ist“, sagte Pater Gerwig zum Abte, „der Jüngling, von dem ich Euer Gnaden schon einmal erzählt habe.“
„Bist Du“, fragte der Reichsprälat, „noch immer Willens, den geistlichen Stand zu erwählen?“
„Ja“, antwortete Joseph ganz schüchtern.
„Nun, so geh“, fuhr der gnädige Herr fort, „unterdessen in unser Kloster und warte im Sprechzimmer, bis wir vom Spaziergange zurückkommen; Pater Gerwig kann Dir dann vielleicht eine erfreuliche Nachricht mittheilen. Behüt“ Dich Gott!“

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Joseph war über diese Worte erfreut und überrasch, und äußerst begierig zu erfahren, was in Weingarten ihn erwarte. Dort angekommen, ging er gleich der Klosterkirche zu, um vor dem Heiligblut-Altare Gott um Segen und Gelingen zu bitten. Dann begab er sich zum Portner und sagte ihm, daß der gnädige Herr ihm zu warten befohlen habe. Kaum hatte er eine halbe Stunde im Sprechzimmer verweilt, wurde er vom Portner in  Blarer’s Zelle geführt. Dieser grüßte ihn recht liebevoll und sagte dann zu ihm: „Gott hat heute Deine Schritte wunderbar geleitet, ja schon damals, als ich aus dem Wege nach Ochsenhausen Dich antraf. Denn, hätte ich damals Dich nicht kennengelernt, so würden wir auch heute schweigend an einander vorübergegangen sein. Also höre: Seine Gnaden, unser Herr Abt, hat unlängst in einer großen Bedrängniß das Versprechen gemacht, den ersten armen Knaben oder Jüngling, der komme und Lust zum geistlichen Stand habe, auf Kosten des Klosters studiren zu lassen und ihn, wenn er es wünsche, in den Orden aufzunehmen. Du hast das Glück gehabt, dieser Erste zu sein, benütze es wohl! Geh’ also morgen nach Hause und komm dann bald zurück; denn bei Deinem vorgerückten Alter ist kein Tag mehr zu verlieren. Diese Nacht kannst Du im Kloster bleiben, und Du wirst, von der weiten Reise ermüdet, wohl recht gut schlafen können.“
Nachdem Joseph dem lieben Pater noch recht innig gedankt hatte, verabschiedete er sich und verfügte sich in  das ihm angewiesene Schlafgemach, legte sich aber nicht eher zur Ruhe, als bevor er auf den Knieen auch Gott den herzlichsten Dank dargebracht hatte.


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12. Der Abschied.
(Abschied von seinen Eltern, von Konrad und „in der Zigeunerhütte“)

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(Abschied auch auf der Krattenburg:)

(…) Er durfte Alles wieder ansehen und auch den Burgthurm besteigen, von wo aus man Schloß Waldburg und den gewaltigen Säntis heute gar so schön und klar erblickte, und zuletzt wurde er noch mit einer guten Erfrischung bedacht, wobei der Ritter und die Burgfrau recht freundlich und herablassend mit ihm sich unterhielten, und Fräulein Emma mit ihrer herrlichen Stimme ein schönes Lied zur Mandoline sang, so daß Joseph ganz entzückt wurde und begeistert ausrief: „Ja, Singen und Musik muß ich auch noch lernen, das ist das Schönste, was es gibt!“ Emma lächelte und mochte denken: „Das geht nicht so leicht, als Du Dir einbildest.“ Beim Abschiede von Ritter Braunhold noch mit einem Geldgeschenke bedacht, verließ Joseph mit freudigem Danke die Krattenburg und schied dann sehr ergriffen von seinem Freunde. (…)
 
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(Miglantha erzählt beim Abschied von Joseph von ihrem einzigen wirklichen Sohn Merwin)

(…) O es war ein Jüngling, wie ich nie einen schöneren gesehen! Seine schlanke Gestalt, sein reizendes Angesicht, seine seelenvollen Augen, die wallenden Locken seines Haupthaares, seine klangvolle Stimme, sein tiefes Gemüth und sein Edelsinn, der nie zu gemeinen Thaten, die in unserem Stamme, wie bei Euch, oft vorkommen, herabsank! Aber: mitgefangen, mitgehangen! heißt Euer unseliges Sprichwort. In der Gegend von Arnach hatten einige Zigeuner sich einen Diebstahl erlaubt, und sogleich ließ der Krattenburger auf sie Jagd machen und bekam drei in seine Gewalt, unter diesen auch meinen Sohn, meinen geliebten Merwin, der bei diesem Vergehen gar nicht betheiligt gewesen. Ohne alles Verhör wurden sie sogleich aufgeknüpft. Als diese Schreckensnachricht mir zu Ohren kam, durchlief ich wie wahnsinnig die ganze Gegend, irrte wirren Geistes in allen Wäldern umher, aber erst am zehnten Tage konnte ich die Unglücklichen, zwischen Himmel und Erde hangend, auffinden. Sogleich erkannte ich meinen Merwin, oder vielmehr, ich hätte ihn bald nicht mehr erkannt, meinen vor Kurzem noch so blühenden Sohn, den schönsten Jüngling unseres

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Stammes, so gräßlich war er anzuschauen. So eben waren, durch meine Ankunft verscheucht, ein Paar Krähen krächzend hinweggeflogen, welche ihm die ehemals so schönen Augen ausgefressen hatten. War es mir da nicht, als ob man mir mit glühenden Hacken das Herz aus dem Leib reiße? Weinen konnte ich in diesem Augenblicke nicht, ich konnte nur Flüche ausstoßen und, auf dem Boden liegend, Rache schwören. O Merwin, Merwin, mein heißgeliebter Sohn, nie mehr soll ich Dich sehen, nie mehr an mein Herz drücken! Denn jenseits uns wieder zu finden, wie ihr Christen wähnt, diesen Trost hab' ich nicht. —  Lange mied ich diese Gegend, um weniger an jenes erschreckliche Ereigniß erinnert zu werden; endlich aber zog ich in Begleitung meiner Leute hieher und ließ mich in dieser Hütte, im Angesichte jener verhaßten Burg, nieder, um den Tag der Rache abzuwarten. Er zögert lange, aber zuletzt kommt er doch; ich will ihn noch sehen und dann sterben. Wenn einmal jene verfluchte Burg meines Feindes in Feuer auflodert, und er selbst im Blute vor mir daliegt, dann ist meines Lebens letzter Zweck erreicht.“
Vergebens suchte Joseph sie zu trösten, vergebens ihren Haß zu mildern und sie zum Verzeihen zu bewegen; er sprach zu tauben Ohren, sie beachtete seine Worte nicht und fuhr fort: „Von jener Zeit an war mir das Leben zuwider, die Menschheit verhaßt; nur zu Dir fühlte ich mich hingezogen, nur Dich konnte ich lieben, denn ich hielt Dich für aufrichtiger und theilnehmender, als alle Anderen. Aber auch Du  willst Dich mir entziehen, auch Dich soll ich nicht mehr sehen? O bleibe, lieber Joseph, und verlaß mich nicht!“
Bei diesen Worten brach sie in einen Strom von Thränen aus, schloß den Jüngling krampfhaft in ihre Arme und bedeckte ihn mit heißen Küssen. Gleich ließ sie ihn aber wieder los und sagte: „O ich Thörin! ich darf,  ich kann Dich nicht zurückhalten von dem, wozu Dich Dein Schicksal ruft; Du mußt groß und glücklich, mein Schmerz aber darf durch

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Nichts gemildert werden! Wenn Du jedoch einst in diese Hütte kommst und mich nicht mehr findest, so denke: „„Sie hat mich doch geliebt, geliebt, wie einen Sohn!““ Nun gehe, und das Glück begleite Dich!“ Erschüttert und mit Thränen in den Augen verließ Joseph die Zigeunerhütte.
Zwar tiefgefühlt, aber in christlicher Ruhe ging der Abschied von seinen Eltern vor sich. Die Mutter weinte allerdings, als sie dem scheidenden Sohne noch das Weihwasser gab, doch ihr unbesiegbares Gottvertrauen sagte ihr, daß es ihm gut gehen werde. Der Vater aber gab ihm das Geleit bis Weingarten und schied dann von ihm mit den Worten: „Sohn, vergiß nie die guten Lehren, welche wir, und besonders die Mutter, Dir so oft gegeben, und betrage Dich überhaupt so, daß die hochwürdigen Herren es nie bereuen, Dich aufgenommen zu haben! Lebe wohl!“

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13. Das Gewitter ist im Anzug.
(biographische Angaben zu Pater Blarer)

Seit Joseph’s Abschied waren bereits 5 Jahre verflossen, und so Manches hatte sich unterdessen zugetragen, wovon wir noch Einiges vernehmen wollen. Konrad’s Mutter war langst gestorben, und Joseph’s Eltern hatten schon vor 4 Jahren ihr Gut in Rohrbach verkauft und waren gu ihrem Sohne nach Weingarten gezogen. Und wie war es diesem seitdem beim Studium ergangen? Wir können sagen: sehr gut. Er machte vom Anfange an seltene Fortschritte, und zwar nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in der Musik, und er war der Liebling all seiner Lehrer, besonders des Gerwig Blarer. Doch dieser war nur ein einziges Jahr sein Professor gewesen; denn im Jahr 1520 war Abt Hartmann von Knötingen gestorben, und Pater Gerwig, der jüngste Priester des Klosters, fast einstimmig zu dessen Nachfolger erwählt worden. Pater Gerwig Blarer hatte einige Jahre auf den Universitäten zu Freiburg, Paris und Bologna studirt, war äußerst begabt und beredt und tüchtig in jeder Beziehung, so daß er später von Papst Julius III. zum Legaten, von Kaiser Karl V. zum Rath, Hofkaplan und Commissär beim Reichskammergerichte ernannt, und von dessen Nachfolger Ferdinand I. in allen wichtigen

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Angelegenheiten zu Rath gezogen wurde. Blarer, vom Jahre 1547 an auch Abt von Ochsenhansen, starb erst 1567, nachdem er 47 Jahre Reichsprälat von Weingarten gewesen. Diesen gelehrten und großen Mann hatte Joseph zu seinem väterlichen Freunde und wohlwollenden Gönner. Seine philologischen Studien gingen nun zu Ende, die Eltern waren in seiner Nähe, und er war nahe daran, in den Orden der Benediktiner aufgenommen zu werden; kein Wunder also, daß er nach seinen früheren Verhältnissen sich nicht mehr zurücksehnte und recht zufrieden und glücklich lebte.
Während dieser Zeit war es in seiner Heimath nicht besser, im Gegentheil noch schlimmer geworden. In diesem Jahre 1524 war der bisherige, immer kränkliche Pfarrer von Ziegelbach gestorben, und an seine Stelle war ein thatkräftiger und seeleneifriger Mann getreten, Namens Melchior Penthaler. Mit aller Kraft ging er sogleich nach dem Antritte seiner so schwierigen Stelle an’s Werk, den revolutionären Geist in seiner Gemeinde zu unterdrücken, sie vor dem Gifte der unheilvollen Neuerung zu bewahren und wieder zur christlichen Zucht zurückzuführen. Aber er sah bald, daß er gegen diese schlimme Geistesrichtung ohne Erfolg ankämpfen werde, indem das Uebel schon zu sehr überhandgenommen hatte, und fast Alle von diesem verderblichen lind unchristlichen Freiheitsschwindel angesteckt waren. Die Rohheit und Zuchtlosigkeit dieser Leute ging bereits so weit, daß sie sogar während der Predigt gegen Pfarrer Penthaler Spektakel machten und solche Störungen veranlaßten, daß der Gottesdienst nicht weiter fortgesetzt werden konnte.
Prediger der neuen Lehre, wie z. B. Schappeler von Memmingen, und hauptsächlich die Wiedertäufer durchzogen häufig die Gegend und hetzten die unklugen Bauern gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit allerorts auf, so daß die Priester es kaum mehr wagen durften, in ihrem schwarzen Talar an einem Haufen dieser fanatisirten Bauern vorüber-

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(Link: Florian von Aichstetten)

zugehen. Den schlimmsten Einfluß auf diese Gegend übte aber offenbar Pfarrer Florian von Aichstetten, der sich an die Spitze des rabiaten Landvolkes stellte. Einen solchen studirten Herrn konnten die Bauern, von denen kaum einige wenige lesen konnten, zu ihren Bestrebungen sehr gut brauchen.
Im Wirthshause zu Ziegelbach waren eines Nachmittags im Herbste 1524 wieder viele dieser rabiaten Bauern beisammen und erhitzten durch Bier und Schnaps und Räsoniren ihre hohlen Köpfe von Stunde zu Stunde noch mehr. Daß unsere bekannten Persönlichkeiten bei dieser Versammlung nicht fehlten, können wir uns denken. Aber auch Pfarrer Florian von Aichstetten war anwesend; er durfte, so weit wars schon gekommen, es wagen, in der nächsten Nähe seines schätzenswerthen Mitbruders, des Pfarrers Penthaler, als Sämann einer unheilvollen Saat öffentlich aufzutreten. Er hielt eine lange und feurige Rede an die Bauern, welche mit offenem Munde ihn anglotzten und ihm Beifall zunickten und zuriefen. Unter Anderem sprach er auch: „Ihr traget vielleicht noch Bedenken, ob unser Unternehmen gelinge? Wer kann da noch zweifeln? Ihr stehet ja nicht allein; in ganz Deutschland bricht der Ausstand auf einmal aus, so daß keiner dieser geistlichen oder weltlichen Tyrannen dem Anderen zu Hilfe kommen kann; Jeder hat mit seinen eigenen Unterthanen zu thun, und wird mit seiner Hand voll Soldaten gegen die Tausende von Sensen und Flegeln und Mistgabeln und auch Gewehren, womit ihr diesen Häuptlingen ans den Leib rücket, entschieden den Kürzeren ziehen und zu Allem sich verstehen müssen, wenn ihm das Leben lieb ist. Ihr seid aber noch lange nicht entschieden genug, noch weit zurück hinter den Bauern in mancher anderen Gegend! Da lobe ich mir die Allgäuer, und ganz vortrefflich steht’s im Kemptischen; da werdet Ihr horchen, wenn jene einmal gegen ihren Fürst-Abt losschlagen! Und warum steht es dort so gut? Weil sich daselbst die Geistlichen des Volkes annehmen.

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(Alle am Aufstand mitverantwortlichen Pfarrer werden namentlich genannt. Die Bauern äußern sich am Ende auch gegenüber Florian von Aichstetten abfällig „wie ein Schwein in der Judenküche“)

Pfarrer Warmer von Haldenwang, Vicar Strohmayer von Oberndorf, die beiden Hilfspriester Riedle und Hafenmayr zu Obergünzburg, ferner die Vicare Röt zu Memhölz, Schwarz zu Martinszell, Batzer zu Buchenberg, Höring zu Legau, Hans Unsinn zu Oberthingau und noch mehrere sind auf unserer Seite, auf Seite der Bauern. Und warum nehmen wir, ich und die genannten Priester, uns um euch an, die anderen Geistlichen aber nicht? Deßhalb, weil jene bei ihren Schäflein nur auf die Wolle, wir aber auf ihr Wohl schauen.“
„Gut gesagt!“ rief der Sattelbauer, welcher allein so glücklich gewesen war, dieses Wortspiel zu verstehen.
Pfarrer Florian aber fuhr fort: „Also nur Muth! Gott ist mit unserer Sache, sofern ihr euere Pflicht thut. Und ist es nicht euere Pflicht, für das Wohl und die Freiheit euerer Kinder zu sorgen? Ist es nicht euere Pflicht, dieser sündhaften Bedrückung ein Ende zu machen? Denn je länger sie dauert, um so gewisser gehen diese Bedrücker ihrem ewigen Verderben entgegen und Ihr mit ihnen, weil Ihr diesem Unwesen nicht Einhalt gethan. Also arbeitet fleißig für unsere Sache, für die Sache des Rechts, für die Sache des reinen Christenthums! längstens bis nächstes Frühjahr muß es losgehen.“
Nachdem dieser saubere Pfarrer noch lange fortschwadronirt und mit Scheingründen den Bauern die Köpfe verrückt hatte, verabschiedete er sich, indem er sagte, daß er auch in Einthürnen und Immenried für die gute Sache heute noch wirken müsse.
Als er die Wirthsstube verlassen hatte, sagte der Sattelbauer von Rohrbach: „Ist halt auch ein Pfaff, dieser Florian, dem nicht zu trauen ist!“
„Und der, obgleich er studirt hat“, versetzte Motzinger, „doch nicht merkt, daß fromme Sprüche in seinem Munde sich ausnehmen, wie ein Schwein in der Judenküche. Hi hi hi.“

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(Es wird vereinbart, zumindest den der Ritter der Krattenburg Braunhold – hier von den Bauern in Anspielung auf seine Rüstung „Blechritter“ – eingesetzten lokalen Pfarrer  Penthaler „loszuwerden“ / „verschwinden zu lassen“; am Ende wird Kuhn den Bauern gegenüber noch sarkastisch: „fromme Discurse“ / „Frau und Kindern ein gutes Beispiel zu geben“)

„Auch davon sagt er Nichts", brüllte Müllerhans,“ daß wir vor Allem uns die Pfaffen vom Hals schaffen sollen. Luther und Carlstadt, und wie jene ausgezeichneten Männer in Norddeutschland alle heißen, haben selbst dem Papst den Gehorsam aufgekündigt, und verlästern ihn, wie wir es auch mit dem besten Willen nicht könnten. Der Papst ist aber doch noch etwas mehr, als so ein Pfarrer oder Frühmesser, und Luther muß als Mönch auch frömmer sein, als wir elende Bauernseelen! Also fort mit den Pfaffen!“
„Wenigstens mit dem unserigen“, sagte der Sattelbauer; „der ist absolut unmöglich geworden!“
„Aber wie ihn fortbringen können?“ sagte Motzinger; „wie es können?“ wiederholte er mit großem Nachdruck.
„Was würde der Krattenburger, welcher ihn gesetzt, dazu sagen?“ „Was hilft ihn das Sagen, wenn der Pfaff auf einmal verschwunden ist?“ sagte halblaut der Sattelbauer. „Und wie lange, meint Ihr“, sagte Fimmelmayer, „wird der Blechritter von Krattenburg noch Etwas zu sagen haben? Das nächste Jahr um diese Zeit ist es schon längst fertig mit ihm!“
„Penthaler muß um jeden Preis fort!“ rief der Sattelbauer, und setzte dann halblaut hinzu: „Unter so Vielen
werden sich hoffentlich ein Paar finden, welche .... Müllerhans, Du verstehst mich schon?“
„Ohne weiters", brummte dieser, „und ich wäre gleich dabei.“
Der betrunkene Schweinschneider, welcher diese geheime Unterredung vernommen, stieß seinen gewöhnlichen Fluch aus und krächzte: „Darüber müssen wir später noch reden!“
Nachdem diese würdigen Pfarrkinder Penthaler’s noch lange solch fromme Discurse geführt, viel Geld vertrunken und dabei fortwährend über schlechte Zeiten geklagt hatten, gingen sie endlich spät in der Nacht zu ihrer Familie heim, um auch Frau und Kindern ein gutes Beispiel zu geben.

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14. Ein Krankenbesuch.
(Warnungen des neuen Pfarrers Penthaler an Ritter Braunhold)

Der neue Pfarrer besuchte den Ritter Braunhold, seinen Patronatsherrn, oftmals und weilte gerne auf der schön gelegenen Krattenburg. Auch heute, es war ein lieblicher September-Abend, saßen Pfarrer Penthaler und Ritter Braunhold vor dem von der schon tief stehenden Sonne lieblich beleuchteten Bergschlosse und schauten auf die bereits kahle Herbstlandschaft hinab. Ihr Gespräch kam, wie gewöhnlich, auf die jetzigen Verhältnisse, auf die rasche Verbreitung der neuen Lehre und auf den in Aussicht stehenden Umsturz aller Dinge.
„Herr Ritter!“ sagte Pfarrer Penthaler, „wir dürfen es uns nicht verhehlen, daß wir in einer kritischen, in  einer gefährlichen Zeit leben, und daß unsere verwilderten und irregeleiteten Bauern gegen uns fortwährend agitiren und uns, so bald sie könnten, vernichten würden.“
Braunhold entgegnete darauf: „Daß sie nicht gut gegen uns gesinnt sind, gebe ich zu, ja ich weiß es vielmehr; aber daß sie offen sich empören sollten, das glaube ich nicht, dazu sind sie zu feige, und haben außerdem doch noch zu viel Scheu und Respect vor uns.“
„Herr Ritter!“ sagte der Pfarrer, „gebet Euch keiner Täuschung hin! Diese Leute sind äußerst gereizt und mit
großem Ingrimm erfüllt, und so ist von ihnen das Aergste zu befürchten.“

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(Warnungen des neuen Pfarrers an Ritter Braunhold; Pfarrer Penthaler wird aus dem Haus gelockt)

„Fast mehr fürchte ich“, sagte Braunhold, „diese lumpigen Zigeuner, die seit einigen Monaten sich wieder sehen lassen und unsere Gegend durchstreifen und es gar nicht gut mit mir meinen, weil ich schon einmal ein paar solcher Spitzbuben habe aufhängen lassen.“
„ Ich weiß nur so viel“, sagte Penthaler, „daß die Zigeuner bei gegenwärtiger Bewegung, die sie Nichts angeht, sich auch nicht betheiligen, aber dennoch mit Sehnsucht einen Aufstand erwarten, um dann im Trüben fischen zu können.“
Während dessen war die Sonne untergegangen; Pfarrer Penthaler verabschiedete sich und ging heim und, nachdem er zu Nacht gespeist und das Brevier gebetet, zur nächtlichen Ruhe.
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Kaum mochte er anderthalb Stunden geschlafen haben, als er aufgeweckt wurde, und Jemand ihn zu sprechen verlangte. Nach Oeffnung der Thüre kam ein junger Mann zu ihm herein; er kannte ihn nicht, wie er überhaupt noch nicht viele seiner Pfarrkinder bis jetzt kennen gelernt hatte. Er fragte ihn also: „Was ist Euer Begehren noch um diese Stunde?“
Jener sagte: „Es ist eine ganz eigene Sache, die mich so spät zu Euch treibt, Hochwürden! Ich ging nämlich vor einer Stunde über die Heide und nahe an der Zigeunerhütte vorbei, da rief mich Einer zu dieser hin und sagte mir, die alte Zigeunerin, welche hier wohne, sei schwer krank, ja schon dem Ende nahe und sie möchte als Christin sterben; ich soll also schnell den Herrn Pfarrer holen. Habet also die Güte und kommet mit, ich werde, da Ihr die Hütte nicht wissen werdet, Euch den Weg zeigen.“
Der Pfarrer sprach: „ Es ist dieses eine sonderbare Sache und bei jetziger Zeit ein gefährlicher Gang! Doch, ich will meine Pflicht thun und, um eine Seele zu retten, die Gefahr

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nicht scheuen. Nachdem er sich mit allem Nöthigen versehen hatte, trat er mit dem Unbekannten die nächtliche Wanderung an, dieser voraus, der Pfarrer immer einige Schritte hinter ihm. Als sie fast eine halbe Stunde schweigsam im nächtlichen Dunkel über die Heide dahingewandelt waren und der Zigeunerhütte schon näher kamen, bemerkte Pfarrer Penthaler, daß sein Führer auf einmal bedeutend langsamer ging und nach allen Seiten sich umsah; er fragte ihn also, warum er denn plötzlich so zögere.
Jener gab zur Antwort: „Es hat Nichts zu bedeuten, ich bin nur ein wenig unwohl geworden.“ Kaum aber hatte er dieß gesagt, als  zwei Männer mit geschwärztem Gesichte aus einem nahen Gebüsche hervorkamen und auf Penthaler losstürzten; es waren Müllerhans und der Sattelbauer von Rohrbach. Der Erstere fragte mit etwas verstellter Stimme: „Wohin, Du Pfaffe, bei dunkler Nacht?“
„Ich wurde“, sagte Penthaler, obgleich überrascht und erschrocken, doch ruhig und gefaßt, „zu der kranken Zigeunerin geholt, aber ich sehe, daß ich getäuscht wurde und in schlimme Hände gefallen bin.“
„O durchaus nicht“, sagte Müllerhans lachend; „wir wollen Dich nur unschädlich machen.“
„Wir gehen jetzt“, sagte spöttisch der Sattelbauer, „mit einander an den See hinunter, und dann wird es bald vorbei sein.“
Mit Gewalt schleppten die beiden handfesten Kerle den Herrn nun fort in der Richtung gegen den Rohrsee; aber es ging, da er sich mit aller Kraft wehrte, nur langsam, so daß sie die Hoffnung, ihn in den See zu werfen, schon beinahe aufgaben; denn der Dritte im Bunde, der Führer des Pfarrers, hatte sich, als die andern Zwei aus ihrem Verstecke hervorkamen, sogleich davon gemacht.
„Wenn Du nicht willig gehst“, brüllte Müllerhans, „so erwürgen wir Dich hier auf der Stelle!“

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(Miglanta greift mit Hilfe von „fünf oder sechs Zigeunern“ ein und rettet den Pfarrer)

„Hier wird Niemand erwürgt!“ rief jetzt Miglantha, die mit fliegenden Haaren dahereilte, „am wenigsten Der, welcher mir Hilfe bringen wollte. Kommt, beeilt euch!“ rief sie nach der Richtung, von wo sie gekommen war. Und fast im nämlichen Augenblicke rannten fünf oder sechs Zigeuner herbei, die auf Miglantha’s Befehl mit wenig Mühe den Pfarrer aus den Händen dieser Schufte befreiten. Beim Abziehen rief Müllerhans der Miglantha noch zu: „Gib Acht, Du verfluchte Hexe, wir treffen uns schon noch einmal!“
Der Pfarrer sprach nun zu Miglantha und ihren Leuten: „Ich danke Euch von ganzem Herzen, daß Ihr mir das Leben gerettet, und ich werde meine Erkenntlichkeit auch durch die That euch beweisen.“
Während dieser Worte war des Pfarrers Führer herbeigekommen und warf sich nun vor ihm auf die Kniee und rief: „Verzeihung, Hochwürden, Verzeihung! O wie thöricht, wie schlecht war ich, daß ich mich dazu dingen ließ, Euch, Hochwürden jenen verruchten Menschen in die Hände zu liefern! Schon auf dem Wege fühlte ich Gewissensbisse, und ich war unschlüssig, ob ich mit Euch weiter gehen, oder Euch von der Gefahr benachrichtigen und heim begleiten sollte. Doch, bevor ich zu einem Entschluß kam, waren wir beim Hinterhalte angelangt. Als Jene dann auf Euch losgingen, befiel mich plötzlich solch ein Schrecken und eine solche Reue, die nicht zu beschreiben ist. Den nämlichen Augenblick erinnerte ich mich auch, daß Miglantha’s Hütte in der Nähe sei, und nicht weit davon Zigeuner vor einigen Tagen ihr Lager aufgeschlagen haben. Und so eilte ich rasch der Hütte zu und gab dieser Frau Nachricht von der großen Gefahr.“
„Welche ich auch ohne Dich beseitigt hätte“, fuhr Miglantha ihn an, welche sich nicht wenig darüber ärgerte, daß ihre unerwartete Hilfe sich so natürlich aufklärte, und sie nicht als die allwissende Helferin in Gefahren erschien.
Pfarrer Penthaler sprach nun mit aller Güte zu diesem

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Menschen: „Du hast den Judas an mir gespielt und hast mich verrathen, spiele von jetzt an den Petrus und bereue Deinen Frevel, damit Gott Dir so verzeihe, wie ich Dir vergebe! Ziehe Dich aber von jenen Menschen zurück, die nur auf Verderben sinnen und auch selbst dein Verderben anheimfallen! Du wolltest ein Menschenleben zu Grunde richten helfen, suche nun, wenn sich die Gelegenheit bietet, und das könnte bald geschehen, auch ein Menschenleben zu retten!“
„Das verspreche ich“, sagte gerührt der junge Mann und entfernte sich. Es war ein Knecht aus der Gegend, dessen Namen die Geschichte uns nicht aufbewahrt hat. Miglantha nöthigte nun den Pfarrer, in ihrer Hütte ein wenig auszuruhen und eine kleine Stärkung zu sich zu nehmen, und er schlug diese Einladung auch nicht aus; denn jetzt erst äußerte sich der ausgestandene Schrecken, die Aufregung und die gewaltige Anstrengung, mit welcher er sich ihren Händen zu entreißen gesucht hatte. Sie gingen also in die Hütte, auch die Zigeuner, und setzten sich, diese aus den Boden, der Pfarrer auf einen gebrechlichen Stuhl, Miglantha aber stand hoch aufgerichtet, wie eine Sibylle, in ihrer Mitte. Wahrlich eine sonderbare Gesellschaft, eine äußerst anziehende Gruppe, die, von einem Maler aufgenommen, die vorzüglichste Wirkung gemacht hätte: ein Priester im schwarzen Talar, mit sanftem und gedankenvollem Gesichts-Ausdrucke, in später Nacht in Mitte dieser Söhne Asien’s, deren gelbe, aber schön gebildeten, von pechschwarzen Locken umwallten Gesichter von der düstern Oel-Lampe unheimlich beleuchtet wurden; Miglantha aber in ihrem phantastischen Gewände, mit einem feuerfarbigen Tuchstreifen den Kopf umwunden, zeigte, wie gewöhnlich, die ausdrucksvollste und aufgeregteste Miene und den vorzüglichsten Charakterkopf. Nach einigem Schweigen sagte sie dann zu Pfarrer Penthaler: „Priester, da seht Ihr nun Euere Christen!

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wir Heiden, wie ihr uns nennet, haben Euch gegen sie in Schutz nehmen müssen; und Ihr glaubt, daß ich eine Christin werden wolle? Solche Schurken, wie diese Christen sind, haben wir nicht unter uns.“
„Ihr zieht falsche Schlüsse, gute Frau!“ sagte der Pfarrer; „diese Leute sind nur deßhalb so schlecht, weil sie eigentlich keine Christen sind, und all das thun, was das Christenthum verbietet.“
„Mag sein“, erwiederte Miglantha, die dagegen Nichts einzuwenden wußte; „aber ich bleibe, was ich bin, und sterbe, wie ich gelebt habe.“
Der Pfarrer, einsehend, daß ein Bekehrungsversuch fruchtlos wäre und seine Lebensretterin nur erbittern würde, schwieg, nahm eine kleine Stärkung zu sich und schickte sich an, nach Hause zu gehen, ließ es aber gerne geschehen, daß Miglantha Dreien ihrer Leute befahl, ihn so weit zu begleiten, bis sie ihn in Sicherheit wüßten. Die große Glocke in Ziegeldach schlug gerade 11 Uhr, als Penthaler vor seinem Pfarrhause wohlbehalten ankam, aber noch lange dachte er mit Entsetzen an jenen nächtlichen Krankenbesuch.

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(1525 – die Bauernkriege beginnen)
Links: Baltringer Haufen und Georg von Waldburg

15. Der Eilbote.

Der Winter war vorüber; die Unruhestifter hatten ihn für ihre heillosen Zwecke trefflich benützt, hatten unter das ohnehin schon furchtbar aufgeregte Volk die Saat des Aufruhrs mit vollen Händen ausgestreut, und jetzt im Frühlinge des Jahres 1525 sproßte sie nun in aller Ueppigkeit empor. Der Monat März ging dem Ende zu, und der Kriegsgott Mars, welcher jenem den Namen geliehen, fing jetzt zu herrschen an. Fast in ganz Deutschland ging der Aufstand los, und nur in Süddeutschland allein begann an wenigstens zwölf weit von aneinander entlegenen Orten die Massenbewegung des Volkes fast zu gleicher Zeit. Vom Bodensee bis an den Lech, von den Alpen bis an die Donau erscholl die Sturmglocke und das wilde Kriegsgeschrei der Empörer. Schon am 26. März griff der Baltringer Haufen die Schlösser an, und bald standen die Burgen zu Laupheim, Schemmerberg und Simmetingen in hellen Flammen, während das Schloß Rottershausen von den Bauern in die Luft gesprengt wurde. Truchseß Georg III. von Waldburg, der schwäbische Bundeshauptmann, ließ seinerseits in der Gegend zwischen Biberach und Ulm mehrere Dörfer plündern und niederbrennen; seine Reiter bekamen durch die Plünderungen in dieser Gegend so viel Vieh, daß sie, wie Augenzeugen versichern, eine Kuh um ein einen halben Batzen, nach jetzigem

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Geld um 6 Pfennig, verkauften. Es hatten mit einem Worte die Schrecken des Krieges begonnen. Auf der Krattenburg kamen täglich neue Berichte über den Aufstand an vielen Orten an, Nachrichten von Brand und Zerstörung eroberter Herrensitze. Bis in die ersten Tage Aprils waren die Burgen zu Wiuterstetten, Hummertsried, Braunsberg, Degernau, Essendorf, Otterswang, Blutsberg und andere von den Bauern schon abgethan, wie sie es nannten, daß heißt ausgebrannt, und mehreremal röthete sich der nächtliche Himmel vom Brande nahe gelegener Burgen, wie der zu Schwarzach, Albers und Unterluizen. Und gerade jetzt brachte Pfarrer Penthaler die Nachricht, daß auch die Burg Marstetten bei Aitrach in Brand stehe; die Bauern von Aichstetten, Hauerz, Seibranz, Ellwangen und Dietmanns hatten dieses romantische Schloß erobert, geplündert und angezündet.
„Seht Ihr nun, Herr Ritter“, sagte Penthaler, daß von diesen rebellischen Köpfen das Aergste zu befürchten ist?“
„Ja, ich bin enttäuscht“, erwiederte Ritter Braunhold; „ich sehe, daß es gefährlich steht; doch hoffe ich noch immer, daß meine Leute mich in Ruhe lassen, da ich sie nie stark gedrückt, ja ihnen sogar noch Zugeständnisse gemacht und Erleichterungen versprochen habe. Wenigstens glaube ich, daß ich für mein und der Meinigen Leben Nichts zu befürchten habe.“
„Ich sehe“, versetzte Penthaler, „daß Ihr euch noch immer der Täuschung hingebet. Die Bauern wollen von Zugeständnissen gar Nichts mehr wissen; sie haben es sich einmal in den Kopf gesetzt, alle Schlösser zu vernichten und alle Gutsherrschaften abzuthun; eine nach der anderen kommt an die Reihe. Die ärgsten Rebellen und die Anführer sind jetzt eben anderswo beschäftigt; besonders gilt es gerade den Schlössern des Truchsessen selbst, Wolfegg und Waldsee.
Sobald Pfarrer Florian Greisel mit dem Schloß zu Waldsee,

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Link: Schwäbischer Bund

in welchem Frau und Kinder des Truchsessen sich befinden, fertig ist, kann er sogleich vor euere Burg rücken, und wie lang wird sie diesem fanatischen Haufen Widerstand leisten können?“
„Hochwürden, Ihr könntet wirklich Recht haben“, sagte der Ritter; „aber was ist zu thun?“
„Das ist schwer zu sagen“, antwortete Penthaler. „Ich glaube, es würde das Beste sein, wenn Ihr heimlich die  Burg verließet und etwa in die Schweiz Euch flüchten würdet.“
„Um den Bauern, die Alles besetzt haben, erst recht in die Hände zu fallen? Nein, die Burg meiner Väter verlasse ich nicht; in ihr will ich, wenn es sein muß, mein Leben lassen!“
„Und ich und Emma“, sagte, mit Thränen in den Augen, die Burgfrau, „bleiben bei Dir und theilen Dein Schicksal, es mag kommen, was will.“
Der Ritter sagte weiter: „Wenn ich nur vom schwäbischen Bundesheere einige Mannschaft bekommen könnte, denn meine wenigen Soldaten sind, wie Hochwürden eben sagten, nicht im Stande, die Burg lange zu vertheidigen.“
„Truchseß Georg“, sagte der Pfarrer, „liegt gegenwärtig mit dem Hauptheere an der Donau, und seine anderen Waffenmänner haben vollauf zu thun, um dessen eigene Schlösser Waldburg, Wolfegg und Waldsee zu retten. Doch würde ich es versuchen, würde den Bundeshauptmann mit Hilfe ansprechen; aber nur keinen Augenblick mehr zögern!“
„Wenn ich“, sagte der Ritter, „nur gleich einen zuverlässigen Menschen wüßte, den ich an den Truchsessen schicken könnte!“
„Da gibt es“, sagte die Burgfrau, „keinen Besseren, als unseren Konrad; er hat Muth und Umsicht und wird den Auftrag gewiß bestens besorgen.“
„Von den jungen Burschen“, bemerkte der Pfarrer, „ist

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(Konrad auf dem Weg zum Bundesheer)

er der einzige, der die Christenlehre noch besucht; er scheint ein recht ordentlicher Mensch zu sein.“
„Du hast Recht, liebe Adelgundis“, sagte Braunhold; „man soll ihn sogleich zu mir rufen!“ Schnell mußte Pfarrer Penthaler ein Schreiben an den Truchsessen ausfertigen, welches Konrad übergeben wurde, um es ins Lager bei Günzburg zu bringen. Penthaler empfahl ihm noch manche Vorsichtsmaßregeln, hauptsächlich aber rieth er ihm, die aufständischen Bauernhaufen ja sehr sorgfältig zu meiden, um von ihnen nicht abgefaßt zu werden. Adelgunde aber sagte weinend zu ihm: „Wollte Gott, daß Du recht bald und glücklich zurückkämst, und daß wir im Wohlsein uns wieder sehen möchten! Aber ich habe bange Ahnungen und sehe mit Furcht der Zukunft entgegen.“ Auch Emma weinte. Konrad selbst schied mit schwerem Herzen; es war ihm, als ob er das letztemal im Kreise dieser ihm so lieben Familie gewesen sei.
Es war Mittag, als Konrad auf seinem muthigen Pferde, das der Ritter zu dieser gefährlichen Sendung ihm gegeben, sich auf den Weg machte. Er beeilte sich, so gut er konnte, um noch frühe bei Egelsee über die Iller,  und bis Anbruch der Nacht aus der gefährlichsten Gegend hinauszukommen. Als er aber in Egelsee ankam, fand er zu seinem größten Schrecken, daß die dortige Brücke durch die vom Schmelzen des Schnees stark angeschwollene Iller weggerissen war. Was sollte er nun anfangen? Mit seinem Pferde über den reißenden Strom setzen, das war unmöglich. Es blieb ihm keine andere Wahl, als längs der Iller bis nach Kellmünz hinunterzureiten, obschon er sicher annehmen durfte, daß dort viele Bauern stehen, welche ohne Zweifel die Illerbrücke besetzt hielten. Er verbarg also den Brief des Ritters unter seine Kleider und machte sich auf ein gefährliches Abenteuer gefaßt. Und wirklich wurde er schon in Unterdettingen von den Bauern angehalten, und es wurde an ihn die

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(4.4.1525, Schlacht bei Leipheim mit ca. 4.000 Toten)
Links:
Schlacht bei Leipheim (Stadt Leipheim)
Schlacht bei Leipheim (Wikipedia)

Frage gestellt: „Gehörst Du unserem Haufen an?“ Er verneinte es. „Vielleicht dem Baltringer Haufen?“ fragte ein anderer Bauer. „Auch diesem nicht“, sagte Konrad; „ich will nur einen Bekannten bei Günzburg besuchen.“
„Das klingt sehr unwahrscheinlich“, erwiederte Jener. „Wer wird gegenwärtig eines Besuches wegen nach einem Orte reisen, wo gerade ein blutiger Kampf losgeht?“
„Kerl, Du bist sehr verdächtig“, rief ein Dritter; „Du gehst mit vor unseren Anführer!“ So brachten sie ihn also nach Markt Kellmünz hinüber, wo er verschiedene Fragen beantworten und sich einer Taschenvisitation unterziehen mußte. Obgleich sie das Schreiben nicht fanden, und er sich auch in seinen Antworten nicht fangen ließ, durfte er doch nicht weiter reisen, sondern wurde unter Aufsicht gestellt und zwei Tage hingehalten. Am dritten Tage kam die Nachricht von der Niederlage der Bauern bei Leipheim an: mehr als 500 Aufrührer waren gefallen, bei 400 in der Donau ertrunken; von anderen Geschichtsschreibern wird eine viel größere Zahl angegeben. Diese Nachricht, so wie die Aufforderung, den Städten Leipheim und Günzburg, welche vom Truchsessen nun belagert wurden, Hilfe zu leisten, brachte eine große Verwirrung im Illerhaufen hervor. Manche, denen es mit der Sache nicht recht Ernst war, verließen heimlich das Lager und begaben sich nach Hause; Andere schickten sich an, gegen die Donau zu ziehen, um den dortigen Brüdern Hilfe zu bringen; überall großer Lärm und entsetzlicher Wirrwarr, bei welchem es Konrad gelang, bei anbrechender Nacht mit seinem Pferde ihren Händen zu entkommen. Er mußte, um diesen ebenfalls nach Günzburg ziehenden Bauern nicht mehr in die Hände zu gerathen, sich weit rechts halten und die Straßen und Ortschaften möglichst zu vermeiden suchen. Er merkte sich wohl die Richtung, welche er einhalten mußte, aber dessen ungeachtet kannte er sich beim Dunkel der Nacht nicht mehr aus und verirrte sich gänzlich, und sein Pferd

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stürzte mehr als einmal mit ihm in Gräben und ermüdete bei dem ganz aufgeweichten Boden vollständig. Nachdem Konrad so einige Stunden mühsam und muthlos fortgeritten war, kam er endlich zu einem einsam stehenden Hause, und er entschloß sich, in diesem den übrigen Theil der Nacht zuzubringen und mit seinem Pferde auszuruhen und in der Gegend sich wieder zurechtzufinden. Er stieg also ab und klopfte an der Thüre;  aber es wollte sich Nichts rühren. Er klopfte an den Läden und rief so laut er konnte; aber er hörte Niemanden, als einen Hund, der im Innern des Hauses einen solchen Lärm aufschlug, als ob er sich das Herz aus dem Leib herausbelleir wollte. Nach vielem Klopfen und Schreien gelang es ihm endlich, die Stimme eines alten Weibes in Thätigkeit zu versetzen, die dann ihren liebenswürdigen Kopf zum Fenster herausstreckte und nicht auf die freundlichste Weise fragte, wer draußen sei und was man wolle. Konrad sagte: „ Ich habe mich verirrt, und mein Pferd ist ermüdet, habt also die Güte, mich unter Dach zu lassen!“
„Das könnte Jeder sagen!“ brummte die Alte. „Ich bin allein zu Hause, denn mein Mann und mein Sohn sind im Lager der Bauern bei Günzburg, und so laß ich Niemand herein.“
Konrad, welcher sah, daß bei dieser bockbeinigen Bäuerin in Güte Nichts auszurichten sei, sagte: „Wenn Ihr mir und meinem Pferde bis am Morgen Unterkommen gestattet, werde ich recht dankbar sein; wenn aber nicht, so mache ich kurzen Prozeß und stecke euere alte Hütte augenblicklich in Brand.“
Dieses wirkte. Sogleich öffnete sich die Thüre, und für das Pferd der Stall, und er bekam zudem noch Milch und Brod, und dieses Haber und Heu, und bei Tages-Anbruch waren Beide neu gestärkt, und Konrad erfuhr, daß er in der Nähe von Waldstetten die Nacht zugebracht habe. Schon früh am Vormittage kam er, ohne weitere Aben-

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(Plünderung Günzburg; Hinrichtung von Jakob Wehe und weiteren Aufständischen)

teuer bestanden zu haben, in Günzburg an, welches, wie Leipheim, so eben in  die Gewalt der Bundestruppen gekommen war. Er suchte sogleich zum Truchsessen zu kommen; doch dieser war heute zu sehr damit beschäftigt, Günzburg’s Bürgern Strafe zu dictiren und seine eigenen Truppen, die fortwährend murrten und widerspenstig waren, mit Geld zufrieden zu stellen. Besonders mußte er über die gefangenen Anführer das Urtheil sprechen; acht von ihnen wurden zum Tode verurtheilt, und dieses Urtheil sollte heute noch vollzogen werden.
Während Konrad den ganzen Tag so hingehalten wurde, traf er einen Ziegelbacher, welcher als Reichssoldat im Bundesheere diente und sich sehr freute, einen Bekannten zu treffen. Dieser sagte nun zu Konrad: „Landsmann, heute Abend darfst Du es nicht versäumen, der Hinrichtung dieser Verurtheilten beizuwohnen, und da hast Du höchstwahrscheinlich Gelegenheit, einen abgefallenen Pfaffen unbußfertig ins Jenseits absegeln zu sehen; denn ich glaube nicht, daß dieser Mensch sich bekehrt.“
„Wer ist denn dieser Mann?“ fragte Konrad.
Der Soldat sagte: „Dieser Jakob Wehe, wie er heißt, war einer der Ersten, die in dieser Gegend vom katholischen Glauben abfielen und die Lehre Luther’s annahmen, und er that Alles, um möglichst Viele zum Abfall zu verleiten, was ihm in Leipheim ganz vortrefflich gelang; die ganze Stadt ist durch ihn lutherisch geworden.
„Diese Hinrichtung muß ich mitansehen!“ sagte Konrad.
Abends spät, am 5. April, führte man die acht Verurtheilten auf einen Acker zwischen Leipheim und Bubesheim hinaus, um ihrem Leben ein Ende zu machen. Als der abtrünnige Priester Jakob Wehe vorgeführt wurde, sagte Truchseß Georg von Waldburg zu ihm: „Pfarrer, das hättet Ihr verhüten können, wenn Ihr, statt Aufruhr, das Wort Gottes würdet gepredigt haben!“

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„Gnädiger Herr“, antwortete Wehe, „mir geschieht Unrecht von Euch; ich habe das reine Wort Gottes gepredigt.“
„Da bin ich anders berichtet worden!“ sagte der Truchseß, spöttisch lächelnd. Als des Truchsessen Kaplan Wehe ermahnte, ihm seine Sünden zu beichten und sich mit Gott auszusöhnen, sagte dieser: „Es soll sich darüber Niemand ärgern, ich habe Gott selbst gebeichtet.“ Dann sprach er zu den anderen Verurtheilten: „Seid guten Muthes, meine Brüder, denn heute noch werden wir im Paradiese sein!“ Hierauf betete er, zum Himmel empor blickend, den Psalm: „Auf Dich, o Herr, habe ich mein Vertrauen gesetzt“ und sprach weiter: „Vater, verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! in Deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ Nun kniete er nieder und empfing den Todesstreich; sein Haupt rollte in das Gras, und sein Blut spritzte zum Himmel empor.
Konrad schauderte und dachte: „Kann ein Mensch sein Gewissen so einschläfern oder zum Lügen verleiten, daß er bei all seinen Sünden so ruhig vor das strenge Gericht des Allwissenden hinüberzuwandern wagt!“ Nun fielen auch die Häupter von vier Andern; der Pfarrer von Günzburg und ein Ueberläufer der Bundestruppen, wurden, weil es schon sehr spät war, heute nicht mehr hingerichtet, ja sie wurden später sogar begnadigt.
Am folgenden Morgen wurde Konrad endlich beim Bundeshauptmann vorgelassen und übergab ihm das Schreiben.
„Ja, Donnerwetter!“ rief dieser, nachdem er es gelesen, „ich kann doch nicht überall sein! Meine eigenen Schlösser werden gegenwärtig belagert, meine Frau und meine Kinder sind in meiner Burg zu Waldsee von diesen verfluchten Bauern eingeschlossen, und ich kann selbst diesen nicht zu Hilfe kommen. Jetzt bin ich freilich mit diesen Donau-Lümmeln fertig, nun geht’s aber über den Baltringer Haufen los, und dann erst kann ich daran denken, mein eigenes

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(Treffen Konrads mit Truchseß Georg von Waldburg)

Besitzthum, wem, es noch nicht zum Teufel gegangen, von diesen Kerls zu säubern. Also meinen Gruß an den Ritter von Krattenburg, aber gegenwärtig kann ich keinen Mann meines Heeres weglassen; dabei bleibt’s!“
So abgefertigt, trat Konrad sogleich die Rückreise an, blieb aber, um dem Illerhaufen nicht mehr in  die Hände zu fallen, immer auf dem rechten Ufer, und zwar weit davon entfernt, und überschritt erst bei Ferthofen diesen Fluß. Er eilte, so sehr er konnte, um noch an diesem Tage heim zu kommen, konnte aber, als er zu Marstetten anlangte, nicht vorüberreiten, er mußte diese nun zerstörte und ausgebrannte Burg näher besichtigen und sich da seinen Gefühlen überlassen und dem Gedanken Raum geben, es könnte der Krattenburg auch so ergehen, oder während seiner langen Abwesenheit schon so ergangen sein. Er ritt sodann wieder rasch weiter, mit dem peinlichen Gedanken, dem Ritter keine bessere Nachricht bringen zu können; aber es sollte ihn heute noch etwas viel Traurigeres erwarten.


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16. Der Fall der Krattenburg.

Auf den nämlichen Tag, an welchem Konrad von Günzburg heimkehrte, war eine große Bauern-Versammlung auf der Ziegelbacher Heide angesagt; sie mußte, weil man viele Männer erwartete, auf freiem Felde gehalten werden. Nachmittags kam dann wirklich eine ziemliche Anzahl aus allen benachbarten Orten zusammen, und auch einige Hauptsprecher aus entfernteren Bezirken, so z. B. Hans Brugner von Legau, Jeck von Egelsee, Jörg Yperlin von Ummendorf und andere Bauernführer.
Wie bei all ihren Versammlungen, ging es wieder sehr derb zu, und Nichts weniger als Einigkeit herrschte unter ihnen; der Eine schrie dieß und der Andere etwas Anderes, und Mancher, der einen Vorschlag machen oder Etwas sagen wollte, wurde von Anderen überschrieen und konnte nicht zum Worte kommen; wie es überhaupt rohen und ungebildeten Leuten eigen ist, daß sie, statt nacheinander, alle miteinander reden.
Die Bauern, welche Unterthanen des Truchsessen waren, verlangten mit allem Ungestüm, daß zuerst die Schlösser ihres Gutsherrn erobert werden müssen, während die Hörigen des Ritters Braunhold vor Allem die Zerstörung der Krattenburg anstrebten.

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(Die Bauern beraten ihr Strategie)

„Und ich bin der Meinung“, brüllte Müllerhans, „daß man zuerst mit den Pfaffen fertig machen müsse.“
Hans Brugner von Legau machte den Vorschlag, die Streitkräfte zu vermehren und statt, wie bisher, den vierten, von jetzt an den dritten Mann durch das Loos zu den Waffen zu rufen.
Andere schrien dagegen: „Wir  sind Leute genug, aber mehr Einigkeit sollte herrschen!“
Wieder Andere riefen: „Wir sind schon einig; Alle streben das Nämliche an; aber wir haben, wenn’s einmal zu einer Feldschlacht kommt, keine Reiterei, wir haben keine Kanonen, und so sind wir den Bundestruppen nicht gewachsen.“
„Was?“ schrie Jeck von Egelsee, „wir ihnen nicht gewachsen? Unsinn, lauter Unsinn! Was uns an Waffen abgeht, wird zehnfach ersetzt durch unsern Muth und dadurch, daß wir wissen, für was wir kämpfen, durch das Bewußtsein, die Freiheit und das Wohl unserer Kinder anzustreben. Woher sollen die Soldaten des Bauernjörg Muth oder Begeisterung hernehmen? Sie, die für keine höhere Idee kämpfen, sondern nur für ihren Monat-Sold von 4 Gulden, damit sie Schnaps kaufen können.“
Als Dieser noch sprach, brachte Einer die Nachricht von der großen Niederlage der Bauern bei Leipheim und von der Uebergabe Günzburg’s, und daß an der Donau der Aufstand vollständig unterdrückt sei. Jetzt wurde die Verwirrung unter diesen Leuten noch größer: die Einen riefen, das könne gar nicht sein, die Nachricht sei erlogen; Andere, die ruhiger dachten, wurden bedeutend herabgestimmt, und Viele, die einen weiten Heimweg vorschützen konnten, verließen bald die Versammlung. Abends waren nur noch die Bauern der nächsten Dörfer beisammen. Jetzt erschien ganz unerwartet noch der Pfaffe Florian von Aichstetten unter ihnen, welcher heute bei der Belagerung von Wolfegg Anordnungen getroffen hatte, und nun, nach Waldsee zurückkehrend, diesen Umweg

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machte, um an der Versammlung Theil zu nehmen. Er verstand es auch am besten, die Bauern zu einigen und die Angelegenheiten zu leiten.
Das Erste war, daß er gleich eine Strafpredigt an die Bauern hielt. „Wie lange“, sagte er unter Anderem, „verharret Ihr noch in euerer Unthätigkeit? Wollt Ihr allein zurückbleiben? allein Nichts thun für euere Freiheit? Rings sind all die Zwingburgen schon ausgebrannt und zerstört, und euer verhaßtes Bergschloß schaut dort immer noch trotzig auf Euch herunter und — verachtet Euch, und zwar mit Recht.“
„Herr Pfarrer“, sagte Motzinger etwas spöttisch, „es könnte uns mit der Krattenburg zuletzt so gehen, wie Euch mit dem Schloß Waldsee; Ihr belagert es schon lange und habt es immer noch nicht in Euerer Gewalt. Hi hi hi!“
„Bauer, das verstehst Du nicht“, fuhr Pfarrer Florian Greisel ihn an. „Schloß Waldsee hat eine starke Besatzung; Bauernjörg’s beste Soldaten vertheidigen es. Und zudem will ich es nicht mit Sturm nehmen, kann es nicht in Brand stecken, nur durch Hunger soll es zur Uebergabe gezwungen werden, damit ich des Truchsessen Frau und Kinder in meine Gewalt bekomme; habe ich diese als Geisel, so wird der Bauernjörg es schon wohlfeiler geben. Ich brauche aber noch mehr Leute, um das Schloß besser ein-, und von aller Zufuhr an Lebensmitteln abschließen zu können. Ihr müßt mich also unterstützen, und dieß kann erst geschehen, wenn ihr mit Euerem Tyrannen fertig seid. Das muß aber bald geschehen; denn ich habe erfahren, daß er an den Bauernjörg einen Boten gesandt hat, um Soldaten von ihm zu bekommen, und diese kann Jener, da er an der Donau fertig ist, ihm vielleicht schon morgen schicken. Also höret, was ich sage: Heute noch muß die Krattenburg abgethan werden! Wollt Ihr, oder wollt Ihr nicht?“ rief er am Schluß mit gewaltiger Stimme.

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„Ja, heute noch!“ brüllte die Menge.
„Nun denn“, fuhr der würdige Pfarrer fort, „so eilt nach Hause, laßt überall die Sturmglocken läuten, bewaffnet Euch und bringt Leute mit, so viel ihr könnet; in zwei Stunden muß Jeder auf dem Platze sein!“ Kaum waren diese Worte verklungen, als auch schon die Versammlung auseinander stob, um sich zu Kampf und Mord anzuschicken.
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Der Abend begann schon zu dämmern, als Ritter Braunhold mit seiner Gemahlin und Tochter im Wohnzimmer beim Abendtische saß, wobei das Gespräch hauptsächlich mit Konrad’s Gesandtschaft sich beschäftigte.
„Daß er gar so lange nicht zurückkommt!“ sagte Braunhold. „Sollte er wohl vom Bundeshauptmann hingehalten werden? oder ist er zuletzt den Bauern in die Hände gefallen?“
„Und von ihnen ermordet worden“, fügte Emma mit Thränen in den Augen hinzu.
„Wenn Du ihn“, sagte Adelgundis, „nur gar nicht fortgeschickt hättest, denn schließlich sendet der Truchseß uns doch keine Hilfe.“
„Die mir jetzt sehr erwünscht wäre“, sagte der Ritter. „Denn obschon ich diese Tage einige Soldaten mehr in Dienst genommen habe, können wir einem starken Angriff nicht lange Widerstand leisten; und die heutige Versammlung aller Bauern der Umgegend, die wir von unseren Fenstern aus wahrnehmen konnten, bedeutet mir nichts Gutes.“
Während sie noch weiter miteinander sprachen, rief Emma: „Horcht! in Heidgau läutet es mit allen Glocken!“
„Was soll das bedeuten?“ sagte Braunhold; „brennt es irgendwo?“ Wie er dieß sagte, fingen auch in Ziegelbach alle Glocken an Sturm zu läuten. Alle eilten an’s Fenster,

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(Der Angriff auf die Krattenburg beginnt)

sahen jedoch keinen Brand, hörten aber großen Lärm, und zu gleicher Zeit rief der Wächter vom Wartthurme herab in schauerlichen Tönen zu den Waffen, und ein Diener stürzte, blaß vor Schrecken, herein und meldete, daß zahlreiche Bauern bewaffnet den Berg herauf kommen und wahrscheinlich die Burg erstürmen wollen.
„O Gott, o Gott! wie wird’s uns gehen! rief Adelgunde und sank fast ohnmächtig dem Gemahl in die Arme.
„Wohin sollen wir uns retten, lieber Vater?“ rief weinend und die Hände ringend Emma, „und wie wird es Dir ergehen?“
„Verfügt Euch“, sagte Braunhold, „einstweilen in das feste Gemach im Burgthurme, und, sollte es nothwendig werden, hier ist der Schlüssel zu dem geheimen Gange. Laßt mich! ich muß fort, um meine Leute aufzustellen und die nöthigen Befehle zu geben. Betet für mich und lebt wohl!“

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Unterdessen sammelten sich die Aufrührer, etwas von der Burg entfernt, allmälig an, um, wenn eine hinlängliche Anzahl beisammen, den Angriff zu beginnen. Sobald Pfarrer Florian ankam, suchte er Ordnung unter die Bauern zu bringen und traf Vorkehrungen zur Erstürmung des Burgfelsens. Viele Bauern, die von der Ost- und Südseite her kamen, lagen im nahen Walde versteckt, um die Burg von der Rückseite anzufallen. Auch Ritter Braunhold hatte in aller Schnelligkeit seine wenigen Soldaten auf ihre Posten gestellt und stand selbst bewaffnet an ihrer Spitze, und auf der anderen Seite des Schlosses der treueste feiner Reisigen, Konrad’s Vater.
Da Braunhold einsah, daß er nach kurzem Kampfe unterliegen müsse, suchte er die Aufrührer zu besänftigen

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und ließ ihnen sagen, daß er die umfassendsten Zugeständnisse ihnen zu machen gesonnen sei; sie sollen nur  ihre Forderungen stellen, er wolle alle erfüllen, nur ihn und seine Familie und seine Burg sollen sie schonen. Sie aber brüllten wie wüthend: „Wir sind nicht gekommen, um zu unterhandeln, sondern um Dein Raubnest zu zerstören.“ Und zugleich fingen sie an, mit wildem Geschrei den steilen Abhang zu ersteigen. Im nämlichen Augenblicke aber auch begannen des Ritters Soldaten ihre Feuerwaffen gegen sie loszulassen, und bei ihren gut gezielten Schüssen stürzte so mancher Bauer rücklings hinunter, und so oft die beiden Kanonen donnerten, zerrissen sie die Reihen der Empörer in schrecklicher Weise. Doch immer rückten die Stürmenden vor, wie eine wüthende Schaar, und an die Stelle der Gefallenen neue nach, und der Ruf der Sturmglocken, welche vom Thale heraufheulten, lockte fortwährend noch mehr Rebellen herbei.
Bevor jedoch auf dieser Seite der Abhang ganz erstiegen und erstürmt war, hatten die Aufrührer auf der anderen Seite Gräben und Wälle schon überschritten und fielen dem Ritter in den Rücken, und jetzt begann der hitzigste Kampf, das blutigste Handgemenge. Der Ritter, tapfer, stark und gewandt, theilte nach allen Seiten tödtliche Streiche aus und streckte nicht wenige von dieser wilden Rotte zu Boden. Aber immer wüthender und zahlreicher drangen sie mit ihren Keulen und Gabeln und Flegeln auf ihn ein, und jetzt stürzte Fimmelmayer, sein persönlicher Feind, hervor, riß einem gefallenen Soldaten die Lanze aus der Hand und durchbohrte mit den Worten: „Jetzt bekommst Du deinen Lohn!“ des Ritters Brust. Nahe beim Schloßthore lag auch Konrad’s Vater schon todt in seinem Blute auf dem Boden, und die wenigen Vertheidiger, welche noch lebten, warfen, als sie sahen, daß Ritter Braunhold gefallen und Alles verloren sei, ihre Waffen weg und machten sich davon.
Die Burg war jetzt in Feindeshänden, und sogleich ließ

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Motzinger, als Beutemeister, alle Eingänge besetzen und sagte zu Müllerhans: „Jeden, der eigenmächtig Etwas fortschleppt, schlägst Du sogleich nieder, und Keiner soll in die oberen Gemächer hinaufsteigen, um Etwas zu rauben! Besonders gib mir auf diese verfluchten Zigeuner Acht, die sich herumtreiben!“ Bei der Erstürmung des Schlosses hatten sie sich allerdings nicht betheiligt, aber die Lust nach Beute hatte sie herbeigelockt; denn wo ein Aas ist, da versammeln sich die Adler. Unterdessen hatte aber Pfarrer Florian schon den Befehl ertheilt, Feuer anzulegen, und bald wirbelte eine gewaltige Rauchwolke und die prasselnde Flamme aus dem Dache der Burg empor, und fast zu gleicher Zeit wurde auch Konrad’s Heimat von den Bauern in Brand gesteckt; denn sie hatten gesehen, wie sein Vater am tapfersten für den Ritter gekämpft und nicht wenige von ihren Leuten getödtet hatte.
Während nun die Bauern voll teuflischer Lust zusahen, wie dieser alte Edelsitz durch ihre ruchlosen Hände ein Raub der Flammen wurde, kam Konrad gerade von seiner Reise zurück und den Berg herauf und sank dann, halbtodt vor Schrecken und Entsetzen, vom Pferde und blieb einige Minuten bewußtlos auf dem kalten Boden liegen.

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17. Eine verzweiflungsvolle Lage.

Konrad’s väterliches Haus war bereits zu einem Glut-Haufen zusammengesunken, während die Burg noch fortwährend lichterloh brannte, und wilde Flammen durch deren Fenster herausschlugen. Konrad, welcher
bald wieder sich von seiner Ohnmacht und seinem Schrecken erholt, hatte beobachten können, wie ein Gemach nach dem andern vom Feuer ergriffen wurde, wie jetzt die Bibliothek sich schauerlich erhellte, dann die Kapelle Feuer fing, und deren gemalten Fenster zum letztenmal auf einige Augenblicke, aber dießmal nach außen, ihre Schönheit zeigten, um dann klirrend zu zerspringen. Jetzt sah er, wie das Feuer in dem friedlichen Wohnzimmer wüthete, wo er so selige Stunden verlebt hatte im Kreise der damals so glücklichen Familie. Und jetzt! — Der Ritter war gefallen, Konrad hatte, nachdem er sein Pferd freigelassen und der Burg sich genähert, ihn todt liegen sehen, und auf der anderen Seite des Schlosses seinen eigenen Vater. Was war aber aus der Burgfrau und aus Emma geworden? Haben sie in den Flammen der brennenden Burg ihren Tod gefunden? oder sind sie von den rasenden Bauern erschlagen oder gar fortgeschleppt worden, um von ihnen mißhandelt und geschändet zu werden? Er wußte es nicht und durfte auch Niemanden fragen, sich

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Keinem anvertrauen oder nur näher kommen, indem er in Gefahr schwebte, von diesen Menschen das Schlimmste erdulden zu müssen. Das hielt ihn jedoch nicht ab, den lieben Vermißten nachzuspüren. Er irrte immer um den Berg herum, suchte und rief im nahen Walde und wagte sich bis an die Burg und, soweit es das Feuer gestattete, in den Hof hinein; aber er entdeckte keine Spur von ihnen.
Die meisten Bauern hatten sich schon zerstreut, hatten die Unglücksstätte verlassen, um ihr von Mord und Brand erhitztes Gemüth durch ein ordentliches Quantum frischen Bieres tüchtig abzukühlen; auch die Zigeuner waren bereits verschwunden. Nur einige Bauern standen noch in der Nähe der Burg und waren in ein eifriges Gespräch vertieft.
„Das weiß der Teufel“, sagte der Schweinschneider, „wohin die Schätze gekommen sind; ein paar Hundert Gulden hätte ich jedenfalls nicht verschmäht, das wäre wieder ein Biergeld auf einige Monate gewesen.“
„Ein kleines Sümmchen“, rief der Sattelbauer von Rohrbach, „wäre mir auch nicht ganz unlieb gewesen, ich hätte sie schon brauchen können, freilich nicht, um meine Schulden damit zu bezahlen, daran denkt man jetzt gar nicht mehr. Ich habe schon vor Jahren dem Friedbauer in seinem eigenen Hause gedroht, bis er mir Alles, was ich ihm schuldete, nachließ und noch froh war, daß er so gut wegkam; ha ha, freut mich heute noch!“
„Ihr sahet selbst“, sagte Motzinger, daß, als wir mit Lebensgefahr in’s Wohnzimmer hinauf kamen, die Kästen gewaltsam erbrochen dastanden, und die Schätze fort waren.“
„Diese verfluchten Zigeuner“, rief Müllerhans, „haben sich immer herumgetrieben und werden ohne Zweifel das Nest ausgenommen haben; in der Zigeunerhütte oder in ihrem Lager finden wir die Schätze gewiß. Geht ihr mit in die Zigeunerhütte, der ich ohnehin schon längst einen Besuch versprochen?

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„Ja“, schrieen die Andern, „dort finden wir sie; die Zigeuner haben sie fortgeschleppt!“
Bei diesen Worten war Konrad um die Ecke herumgekommen, hatte aber nur noch die letzten Worte gehört, kehrte aber, da er von ihnen nicht bemerkt worden, gleich wieder um und entschloß sich, den Wald noch einmal recht gründlich zu durchsuchen. Wenigstens eine Stunde irrte er in diesem Walde umher und rief wohl hundertmal, so laut er konnte: „Emma! Adelgundis! o wo seid Ihr?“ Aber er erhielt keine Antwort; er hörte Nichts, als das gräßliche Geschrei des Uhus und das dumpfe Umherflattern der anderen größeren Waldvögel, die durch den Brand und ungewohnten Lärm die nächtliche Ruhe nicht finden konnten.
Als Konrad, des vergeblichen Suchens müde, wieder aus den Burgplatz zurückkehrte, war Alles still und einsam; kein lebendes Wesen war mehr zu treffen; nur die Todten lagen umher, und das Feuer arbeitete prasselnd noch fort an dem Zerstörungswerke. Sein Schmerz war unermeßlich, er war fast der Verzweiflung nahe.
Plötzlich durchzuckte ihn der letzte Funke von Hoffnung. „Habe ich“, dachte er, „vorhin nicht sagen hören, daß die Zigeuner sie fortgeschleppt haben? Ja, das kann sein; ich weiß ja von Joseph, daß Miglantha dieser edeln Familie Rache geschworen und gesagt habe, daß sie nicht ruhen wolle, bis deren einziges Kind vernichtet sei. Was werden diese asiatischen Barbaren mit den Frauen anfangen! wie furchtbar sie mißhandeln! meine liebe Emma vielleicht unter den schrecklichsten Qualen tödten! Auf! der Zigeunerhütte zu! und wenn ich mich auch in die größte Gefahr stürze und dabei sogar das Leben verliere, das thut Nichts, es hat für mich ohnehin keinen Werth mehr!“
Unbewaffnet wollte er jedoch nicht gehen, und so suchte er sich ein Schwert oder ein Gewehr zu verschaffen; und da er bei den umherliegenden Gefallenen Umschau hielt, kam er

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(weiter Suche Konrads nach Emma und Adelgundis; Fund der ermordeten Miglantha)

zur Leiche seines Vaters hin, der seine Streit-Axt noch krampfhaft in den Händen hielt. „Mein lieber Vater“, rief er nun, „Du bedarfst der Waffe nicht mehr, Du hast ausgekämpft, gib sie also mir, ich kann sie vielleicht besser brauchen!“ Mit diesen Worten wand er dem todten Vater die blutige Waffe aus den Händen, nahm sie auf seine Schulter und stürmte raschen Laufes davon, den Berg hinunter und in südwestlicher Richtung der Heide und der Hütte zu. Als er, von Schweiß triefend, dieser näher kam, ging er langsamer und vorsichtiger und schlich endlich ganz leise hinzu, ob er nicht die Stimmen der Zigeuner oder den Hilferuf seiner theuren Emma vernehme. Aber Alles war still und ruhig, er vernahm keinen Laut, doch ein schwaches Licht brannte in der Zigeunerhütte.
Hier war also, wie er einsah, Emma und ihre Mutter auch nicht zu finden! Er rief Emma’s, rief Adelgunden’s,rief Miglantha’s Namen; es erfolgte keine Antwort. Jetzt öffnete er die Thüre; aber welch ein Schrecken! Miglantha, die alte Zigeunerin, lag todt auf dem Boden, mit gräulich starrenden Augen und weit geöffnetem Munde, mit blutbeflecktem und gräßlich verzerrtem Gesichte. Sonst konnte er Niemand in der Hütte entdecken und auch keine Spur, die ihm Aufschluß über Emma’s Schicksal hätte geben können. So blieb er also nicht lange an diesem Orte des Schreckens und wollte eilig diese unheimliche Hütte verlassen. Wie er aber zur Thüre hinaus wollte, kamen zwei Zigeuner herein, erblickten gleich die ermordete Miglantha und hielten somit Konrad, der mit seiner blutigen Streit-Axt gerade fort wollte, für ihren Mörder; sie konnten ja nicht anders vermuthen.
„Halt, Christ!“ rief einer; „Du hast unsere allverehrte Mutter, die weiseste Frau unseres Stammes, die erleuchtete Seherin des Morgenlandes mit frevelnder Hand hingemordet!“
„Warum hast Du, Niederträchtiger, dieses gethan?“ rief der Andere; „hat sie Dir je ein Leid zugefügt?“

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„Niemals“, sprach Konrad; „ich habe sie sogar geliebt und geehrt; wie konnte es mir also in den Sinn kommen, ihr das Leben zu nehmen?“
„Das sind leere Worte“, rief der Erste, „die Nichts bedeuten, die That spricht nur zu deutlich gegen Dich. Was anders, als Mordlust, sollte Dich um Mitternacht mit einer Streit-Axt in diese entlegene Hütte geführt haben? und woher kommt das Blut an Deiner Waffe?“
Konrad erklärte ihnen dann, warum er hieher gekommen und weßhalb seine Waffe mit Blut befleckt sei; ferner sagte er noch zum Beweise seiner Unschuld Folgendes: „Ich bin erst vor ein paar Minuten hier angekommen, Ihr sehet ja, daß ich noch ganz in Schweiß bin; wäre ich länger hier, so würde ich bei dieser rauhen Jahreszeit sicherlich nicht mehr schwitzen. Miglantha aber scheint schon länger todt zu sein; rührt sie nur an und Ihr werdet sehen, daß sie schon ganz kalt und steif ist!“ Sie thaten dieß und mußten es bejahen,ließen aber dessen ungeachtet nicht ganz ab vom Verdachte, und Einer sagte: „Morgen werden wir alle unsere Leute zusammenrufen und dann entscheiden, ob Du unschuldig bist, oder den Tod verdienst; einstweilen bleibst Du unser Gefangener!“ Doch bevor sie Konrad in ihr Lager abführten, trat für sein Geschick eine günstige Wendung ein. Es öffnete sich nämlich die Thüre und drei andere Zigeuner kamen herein. Als diesen sogleich die ganze Sache erzählt wurde, sagte Einer der Neuangekommenen: „Dieser junge Mann ist unschuldig; denn als wir vor etwa drei Viertelstunden bei der Hütte ankamen, war der Mord schon verübt, und wir sahen zwei Kerle weggehen gegen Rohrbach zu. Würde dieser Bursche zu ihnen gehören, so hätte er ohne Zweifel nach vollbrachter Unthat die Hütte nicht mehr betreten. So wurde dann Konrad entlassen. Sein Gang war also nicht nur nutzlos gewesen, sondern hätte ihn bald das Leben gekostet.
Wie ein Schiff auf dem Weltmeere, wenn es in der

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Nacht sich dem Lande nähert, nur dem Leuchtthurme zusteuern darf, dessen helles Licht ihm entgegenschimmert; so konnte auch Konrad, als er über die Heide trostlos in der Finsternis dahinwanderte, nicht im Zweifel sein, ob er die rechte Richtung habe, sein Leuchtthurm war ja die noch immer brennende Burg, deren Flammen schwach den nächtlichen Himmel rötheten. Er hatte dort allerdings Nichts mehr zu suchen; all seine Lieben waren todt, und seine Heimath lag in Asche. Aber wo sollte er sonst hingehen? Er, der Sohn Dessen, welcher als der Treueste und Tapferste für den Ritter gekämpft hatte, konnte ohne große Gefahr sich keinem Bauern der Gegend anvertrauen. Er bestieg also wieder den Berg und betrat die Unglücksstätte. In der Nähe der noch flammenden Burg, rings von Todten umgeben, sank er kraftlos auf ein herabgestürztes Mauerstück und überließ sich nun ganz seinem grenzenlosen Schmerz. „O Gott“, rief er aus,  „welch namenloses Unglück hat dieser einzige Tag über mich gebracht! Alles, was mir lieb nnd theuer war, habe ich auf einmal verloren, nicht einmal ein Obdach für diese Nacht ist mir geblieben, nur den Trost hab’ ich noch, daß ich nicht mehr unglücklicher werden kann.“ Er brach dann in bittere Thränen aus und weinte lange, lange; kaum bemerkte er das heftige Schneegestöber, welches begann und ihm seinen Aufenthalt an dieser Stelle noch unangenehmer machte. Erst als es ihn, der kurz vorher noch in Schweiß gewesen war, gewaltig zu frieren anfing, erhob er sich von seinem kalten Sitze und entschloß sich, den Pfarrer Penthaler um Aufnahme zu bitten, wenigstens für die noch übrigen Stunden dieser schauerigen Nacht.
Er stieg also den Berg wieder hinunter, nach Ziegelbach, und verfügte sich zum Pfarrhause. Aber, o Schrecken! Die Thüren standen offen, einige Fenster waren eingeschlagen, Bücher, Schriften und andere Dinge lagen, wie er beim Mondscheine, der das Schneegewölk durchbrochen, sah, zer-

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streut im Gange umher. Auf sein wiederholtes Rufen erfolgte keine Antwort. Es wurde ihm klar, daß die Bauern hier gewüthet und geplündert hatten, und daß Pfarrer Penthaler und seine Schwester ermordet seien, ober die Flucht ergriffen haben. Das Letztere war der Fall gewesen.
Konrad verließ also das Pfarrhaus und nahm dann wahr, daß die vordere Kirchenthüre ebenfalls offen stehe; die Bauern, welche gestern Abends Sturm geläutet, hatten sie nicht mehr geschlossen. Er trat also in die Kirche ein, da gerade die erste Stunde nach Mitternacht vom Thurme ertönte, und kniete sich nieder vor dem Hochaltar und betete für die Seele des gefallenen Vaters und für die des Ritters, und flehte zur seligsten Jungfrau, deren freundliches Antlitz durch die einfallenden Mondesstrahlen gar lieblich beleuchtet wurde, und die durch ihre Fürbitte hier schon so Vielen geholfen; er flehte zu ihr für die Rittersfrau und ihre Tochter Emma, von deren Schicksal er gar nichts wußte; er flehte auch für sich um Trost und Hilfe in seiner verzweifelten Lage. Nachdem er lange gebetet, setzte er sich, von der beschwerlichen Reise und von den Schrecken und Unglücksfällen des vorigen Tages vollständig erschöpft, in einen Kirchenstuhl, um hier den Tag abzuwarten, und schlief bald ein; und auch wir wollen ihn hier jetzt ruhen lassen und in unserer Erzählung, um etwas Freudigeres nachzutragen, einige Tage rückwärts schreiten.

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(Rückblende zu Joseph im Kloster Weingarten)

18. Der Ordensmann

Die Schneedecke war durch den milden Hauch des Frühlings schon längst hinweggeschafft, die goldgelben Huflattichblüthen zierten allerorts die Straßenränder, die Gänseblümchen auf den grünenden Grasplätzen schauten gar so unschuldig und kindlich zur lieben Sonne auf, und die Erlenbäume und Haselnußgebüsche waren über und über von ihren hängenden Blüthenwürstchen bedeckt; mit einem Worte, die Natur erwachte aus ihrem Winterschlafe und fing die in ihr liegende Kraft zu entwickeln an. Das liebliche Schussenthal, in welches wir uns nun versetzen, zeigte jetzt schon, welch einen Reiz zu entfalten es im Stande sei. Was muß das für eine Pracht werden, wenn diese zahllosen Obstgärten alle einmal in voller Blüthe stehen! Auch unter den Menschen erwacht mit dem neuen Naturleben neue Thätigkeit; überall strömt’s hinaus auf die Gefilde, aus allen Aeckern und in allen Wiesen sind geschäftige Leute, um die schon lange ersehnten ländlichen Frühlingsgeschäfte zu besorgen.
Große Thätigkeit herrschte auch in der das Schussenthal überragenden Reichsabtei Weingarten; es wurden zu einer freudigen und großartigen Feierlichkeit Vorbereitungen, getroffen. Nächster Tage, am 21. März, war das Fest des heiligen Ordensstifters Benedikt, und an diesem Tage sollte

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auch ein neues Mitglied, nach vollbrachtem Noviziate, die feierlichen Ordensgelübde ablegen. Diese Ceremonie sollte diesesmal noch schöner und feierlicher als sonst vor sich gehen; denn der, welcher an diesem Tage sich Gott und dem Kloster für immer opfern wollte, war ja Joseph, der Liebling des Abtes Gerwig Blarer, es war der, welchen dieser durch wunderbare Fügung des Himmels als Gegenstand eines Verlöbnisses erlangt hatte. Außerdem mag noch ein anderer Grund der erhöhten Feierlichkeit vorhanden gewesen sein. Gerwig, dieser tiefblickende Reichsprälat mochte vielleicht vermuthen, daß dieses die letzte Profeß sein könnte im Kloster Weingarten. Denn bereits hatte im nahen Gaisbeuren eine große Versammlung von drei verschiedenen Bauernhaufen Schwaben’s stattgefunden, und ihre gefährlichen Umtriebe und Bestrebungen erregten damals die nämlichen Befürchtungen, wie heut zu Tage die Bewegung der Socialdemokraten.
„Würden die Bauern siegen, so wäre es um die Klöster geschehen,“ dachte Abt Blarer. Mit welcher Freude und Sehnsucht sahen Josephs Eltern diesem Tage entgegen! und wie viel betete die fromme Mutter in den letzten Tagen, daß Gott den Entschluß ihres Sohnes nicht wolle wanken lassen, sondern ihn würdig mache, ein so erhabenes Opfer zu werden!
Endlich war der 21. März angelangt. Mit ernsten, langsamen und feierlichen Schlägen durchtönte die gewaltige „Hosanna“ das ganze von der Morgensonne verklärte Schussenthal und rief Abt und Convent und Volk ins festlich geschmückte Gotteshaus. Damals stand freilich noch nicht der jetzige herrliche Riesentempel mit seiner himmelanstrebenden Kuppel und mit seinem großartigen Orgelwerke, dieser wurde erst 200 Jahre später unter Abt Sebastian Hiller erbaut; es war eine gothische Kirche, in welche durch die farbigen Fensterscheiben nur ein gedämpftes Licht eindrang, das aber die Andächtigen mit hoher Ehrfurcht und heiligem Schauer

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(Erwähnung Ottobeurens; Pater Nikolaus Ellenbog)

erfüllte. Die Festpredigt hielt der gelehrte und weitberühmte Freund des Prälaten, Pater Nikolaus Ellenbog, aus dem Kloster Ottobeuren, der zur Verherrlichung des Festes eigens eingeladen worden war. Nach Beendigung der Festrede zog der ganze Convent mit dem Reichsprälaten in’s Gotteshaus, und das feierliche Hochamt, von Abt Gerwig gehalten, begann.
Joseph’s Eltern hatten nahe beim Altar einen Ehrenplatz erhalten. Welche Gefühle durchwogten ihre Seele, als nach beendigtem Credo ihr Sohn mit dem Novizenmeister zum Hochaltare vortrat, feierlich vor dem Abte das Ordensgelübde ablegte und in dreimaligem Gesange, der von der ganzen anwesenden Klostergemeinde wiederholt wurde, den Herrn des Himmels um Aufnahme bat! Und als er dann vom Abte mit einem neuen Gewande und dem weiten und faltenreichen schwarzen Chorkleide angethan, zwischen 4 Leuchtern auf den mit schwarzem Tuch bedeckten Boden sich hinlegte, als Einer, der nun der Welt und ihren Freuden gänzlich abgestorben ist! Nachdem er zuletzt noch den Abt und all seine neuen Mitbrüder, mehr als 40, umarmt, und um ihr Gebet angefleht hatte, wurde das Hochamt wieder fortgesetzt, und es ertönte nun vom Musikchor herab eine von Joseph’s Lieblingscompositionen, die er sich erbeten, ein Offertorium, das auch nach seinem Inhalte: „Auf dich, o Herr, hab’ ich vertraut, ich werde nicht zu Schanden,“ auf diese erhabene Feierlichkeit sehr gut paßte. Nach der Communion empfing auch er den Leib des Herrn; und mit ihm seine tief gerührten Eltern.
Mittags war große Tafel in dem schönen und geräumigen Speisesaal des Klosters, und Joseph, oder wie er jetzt mit seinem Ordensnamen hieß, Ildephons, saß mit Vater und Mutter in der Nähe seines lieben Abtes und des gelehrten Herrn von Ottobeuren. Die verschiedenen köstlichen Speisen, die herrlichen Weine, die Herablassung und Freundlichkeit des Prälaten: wie selig waren da die Eltern! Und erst als der

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Abt das Weinglas ergriff und mit dem Sohne und ihnen anstieß und auf ihr Wohl trank, da war die Seligkeit dieser Leute vollständig, und der Vater sagte: „Gnädiger Herr! dieser Tag ist der schönste meines ganzen Lebens.“
Das Gespräch kam auch auf Joseph’s jahrelanges Bemühen, zum Studium und in’s Kloster zu kommen, und Abt Gerwig sagte dann: „Lieber Bruder Ildephons! Damals als wir zwischen Bellamont und Rottum uns trafen, hätten wir nicht geglaubt, daß du einst in meine Hände das Gelüde [Gelübte] ablegen, und wir so fröhlich im Refectorium in Weingarten bei einander sitzen würden.“
„Herr Prälat,“ sagte nun die Mutter, mit Uebergehung aller Titel, „ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, daß es meinem Joseph noch gut gehen werde, denn ich habe viel für ihn gebetet.“
Abt Gerwig gab ihr, freundlich lächend, zur Antwort: „Ja, Mutter, wer betet und auf Gott vertraut, der hat auf festen Grund gebaut.“
So ging dieses Festmahl, ob schon es lange dauerte, den überglücklichen Eltern fast nur zu schnell vorüber, blieb ihnen aber für immer in freudigem Andenken. Am Abende war noch feierliches Completorium in der Klosterkirche, und der ergreifende Psalmengesang und die majestätischen Orgelklänge, welche das dämmernde Gotteshaus durchhallten, gaben diesem festlichen Tage einen würdigen Schluß.
Am folgenden Tage bekam Ildephons vom Abte die Erlaubniß, seine Eltern im ganzen Kloster herumzuführen und ihnen Alles zeigen zu dürfen. Wie staunten sie, als sie in die Bibliothek kamen und die Tausende von Büchern sahen! Auch die große Küche, die verschiedenen Werkstätten, die umfangreichen Oekonomiegebäude und manches Andere überstieg all ihre Vorstellung. Ildephons erzählte dann auch dem Vater, wie die Welfen, dieses mächtige schwäbische Geschlecht, auf dem nämlichen Platze, wo ihr Stammschloß gestanden.

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dieses Kloster gegründet haben; wie durch Juditha, die Gemahlin eines Welfen, das heilige Blut aus der Seitenwunde des Heilandes hieher gebracht worden sei, und mehreres Andere, sowohl historische, was den Vater besonders interessirte, als religiöse, was die Mutter mehr ansprach.
Als sie sich trennten, sagte die Mutter noch zu ihrem Sohne: „Mein lieber Alphons oder Ildephons, oder wie du jetzt heißest, sei Gott nur recht dankbar für das Glück, welches du gehabt hast und wende es recht zu deinem Seelenheile an.“
„Und bedenke,“ fügte der Vater bei, „daß du nicht den Zweck, sondern nur ein Mittel erreicht hast, um den wahren Zweck zu erreichen, nämlich die ewige Seligkeit!“
Dieser Tag der feierlichen Profeß war für Joseph ein schöner Tag gewesen, würde aber für ihn noch viel freudiger gewesen sein, wenn auch der Jugendfreund, nach welchem er in letzter Zeit sich so oft und so innig sehnte, zugegen gewesen wäre. Er hatte ihm geschrieben und ihn zu dieser Feier dringend eingeladen, ihn aber vergebens erwartet. Sollte Jener ihn ganz vergessen haben, da er nicht erschien, ja nicht einmal schrieb?
Drei Wochen später erhielt Ildephons von Konrad einen Brief, worin er ihn von all dem Schrecklichen, das sich am 6. April in Ziegelbach ereignet hatte, ausführlich benachrichtigte. Wie erschrack er, als er den Fall der Krattenburg, den Untergang dieser edeln Familie, Konrad’s Unglück und Hilflosigkeit und das traurige Ende Miglantha’s vernahm! Sogleich eilte er mit diesem unheilvollen Briefe zu seinen Eltern, welche ohnehin immer sehr begierig waren, Nachrichten aus der Heimath zu erhalten, und wie jammerten sie, als Ildephons ihnen diesen traurigen Bericht seines Freundes vorlas! Inniges Mitleid über Konrad’s Schicksal ergriff ihre Herzen, und tief bedauerten sie den Tod der Andern und den schrecklichen Aufruhr.
Besonders aber schmerzte Ildephons Miglantha’s schrecklicher

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Tod. „O wenn sie doch,“ sagte er mit Thränen in den Augen, „wenigstens nicht in solch rachesüchtiger Gesinnung vom Tode weggerafft worden wäre, sie, die mich so sehr geliebt!“
Konrad’s Brief schloß mit den Worten: „O vergiß auch fernerhin nicht deinen Freund, welcher, während du des höchsten Glückes dich erfreust, namenlos unglücklich ist!“ Ildephons hatte nicht nöthig, seine Eltern darum zu bitten, sie selbst beschlossen, dem unglücklichen Konrad gleich morgen eine kleine Unterstützung zu übersenden.

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19. Große Gewalt wird niemals alt!

Nachdem die Krattenburg von den Bauern so bald abgethan war, und auch die Stadt Wurzach in ihren Händen sich befand, sollte die Ziegelbacher Heide für die Haufen des unteren Allgaues ein Hauptsammelplatz und ein Ort der Entscheidung werden, und in der kommenden Woche sollten hier bedeutende Dinge sich abwickeln.
Am Dienstag in der Charwoche, den 11. April, verließ Truchseß Georg die Gegend bei Günzburg und Leipheim und richtete seinen Marsch nach Oberschwaben. Bei Baltringen, einem Hauptherde des Aufstandes, stieß er auf 200 Bauern, von denen er die Hälfte erschlug, die anderen theils gefangen nahm, theils auseinander sprengte. In einem Riede bei seinem Bergschlosse Grünenthann traf er wieder 600 Bauern, die gerade im Begriffe waren, nach Wurzach zu marschiren; einige 20 von diesen wurden niedergemacht, gegen 200 gefangen genommen. Die Bundesbehörde in Ulm schrieb dem Truchsessen, er solle links ziehen und dem Kloster Ochsenhausen zu Hilfe kommen; da aber fortwährend Nachrichten kamen von der Bedrängniß seines Schlosses Wolfegg, von der Gefahr seiner Familie in Waldsee, so setzte er seinen Marsch gegen Süden fort, hatte aber im Riede bei Winterstetten einen heftigen Kampf gegen die Bauern zu bestehen,

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in welchem wieder viele Aufrührer umkamen und 141 gefangen genommen wurden, großentheils Georg’s eigene Unterthanen.
Der Pfaffe Florian wollte hier mit dem Truchsessen unterhandeln, aber nur in der Absicht, ihn so lange hinzuhalten, bis die Haufen vom Bodensee und vom obern Allgäu auf der Ziegelbacher Heide angekommen wären. Doch der Bundeshauptmann merkte diese List, ließ sich auf’s Unterhandeln nicht ein und marschirte weiter, dem Heistergaue zu.
Der Plan der Bauern war somit vereitelt. Da sie einsahen, daß sie mit ihren 7000 Mann, welche sie bis jetzt bei einander hatten, auf der großen Ebene der Ziegelbacher Heide der Reiterei und den Kanonen der Bundestruppen, welche, wie sie wußten, 8000 Mann stark auf sie losrücken, nicht gewachsen seien, so zogen sie sich zwischen den sogenannten „Siechenberg“ und die Stadt Wurzach zurück, wo sie auch von Norden her durch die Aitrach und das Ried gedeckt waren. Pfarrer Florian schrieb am 13. April noch in aller Eile an den Grönenbacher Haufen und bat um Hilfstruppen; und wirklich kam von dort am folgenden Tage ein[e] Abtheilung Bauern bei Wurzach an.
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Der 14. April, der Charfreitag, war angebrochen, der Tag der Versöhnung zwischen Himmel und Erde, und heute sollten die Christen einander selbst hinmorden; es war angebrochen der ernsteste Trauertag des Kirchenjahres, an welchem selbst die Glocken schweigen, und heute hörte man allüberall Sturm läuten; die geweihten Glocken mußten ihre hehre Stimme dazu hergeben, die verwilderten Christen zu blutigem Mord aufzufordern. Denn schon kam der Truchseß mit seinen zahlreichen Bundestruppen über den nördlichen Höhe-

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zug herüber und vom Heidgauer Berge herab. Sobald er, auf der Ebene angekommen, seine Leute in Ordnung gebracht, rückte er sogleich gegen Wurzach vor, wo unterdessen noch 1500 Bauern von der Iller angekommen waren. Er erstürmte sodann die südlich von der Siechenkapelle gelegenen und von den Bauern  besetzten Höhen und suchte jene auf jede Weise aus ihrer guten Stellung herauszulocken, aber vergebens; denn bei jedem Angriffe zogen sie sich sogleich hinter die Aitrach und in’s Ried zurück; mit seiner Reiterei konnte er ihnen daher wenig Schaden beibringen, mehr jedoch mit seinen 18 Kanonen; Viele auch ertranken im Flusse und in den tiefen Wassergräben.
Bei einem solchen eiligen Rückzug in’s Torfmoor fiel ein alter, schon gebrechlicher Bauer, der am Treffen Theil nahm und nicht mehr schnell laufen konnte — er nannte sich Hans Lutz — den Bundestruppen in die Hände. Vor den Truchsessen geführt, fragte ihn dieser: „Du alter Bursche, was hab’ ich denn euch Bauern Leid’s gethan, daß ihr mich vertreiben und einen ehrlosen Pfaffen zu eurem Herrn machen wollet?“
Das alte Bäuerlein fiel vor dem Gestrengen auf die Kniee und sprach: „Gnädiger Herr! wir sind eben wüthige und aufrührerische Leute. Aber ich bitt’ Euer Gnaden, mich zu Euren Unterthanen zu schicken, und ich hoffe, sie dahin zu bringen, daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergeben!“
„Ja, thu’ das, alter Kerl!“ sagte der Truchseß. Wenn sie mir den Pfaffen Florian von Aichstetten ausliefern, so sollen alle Andere begnadigt werden.“ Die Bauern thaten es aber nicht; sie wiesen dieses Ansinnen entschieden zurück.
Unterdessen erhielten die Revolutionäre von Westen her einen bedeutenden Zuzug: Urban Hermann [Sein Führer war der Teuringer Hauptmann Eitelhans Ziegelmüller // Hans Jacob Humpis von Senftenau ?], der Anführer des Bodenseehaufens, rückte mit 4000 Bauern aus dem Schussenthale mit viel Lärm heran. Sogleich richtete der Truchseß seine Kanonen auf diese, griff sie an und tödtete bei [um die] 100 Mann,

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viele Andere, auch ihren Anführer, nahm er gefangen. Den aufrührerischen Bauern muß man überhaupt nachsagen, daß sie in den Treffen nie Muth und Tapferkeit bewiesen; Muth hatten sie nur beim Ausrauben der Klöster und beim Niederbrennen der Schlösser.
Wurzach mußte sich ergeben, und bei angebrochener Dunkelheit wurden noch viele Bauern in den tiefen Canal in der Stadt hineingejagt und ertranken, nicht wenige auch in der Aitrach. Im Ganzen sollen 100 ertrunken, 400 im Treffen gefallen und ebensoviele gefangen worden sein.
Nach allen Seiten auseinandergesprengt, eilten die Aufrührer theils ihrer Heimat zu, theils zogen sie mit Pfarrer Florian gegen Gaisbeuren, konnten aber, da eine äußerst finstere Nacht diesem traurigen Charfreitage folgte, nicht weiter verfolgt werden, zumal des Truchsessen Soldaten wieder bockbeinig zu werden anfingen und nicht mehr gehorchen wollten.
Obgleich verhältnißmäßig nicht gar viele Bauern gefallen waren, hatte die Sache für das untere Allgäu doch so ziemlich sein Ende erreicht, zumal der Truchseß am folgenden Tage bei Gaisbenren ein noch größeres Herr [Heer] der Bauern mit leichter Mühe auseinander jagte. Unsere vier Hauptschreier hatten bei diesem Treffen nicht gefehlt; sie hatten in demselben gekämpft, und drei von ihnen auch für immer ausgekämpft. Motzinger fiel, von einer Kugel getroffen, nicht weit von der Stadt, und der Schweinschneider wurde am Osterfeste bei Diepoldshofen aus der Aitrach gezogen, in welcher er, wahrscheinlich in seinem Normalzustände, das heißt betrunken, seinen Tod gefunden. Der Sattelbauer von Rohrbach hatte, schuftig, wie immer, in ein Gebüsch versteckt, auf die Bundestruppen geschossen und einige von ihnen getödtet. Diese zogen ihn dann heraus und knüpften ihn, ohne dem Truchsessen die Sache anzuzeigen, ohne viele Umstände an die große Linde auf, welche noch heut

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zu Tage am Fuße des Leprosenberges steht. Müllerhans aber, der roheste von Allen, kam mit dem Leben davon und flüchtete sich nach Gaisbeuren; er war noch nicht am Ziele seiner edeln Laufbahn angelangt.
Durch dieses für die Bauern so unglückliche Treffen war in gar vielen Familien Trauer und Elend eingekehrt; viele Väter und Söhne waren gefallen oder schwer verwundet. Doch keine Familie war schlimmer daran, als die des liederlichen Schweinschneiders, der bei seinem Leben Alles vertrunken, und bei seinem unseligen Tode Frau und Kinder in der größten Armuth zurückgelassen hatte. Doch Pfarrer Penthaler, dieser würdige Prieser, nahm sich der Familie jenes unglücklichen Mannes, der einer seiner gehäßigsten Feinde gewesen, liebevoll an und sorgte für sie, so lange er noch lebte, auf jede Weise.

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20. Der Besuch.
(Primiz von Joseph bzw. Ildephons)

Mehr als 3 Jahre waren verflossen, seitdem die irregeleiteten Bauern zum Gehorsame zurückgebracht, und dem Lande der Friede wieder gegeben war. Die ehernen Waffen ruhten jetzt freilich, aber nicht die Waffen des Geistes. Immer mehr breitete sich die neue Lehre aus, und immer heftiger entbrannte der Kampf zwischen Rom und den Anhängern Luther’s, und es war vorauszusehen, daß der Kampf der Geister früher oder später neuerdings einen blutigen Kampf der Waffen zur Folge haben müsse. Doch an manchen Orten, besonders in geordneten Klöstern, wo der Geist der Neuerung und die Idee einer falschen Freiheit noch nicht eingedrungen war, herrschte Ruhe und Friede, und Alles ging in der gehörigen Ordnung fort. Auch im Kloster Weingarten unter der milden und umsichtigen Regierung des weisen und eifrigen Abtes Gerwig Blarer war dieses der Fall. Und so hatte unser Ildephons unterdessen seine philosophischen und theologischen Studien beendigt und am Pfingstmontage des Jahres 1528 in der Klosterkirche seine erste heilige Messe gelesen. Wir wollen es nicht versuchen, das Glück und die Freude der Eltern zu schildern, da sie ihren Sohn als Priester am Altare stehen und dem Höchsten das heiligste aller Opfer darbringen sahen, ihn zum erstenmal mit reiner und klangvoller Stimme das Amt singen hörten und aus des Sohnes

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(Joseph hilft Konrad; Tod Pfarrer Penthalers)

Händen die heilige Communion empfingen, und als sie dann wieder, wie früher bei der Profeß, an dem freudigen und glänzenden Festmahle Theil nehmen durften.
Pater Ildephons war jetzt überglücklich, was ihn selbst und seine Eltern betraf; er hatte aber auch jeden Menschen so glücklich, wie sich, sehen mögen, besonders aber seinen Freund Konrad, der ihm ganz besonders am Herzen lag; denn die Freundschaft war neu gestärkt vom Schlummer wieder aufgewacht. Er ließ es also sich sehr angelegen sein und that verschiedene Schritte, dem Freunde zu helfen und ihm eine angenehme Lebensstellung zu verschaffen. Schon lange hatte er ihn und die liebe Heimat nicht mehr gesehen, denn seit er dem Orden angehörte, war er nicht mehr von Weingarten fortgekommen; jetzt, da er Priester war, durfte er eine kleine Erholungsreise machen und konnte somit dem Triebe seiner Seele folgen und den theuren Boden wieder betreten, wo er seine Jugend verlebt hatte.
Konrad hatte, sobald Pfarrer Penthaler nach jenen Unglückstagen, oder vielmehr nach dem Treffen bei Wurzach zurückgekehrt war, bei ihm Aufnahme gefunden und wurde bei dessen Oekonomie beschäftigt; Penthaler hätte ja keinen treueren und zuverlässigeren Menschen finden können. Konrad seinerseits beschloß, im Pfarrhofe zu bleiben, so lange es ihm gestattet sei, weßhalb er sein Haus nicht mehr ausbaute, sondern seine wenigen Aecker verkaufte, da ohnehin sein Muth gebrochen, und die selbstständige und freudige Thatkraft für jetzt vollständig gelähmt war. Nur allmählich kam, im Umgänge mit Penthaler, wieder etwas mehr Ruhe in seine bekümmerte Seele, wieder etwas Freudigkeit in sein vom Schicksal so hart getroffenes Herz. Doch schon im folgenden Jahr 1526 wurde dieser treffliche Pfarrer, dieser sein väterlicher Freund ihm durch den Tod entrissen, und dessen Nachfolger, Johannes Manz, war dieß für ihn nicht mehr. Er  behielt ihn, weil er seine Treue und Redlichkeit kannte, zwar bei sich im Hause,

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von einem so freundschaftlichen Verhältnisse aber war nicht mehr die Rede.
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Es war an einem äußerst schönen Tage Mitte Septembers als Konrad aus einem nahe bei Ziegelbach gelegenen Acker seines Pfarrers mit dem Säen des Winterroggens beschäftigt war. Auf einmal sah er von Rohrbach her einen geistlichen Herrn, einen Ordensmann, kommen und zwar einen Benediktiner, mit dessen fliegendem Scapulier die etwas bewegten Herbstlüfte ihr Spiel trieben; nur noch ein paar Minuten, und die beiden Freunde lagen sich in den Armen, und einem jeden standen, da sie nach langer Trennung und so verschiedenen Schicksalen sich wiedersahen, Thränen der Freude und Rührung in  den Augen. Jeder bemerkte bald die Veränderung, welche in dem Anderen unterdessen vor sich gegangen: des früher so heitern Konrad hatte Schwermuth sich bemächtigt, seine ehemalige Lebensfreudigkeit war fast gänzlich verwischt; während der in seiner Jugend so schüchterne und schweigsame Joseph jetzt heitern Sinnes, beredt und witzig geworden. Sie hatten gleichsam ihre angeborene Natur gegenseitig ausgetauscht; so sehr können äußere Verhältnisse die inneren Seelenzustände umgestalten!
Nachdem sie sich also herzlich begrüßt und gefreut hatten, wollte Pater Ildephons den arbeitsamen Freund nicht länger mehr stören und sagte, daß er jetzt zu Pfarrer Mauz sich verfüge, um sich ihm vorzustellen, und dort würden sie sich Abends wieder treffen. Er wurde vom Pfarrer, der ihn noch nie gesehen, durch Konrad aber viel von ihm gehört hatte, recht gut aufgenommen, und er konnte bei ihm bleiben, so lange er sich in der Gegend aufhielt, und jetzt zum erstenmal einige Tage lang mit Konrad unter einem Dache wohnen.

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Am folgenden Sonntage nach der Vesper machte Pater Ildephons Konrad den Vorschlag, mitsammen den Krattenberg zu besteigen und die Ruine des zerstörten Schlosses, welche so schauerlich in’s Thal herniederschaute, näher zu besehen. Konrad erklärte sich bereit, indem er sagte: „Obgleich auf jenem Platze mein Schmerz immer wieder erneuert wird, so besuche ich ihn doch oftmals, setze mich auf ein heruntergestürztes Mauerstück und rufe mir die heitere Zeit meiner Jugend, die seligen Stunden, welche ich dort verlebt in’s Gedächtniß zurück und — weine.“
Sie bestiegen also den Berg und besichtigten die zerstörte Burg. Konrad machte den Freund auf gar Manches aufmerksam: er zeigte ihm den Platz, wo das Wohnzimmer, wo die Bibliothek, wo die Kapelle gewesen, die Stelle, wo die Leiche seines Vaters gelegen, wo der Ritter gefallen, wo er durch das Gespräch jener Bauern ans eine falsche Spur geleitet worden. „Hier,“ sagte er endlich, mit Thränen in den Augen, „hier unter den Trümmern dieses Schlosses liegt auch mein Lebensglück begraben! Doch ich will froh sein, daß ich wenigstens dich noch habe, mein Freund Joseph; nein, auch dieser Name ist für mich verloren gegangen, du heißest jetzt Ildephons.“
„Nein, lieber Konrad,“ rief der Pater; „dir und meinen Eltern bin ich Joseph geblieben; denn ich weiß, daß es euch schwer fällt, mit einem anderen Namen mich zu nennen, als mit dem, unter welchem ihr so lange mich innig geliebt. Ja, Konrad, ich bin dein Joseph, ich bin und bleibe dein Freund! Und damit du siehst, daß ich es bin, und daß ich Dir wohl will, so setze dich zu mir auf diesen gar so einladenden Rasen her, wo wir das ganze Thal erblicken können und den Wasserspiegel des Rohrsees glitzern sehen, und ich werde dir vielleicht etwas Erfreuliches mitzutheilen im Staude sein!“
Nachdem sie sich gesetzt hatten, sagte Pater Ildephons: „Ich weiß, mein Konrad, daß Pfarrer Manz mit dir wohl

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(Joseph verschafft Konrad eine Anstellung als Burgverwalter der Waldburg)

zufrieden ist und auch fernerhin dich deinen Lebensunterhalt bei sich verdienen läßt. Die Verhältnisse könnten sich aber ändern, er könnte anderswohin versetzt werden, könnte sterben, könnte, was bei den geheimen Umtrieben, die unter den Bauern noch immer fortdauern, verjagt werden; was wolltest du dann anfangen? Und deßhalb habe ich in letzterer Zeit Schritte für dich gethan, und zwar nicht ohne Erfolg. Unlängst war nämlich Truchseß Georg von Waldburg auf Besuch in unserem Kloster, und da wurde auch von dem unglücklichen Ritter von Krattenburg gesprochen, und der Truchseß sagte, daß es ihm Leid gethan, daß er ihm damals nicht habe Hilfe senden können. Ich aber benützte diese Gelegenheit und bat ihn, jenen jungen Mann, der aus Treue gegen seinen Herrn, vergebens sich jener gefahrvollen Gesandtschaft unterzogen, und der zudem Talent und Bildung besitze, in seinen Dienst zu nehmen. Auch Abt Blarer trug das Seinige dazu bei, indem er zum Truchsessen sagte: „Der, welchen mein Pater Ildephons empfiehlt, bedarf keiner weiteren Empfehlung mehr.“ Und da treue und brave und gebildete Leute in unserer Zeit gar selten sind, so war die Frucht meiner kleinen Bemühung dieses Schriftstück, das ich somit dir übergebe und dazu meinen Glückwunsch ausdrücke; es ist deine Ernennung zum Schloßverwalter in Waldburg.
Konrad konnte vor Staunen und Rührung nicht sprechen, er drückte dem Freunde nur die Hand, auf welche eine Thräne des Dankes fiel.
Die Sonne neigte sich zum Untergange, und die beiden Freunde verließen die Ruine und gingen den Berg hinab, nach Ziegelbach. Jetzt auf dem Wege fand Konrad endlich Worte um seinen Dank und seine Freude auszudrücken. „Mein Joseph,“ rief er aus, wie kann ich dir dieses vergelten? Eine angenehmere Stellung hättest du mir unmöglich verschaffen können. Ich soll nun für immer in jener so hoch und herrlich gelegenen Burg wohnen, die ich von

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Jugend an von meinem väterlichen Hause und von der Krattenburg aus vor Auge hatte, und nach der ich oft, ich wußte nicht warum, mit einer gewissen Sehnsucht hinblickte!
Pater Ildephons versicherte ihn, daß ihm diese Ernennung zu nicht geringerer Freude gereiche, er sei also durch die Sache selbst hinlänglich belohnt.
Unter solchen Gesprächen waren sie im Pfarrhause angekommen, und beim Nachtessen theilte Ildephons dem Pfarrer mit, daß Konrad sein Anstellungsdecret als Schloßverwalter von Waldburg bereits in Händen habe. Der Pfarrer freute sich zwar über Konrad’s Glück, bedauerte aber doch, diesen treuen und rechtschaffenen Mann aus dem Hause und aus der Pfarrgemeinde fortlassen zu müssen.

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21. Neues Aufleben.

Die Natur war bereits ihrer Schönheit beraubt, die Felder standen schon kahl, und nur noch vereinzelnte Vögel hörte man singen; es war somit kein Aufleben in der Natur, sondern in Konrad’s Seele, welche so lange von der starren Eisrinde des Kummers und der Schwermuth umhüllt gewesen. Doch jetzt sprang diese geistige Eiskruste, und der freudige Lebensmnth konnte sich wieder langsam emporrichten, um sich an seinem unerwarteten Glücke zu sonnen.
Die Abreise nach Waldburg mußte bald stattfinden; denn Pater Ildephons wollte, auf der Rückkehr nach Weingarten einen kleinen Umweg machend, den Freund selbst dorthin begleiten und dem Truchsessen vorstellen. Die wenigen Tage, welche sie noch in Ziegelbach verweilten, wollten sie noch zu Abschiedsbesuchen verwenden, freilich nicht bei den Leuten, denn diese waren schlimmer geworden, als sie vor einigen Jahren gewesen, sondern an einigen Lieblingsplätzchen der Umgegend.
Vor allem bestiegen sie noch einmal die Krattenburg und verweilten lange an diesem Platze. Und wie nach den schönsten Frühlingstagen wieder unfreundliches Schneegestöber einfallen kann, so beschlichen auch hier den Konrad traurige Rück-

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erinnerungen und er rief: „O mein Freund, könnte ich doch in diesen ausgebrannten Räumen meine Emma wieder finden, die, wie eine Schwester, mich innig geliebt! oder wenn ich wenigstens nur wüßte, was aus ihr geworden ist. Aber ich muß sie als todt betrauren, und wie mag ihr Tod beschaffen gewesen sein? O Joseph, das ist ein Stachel für mein Herz, der es verwundet, bis es selbst im Tode einmal bricht.“
Pater Ildephons suchte ihn zu trösten und seinen Geist auf etwas anderes zu lenken: „Schau,“ sagte er, „wie deutlich man heute das Schloß Waldburg sieht! man sollte nicht meinen, daß es über 4  Stunden von hier entfernt ist. Von dort ans kannst du also bei hellem Wetter alle Tage deine Heimath, deinen Lieblingsplatz sehen.“
„Um immer wieder meinen Schmerz zu erneuern,“ entgegnete Konrad. Zuletzt besuchte er auch noch den Platz, wo sein väterliches Haus gestanden, und der jetzt von Gras und Gestrüpp überwuchert war. Er kniete sich daselbst nieder und betete für seine dahingegangenen Eltern ein Vater unser.
Am folgenden Tage wurde ein Ausflug zur Zigeunerhütte gemacht. Heute war es hauptsächlich an Ildephons, durch traurige Rückerinnerungen wehmüthig gestimmt zu werden. Er gedachte der Liebe, mit welcher Miglautha an ihm gehangen; er gedachte au ihr schmerzerfülltes Leben und an ihren schauerlichen Tod. Aber auch Kourad wurde an diesem Platze erschüttert; es kam ihm jene schreckliche, jene unglücklichste Nacht seines ganzen Lebens wieder in den Sinn, und der entsetzliche Schrecken, als er sie ermordet in dieser Hütte fand und bald selbst als ihr Mörder um’s Leben gekommen wäre.
„Weißt du denn nichts Näheres über die Ermordung der Miglantha?“ fragte Ildephons.
Dieser antwortete: „Die ganze Sache soll sich so verhalten haben: Wie ich dir schon damals schrieb, hielten jene vier saubern Männer in der Nähe der Burg eine Berathung und sagten zuletzt, daß die Zigeuner sie fortgeschleppt haben;

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(Konrad erzählt vom Tode Miglanthas)

sie meinten aber nicht, wie ich damals glaubte, die Frauen, sondern die Schätze. Und so machten sie sich, so erzählt man, sogleich ans den Weg zur Zigeunerhütte, bemerkten auch bald Einige dieses Stammes, die vor ihnen hergingen, konnten sie aber, da Jene ihre Schritte beschleunigten, nicht einholen; auch gingen die Zigeuner nicht der Hütte, sondern ihrem Lager zu, bis zu welchem Motzinger und der Schweinschneider ihnen nachsetzten. Müllerhans und der Sattelbauer eilten der Hütte zu, um dort nach Geld zu forschen. Niemand war in der Hütte als Miglantha, und von dieser erhielten sie Nichts, als eine derbe Strafpredigt über die nächtliche Störung. Dadurch erbittert und in seiner Hoffnung getäuscht, machte der schreckliche Müllerhans, welcher heute ohnehin schon viel Blut vergossen, seine früheren Drohungen zur Wirklichkeit und erschlug die Zigeunerin auf der Stelle.“
Ildephons, der über diese Erzählung sehr nachdenkend und wehmüthig gestimmt worden war, sagte: „Als ich vor Jahren in dieser nun verlassenen Hütte von Miglantha Abschied nahm, sprach sie zu mir: „„Wenn du einst in diese Hütte kommst und mich nicht mehr findest, so denke: Sie hat mich doch geliebt, geliebt, wie einen Sohn!““ Ja, sie hat mich geliebt, möchte sie aber auch unseren Heiland geliebt haben und jetzt bei ihm sein!“
Sie verließen die Hütte, welche jetzt schon ihrem Zerfalle entgegensah, und gingen, nachdem Ildephons seinen Blick noch mit vieler Vorliebe auf seinem Felde, wo er in seiner Jugend so viele Zeit zugebracht, einige Augenblicke hatte ruhen lassen, an den Rohrsee hinab, wo die emsige Martha sie schon mit dem Kahne erwartete und nach Rohr hinüberführte. Dießmal wurden sie von den schreienden Möven nicht belästigt; sie hatten die Gegend schon längst verlassen und waren ihrem Winter-Aufenthalte zugeflogen; nur einzelne Wild-Enten sausten über sie dahin, und manchmal schnellte ein Fisch aus der Fluth empor. Nach kurzer

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Einkehr bei den Verwandten gingen die beiden Freunde über Rohrbach nach Ziegelbach zurück. Am folgenden Tage, einem herrlichen Septembermorgen, ging’s fort gegen Südwesten und Waldburg zu. In  Wolfegg, diesem schön gelegenen Orte, wurde Halt gemacht und ausgeruht: auch wurde das Schloß angeschaut, das Konrad’s neuem Herrn, dem Truchsessen, gehörte und von ihm meistens bewohnt wurde. Dann ging’s weiter durch die unmuthigen Dörfer, die ganz versteckt liegen zwischen zahlreichen Obstbäumen, welche jetzt gerade unter ihrer reizenden Last beinahe zusammenbrachen. Das freundliche Wetter und die liebliche Gegend hatte die beiden jungen Männer sehr freudig gestimmt und Konrad gestand, daß er seit Jahren nie mehr so heitern Gemüthes gewesen sei. Als es 11 Uhr schlug, bestiegen sie schon den waldigen Bergkegel, auf dessen Gipfel die erhabene Burg so herrlich thront. Sie traten ein in die Ringmauer, welche das ganze Schloß umgibt, traten ein in den inneren Hofraum und schauten staunend an den hohen Mauern der Burg hinauf; da ertönte plötzlich hinter ihnen die rauhe Stimme des „Bauernjörg“, der gerade durch den Hof ging: „So, Herr Pater,“ rief er, „ihr bringt mir da gewiß meinen neuen Verwalter? Kann ihn brauchen, wenn er was taugt; hab’ fast lauter Lumpen in meiner Herrschaft, die weder Gott, noch mir mehr gehorchen wollen; sie möchten von mir und vom Glauben abfallen. Aber ich will es diesen Kerls vertreiben; sie sollen bleiben, was ihre Väter waren, oder es soll sie der Teufel reiten!“
Jetzt mußte der Truchseß husten, und diese Pause benutzte Pater Ildephons, um zu Wort zu kommen und seine Begrüßung und Empfehlung an den Mann bringen zu können. „Durchlauchtigster Herr Truchseß“, sagte er, „ich nehme mir die Freiheit, diesen meinen Jugendfreund Euerer Gewogenheit bestens zu empfehlen. Er stand den Bauernumtrieben

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immer ferne, war vielmehr, wie sein Vater, ein treuer Anhänger des Ritters von Krattenburg und wurde in jener Familie fast wie ein Sohn betrachtet und geliebt; und so wird er auch Euer Durchlaucht unverbrüchlich treu dienen und das Vertrauen, welches Ihr ihm schenket, nur noch zu vermehren suchen.“
„Er schaut wenigstens offen d’rein“, fuhr der Truchseß fort, „und das hab’ ich gern. Aber diese Bauern, aus deren glotzenden Augen nur Falschheit und Blödsinn und Rohheit herausschaut, wagen es nicht, mir offen in’s Gesicht zu sehen. Wie heißest du, junger Mann?“
„Ich heiße Konrad, um zu dienen, Durchlaucht.“
„Was, zu dienen?“ polterte der Bauernjörg ihn an; „nur keine leeren Sprüche! Thaten verlange ich; Treue, Emsigkeit, Sittlichkeit; übst du diese, so kommen wir famos mit einander aus. Morgen beginnt dein Dienst, und heute kannst du, nachdem mir mit einander zu Mittag gegessen, mit dem geistlichen Herrn noch meine Burg anschauen, ein Diener wird euch herumführen. Pater Ildephons, Ihr bleibt doch bei mir über Nacht?“
„Verzeihet, Herr Truchseß!“ sagte dieser, „ich soll heute noch in meinem Kloster eintreffen, werde also nur bis nach 3 Uhr bleiben, um dann recht gemüthlich an dem schönen Abende das Laurathal hinabwandern zu können.“
„Ihr könnt thun, wie Ihr wollt“, sagte der Truchseß; „Ihr wisset, daß ich keine Complimente mache, aber jeder brave Mann mir willkommen ist.“
Man ging dann bald zu Tisch. Beide wurden vom Truchsessen der Gräfin und den Kindern mit kurzen Worten vorgestellt, und auch Konrad durfte als Freund des Paters, und da er heute noch als Gast betrachtet wurde, an der gräflichen Tafel mitspeisen und konnte dabei sowohl die Biederkeit als Derbheit des „Bauernjörg“ noch besser kennen lernen.
Nachdem das Mahl vorüber war, begann die Besich-

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Begriffserklärung: Altan / Söller

tigung der Burg. Wie schauten und staunten Beide! wie sehr freute sich Konrad, von jetzt an in einem Schlosse leben, es sogar unter seiner Aufsicht haben zu können, das noch schöner war, als die ihm so theuer gewesene Krattenburg! Und erst die unbeschreiblich schöne Fernsicht von der schwindelerregenden Altane [eine offene, auf Stützen oder Mauern ruhende Plattform eines Obergeschosses eines Gebäudes] aus nach allen Seiten! Konrad hatte gar nicht vermuthet, daß es irgendwo eine solche Aussicht geben würde, konnte es somit auch kaum glauben, als Ildephons ihm versicherte, daß die vom Hörnliberg aus, den er ihm zeigte, noch viel schöner sei. Wie entzückte ihn der glänzende Wasserspiegel des Bodensees, der aus weiter Ferne in großer Ausdehnung sich ihnen zeigte! „An diesen See“, rief Konrad aus, „müssen wir eimnal mit einander eine Reise machen!“
Nachdem sie lange diese herrliche Fernsicht genossen, rief der Truchseß sie zu einem Glas Wein, und sie saßen recht heiter noch eine Stunde beisammen, bis Pater Ildephons endlich vom Truchsessen und dessen Familie sich verabschiedete und nochmals ihm seinen Freund empfahl, der ihm dann fast bis zum Anfange des Laurathales das Geleit gab und ihm nochmals den herzlichsten Dank aussprach.

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22. Wiedersehen.
(Konrad besucht Joseph nach einem Jahr in Weingarten; Joseph ist mittlerweile Professor)

Es war im Sommer des folgenden Jahres 1529, als schon früh am Vormittag der gräfliche Schloß-Verwalter Konrad zu Pater Ildephons in’s Zimmer trat, ihn herzlich grüßte nnd ihm sagte, daß er vom Truchsessen auf ein paar Tage der Dienstpflicht enthoben sei, und er diese Zeit dazu benütze, ihn zu besuchen und die Umgegend und das schöne Schussenthal ein wenig kennen zn lernen. Ildephons war sehr erfreut, nach bald einem Jahr ihn wieder zu sehen, und sagte zu ihm: „Du kannst in unserem Kloster bleiben so lange Du willst, ich werde Dich dem Herrn Prälaten schon vorstellen; er hatte Dich ohnehin schon längst kennen lernen mögen. Ich kann leider Dir nicht immer meine Aufmerksamkeit schenken, denn als Professor bin ich jeden Tag einige Stunden mit meinen Studenten beschäftigt, jede freie Zeit jedoch werde ich bei Dir zubringen.“
Sie kamen dann bald auf die politischen und religiösen Zustände Deutschland’s zu sprechen und auf die großen Fortschritte, welche die Lehre der Reformatoren machte. „Aus unserer Heimath“, sagte Pater Ildephons, „kommen fortwährend traurige Nachrichten.“
„Ja, sehr traurige“, erwiederte Konrad; „es ist dort eben, wie überall: die Bauern sind durch Schaden nicht klug geworden, sie haben das Jahr 1525 wieder ganz vergessen.

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(Der 30-jährige Krieg als Gottes Strafe für das sündige Treiben der Bauern)

Ich kann es meinem Truchsessen nicht verargen, wenn er sie mit aller Strenge behandelt.“
„Luther’s neue Lehre“, sagte Ildephons, „hat ihnen die Köpfe ganz verrückt, ober vielmehr, sie ziehen den ganz richtigen Schluß: Wenn man der Kirche und der geistlichen Obrigkeit nicht mehr zu gehorchen hat, warum dann noch der weltlichen? Und von dieser Seite werden die Bauern, man kann es nicht leugnen, wirklich hart gedrückt. Aber mit Gewalt und mit Verübung aller möglichen Frevel sich die Freiheit verschaffen wollen, das geht nicht. Weißt Du nichts Näheres von Pfarrer Manz in Ziegelbach? ich habe gehört, daß er seine Pfarrei heimlich verlassen habe.“
„Es ist leider wahr“, sagte der Verwalter. „Er konnte seine Bauern nicht mehr bändigen, ja war des Lebens nicht mehr sicher, und so ist er vor etwa drei Wochen in der Nacht heimlich davon geritten, und seitdem hat Niemand mehr Etwas von ihm gehört.“
„Das sind traurige Zustände“, sagte Ildephons, „welche gegenwärtig nicht nur in unserer Heimath, sondern überall herrschen! Da muß Gott nothwendig schwere Strafen und außerordentliche Züchtigungen über so ein Volk schicken, mit es wieder zur Besinnung zu bringen.“
Diese kamen dann auch wirklich, aber erst 100 Jahre später; so lang ließ, wie ehemals bei der Sündfluth, Gott ihnen Zeit zur Bekehrung. Im 30jährigen Kriege wurde durch Mord, Hunger und Pest fast die ganze Bevölkerung hinweggerafft, und dann erst konnte Religion und Sittlichkeit wieder festen Fuß fassen. Nachdem Ziegelbach 35 Jahre (von 1628 bis 1663) keinen Pfarrer mehr gehabt, lernte es die Priester wieder schätzen und leistete ihnen willig Gehorsam und ist heutzutage eine brave Pfarrgemeinde.
Am folgenden Tage sagte Konrad zu Pater Ildephons, daß er gesonnen sei, am Nachmittage das nur anderthalb Stunden entfernte, nördlich von Weingarten gelegene Frauen- [Frauenkloster]

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(Besuch Konrads in Kloster Baindt; Wiedersehen mit Adelgundis und Emma)

kloster Baindt zu besuchen: „eine unerklärliche Sehnsucht“, fügte er bei, „zieht mich nach jenem Gotteshaus, obschon ich es noch nie gesehen habe.“
„Jenes Kloster“, sagte Ildephons, „hat in dem Aufstand entsetzlich Viel gelitten; es wurde von den wüthenden Bauern fast ganz zerstört, und man kann sich denken, wie schlimm es dabei den Nonnen gegangen ist. Seit drei Jahren ist es aber wieder aufgebaut und fängt nett zu blühen an. Heute feiern jene Frauen, da sie dem Cistercienser-Orden angehören, gerade das Fest ihres eigentlichen Ordensstifters, des heiligen Bernhard.“
Dieß war dem Verwalter um so lieber; er machte sich daher nach Tisch auf den Weg, und zwar mit einer Empfehlung von dem Prälaten Gerwig Blarer an die dortige Reichs-Abtissin.
Freudig wanderte Konrad nun das reizende und obstreiche Schussenthal entlang, durch das schöne Dorf Baienfurt, dem neuerbauten Kloster Baindt zu, bei welchem er um 4  Uhr anlangte. Schon hörte er in der Kirche die Orgel ertönen, denn die feierliche Vesper, welche vom Beichtvater des Klosters gehalten wurde, hatte so eben begonnen. Konrad trat in die Kirche ein, in welcher eine größere Anzahl andächtiger Laien diesem Nachmittagsgottesdienste beiwohnte. Er konnte recht andächtig beten und war gerührt ob dem schönen und erhebenden Psalmengesang. Aber als dann am Schlusse das Salve Regina begann, welches von einer herrlichen Sopranstimme so schön und seelenvoll gesungen wurde, wie er in seinem Leben nie hatte singen hören, wurde er ganz entzückt und hingerissen, so daß, als die letzten Töne verklungen waren, und der Priester den Altar, und die Gläubigen schon die Kirche verlassen hatten, er immer noch in den Gesang vertieft dakniete. Er glaubte, eine Engelstimme vernommen, andererseits aber sie doch schon einmal gehört zu haben.

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Jetzt kam der Meßner mit seinem Schlüsselbunde daher und mahnte ihn, die Kirche zu verlassen, indem er die Thüre schließen müsse. Konrad erhob sich schnell, konnte es aber doch nicht unterlassen, den Meßner zu fragen, wer die Sängerin sei, welche das Salve Regina gar so schön gesungen habe.
„Es ist“, sagte der freundliche und geschwätzige Mann, „eine junge Klosterfrau, und zwar eine vornehme; und auch ihre Mutter ist bei uns im Orden. Sie sollen, wie ich gehört habe, von Ziegelbach sein.“
„Was? von Ziegelbach? und vornehm?“ rief Konrad im höchsten Staunen aus. „Wie lange sind sie denn schon im Kloster?“
„Ein paar Jahre“, antwortete der Kirchendiener; „seit nämlich das Kloster, welches von den lumpigen Bauern zerstört worden, wieder ausgebaut ist.“
„Sonderbar! ich bin noch kein ganzes Jahr von Ziegelbach fort und doch weiß ich Niemanden, der in den letzten Jahren in’s Kloster eingetreten ist“, sprach Konrad, dem die Sache, ich weiß nicht, soll ich sagen, immer unbegreiflicher, oder immer klarer wurde. „Im Kloster“, fuhr er fort, „muß ich Genaueres erfahren. Ich danke Euch für diese Nachricht.“
Eilig verfügte er sich nun an die Klosterpforte und sagte, daß er mit der Abtissin zu reden wünsche, er habe von Gerwig, dem Reichsprälaten von Weingarten, Aufträge und Empfehlungen an sie. Sogleich wurde er zu ihr geführt und recht freundlich empfangen. Nachdem er die Empfehlung ausgerichtet und der Aufträge, welche Abt Gerwig ihm nebenbei mitgegeben, sich entledigt hatte, sagte er: „Ehrwürdige Frau Reichs-Abtissin! ich nehme mir die Freiheit, Euch in einer mir sehr am Herzen liegenden Sache um gefälligen Aufschluß zu bitten. Ich habe so eben vernommen, daß in Euerem Kloster zwei Nonnen, eine Mutter und ihre Tochter, sich befinden, die von Ziegelbach sein sollen.“

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„Ja, diese sind in meinem Kloster“, sagte die Abtissin; „aber sie sind eigentlich nicht von Ziegeldach selbst, sondern sie waren nur Angehörige jener Pfarrei.“
„Sind es“, rief Konrad hastig, „etwa gar …? Nein, eine solche Hoffnung darf ich nicht hegen!“
„Es sind“, sagte die Abtissin, „ Frau und Tochter des gefallenen Ritters Braunhold von Krattenburg.“
„Ist’s möglich?!“ rief Konrad ganz erstaunt und entzückt; „sie leben noch? und Jahre lang hab’ ich sie als todt betrauert! O gnädige Frau, verzeihet, wenn ich in Euerer Gegenwart vor Freude weinen muß! Ich wurde in jener ausgezeichneten Familie gleichsam aufgezogen, wurde fast wie ein Sohn betrachtet und habe ihr meine Bildung zu verdanken; und so könnt Ihr euch denken, welch ein Schmerz mich ergriff, als in jener schrecklichen Nacht, in der das Schloß niedergebrannt, der Ritter und auch mein Vater getödtet wurden, Frau Adelgundis und ihre Tochter Emma spurlos verschwunden waren.“
„Ich begreife Euern damaligen Schmerz, Herr Schloß-Verwalter, sehr gut“, sagte die Abtissin, „und nehme eben so innigen Antheil an Euerer Freude, sie jetzt wiederzufinden.“
„Gestattet Ihr, gnädige Frau Reichs-Abtissin, daß ich sie sehen und sprechen darf, obgleich ich auf ein solches Wiedersehen noch gar nicht gefaßt bin?“
„Ja, das dürft Ihr“, erwiederte die Abtissin; „in einer Stunde kommt Ihr in’s Sprechzimmer, und unterdessen werde ich die beiden Frauen auf dieses freudige Wiedersehen selbst ein wenig vorzubereiten suchen. Ihr bleibt jedenfalls in  unserem Kloster über Nacht; in der Wohnung unseres hochwürdigen Beichtvaters wird für Euch alsbald ein Zimmer hergerichtet.“
Es war noch lange keine Stunde verflossen, als der Verwalter schon voll Erwartung und Aufregung im Sprechzimmer auf und abging, mit Sehnsucht und Bangen dem

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Augenblicke entgegensehend, in  welchem er die so innig geliebten, die so lange vermißten, die so schmerzlich beweinten Frauen wieder erblicken sollte. Jetzt traten sie ein. Die Seligkeit des Wiedersehens und die Frendenthränen zu beschreiben, unterlasse ich, denn da reichen Worte nicht aus, das muß empfunden und mitgefühlt werden. — Jetzt erst erfuhr Konrad von den Frauen, daß auch sie ihn für todt gehalten, daß besonders Emma ihn seither, fast wie ihren eigenen Vater, betrauert habe.
„Wie seid Ihr denn gerettet worden?“ fragte Konrad, „und wie kam es, daß man gar nicht wußte, wo Ihr hingekommen seid?“
Emma sprach: „Gott hat uns beinahe auf eine wunderbare Weise dem Tod entrissen; die Mutter soll es Dir erzählen, ich kann vor Freude, daß Du noch am Leben bist, nicht reden.“
Die Mutter erzählte nun Folgendes: „Während der Bestürmung unserer Burg hatten wir uns in den festen Thurm zurückgezogen. Als dann aber die Bauern den Befestigungswall schon erstiegen und uns ein Diener die schreckliche Nachricht brachte, daß mein Gemahl gefallen, und auch Du, kaum angekommen, getödtet seien, mußten wir auf unsere Flucht denken, konnten aber vor Schrecken und Verwirrung zu keinem schnellen Entschlüsse kommen. Jetzt stürzte ein Mann, mit der Streit-Axt in der Hand, zu uns herein. Wir  glaubten, er wolle uns ermorden und flehten ihn um Schonung an. Er aber sagte: „Ich thu’ Euch Nichts zu Leid, ich bin vielmehr gekommen, Euch zu retten. Ich bin Derjenige, welcher, wie Ihr werdet erfahren haben, unlängst den Pfarrer Penthaler dem Verderben überliefern wollte. Ich sah aber meine Schlechtigkeit eilt und bat ihn um Verzeihung; und er trug mir zur Sühne auf, ein Menschenleben, wenn ich Gelegenheit habe, zu retten; und nun will ich zwei retten, wenn’s mir glückt. Also nur schnell, daß Schloß

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brennt schon!“ Wir schenkten ihm Vertrauen; doch, weil die Burg rings von Feinden umgeben war, mußte er uns durch den heimlichen Gang führen, der weit unten am Berg in’s Freie führte. Kaum waren wir aber in dieses hinausgekommen, stießen wir gleich auf einen Bauern, der uns aufhalten wollte; doch unser Führer schlug ihn ohne weitere Umstände mit seiner Axt zu Boden, und eilte dann mit uns, so schnell er konnte, dem Thale zu, um bald weit von der Burg wegzukommen, deren Flammen immer hoher emporloderten und die Gegend erhellten und somit uns den Feinden hätten verrathen können. Erst als wir etwas sicherer waren, fragte uns der Führer, wohin wir gebracht zu werden wünschen. Ich bat ihn, uns nach Waldsee, in das dortige Kloster der Franziskanerinen bringen zu wollen, wo ich eine nahe Verwandte hatte, und wohin wir ein paar Tage vorher unser Vermögen in Sicherheit gebracht hatten. Aus unserer Flucht vermieden wir die Straße sorgfältig, um nicht entdeckt und angehalten zu werden, und gingen in aller Stille über die Felder dahin. Bevor wir bei Heidgau über den Berg stiegen, blickten wir zum letztenmal nach unserer brennenden Burg zurück und nahmen weinend auf immer von ihr Abschied.“
„Auch Dein väterliches Haus, lieber Konrad“, sagte Emma, „glaubten wir in Brand zu sehen; ist Deine Heimat wirklich abgebrannt?“
„Ja, meine Lieben!“ sagte der Schloßverwalter; „ich sollte in jener Nacht, wie Ihr, Alles verlieren.“
„Wir kamen“, fuhr Adelgundis fort, „glücklich in Waldsee und in unserer Zufluchtsstätte an, wo wir auch freundliche und theilnehmende Aufnahme fanden und lange wohnen durften. Da wir aber dort doch nicht für immer bleiben konnten, so entschlossen wir uns, in dem wiederhergestellten Kloster Baindt um Ausnahme zu bitten; wir erhielten sie und sind nun recht glücklich und zufrieden.“

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Hierauf erzählte der Verwalter auch seine Erlebnisse: seinen gefährlichen Gang nach Günzburg, die Schrecken jener unheilvollen Nacht, seine verzweiflungsvolle Lage, seine jahrelange Trauer um die Verlorenen und dann endlich die glückliche Wendung seines Schicksals durch des Freundes Vermittlung. „Aber jetzt erst“, sagte er am Schluß, „ist der Schmerz, welcher auch im Glücke mich quälte, aus meiner Seele gewichen, da ich Euch wieder gefunden habe. Ja, Emma!“ sagte er nun mit freudiger Rührung, „Gott hat es so gewollt: Der Stand hat uns geschieden, das Mißgeschick hat uns getrennt, und erst der Himmel wird uns miteinander vereinigen, und bis dorthin will ich ohne Lebensgefährtin, nur Gott und meinem Freund und Deinem Andenken meine Liebe schenken.
Am folgenden Tage konnte Konrad Mutter und Tochter, Eunomia und Cäcilia, wie sie jetzt hießen, noch einmal sehen, und er mußte versprechen, alle Jahre sie einmal zu besuchen.
„Ja“, sagte Konrad, „das werde ich, und zwar soll es, meint möglich, jedesmal am 20. August geschehen, am Feste des heiligen Bernhard, an welchem Tag ich Euch, die todt Geglaubten, wieder gefunden habe.“
Freudig kehrte der Schloßverwalter nun nach Weingarten zurück, um dem Freunde diese unerwartete Nachricht zu bringen und ihm sein seliges Entzücken, das für sein Herz allein zu groß war, mitzutheilen. Noch zwei Tage blieb er bei Pater Ildephons und dessen Eltern, welch letztere über diesen Besuch und die überraschende Nachricht sich nicht wenig freuten, und dann begab er sich wieder heim in die romantische Waldburg.

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23. Aus dem späteres Leben.

Da, wie ein Gebirgsbach, so lange er schäumend sich durch die Felsen windet und Wasserfälle bildet, wohl die Gegend verschönert und von manchem Naturfreunde bewundert wird, doch wenig Nutzen schafft, später aber, wenn er einmal die Ebene erreicht hat, ruhig und ziemlich unbeachtet dahinfließt, aber Wiesen bewässert, Mühlen treibt und Segen verbreitet; so verhielt es sich auch mit dem Leben unserer zwei Freunde, bei denen die romantische Zeit des Kämpfens und Ringens und Strebens jetzt vorüber war, und nun die Zeit des ruhigen Wirkens und der interesselosen Alltäglichkeit begonnen hatte. Und so wollen wir, nur noch Weniges erwähnend, zum Schlusse eilen.
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Mehrere Jahre waren seit jenem freudigen Wiedersehen in das Meer der Vergangenheit geflossen, als Verwalter Konrad auf’s neue wieder in Pater Ildephons drang, mit ihm eine Reise an den Bodensee zu machen, den er von seines Schlosses Zinne aus in weiter Ferne immer vor Augen hatte. Endlich wurde ein Tag zur Abreise festgesetzt, und dann auch mit dem Vorhaben Ernst gemacht.

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Es war ein herrlicher Morgen des Vorsommers, als sie mit einander Weingarten verließen und auf der schönen, durch lauter Obstgärten sich hinziehenden Straße der thurmreichen Reichsstadt Ravensburg zuwanderten. Und von dort ging’s weiter durch diesen schönen und gesegneten Theil Schwabens, der fast einem ununterbrochenen Garten gleicht. Zwei Studenten, die an einem reizendschönen Morgen mit einander ihre Ferienreie antreten, können nicht heiterer und vergnügter gestimmt sein, als unsere beiden Freunde es heute waren.
„Nicht wahr, mein Konrad“, sagte Pater Ildephons, „ein großer Unterschied zwischen dem heutigen Morgen und jener Schreckensnacht? Ein noch viel größerer Unterschied wird jenseits sein zwischen dem Zustande der Seligen und der Verworfenen und zwar auf ewig! Wir wollen daher zu den Ersteren zu gelangen, heute jedoch die Schönheit der Natur ungestört zu genießen suchen!“
So wanderten sie also fort, der Gegend zu, wo heut zu Tage Friedrichshafen steht; denn dort war das reizend am See gelegene Kloster Hofen, ein Priorat der Abtei Weingarten, gegenwärtig die Sommer-Residenz des Königs von Würtemberg [Württemberg].
Schon Mittags langten die beiden rüstigen Fußgänger in Hofen an und standen nun vor der herrlichen, vor der ungeheuren Wasserfläche, über welche die paradiesischen Höhen der Schweiz und der mächtige Säntis so einladend herüberschauten. Im Kloster wurde Pater Ildephons von seinen Mitbrüdern, wie es sich von selbst versteht, auf’s herzlichste empfangen, und nicht weniger sein Begleiter und Freund Konrad.
Wie entzückend fanden sie die Fernsicht, welche vom obersten Stocke des Klosters aus sich ihnen darbot! Wie viele schöne Ortschaften und merkwürdige Punkte erblickten sie hier, welche ein der Gegend sehr kundiger Pater ihnen zeigte! Rorschach, Romanshorn, die große Stadt Constanz mit ihrem gewal-

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(Hinrichtung des Müllerhans)

tigert Münsterthurme, die Bergfestung Hohentwiel, das romantische Meersburg, Langenargen mit dem Schlosse Montfort, die Inselstadt Lindau und ganz oben am Ende des Sees Bregenz, und in Mitte dieses Kranzes so schöner Ortschaften und Städte der unermeßliche Wasserspiegel!
Sie blieben ein paar Tage im Kloster Hofen und machten von hier aus verschiedene Spaziergänge und Wasserfahrten, an einem besonders schönen Tage auch einen Ausflug nach Bregenz. Dort bestiegen sie, da gerade ein recht heller und günstiger Tag war, den Gebhardsberg und genossen von dessen Felsengipfel aus jene wundervolle Aussicht, von der ein Dichter unserer Tage (Castelli) begeistert singt:
„Wer dieß geseh’n, kann unbekümmert sterben,
Für’s Auge hat er nichts mehr zu erwerben.“
Nachdem sie lange in diesem beneidenswerthen Genusse geschwelgt, und das Bergschloß Hohenbregenz, das auf dem nämlichen Berge lag, 100 Jahre später aber, nämlich im Jahre 1647 von den Schweden, diesen Verwüstern Deutschland’s, in die Luft gesprengt wurde, besichtigt hatten; verließen sie den Berg und wandelten dem Kloster Mehrerau zu, welches damals den Benediktinern gehörte. Hier, bei diesen lieben Mitbrüdern, wurde übernachtet und dann in alle Früh wieder abgereist.
Als sie nach Bregenz zurückkamen, wurde gerade ein Verurtheilter ans den Hinrichtungsplatz hinausgeführt, und da der Zug nahe an ihnen vorbei kam, erkannten sie zu ihrem größten Entsetzen den Müllerhans, der auch in der Seegegend Umtriebe geinacht hatte, von Grafen Montfort aber gefangen genommen und zum Tode verurtheilt wurde. Verwalter Konrad wollte die Hinrichtung mit ansehen, Pater Ildephons ging unterdessen in die Pfarrkirche, um für den Unglücklichen, von dem er ehemals viele Kränkungen erlitten, zu beten; aber sein Gebet war fruchtlos. Denn als Konrad vom Richtplatz zurückkam, berichtete er, daß Müllerhans

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ganz unbuß fertig gestorben sei. — Abends landeten sie in Hofen, und am folgenden Tage wanderten sie wieder der Heimath zu.
Joseph’s Eltern lebten noch lange und vergnügt in ihres Sohnes Nähe und erreichten im besten Wohlsein ein hohes Alter, besonders der Vater, welcher erst 11 Jahre nach der Mutter starb. Auch die ehemalige Rittersfrau  Adelgundis von Krattenburg, die spätere Nonne Eunomia, war schon heimgegangen, Pater Ildephons aber und Schloßverwalter Konrad kamen jährlich zum Bernhardusfeste nach Baindt und sprachen mit der frommen Frau Cäcilia dann gern von der Heimath und der Jugendzeit.
Pater Ildephons lebte in seinem Kloster ganz den Ordenspflichten und der Wissenschaft und unterrichtete die Studirenden nicht nur in den alten und neuen Sprachen und in der Naturkenntniß, sondern auch im Gesange; denn auch hierin hatte er es noch so weit gebracht, daß, als im Jahre 1547 das 500 jährige Bestehen des Klosters großartig gefeiert wurde, er die Festcantate und ein Singspiel, betitelt: „Welf II. oder die Stiftung des Klosters Weingarten“ dichtete, in Musik setzte und bei der Aufführung selbst dirigirte. Da dieses Stück allgemein ansprach, besonders aber dem Abte Gerwig ausnehmend gefiel, wurde Pater Ildephons zu einem zweiten ähnlichen Versuche aufgemuntert, und er dichtete und componirte auf den Blutfreitag des folgenden Jahres, das Hauptfest dieses Klosters, zu welchem jetzt noch jährlich zahllose Wallfahrer zusammenströmen, ein neues Singspiel, das „Longinus oder das heilige Blut des Erlösers“ betitelt war und nicht weniger gefiel, als jenes erste Stück.
Im Herbste des Jahres 1548 erhielt Schloßverwalter Konrad von Pater Ildephons einen Brief folgenden Inhaltes:
Liebster Freund!
Soeben von Einsiedeln zurückgekehrt, kann ich es nicht unterlassen, Dir mitzutheilen, welches Glück und welche Ehre

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im dortigen Gotteshause mir widerfahren ist. Denn ich weiß, daß, seit meine Eltern todt sind, an Dem, was mir Freudiges oder Trauriges begegnet, Niemand so innigen Antheil nimmt, als Du. Nun so wisse! Ich hatte das Glück, den 14. September, am hohen Feste der „Engelweihe“ in der heiligen Kapelle um 4  Uhr in der Früh bei herrlicher Illumination der Kirche und unter erhebender Musik das Hoch-Amt zu halten, eine Auszeichnung, welche bisher fast nie einem Anderen, als einem kirchlichen Würdeträger, einem Abte oder Bischofe, zu Theil geworden. Wie war mir, als ich vor Jahren in  diesem Heiligthume eine stille Messe lesen durfte zu Muth! und jetzt erst, als wir in feierlichem Zuge in dem herrlich erleuchteten Tempel durch die Tausende von Andächtigen aus verschiedenen Ländern vom Hoch-Altare aus zur heiligen Kapelle gingen und in dieses von Gold und Lichtern strahlende Heiligthum eintraten! Es kam mir da der Gedanke: So ungefähr muß es der auserwählten Seele sein, wenn sie zum erstenmal den Himmel betritt. Ferner dachte ich während der heiligen Handlung: Ist es Wirklichkeit? ist es möglich, daß unter so vielen Tausenden von Gläubigen, unter Hunderten von Priestern, die hier versammelt sind, ich in dieser Stunde die Hauptperson bin, ich der Elendeste und Unwürdigste von Allen? Auf meine Worte hin, die ich bei der heiligen Wandlung spreche, fallen Alle auf die Kniee, und vom Freiherrnberge aus donnern die Geschütze! Wie anders, als vor 29 Jahren, wo ich, bei meinem Gesuche um Aufnahme abgewiesen, in einer dunkeln Ecke hinten in der Kirche meinen Schmerz answeinte! So, lieber Freund, werden wir auch einst in des Himmels Seligkeit auf die Kämpfe und Leiden dieser Erde in freudiger Wonne zurückblicken. Lebe wohl!
Alle Jahre besuchte Pater Ildephons seinen Konrad auf der so herrlich gelegenen Waldburg, wo dieser wegen seiner Treue und Umsicht und wegen seiner allseitigen Tüchtigkeit

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beim Truchsessen in hohen Gnaden stand und fortwährend zu Rath gezogen wurde. Wenn dann die beiden Freunde an einem schönen Tage auf der Zinne des Schlosses standen und in weiter Ferne den Krattenberg mit seiner Ruine ein wenig unterscheiden konnten; dann sprachen sie gern und mit freudiger Rührung von ihren Knaben- und Jünglingsjahren und von der lieben Heimath, erinnerten sich dabei aber auch immer an „die Zigeunerhütte am Rohrsee.“

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Inhalts-Verzeichnis.

1. Eine Rittersfamilie.   S. 1         
2. Am Fuße des Berges.   S. 5
3. „Die alte Hexe.“   S. 12
4. Ein eigener Knabe.   S. 17
5. Der Hirte und feine Gönnerin.   S. 23
6. Die beiden Freunde.   S. 31            
7. Gemeinsame Jugendfreuden.   S. 35
8. Ohne Erfolg.   S. 43
9. Eine andere Zeit bricht an.   S. 50
10. Eine Gewaltthat.   S. 57
11. Endlich ein Schritt vorwärts.   S. 65
12. Der Abschied.   S. 72    
13. Das Gewitter ist im Anzug.   S. 77
14. Ein Krankenbesuch.   S. 82
15. Der Eilbote.   S. 88
16. Der Fall der Krattenburg.   S. 97
17. Eine verzweiflungsvolle Lage.   S. 104
18. Der Ordensmann.   S. 111
19. Große Gewalt wird niemals alt.   S. 117
20. Der Besuch.   S. 122
21. Neues Aufleben.   S. 128    
22. Wiedersehen.   S. 134
23. Aus dem späteren Leben.   S. 142

(Ende der Abschrift; Helmut Scharpf, 04/2017)

Urheber

Kaspar Kuhn

Quelle

Sammlung Helmut Scharpf

Verleger

Helmut Scharpf

Datum

1878-09-01

Rechte

gemeinfrei